Abbé Prévost d'Exiles
Geschichte der Donna Maria und andere Abenteuer
Abbé Prévost d'Exiles

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Abenteuer der Miss B.....

Miss B... war nur fünfzehn Jahre alt, als sie von ihrer Mutter in der Hoffnung nach London geführt wurde, dass eine sehr ausgezeichnete Erziehung, verknüpft mit den Reizen, die sie von der Natur erhalten hatte, in Ermangelung von Glücksgütern für ihre Versorgung ausreichen würde. Die Zurückgezogenheit, in welcher sie zwei Jahre über gelebt hatte, die man damit hingebracht, ihre alle Vollkommenheiten ihres Geschlechtes anzueignen, war schuld daran gewesen, dass sie in der grossen Welt nicht bekannt war; erst als sie sich im dritten Winter öffentlich zu zeigen begann, ward sie auf einmal der Abgott der Männer und ein Gegenstand des Neides bei allen Frauen. Natürliche Lebhaftigkeit ihrer Einbildungskraft, unterstützt von einer reizenden Einfachheit, machte sie allen, die sich an ihrer Unterhaltung erfreuten, ebenso liebenswert wie ihr frisches Gesicht und die Schönheit ihrer Gestalt denen bewundernswert erschien, welche sie nur erblickten.

Mit welchem Vergnügen sah nicht ihre Mutter so ihre süssesten Wünsche sich selber übertreffen! Sie schmeichelte sich bereits, dass sie unter allen reichen jungen Leuten der Stadt nur für sie zu wählen brauche. Eines bescheidenen Freiers Vorschläge brauchten nicht angehört werden und der Reichste ohne Titel wäre nicht würdiger gewesen, sie zu erhalten.

Es gab dort bald keine öffentliche Gesellschaft mehr, auf der Lucinde nicht erschien. Sprach man von einem Ball? Man konnte sie sicher dort finden. Sie war als erste zu ihm eingeladen. Von einem Konzert? Einer Oper? Man konnte sicher sein, sie auch dort zu sehen. Sie war ebenso häufig auf der Promenade im Park wie in der Kirche. Wo sie sich auch nur zeigte, zog sie die Blicke der ganzen Gesellschaft auf sich. Unter den jungen Leuten war es, um in den Ruf eines Galans zu kommen, Vorschrift, ihr Artigkeiten zu sagen, ebenso wie es notwendig war, sich ihr anzuschliessen und den Empfindungen nachzugeben, deren man sich nicht erwehren konnte.

Einer der eifrigsten war der junge Lord M. ... Da er wenig mit Glücksgütern gesegnet war, schmeichelte er sich nicht, dass sein Titel ein Grund sei, sich zu den Vorgezogenen rechnen zu dürfen; nichtsdestoweniger war er von einer heftigen Leidenschaft entflammt, und beschloss sie, koste es, was es wolle, zu befriedigen. Eine prachtvolle Gestalt, Anmut des Geistes und der Gebärden, ein schon durch hundert Abenteuer, welche ihn bei den Frauen in Aufnahme gebracht hatten, bekräftigtes Ansehen, endlich jenes Verdienst, welches Auszeichnungen in der Galanterie zur Folge haben, verschafften ihm bald den Vorzug, der seine Nebenbuhler zur Verzweiflung brachte. Geschmeichelt, dass er sie hatte beiseite schieben können, verhehlte er nur ihrer Mutter seine Erfolge und glaubte sich seines Sieges gewiss, zumal er sie ebenso eifrig wie sich das Verhehlen begünstigen sah. Ich übergehe tausend Begebenheiten, an denen List ebensoviel Teil wie die Liebe hatte. Damals machten in London die Gesellschaften in Vaux-Hall Furore, welche der italienischen Oper folgten und demselben Bedürfnis wie sie entsprachen. Ein grosser Garten, geschmückt mit einem Wäldchen und allem, was Vergnügungen begünstigen mochte, diente dem Hof und der Stadt zur Nachtzeit als Treffpunkt. Die Lust der Tanzereien und Gastereien dort wurde bei jedem Schritt durch das Licht einer verschwenderischen Menge Fackeln und Geräusch jeder Art von Musikinstrumenten vermehrt. Man liess es an Geschmack fehlen und es hiess sich der Welt begeben, wenn man nicht wenigstens einmal auf der Redoute von Vaux-Hall gewesen war. Miss B... hatte mehr Recht als jede andere, dort mit Glanz zu erscheinen, und ihre Mutter dachte nicht daran ihr diese Freude zu versagen. Da es indessen an einem Orte, der durch viele Abenteuer von Tag zu Tag berühmter wurde, die Wohlanständigkeit zu wahren galt, hatte man alle Leute von verdächtigem Alter von dieser Partie ausgeschlossen. Also machte sie sie mit Graubärten. Wer würde nicht geglaubt haben, dass sie dies nicht über alle Befürchtungen gestellt und vor allen Verdächtigungen geschützt hätte?

Man sah dort tatsächlich nichts, was züchtige Augen hätte verletzen können. Aber der junge Lord wusste nur zu genau, dass man in Vaux-Hall sein musste. Es gab dort ein Wäldchen, und in diesem Wäldchen dunklere Alleen, bedeckte Promenadenwege, welche nicht so hell erleuchtet sein mochten. Dorthin begab er sich einzig zu dem Vergnügen, Miss B... von weitem zu sehen, denn er wollte sich ihr wider ihren und ihrer Mutter Willen nicht nähern. Indessen fand er doch ein Mittel, ersterer zu sagen, dass er nur zwei Schritte von ihr entfernt sei und dass er nicht so nahe bei ihr zu weilen vermöge, ohne nicht einen Augenblick mit ihr zu sprechen. Er liess sich zur selben Zeit am Ende einer Allee blicken und das mit soviel Klugheit und grosser Vorsicht, dass sie die einzige der Gesellschaft war, die ihn bemerkte. Warum sich weigern, ihm zwei Worte zu sagen? Doch einzig zwei Worte, denn mehr konnte man sich nicht erlauben. Ein Vorwand war schnell gefunden, und die dunklen Alleen hielten für tausend schwierige Lagen her. Es ist sicher, dass Miss B. nur einen Augenblick fern war. Indessen sah sich ihre Mutter vor Ende der Saison genötigt, mit ihr in die Provinz zurückzukehren. Man zählte neun oder zehn Monate seit der Nacht der Redoute bis zu ihrer Rückkehr nach London. An welchem Ort der Welt ist die böse Nachrede nicht da, um alles zu vergiften? Man hat Miss B... durch so viele böse Redensarten und ihren Ruf beleidigende Gerüchte verletzt, dass sie, um allem ein Ende zu machen, sich entschloss, einen alten Kaufmann zu heiraten, der sich glücklicherweise bereit fand, die Lästerungen für nichts zu achten.

Die, welche um die Wahrheit des Abenteuers wissen, haben es für Miss B... sehr glücklich gefunden, dass es Leute eines solchen Charakters auf der Welt gibt, und glauben, sie würde noch glücklicher gewesen sein, hätte sie nicht der Vorliebe für die Redoute nachgegeben.


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