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Der junge Lord Amphile, welcher schon zu Lebzeiten seines Vaters von sich reden machte, als er im Alter von achtzehn Jahren mit einer Schauspielerin der Komödie ins Ausland floh, besitzt etwa drei Meilen von London einen sehr schönen Landsitz, um den seine hauptsächlichsten Güter herum liegen. Unter mehreren Pächtern gibt es dort einen sehr ehrenwerten und tüchtigen, der sich durch seiner Hände Arbeit einiges Vermögen erworben hat und, da er sein Weib verloren, mit einer einzigen Tochter zusammen lebt, die seinen ganzen Trost ausmacht. Diese Tochter, welche Louise hiess, galt für eines der liebenswürdigsten Frauenzimmer der Gegend und war nicht weniger schätzenswert um ihrer Klugheit willen als ihrer Schönheit wegen. Bei solchem Verdienst konnte es ihr nicht an Bewunderern fehlen, und mehrere ihrer Nachbarn hatten ihr bereits sehr günstige Anträge gemacht, aber sie hatte sich geweigert, sie ohne Einwilligung ihres Vaters anzuhören; da sie kaum siebzehn Jahre zählte, hielt sie sich noch für zu jung, um zu heiraten.
So lebte sie ruhig und in einer ihrer Schönheit entsprechenden Unschuld, bis Lord Amphile einige Wochen auf seinem Besitztum verbrachte, welches er seit fünf oder sechs Jahren nicht mehr betreten hatte. Bald hörte er von Louises Reizen reden, und nachdem er sich alles, was man über ihren Charakter sagte, hatte erzählen lassen, fasste er alsbald den Entschluss, sie zu sehen, um sie, wenn er sie fände, wie man sie ihm voller Freude schilderte, seinen Lüsten aufzuopfern. Er wählte dazu einen Tag, an dem, wie er sich hatte sagen lassen, der Pächter nicht zu Hause war, und vorgebend, dass der Zufall ihn hergeführt habe, um dem einen freundschaftlichen Besuch abzustatten, stellte er sich, wie wenn er es bedauere, nur seine Tochter anzutreffen. Als Louise erfahren hatte, wer er war, empfing sie ihn in einer unschuldsvollen Verwirrung, doch mit mehr Anmut und Höflichkeit, als er es von einer jungen Person ihres Standes erwartet hatte. Solches Benehmen befriedigte ihn ebensosehr wie ihn ihre Schönheit entzückte. Er unterhielt sich einige Zeit in ungezwungener und munterer Weise mit ihr, begrüsste sie höflich und verliess sie.
Von diesem Augenblicke an besuchte sie Mylord sehr häufig; doch sprach er nur unter vier Augen zu ihr von Liebe; und da er schnell zum Ziele kommen wollte, malte er ihr die Annehmlichkeiten Londons, wo er ihr vorschlug, mit ihm zu leben, auf das glänzendste aus. Louise fühlte sich in gleicher Weise durch seine Eroberung wie durch die Aussicht auf so viele Vergnügungen geschmeichelt, indessen liessen sie das Gefühl der Ehre und das der Ehrfurcht, welche sie vor ihrem Vater hatte, ihre Liebe überwinden. Mit welcher Vorsicht Mylord auch seine Pläne ins Werk setzte, sie konnten doch der Aufmerksamkeit des Pächters nicht gänzlich entgehen, der deswegen sogar Misstrauen seiner Tochter gegenüber bezeigte und sie mit aller Macht der väterlichen Liebe ermahnte, ein geheimes Einverständnis aufzugeben, welches ihr sicherlich früher oder später verderblich werden würde.
Louise bekannte ihm teilweise die Wahrheit und versprach, seine Ratschläge zu befolgen. Doch Mylords häufige Besuche, seine Gewandtheit, die Vorzüge seiner Unterhaltungen wie die seiner Person triumphierten über ein argloses und unschuldiges Herz. Sie konnte es sich nicht versagen, ihn zu sehen, ihm mit Vergnügen zuzuhören, und in der festen Ansicht, sein Herz könne unmöglich eine andere Sprache wie seine Zunge reden, liess sie all ihren Willen so sehr von ihm beeinflussen, dass sie vollkommen einverstanden war, die Flucht mit ihm zu ergreifen. Tag, Stunde, Ort, wo man zur Flucht sich treffen wollte, wurden mit solcher Vorsicht erwählt, dass man alles für unfehlbar hielt; doch einiger Verdacht, der in dem Pächter aufgestiegen war, liess diesen die Zusammenkunft durch andere Massnahmen vereiteln. Der in seiner Hoffnung getäuschte Mylord kehrte nach Hause zurück, ohne sich erklären zu können, von welcher Seite ihm die unvorhergesehenen Hindernisse entgegengestellt würden.
Noch überraschter war er am gleichen Tage den Besuch des Pächters zu empfangen, der ihm auf das bitterste sein Vorhaben vorwarf, ihm Schande und Schmerz durch das Verderben einer lieben Tochter zufügen zu wollen, welche die ganze Freude seines Daseins wäre. So harte und gerechte Anklagen beschämten den Schuldigen. Er verriet sich durch sein Erröten und durch seine Verwirrung. Er suchte sich zu retten, indem er die Anklage ein Hirngespinst nannte. Und erklärte, nichts habe seinen Gedanken ferner gelegen, es habe ihm Vergnügen gemacht harmlos mit Louise zu scherzen, und es sei nichts weiter zwischen ihr und ihm vorgefallen. Der Pächter wünschte, dass er tatsächlich nicht weiter gegangen wäre, beschwor ihn tränenden Auges, edelmütig zu sein und einem armen Greise nicht das einzige, welches seinem Herzen teuer wäre, zu rauben, und entfernte sich, ohne völlig beruhigt zu sein.
Wiewohl ein so rührender Besuch anfangs einigen Eindruck auf Mylords Herz gemacht hatte, war er doch zu verliebt und zu galant, um Menschlichkeits- und Tugendregungen über Leidenschaftsgefühle und über seine Lust am Vergnügen siegen zu lassen. Bereits am Abend desselben Tages fand er ein Mittel, Louise zu einer Zusammenkunft, die in seinem eigenen Hause stattfand, zu bestimmen. Da ihre Liebe ruchbar zu werden begönne, erklärte er ihr, sei es besser für sie, sich seiner Zärtlichkeit zu überlassen und ihr Ohr ihrem Vorteil zu öffnen, als immer wieder üble, neidische Reden anzuhören, ohne daraus irgendeinen Nutzen ziehen zu können; dass, was ihren Vater anlange, er diesem gern genug tun wolle, indem er ihm, seine Pachtung auf Lebenszeit schenke, und dass der gute Mann andererseits hinreichende Freude haben würde, wenn er seine Tochter immerdar geliebt und ihr Leben lang wie eine Königin behandelt werden sehe. Als Louise über die Kraft all dieser Reden nachdachte, legte man ihr Schweigen für eine stille Zustimmung aus. Man liess einen so günstigen Augenblick nicht unbenutzt. Man umarmte sie, man versprach ihr zärtlich und ewig treu zu sein. Das Vergnügen, welches solch reizende Versprechungen ihrer Leichtgläubigkeit bereiteten, liess sie vergessen, dass die Nacht herankam. Es war bald zu spät, um nach Hause zurückkehren zu können. Man bestürmte sie, die Nacht im Schlosse zu bleiben. Sie willigte ein. Leichtlich wird man urteilen, dass ihr Verderben nicht bis zum anderen Tage auf sich warten liess.
Nachdem der traurige Pächter den ganzen Abend in tödlicher Unruhe verbracht hatte, erkannte er nur zu spät, dass er seine Tochter verloren habe. Man versicherte ihm am folgenden Tage, man habe sie bei Mylord gesehen. Er verliert keinen Augenblick, um zu ihm zu gehen, und besteht hartnäckig darauf, ihn zu sehen. Sein von Kummer zerquältes Herz erleichterte sich anfangs durch einen Tränenstrom, dann zu den bittersten Vorwürfen übergehend, warf er ihm die Beleidigung vor, die er ihm trotz seinem stärksten und unverbrüchlichsten Ehrenwort angetan. Mylord vermeinte dieser Kleinigkeit in einem Augenblick ein Ende bereiten zu können, und dem Pächter erklärend, dass er während seiner ganzen übrigen Lebenszeit keinen Pfennig Pacht von ihm verlangen wollte, fügte er hinzu, dass ihn eine derartige Güte zweifelsohne über eine kleine Verdriesslichkeit, die er ihm verursacht habe, trösten würde. Der tugendhafte Pächter aber wies das Anerbieten mit gerechter Entrüstung zurück: »Nein, Mylord,« hub er zu seinem Herrn an, »ich verkaufe die Ehre meiner Tochter nicht, noch lasse ich mir Schande und Ruchlosigkeit vergüten. Sie haben mir eine tödliche Beleidigung angetan. Meine Rache ist Verachtung; und ich erkläre Ihnen hiermit, dass ich Ihre Gunst ebenso verschmähe, wie ich Ihre Macht nicht fürchte. Meine unglückliche Tochter, die Sie getäuscht haben, werde ich nicht wiedersehen. Zu spät wird sie's bereuen, es an dem mir gebührenden Gehorsam haben fehlen zu lassen. Und was Sie, Mylord, anbelangt, so bete ich zum Himmel, er möge so an Ihnen handeln, wie er in seiner Gerechtigkeit und Weisheit über die zu Gericht sitzen muss, welche die Ehre und Ruhe der Familien ihren Ausschweifungen opfern und sich ein Spiel daraus machen, einem unschuldigen Greis den Schmerzens- und Tränenweg zum Grabe hin zu weisen!«
Nach solchen Worten kehrte er ihm, seine Tränen verdoppelnd, den Rücken.
Kaum sah Mylord, dass er sich entfernt hatte, als er sich diesen verdriesslichen Auftritt leicht aus dem Sinn schlug und Befehl gab, ihm einen Wagen mit sechs Pferden bereit zu halten, in welchem er sich auf der Stelle mit seiner Geliebten nach London begab. Seit sechs Wochen, die sie dort mit ihm weilt, kostet sie alle Vergnügungen, die es gibt, aus, doch wenn man nach dem Lose mehrerer anderer junger Mädchen schliesst, die er eine nach der andern verführt hat, wird diese Glückseligkeit nicht lange währen. Bald wird es ihr Schicksal sein, den Fluten des Lasters dieser Stadt preisgegeben zu sein, und die Voraussage ihres Vaters wird sich nur allzu gewisslich bewahrheiten.