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Indem sich der Herzog von Friedland – vorzugsweise mit diesem Titel ward Wallenstein auch nach seiner Belehnung mit Mecklenburg bezeichnet – in all dem Wirrwarr entgegengesetzter Bestrebungen, bei dem ihm nicht wohl war, doch noch mit der Idee kriegerischer Unternehmungen trug, welche die Weltherrschaft seines Kaisers behaupten oder erweitern sollten, schwankte der Boden unter seinen Füßen.
Einzelnen äußeren Annäherungen zum Trotz wuchsen die Feindseligkeiten der Liga gegen ihn alle Tage stärker an. Im Frühjahr 1630 hielten die vornehmsten Stände dieser Verbindung einen Convent in Mergentheim, in welchem sie ihre Beschwerden auf das nachdrücklichste wiederholten. Hatten sie aber bisher auf eine Gleichstellung des »victoriösen« Heeres der Liga mit den kaiserlichen Truppen in Bezug auf die Quartiere gedrungen – wie denn auch jetzt die Anwerbung ligistischer Offiziere für den kaiserlichen Dienst ernstlich verboten wurde –, so blieben sie dabei nicht mehr stehen: sie forderten eine durchgreifende Reform des kaiserlichen Heeres, die sie in den beiden Punkten zusammenfaßten: die protestantischen Obersten sollten abgeschafft, zugleich aber auch die Direction der Armee geändert werden. Das heißt, sie wollten den General, der seines eignen Weges ging, verdrängen und die nicht katholischen Obersten, die er mit gutem Bedacht aufgenommen hatte, ausstoßen, da sich von ihnen in den Restitutionsbestrebungen kein Gehorsam erwarten ließ. Die Ligisten klagten, an sich nicht mit Unrecht, daß das Reich allenthalben aus den Fugen gewichen sei, keine Constitution berücksichtigt, namentlich Recht und Würde der Churfürsten nicht mehr geachtet werde; doch gingen die Folgerungen, die sie daraus zogen, und die Anträge, die sie darauf gründeten, weit über eine Abstellung der hervorgetretenen Uebelstände hinaus. Statt des verhaßten Feldhauptmanns sollte der Kaiser selbst die Heerführung übernehmen, wenn nicht in Person oder vielleicht durch ein Mitglied seines Hauses, dann durch einen angesehenen Reichsfürsten. Sie meinten den Churfürsten Maximilian von Baiern, den weltlichen Führer der Liga; dieser würde dadurch die volle Direction der nunmehr in vornehmlich religiöser Zusammensetzung constituirten bewaffneten Macht im Reiche in die Hand bekommen haben. Ueberhaupt hielten sie mit dem Gedanken nicht zurück, dem churfürstlichen Collegium, das ist seiner katholischen Mehrheit, die entscheidende Autorität im Reiche zu verschaffen. So weit wollte jedoch der kaiserliche Commissar, Anton Abt von Kremsmünster, später Bischof von Wien, die Hand nicht bieten. Man konnte dort zu keinem Verständniß gelangen. Die weiteren Erörterungen wurden auf die bevorstehende Zusammenkunft, den nach Regensburg ausgeschriebenen churfürstlichen Collegialtag, verschoben, von welchem dann – so baten sie im voraus – der Kaiser »passionirte Gemüther« fern bleiben lassen möge.
Den Collegialtag hatte der Kaiser vornehmlich in der Absicht berufen, um die Nachfolge seines ältesten Sohnes Ferdinand, der bereits zum König von Ungarn erhoben worden war, auch im Kaiserthum noch bei seinen Lebzeiten zu sichern. Es war sein dringendstes Anliegen; aber es leuchtet ein: da er dabei von dem guten Willen der Churfürsten abhängig war, so mußten ihre Gegenforderungen um so größeres Gewicht bei ihm erlangen.
Die in Mühlhausen von den katholischen Churfürsten formulirten Anträge waren auf die Restitution der geistlichen Güter und die Entfernung des Herzogs von Friedland von dem Oberbefehl der Armee gegangen. Der Kaiser hatte das erstere angenommen, und zwar durch eine eigenthümliche innere Regung seiner Religiosität bewogen: sollte er aber auch den General fallen lassen, der ihn erst zu einem selbständigen Kriegsherrn gemacht hatte? Für diesen sprachen, abgesehen von persönlicher Gunst, andere Gemüthsregungen, die dem Kaiser fast nicht minder tief gingen; es waren seine dynastischen Gefühle.
Bei weitem mehr als Maximilian und seine Linie, lebte Ferdinand II. in der Idee des Gesammthauses Oesterreich-Spanien. Schon Matthias hatte sich derselben mehr genähert, als Rudolf; Ferdinand aber verdankte sein Emporkommen in den Erblanden und im Reich ursprünglich einem noch engeren Einverständniß mit den Spaniern gegen Matthias selbst. Wenn die spanischen Subsidien auch nicht sehr reichlich flossen, so gewährten sie doch bei allen Unternehmungen eine wesentliche Beihülfe. Die Idee des Gesammthauses beherrschte die Politik in Madrid wie in Wien. Wie der spanische Minister Olivarez die Verbindung mit dem deutschen Oesterreich jeder anderen vorzog, namentlich, selbst zum großen Nachtheil des spanischen Handels, der Allianz mit England, so hielten hier die vorwaltenden Minister Ferdinands an der Verbindung mit Spanien fest, durch welche sie selbst emporgekommen waren. Der spanische Gesandte in Wien, der die Angelegenheiten der beiden Linien vereinbarte, war einer der mächtigsten Männer von Europa.
Meistentheils gingen nun die kirchlichen und die spanisch-österreichischen Interessen Hand in Hand mit einander, jedoch nicht immer.
In der pfälzischen Sache hätte Spanien, um mit den Stuarts in England nicht geradezu in Feindseligkeit zu gerathen, Concessionen von Seiten des Kaisers gewünscht, zu denen sich dieser wegen der Verpflichtungen, die er gegen die Liga und Baiern eingegangen war, nicht verstehen konnte. Wenn dagegen Ferdinand den Spaniern die österreichischen Besitzungen im Elsaß und die Unterpfalz einräumte, so regte er damit den Antagonismus der Macht zwischen Frankreich und Spanien auf, welcher die größte Schwierigkeit bildete, die der Erneuerung der Weltherrschaft des Katholicismus überhaupt im Wege stand und nun in die deutschen Angelegenheiten eingriff.
Denn indem Cardinal Richelieu die große europäische Opposition gegen das Haus Oesterreich wieder belebte, fand er auch Eingang bei den Fürsten der Liga. Daß das kaiserliche Scepter in Ferdinands II. Hand mächtiger geworden war, als einst selbst in der Hand Carls V., war den Spaniern sehr willkommen, aber den Franzosen unerträglich. Wir wissen, welch ein nachhaltiger Widerstand sich in den Fürsten der Liga, vor allem in den vier Churfürsten darüber regte. Frankreich und die Liga begegneten einander in dem Wunsch, die kaiserliche Macht einzuschränken. Wenn dann Frankreich dem Churfürsten von Baiern die Behauptung seines Churfürstenthums in seinem Hause zu ewigen Zeiten zusagte, so versprachen die Churfürsten dem König die Entwaffnung des Reiches und den Frieden in Italien; dem Cardinal fiel es auf, mit welcher ungewöhnlichen Entschiedenheit sie sich darüber ausdrückten Mémoires de Richelieu V, 318. .
Dem gegenüber erschien Wallenstein als der vornehmste Repräsentant und Verfechter des kaiserlichen Ansehens. Er hätte, wenn es möglich gewesen wäre, den Frieden mit Frankreich zu erhalten, die europäischen Waffen nach dem Orient zu übertragen gewünscht. Als nun der Streit mit Frankreich wieder losbrach, so lag es nicht an ihm, wenn der Krieg nicht in großem Styl in Italien geführt und durch eine Invasion in Frankreich unterstützt wurde. Er trug sich mit dem Gedanken, den Ausbruch der großen religiösen Feindseligkeit zwischen Katholiken und Protestanten durch Schonung der letzteren vermeiden und zugleich den Zwiespalt zwischen Liga und Kaiser durch persönliche Einwirkung auf die Führer zurückhalten zu können. Der Anfall der Schweden schien ihm für den Anfang nicht gefährlich, so lange er nicht von den Protestanten unterstützt werde. Vor allem mußte Frankreich selbst genöthigt werden, die Waffen niederzulegen. Darin beruhte die großartige, in der deutschen Geschichte unvergleichliche Stellung, welche er noch in den letzten Monaten des Jahres 1629 und den ersten des Jahres 1630 einnahm, daß er die für das Reichsoberhaupt errungene Macht, die Parteiung zurückdrängend, nach allen Seiten hin aufrecht zu halten, den Entschluß gefaßt und eigentlich auch den Beruf, selbst einen egoistischen Antrieb dazu hatte. In dem Uebergewicht seiner Armee im Norden und Süden von Deutschland lag zugleich auch die Autorität des Kaiserthums. Seine hochfahrenden Worte scheinen anzudeuten, als habe er eine Veränderung der Reichsverfassung beabsichtigt. Und wenigstens so viel ergiebt sich mit Sicherheit, daß er die weltliche Macht der Klerikalen überhaupt verwarf und sie zu verringern suchte, und daß er namentlich dem Churfürstenrath die Prärogative, die ihn über das Kaiserthum erhoben hätte, nicht zugestand. Die Summe der militärischen und politischen Gewalt vindicirte er dem Kaiser, der ihm durch eine rücksichtslose Ausübung derselben ein großes Reichsfürstenthum verschafft hatte. In der Hauptsache waren die Spanier, wiewohl es in den Nebendingen mancherlei Mißverständnisse gab, sehr mit ihm einverstanden. Sie wollten einen bewaffneten Kaiser in Deutschland, der sie in Italien unterstützen könne. Und auch am Hofe hatte man recht wohl das Bewußtsein, daß kein Anderer ein solches Heer im Felde zu halten fähig sei, als Wallenstein. Noch bestand allen Zwischenfällen zum Trotz jene Combination, die einst in dem Feldlager von Gradisca geschlossen worden, vor der Kaiser Matthias und Cardinal Klesel erlegen waren. Noch hielt sich Eggenberg in vollem Ansehen; wenn er sich, was nicht selten geschah, seiner Gesundheit wegen nach seinen Gütern in Steiermark begab, ersetzte ein unaufhörlicher Courierwechsel die persönlichen Conferenzen; keine Entscheidung von einiger Bedeutung ward gefaßt, ohne daß man seinen Rath eingeholt; Erfahrung und politischer Tact machten denselben unentbehrlich, und in der Regel wurde er befolgt. Von den inneren Reibungen der Großen des Hofes erfährt man, daß Trautmannsdorf und Meggau dem vorwaltenden Minister nicht selten widerstrebten; er setzte ihnen Männer von Geist und Talent entgegen, wie Anton Wolfrath Abt von Kremsmünster und Werda Freiherrn von Werdenberg, ihm vollkommen ergeben, die für die geschicktesten Mitglieder des geheimen Rathes galten. Werdenberg erschien als ein Günstling des Glückes: seit Kurzem waren ihm anderthalb Millionen Gulden zu Theil geworden. Die Familienverbindung der Harrachs, welcher Wallenstein von Anfang angehörte, übte noch ihren Einfluß aus; seine Kriegshandlungen und deren Erfolg, die Erwerbungen, die er möglich machte, die Geschenke, die er nicht sparte, verschafften ihm allezeit mächtige Fürsprache.
Man kann kaum von einer anderen Partei sprechen; aber eine andere von einflußreichen Persönlichkeiten verfochtene Direction der Politik gab es am Hofe. Sie beruhte auf den Reichshofräthen, welche die Reichsverfassung nur mit dem vollen Uebergewicht des katholischen Elementes suchten, den päpstlichen Nuntien, die ihr kirchliches Ansehen dem politischen der Spanier entgegensetzten, und den Beichtvätern, die in der Gelehrsamkeit und dem Eifer der Controverse mit der Ingolstädter Schule wetteiferten und den Kaiser bei seinen in der Jugend empfangenen Eindrücken festhielten Unterrichtend sind die Briefe Adam Schwarzenbergs über seine Mission nach Wien, August und September 1628, im geheimen Staatsarchiv zu Berlin. Da erscheint auch Klesel noch einmal, der aus der Verbannung wieder zurückgekommen war und von den geheimen Räthen viel consultirt wurde. Sie betrachteten ihn, so sagte er selbst, wie eine alte Registratur.. Der damalige Pater Confessor Lamormain, ein geborener Luxemburger, war von Rom aus noch besonders angewiesen worden, sich mit dem Nuntius einzuverstehen.
Die wichtigste Frage nun, über welche damals die Meinungen auseinandergingen, bildete die mantuanische Succession. Denn das ganze spanisch-österreichische System beruhte auf der Fernhaltung des französischen Interesses von Oberitalien, wo die Spanier Mailand besaßen und die kleinen Fürsten in Unterordnung hielten. Es erschien als eine Gefahr desselben, daß ein in Frankreich erzogener Prinz, Gonzaga Nevers, zum Besitz von Mantua, wozu die herkömmliche Erbfolge ihn berief, gelangen sollte. Die Spanier benutzten ihren ganzen Einfluß, um den Kaiser zu vermögen, seine kaiserliche Autorität, denn Mantua war Reichslehn, dawider einzusetzen.
Dagegen waren die Bevollmächtigten des römischen Papstes und die angesehensten Geistlichen am Hofe, welche die Sache des Nevers nicht allein für die gerechte hielten – was sie, denke ich, war –, sondern die Entzweiung mit Frankreich, weil sie die Interessen der Kirche gefährden werde, mißbilligten. In den vorläufigen Verabredungen der Liga mit Frankreich waren auch allerdings religiöse Momente begriffen, z. B. die Aufrechthaltung des Katholicismus auch in den Gebieten, die man den protestantischen Fürsten zurückgeben dürfte. Pater Lamormain sagte jedem, der es hören wollte, daß er dem Kaiser die Gefahr seiner Seele, in die er sich durch den Krieg stürze, vorgestellt habe, und man wunderte sich, daß er nicht aus seinem Amt geschieden sei, da er nicht durchdrang. Auch jener Domenico, der in der Prager Schlacht die katholischen Soldaten mit vorgetragenem Crucifix angefeuert hatte, und der für einen Heiligen galt, hatte sich mit freimüthigem Eifer dagegen ausgesprochen. Aber in dem Kaiser überwogen die politisch-dynastischen Betrachtungen; denn zuletzt sah er in der Uebermacht seiner Dynastie selbst eine Angelegenheit der Religion.
Noch einmal werden bei diesem Conflict die Briefe von Bedeutung, die Collalto, der das kaiserliche Heer in Italien commandirte, und Wallenstein, der noch in Deutschland verweilte, mit einander wechselten.
Sie waren beide Gegner des Restitutionsedicts gewesen und verbargen sich um so weniger die allgemeine Aufregung, welche dadurch entstanden war. Collalto war dennoch oder vielmehr ebendeshalb der Meinung, daß man den Krieg in Italien fortsetzen müsse. Denn dadurch beschäftige man Venedig, so daß es den Mißvergnügten in Deutschland kein Geld zukommen lassen, und Frankreich, so daß es keine Truppen nach Deutschland schicken könne; in Italien setze man die kaiserliche Gewalt über allen Zweifel hinaus fest. Er meinte, die Truppen der Liga und des Kaisers zusammen seien so stark, daß man sie in Deutschland nicht alle brauche; er wolle sie zu einem Angriff auf Frankreich verwendet sehen Instruttione al Collonello Piccolomini da riferir al Duca di Meckelburg li 5 Genaro 1630. Chlumecky, Regesten 329..
Wallenstein sah die Sachen nicht in so günstigem Lichte an. Auf den Gehorsam der Unterthanen in den Erblanden, auf den Collalto zählte, meinte er sich nicht verlassen zu können. In Norddeutschland und, wo er damals war, in Schlesien empfing er den Eindruck, daß nicht allein die deutschen Protestanten, sondern auch die Neubekehrten in den Erblanden in wachsender Erbitterung die Ankunft des Königs von Schweden auf das sehnlichste erwarteten, mit dem sie sich selbst auf die Gefahr des äußersten Verderbens verbinden würden. Die kaiserlichen Truppen, sagt er, dürfen keinen Ort verlassen, sonst lasse man dieselben gewiß nicht wieder ein. Die ligistischen seien gegen die Holländer unentbehrlich, der König von Frankreich ein mächtiger Monarch, der das Vertrauen von allen Katholiken in Italien, der Schweiz, vielleicht auch in Deutschland genieße Schreiben Wallensteins, Sagan 10. Februar, bei Chlumecky 208: wahrscheinlich an Questenberg. (Piccolomini war »dieser Tage« bei ihm gewesen.).
Im Gefühl der äußeren Verwickelungen und ihrer Beziehung zu den inneren änderte Wallenstein von Zeit zu Zeit seine Ansicht über das unmittelbar Vorliegende. Er tritt in Unterhandlung mit den Holländern ein und verspricht doch gleich darauf dem Könige von Spanien eine stattliche Kriegshülfe gegen die Republik. Einmal hat er sogar eine friedliche Abkunft mit Frankreich für rathsam und durchführbar gehalten. Aber bald darauf müssen alle diese Gedanken schwinden. Richelieu hat durch eine abermalige Invasion in Italien Piemont in die äußerste Bedrängniß versetzt und dadurch die Autorität des Hauses Oesterreich in der Lombardei in augenscheinliche Gefahr gebracht. Wiewohl unzufrieden mit dem spanischen Feldhauptmann Spinola, der seinen in Bezug auf die Verpflegung der kaiserlichen Truppen gegebenen Zusicherungen nicht nachgekommen war, spricht Wallenstein im Mai 1630 seine Meinung dahin aus, daß derselbe gegen Casale und der Herzog von Savoyen gegen die Franzosen unterstützt und den italienischen Fürsten die Ueberzeugung gegeben werden müsse, der Kaiser verlange nichts, als was gerecht sei. Jene Invasion brachte auch eine für den Kaiser vortheilhafte Wirkung hervor. Daß sich Richelieu Pinerolo's bemächtigt hatte, machte die italienischen Fürsten aufmerksam, wie gefährlich das Eingreifen der Franzosen in Italien selbst ihnen werden könne. Wallenstein hatte früher die Venezianer und den Papst bedroht; jetzt hielt er es für besser, alle Feindseligkeiten selbst gegen Venedig zu vermeiden. Sein Sinn wäre dahin gegangen, die Franzosen durch eine Diversion vom Elsaß her, zu der die Spanier von der anderen Seite mit Freuden mitgewirkt haben würden, in ihrem eigenen Gebiet zu beschäftigen. Dem aber widersetzten sich die katholischen Churfürsten, die ja dem König von Frankreich ihr Wort verpfändet hatten, daß er vom Reiche nicht angegriffen werden würde. Sie erklärten unverhohlen, daß man den König von Frankreich zu keinen weiteren Feindseligkeiten reizen sollte, und machten damit Eindruck auf den kaiserlichen Hof. Richelieu hatte dem Churfürsten von Baiern ausdrücklich danken lassen, daß er die Ausführung jener Absicht verhindert habe. Bei dem Schwanken der Verhältnisse und den entgegengesetzten Einflüssen konnte am kaiserlichen Hofe kein fester Plan ergriffen werden. Wallenstein klagt, der Eine ziehe her, der Andere hin, die größte Confusion trete ein; er habe mit den kaiserlichen Ministern mehr zu streiten als mit allen Feinden; Eggenberg könne nicht allen widerstehen, und schon mache man ihm den italienischen Krieg überhaupt zum Vorwurf; in ein paar Monaten aber werde man sehen, wohin man gerathe. Es gehört zu den kriegerischen Tendenzen gegen Frankreich, daß damals Unterhandlungen mit dem König von Schweden eröffnet wurden; es geschah zu Danzig unter dänischer Vermittelung. Wenn aber die Dänen dort selbst den Schweden mittheilten, der Kaiser habe in seiner Instruktion es vermieden, den König von Schweden zu nennen, ohne Zweifel, weil er das Recht Sigismunds III. auf den schwedischen Thron noch anerkannte: – wie hätte sich da an eine Vermittelung denken lassen? Und doch wäre die Verständigung nach dieser Seite hin entscheidend gewesen. Wallenstein fürchtete nicht so sehr den König selbst, als sein Einverständniß mit den norddeutschen Städten und den Mißvergnügten überhaupt, die mit ihm unter Einer Decke liegen; das, sagt er, mache ihm Gedanken. Da trat die Rücksicht, die der kaiserliche Hof auf die persönliche Freundschaft des Königs von Polen nehmen mußte, ihm beim ersten Schritt entgegen. Aber so war seine Stellung nun einmal. Noch an der Spitze des kaiserlichen Heeres, der vornehmste Repräsentant der kaiserlichen Autorität im Reiche und an sich gewillt, sie geltend zu machen, muß er jedoch jeden Augenblick empfinden, daß er die Situation nicht beherrscht. Seine Gedanken, über denen immer die große Idee schwebt, können doch nicht maßgebend sein; sie bewegen sich im Einzelnen den Umständen gemäß in verschiedener Richtung, finden jedoch in Folge anderer Beziehungen allenthalben Hindernisse. Im Mai 1630 beabsichtigte er nach München zu gehen, um noch einen letzten Versuch zu machen, sich mit Churfürst Maximilian zu verständigen; dann wollte er sich nach Memmingen begeben, von wo er seine Augen am besten nach allen Seiten richten könne.
Da traf ihn nun aber von eben der reichsständischen Potenz, der er sich zu nähern suchte, der längst vorbereitete, auf seinen Sturz angelegte Angriff.
Die katholischen Churfürsten in Person und die Bevollmächtigten der protestantischen versammelten sich Ende Juni 1630 in Regensburg, wo dann auch der Kaiser mit seinem ganzen Hofe eintraf.
Anfangs war noch viel von einer Fortsetzung des italienischen Krieges die Rede. Der Herzog von Guastalla war erschienen, um seine Ansprüche gegen Nevers geltend zu machen, wodurch die alten Gerechtsame des deutschen Reiches in Italien aufrecht erhalten werden würden. Den deutschen Fürsten stellte er vor, daß sie sich auf diese Weise am sichersten der überlästigen Soldateska entledigen würden. In diesem Sinne erklärten sich auch die Spanier. Ein spanischer Oberst Ajaza, der viel mit den brandenburgischen Gesandten verkehrte, wiederholte ihnen von Seiten seines Königs, daß derselbe als Reichsstand (im burgundischen Kreise) die Versuche der Franzosen, sich in die Reichsgeschäfte, denen sie fremd bleiben sollten, zu mischen, nicht zugeben könne. Von Wallenstein, der nun nach Memmingen gekommen war und von dort seine militärischen Befehle ergehen ließ, erzählt man, er habe auf die Aufforderung, selbst nach Regensburg zu kommen, mit einem seiner weitausgreifenden stolzen Worte geantwortet: er habe dort nichts zu suchen, sein wahres Quartier würde er in der Hauptstadt von Frankreich zu nehmen haben Ich benutzte hiefür die Berichte der brandenburgischen Gesandten, die jedoch so wenig wie die sächsischen in das Geheimniß der katholischen Majorität des Collegiums eingeweiht waren..
Das war aber nicht im entferntesten die Stimmung in der churfürstlichen Versammlung zu Regensburg.
Die Churfürsten fürchteten mehr von den spanischen, als von den französischen Eingriffen. Der Churfürst von Trier befand sich in offenem Zerwürfniß mit der spanischen Regierung und galt bereits damals für französisch gesinnt. Der neue Churfürst von Mainz, Anselm Casimir Wambold von Umstadt, war gegen den Wunsch des Hauses Oesterreich gewählt worden und wurde als ein entschiedener Gegner der spanischen Entwürfe betrachtet: die Verhandlungen der Liga leitete er in einem der kaiserlichen Politik entgegengesetzten Sinne. Der Churfürst von Cöln war übrigens gut kaiserlich; doch stand ihm das Interesse seines Hauses, des baierischen, und die churfürstliche Autorität allezeit höher. Wahrhaftes Erstaunen erweckt die Tiefe und Macht der Antipathie gegen Oesterreich, welche sich in den Churfürsten regte. Sie wollen jetzt keinen Kaiser wieder, der zugleich König von Ungarn: so viele Gewaltsamkeiten seien ihnen von dem Kaiser begegnet. In dem Sinne der Churfürsten des dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts ist davon gesprochen worden, daß man, wenn der Kaiser nicht nachgebe, nach den Reichsconstitutionen befugt sein würde, ihn abzusetzen: und wenigstens auf die Wahl eines römischen Königs, wie sie der Kaiser für seinen Sohn wünschte, einzugehen, hatten sie großes Bedenken. Was soll man sagen, wenn man erfährt, daß sie die Absicht aussprachen, lieber den König Ludwig XIII. zum römischen König zu wählen: denn der habe keinen Sohn und werde nicht daran denken das Reich erblich zu machen; er könne wenigstens dazu dienen, um die Krone dem Hause Oesterreich zu entreißen und sie für andere deutsche Fürsten zu retten; Louis XIII. sei muthvoll, wohlberathen und unternehmend; der Segen Gottes begleite ihn. Sie haben den alten Sleidan aufgeschlagen und die Rede, durch welche nach ihm der Churfürst von Trier die Wahl eines Königs von Frankreich empfohlen haben soll, dem französischen Gesandten mitgeteilt Mémoires de Richelieu V, 320.. Es geschah auf ihren ausdrücklichen Wunsch und Willen, daß der König eine Gesandtschaft an den Churfürstentag abordnete, um den Frieden mit dem Kaiser zu Stande zu bringen, die dann in die engsten Beziehungen zu den Churfürsten trat. In ihrer Mitte erschien der vielgewandte, mächtige, geheimnißvolle Capuzinerpater Joseph, der mit dem Abschluß eines besonderen geheimen Vertrages mit den Churfürsten betraut war, welcher die Grundlage von allem, was man verhandelte, sein müsse. Die beiden Hauptpunkte, die dabei zur Sprache kamen, waren auf der einen Seite Sicherung der Pfalz für Baiern, auf der anderen der drei Bisthümer für Frankreich: man suchte nach einem Ausdruck, der sie beide begriff. Baiern sollte sich nicht gegen die Franzosen erklären, wenn sie mit Spanien brechen würden; Frankreich genehmigte, daß dabei der Kaiser nicht erwähnt zu werden brauche, wofern man nur die Neutralität gegen Holland aufrecht halte. Diese Verhandlung, von welcher der eigentliche Gesandte Leon Bruslart nichts erfuhr, hatte für Richelieu noch mehr Werth, als der Friede mit dem Kaiser; er erklärte, jede Concession, die er in dem Frieden mache, geschehe nur aus Rücksicht auf Baiern. Man kannte diese Verhältnisse nicht: – wie würde sonst Wallenstein gehofft haben, Maximilian zur Theilnahme an seinen antifranzösischen Entwürfen fortzuziehen; – aber man empfand ihre Wirkung. Die Liga, ohne deren Mitwirkung der Krieg nicht weiter geführt werden konnte, drang auf den Frieden mit Frankreich.
Daß in diesen Tagen den Kaiserlichen die Eroberung von Mantua gelang, bildete eher ein Motiv dafür, als dagegen. Denn einmal wurde die kaiserliche Autorität dadurch so gewaltig erneuert, daß sie auch dann unerschütterlich bestand, wenn der Fürst, dem die Belehnung bisher versagt worden war, dieselbe nunmehr erhielt, unter Bedingungen, wie sie schon früher angeboten worden. Und zugleich mußte etwas geschehen, um die wegen der dabei vorgekommenen Gewaltsamkeiten aufgeregten italienischen Fürsten zu beruhigen. Man hätte sonst fürchten müssen, ihre Eifersucht gegen die spanisch-österreichische Macht könne noch einmal in helle Flammen ausbrechen.
Aber das wichtigste Moment für den Frieden lag doch auf einer anderen Seite. In dem Augenblick, als die kaiserlichen Truppen in einer großen militärischen Bewegung nach Italien und Frankreich hin beschäftigt waren und der Churfürstentag zusammentrat, welcher das Zerwürfniß zwischen dem Kaiser und den Ständen an den Tag brachte, landete der König von Schweden an der pommerschen Küste. Eben da setzte er an, wo es zwei Jahre früher der König von Dänemark versucht hatte, den Inseln Ruden und Usedom vorüber bei Peenemünde, indem er sich ebenfalls auf den Rückhalt an Rügen, das bereits in seine Hände gebracht war, und an Stralsund stützte, sowie im Vertrauen auf die Unterstützung der norddeutschen Population. Mit äußerster Anstrengung aller Kräfte hatte Wallenstein damals bei Wolgast die Dänen zurückgewiesen: den Schweden stand nur eine mäßige Heeresmacht gegenüber, die jeden Augenblick empfand, daß sie des Landes nicht mächtig war. An dem Churfürstentage selbst erschienen Gesandte des Herzogs von Pommern, welche die Hülfe des Reiches gegen den König, zugleich aber Erleichterung des Landes und Sicherung des Stiftes von Camin verlangten. Eine eingehende Resolution hierauf wäre bei den dortigen Stimmungen nicht einmal möglich gewesen. Man sieht, daß die veränderte Lage im Lande selbst das Gefühl der alten Selbständigkeit unter dem Schutz des Reiches und seine auf den Religionsfrieden begründeten Ansprüche erneuerte. Was aber in Regensburg nicht zu erreichen war, das bot der waffenmächtige König, immer unter ausdrücklichem Vorbehalt der Rechte des Reiches, von freien Stücken an: die Behauptung von Camin im Gegensatz mit dem Restitutionsedict, selbst die Herstellung der landesfürstlichen Autorität in Stralsund und militärischen Schutz. Im Gedränge zwischen der ohnmächtigen und doch drohenden, innerlich feindseligen kaiserlichen Macht und der vordringenden, religiös-befreundeten schwedischen entschloß sich der Herzog, »nun denn in Gottes Namen« die Truppen des Königs in Stettin aufzunehmen, das sie sogleich in Vertheidigungsstand setzten. Das Ereigniß machte den größten Eindruck auch auf Wallenstein, der in diesen Landschaften halbwegs zu Hause war; er sah mit Recht darin nur eben den Beginn einer allgemeinen Erhebung, die er immer vorausgesagt hatte. Aber auch noch eine andere Betrachtung regte sich in ihm. Was der Herzog von Pommern that, war bei weitem mehr, als die Herzöge von Mecklenburg verbrochen hatten; er erblickte darin eine Felonie, welche ein gleiches Verfahren begründe; er ließ den Kaiser wissen, er denke ihm ein Herzogthum zu verschaffen, das sich über siebenzig Meilen hin ausdehne. Seine imperialistischen Tendenzen erwachten noch einmal. Er meinte jetzt selbst, man müsse den italienischen Frieden schließen: Collalto werde sich ein Verdienst erwerben, wenn er ihn baldmöglichst zu Stande bringe Schreiben an Collalto, bei Chlumecky S. 241..
Wollte der Kaiser die Waffen zur Vertheidigung oder zur Weiterentwickelung der Macht nach Nordosten wenden, so mußte man im Süden und Westen Frieden haben. Die Parteien, die den Hof theilten, stimmten hierin zusammen. Die Gründe dafür waren die Unmöglichkeit, den Krieg ohne Theilnahme der Churfürsten zu führen, das Vorrücken der Schweden und die wachsende Macht der Holländer »Der schwedischen Mossa und der Holländer alleweil zunehmende und um sich fressende Gewalt.« Khevenhiller XI, 1199; eines der besten Stücke in dieser Sammlung.. Es kam nur darauf an, Bedingungen zu finden. Die Absicht regte sich, mit dem italienischen Frieden zugleich den Austrag der zwischen Spanien und Frankreich schwebenden Irrungen zu Stande zu bringen. Die vornehmsten Bevollmächtigten, der Capuzinerpater Joseph und der Abt von Kremsmünster, stellten beide die Idee der Union der katholischen Mächte, zu deren Durchführung auch die Beihülfe des Papstes in Anspruch genommen wurde, in den Vordergrund. Wäre aber so viel nicht zu erreichen, so wolle man wenigstens vermittelst der italienischen Pacification den Zustand des Reiches sichern und nicht etwa die Besorgniß aufkommen lassen, daß der König von Frankreich später doch direkt oder indirekt die Feinde des Kaisers in Deutschland unterstützen dürfte. Pater Joseph ging mit Eifer darauf ein; er forderte nur, obgleich sich seine Vollmacht nicht so weit erstreckte, daß man doch ohne Verzug zu näheren Verhandlungen schreiten möge: er wolle, sammt dem Gesandten, mit Leib und Leben dafür haften, daß der König alles approbiren werde, worüber man hier übereinkomme. Cardinal Richelieu hat sich damals allerdings bewogen gefunden, dem Gesandten, dem sein vertrautester Rath zur Seite stand, eine unbedingte Vollmacht zu ertheilen On envoye un pouvoir non limité à Mr. de Léon pour faire le traitté. Vers le 24. août 1630. Lettres de Richelieu III, 82. .
Waren nun aber die ersten Schritte, welche in jedem Geschäft die entscheidenden sind, zur Herstellung des Friedens in Italien im Sinne der Churfürsten geschehen, so erhoben diese in wachsendem Selbstgefühl auch ihre anderweiten Forderungen, den Beschlüssen von Mergentheim gemäß, auf das nachdrücklichste.
Sie verlangten vor allem, bei ihren von dem Reiche in seiner Machtfülle herrührenden Rechten und Hoheiten geschützt zu werden gegen Jedermann, der sie beleidige, wer es auch sei; sie brachten in Erinnerung, daß der Kaiser die von seinem Heer eingenommenen Länder nicht versetzen noch veräußern dürfe: das Reich werde dadurch in Kriege verwickelt, von denen ihm nichts bewußt sei. Hauptsächlich drangen sie auf die Abstellung der Gewaltsamkeiten, durch welche alle Reichsordnungen über den Haufen geworfen würden, namentlich der Contributionen, wie man sie bis jetzt eintrieb, und auf die Errichtung regelmäßiger auf die Kreise zu vertheilender Leistungen, wozu dann ein einheitliches Kriegsdirectorium nothwendig sei. Wallenstein, gegen den alle ihre Klagen zielten, sollte schlechterdings von dem Kriegsdirektorium entfernt werden. Der Kaiser hatte sich bisher dagegen gesträubt; er hatte nur einmal, als ihm die Sache besonders dringend vorgestellt wurde, geäußert: auf Cavalierparole, er werde dem Uebel abhelfen. Mit dieser Art von Ehrenwort aber ließen sich die Churfürsten nicht befriedigen. Sie gaben zu vernehmen, daß sie vor der Gewährung ihres Ansuchens zu keinen weiteren Verhandlungen schreiten würden. Der Kaiser, welcher gekommen war, um die Wahl seines Sohnes zum römischen König wenn nicht durchzuführen, doch in den herkömmlichen Weg einzuleiten, mußte nun die ihm geschehene Anmuthung ernstlich ins Auge fassen. Am 5. August ist dann darüber in einer geheimen Rathssitzung, welcher der Kaiser beiwohnte, Berathung gepflogen worden. Die Räthe waren der Meinung, daß die Vorwürfe, die man gegen Wallenstein erhob, ohne Mühe abzulehnen wären, wie denn derselbe immer zur Zufriedenheit des Kaisers gehandelt habe. Einige Aeußerungen über die Mängel der kaiserlichen Politik verwarfen sie mit Empfindlichkeit und Unwillen. Aber den Churfürsten in der Forderung, auf welche sie den größten Nachdruck legten, entgegenzutreten, hielten sie doch nicht für rathsam. Denn dann würde in der Körperschaft des Reiches kein weiteres Einverständniß zu erhalten, und hauptsächlich, es würde unmöglich sein, das Successionswerk, an welchem in diesen schwierigen Zeiten um so mehr liege, in Gang zu bringen und zu fördern. Mit der Entschließung meinten sie noch so lange zurückzuhalten, bis man mit dem Churfürsten von Mainz über die zu erwartenden Gegenleistungen gesprächsweise übereingekommen sei. Es scheint aber nicht, als ob man damit etwas erreicht hätte. Nachdem der italienische Friede auf eine Weise begründet worden war, daß man dort freie Hand zu behalten nicht zweifelte, hielten die Churfürsten den Augenblick für gekommen, ihre Forderung mit doppeltem Nachdruck zu wiederholen. Am 13. August fuhren die geistlichen Herren persönlich bei dem Kaiser vor, um ihm diesen Antrag zu machen. Sie überreichten ihm eine Denkschrift darüber. Persönlich gedrängt, sagte der Kaiser endlich: ja, er wolle das Kriegsdirectorium bei seiner Armada ändern Hurter – dem hierfür die Originalacten zustanden –, zur Geschichte Wallensteins 376. Die Mittheilungen Hurters sind von Lorenz: Oesterreichs Stellung in Deutschland 1858, Anmerkungen S. 29, aus denselben Acten wesentlich ergänzt worden..
Bald hernach ließ er den Churfürsten eine schriftliche Resolution nach ihrem Sinne zugehen; er forderte sie zugleich auf, ihm Mittel anzugeben, um den General mit Glimpf und Ehre und mit Versicherungen in persönlicher und sachlicher Beziehung zu entlassen.
Freier von persönlicher Ungnade war wohl nie eine Demission, als diese Entlassung Wallensteins aus dem Dienst. Zwei seiner besten Freunde am Hofe, die kaiserlichen Räthe Werdenberg und Questenberg, wurden an ihn abgefertigt, um ihm die Unvermeidlichkeit des gefaßten Entschlusses vorzustellen. Denn der Kaiser könne nun einmal die Assistenz der Churfürsten nicht entbehren; bei der neuen Einrichtung, die man dem Kriegswesen gebe, würde der General das Directorium nicht führen wollen.
Ganz so weit aber, wie die katholischen Churfürsten wollten, war der Kaiser nicht zu bringen. Eines Tages sagte einer ihrer Räthe den Brandenburgischen, es sei beschlossen, den Oberbefehl dem Churfürsten von Baiern zu übertragen. Diese, die an dem Verfahren gegen Wallenstein niemals Theil genommen hatten und die neue Combination vielmehr fürchteten als wünschten, fragten nur, ob sich kaiserliche Majestät gern dazu verstehen werde. Die Antwort war: der Kaiser werde sich dazu verstehen; wie gern, das könne man nicht sagen. Es wurde aber doch nicht durchgesetzt. Die Räthe des Kaisers machten die nachdrücklichsten und triftigsten Einwendungen dawider. Sie haben selbst aus der römischen Geschichte in Erinnerung gebracht, daß immer derjenige, welcher die Waffen in den Händen gehabt, auch das Kaiserthum an sich gerissen habe; – sie machten so viel Vorbehalte zur Behauptung der kaiserlichen Machtfülle über Krieg und Frieden, daß der Churfürst, der nicht schlechter gestellt sein wollte als Wallenstein gewesen war, auf das Generalat Verzicht leistete. Man kam überein, daß Tilly dasselbe zugleich im Namen des Kaisers und der Liga führen sollte.
Noch immer fuhr Wallenstein fort nach allen Seiten hin militärische Befehle zu erlassen, denn noch war der Friede in Italien nicht gesichert; er sagte wohl, wenn man den Frieden wolle, müsse man sich zum Kriege gerüstet halten. Mit dem größten Nachdruck drangen die Churfürsten darauf, daß ihm seine Autorität definitiv entzogen würde; sie wiederholten ihre Drohung, keine Geschäfte zu verhandeln, bevor das geschehen sei; – so wenigstens versichert der päpstliche Nuntius.
Es gab einen Gesichtspunkt, unter welchem der Herzog von Friedland sogar zufrieden damit war. Bei der ersten Nachricht von den in Regensburg gefaßten Beschlüssen sagte er, er werde dadurch von den Wirrsalen im Reiche erlöst, er komme damit aus einem großen Labyrinth Schreiben an Collalto vom 23. August (Chlumecky 242) in Bezug auf den in Regensburg gefaßten Entschluß.. Und wie oft war schon von seiner Abdankung die Rede gewesen; er hatte sie selber gefordert. Als er den Gesandten Audienz gab, die ihm seine definitive Abdankung ankündigten, hatte er eine lateinische Schrift neben sich, in welcher die Nativität des Kaisers und des Herzogs von Baiern, also die Constellation, unter der sie auf die Welt kamen, verzeichnet war. »Wie die Herren sehen,« sagte er ihnen, »die Sterne deuten an, daß der Geist des Baiern den Geist des Kaisers beherrschen wird.« Indem er sich aber in Bezug auf das Generalat unterwarf, aus Mißmuth über die allgemeine Verwirrung, oder auch aus astrologischer Grille, meinte er doch nicht etwa den ihm übertragenen Landen und Leuten und seinen reichsfürstlichen Rechten zu entsagen. Die beiden Gesandten versprachen ihm im Namen des Reiches und der Churfürsten alle Satisfaction. Hierauf äußerste Wallenstein die Absicht, Mecklenburg gegen die Schweden zu behaupten, wie das einem jeden Reichsfürsten zukomme sein Land zu vertheidigen. Die Abgeordneten wußten aber wohl, daß die Churfürsten das Recht Wallensteins auf Mecklenburg in Zweifel zogen, weil die über die Herzöge ausgesprochene Achtserklärung ungültig sei: unter den Motiven gegen seine Heerführung war bemerkt worden, daß er keine anerkannte reichsfürstliche Würde habe; sie machten den Herzog auf den schwebenden Rechtsstreit aufmerksam. Auch darin also, in der Handhabung seines großen Rechtes der Verfügung über die verwirkten Güter und Lande, gab Ferdinand II. den Ansichten der Churfürsten nach. Der General ließ ihn aufmerksam machen, wie viel er durch die neue militärische Einrichtung, durch die Verringerung seiner Armee verliere: die Armee sei der beste Juwel in seiner Krone. Er hoffte ihn noch bei seinem eigenen Interesse festzuhalten und erwartete einen eingehenden Bescheid von ihm. Daß ein solcher nicht erfolgte, daß er überhaupt gar keine Antwort bekam, war die vornehmste Kränkung, die er erfuhr, und die ihn auf das tiefste verwundete. So sehr er dieselbe in sich zu verschließen suchte, so ließ er doch das Wort verlauten, er werde dem Hause Oesterreich ferner nicht dienen. Denn durch diese Dienste hatte er sich seine reichsfürstliche Würde und seine Ausstattung mit einem großen Herzogthum erworben, welche die vornehmste Befriedigung seines Ehrgeizes ausmachte, die man nicht mehr anerkannte. Er löste den prächtigen Hofhalt auf, der ihn umgab, und verfügte sich nach Gitschin, dem vornehmsten Platz seiner böhmischen Besitzungen.
In Italien ward nun ein Stillstand verabredet; die kaiserlichen Befehlshaber wurden angewiesen, ihre Befehle nur unmittelbar von dem Kaiser anzunehmen; ein Theil der Armee ward entlassen, der größere unter den Oberbefehl Tilly's gestellt.
Die Kaiserlichen hatten die Hoffnung gehegt, daß die Anführung der Truppen dem jungen König übertragen werden würde, den sie zum Nachfolger erhoben zu sehen erwarteten: ein solches Amt werde die römische Krone wie ein Kleinod zieren – der Kaiser wäre dadurch für die Entlassung Wallensteins entschädigt worden –; aber die Churfürsten hatten, wie berührt, ihren Mitchurfürsten, den Herzog von Baiern, empfohlen: der Kaiser mußte glücklich sein, daß man ihm Tilly zugestand.
Es war ein vollkommener Sieg des churfürstlichen Interesses über das kaiserliche. Ferdinand II. verdankte den Churfürsten noch mehr als den Spaniern. Sie hatten ihn seiner religiösen Haltung wegen auf den Thron erhoben, mit Vorbehalt ihrer Prärogative; er hatte dann durch Wallenstein einen Versuch gemacht, sich über dieselben zu erheben und das Kaiserthum im alten Sinne zu erneuern. In dem Augenblick, als von der Wahl eines Nachfolgers die Rede war, nöthigten sie ihn in der Hauptsache davon abzustehen.
Es läßt sich nicht anders erwarten, als daß die Churfürsten im Besitz dieses entscheidenden Uebergewichts nun auch jenes Edict über die geistlichen Güter, zu dem sie ihn bewogen und gedrängt hatten, zu voller Ausführung zu bringen beflissen waren. Die Politik Wallensteins ist so eng mit dieser wichtigsten aller Fragen verflochten, daß wir ihrer in seiner Geschichte nochmals gedenken dürfen.
Die beiden weltlichen Churfürsten, Sachsen und Brandenburg, waren mit aller Entschiedenheit gegen das Edict. Noch vor der Eröffnung des Churfürstentages hatte Sachsen dem Hofe zu Wien eine Aufforderung, davon abzusehen, in so starken Ausdrücken vorlegen lassen, daß der Reichsvicekanzler sie dem Kaiser vorzutragen Anstand nahm. Die Gesandten hatten den Befehl, keiner Deliberation darüber im Churfürstenrath beizuwohnen, damit sie nicht durch ihre Anwesenheit die Beschlüsse der Majorität zu bekräftigen schienen; dem sich anzuschließen, hielten auch die brandenburgischen Gesandten für rathsam: denn würden sie erscheinen und dann den Beschlüssen der Uebrigen widersprechen, so würde das doch nicht die mindeste Wirkung haben. Man erkennt den damaligen Zustand der Verfassung. Die katholischen Churfürsten, durch die Anwesenheit der übrigen Ligisten verstärkt, hielten ihre besonderen Conferenzen mit den kaiserlichen Räthen, über deren Ergebniß den protestantischen späterhin Mittheilung geschah. An den Verhandlungen mit Wallenstein hatten diese keinerlei Antheil; sie empfingen selbst, wie die Protokolle ausweisen, keine rechte Kunde davon. Wäre es auf sie angekommen, so würden beide Armeen aufgelöst und mit dem König von Schweden ein Friede vereinbart worden sein, – wie namentlich der Churfürst von Brandenburg beantragte, unter der Bedingung der Herstellung des alten Zustandes der Dinge in den Kreisen Obersachsen und Niedersachsen, d. h. in Norddeutschland überhaupt. Damit würde auch der König von Schweden zufrieden gestellt worden sein.
Wie wäre aber bei dem Uebergewicht der katholischen Fürsten daran zu denken gewesen, daß sie so nahe an dem Ziele, das sie seit einem halben Jahrhundert verfolgt hatten, davon zurückgewichen wären?
Indem der Kaiser den Churfürsten von Sachsen zur Theilnahme an den Rüstungen gegen Schweden einlud, fand er rathsam, auch dieser Frage zu gedenken; er erklärte sich bereit, den gütlichen Mitteln, die ihm von dem Churfürsten vorgeschlagen werden würden, Statt zu geben. Zu einer eigentlich collegialen Erörterung ist es auch dann nicht gekommen, wohl aber zu einer vermittelnden Verhandlung. Der Schwiegersohn des Churfürsten, Landgraf von Darmstadt, und einige andere Stände aus verschiedenen Kreisen, haben der mainzischen Kanzlei eine Reihe von Punkten eingereicht, deren Gewährung für die Erhaltung des inneren Friedens nothwendig sei; nach einiger Zeit erfolgte die Antwort aus der mainzischen Kanzlei darauf, allerdings mit dem ausdrücklichen Vorbehalt der Unverbindlichkeit; – doch ist es der Mühe werth, der Momente zu gedenken, von denen die Entscheidung abhing.
Ueber die Mediatstifter schien eine Vereinbarung, so schwer sie sonst sein mochte, noch im Bereiche der Möglichkeit zu liegen, dagegen nicht in Bezug auf die reichsunmittelbaren Stifter, auf die doch den reichsfürstlichen Häusern das Meiste ankam.
Die Protestanten, die sich überhaupt nicht auf den passauischen Vertrag verweisen lassen, sondern an dem Datum des Religionsfriedens festhalten wollten, waren nicht abgeneigt, alle die Stifter, die erst nach demselben eingezogen worden, zurückzugeben, nicht aber die, welche vorher eingezogen worden seien; für die, in welchen damals ein gemischter Zustand obgewaltet, verlangten sie die Herstellung eines solchen. Brandenburg und Sachsen machten überdies auf eine Ausnahme Anspruch: die volle Herstellung des Zustandes von 1621 und eine Versicherung des Besitzes, wie er damals Statt gehabt hatte, auf fünfzig Jahre, – sollte dann eine Klage gegen sie erhoben werden, die Erörterung derselben vor dem paritätisch eingerichteten Kammergericht.
Die Concession zu Gunsten der beiden Churfürsten, auf die für den Augenblick das Meiste ankam, verwarfen die Katholiken nicht schlechthin, und es hat wenig zu bedeuten, wenn sie die Zeit beschränkten; aber sie behielten sich ihren Begriff von der Reichsverfassung vor; die Erörterung sollte auch alsdann vor dem Reichshofrath und dem Kammergericht nach der herkömmlichen Form stattfinden. Von einem paritätischen Gerichte wollten sie nichts hören. Die Herstellung der Immediatstifter forderten sie aber unbedingt, gleichviel ob sie vor dem passauischen Vertrag oder nach demselben eingezogen worden, und ob damals zum Theil schon die kirchliche Reformation daselbst eingedrungen gewesen oder nicht.
In diesem Anspruch liegt das vornehmste Moment. Darauf beruhte die Herstellung des katholischen Bekenntnisses in den norddeutschen Gebieten überhaupt, sowie das Interesse der fürstlichen Häuser. Man hat wohl gesagt, diesen würden die Stifter in ihrer Nachbarschaft wie vor Alters wieder zu Theil werden, wenn Gott sie erleuchte, d. h. wenn sie zum Katholicismus zurückkehren würden.
Was wäre in dem Augenblick des schwedischen Einfalles nothwendiger gewesen, als die beiden nordischen Churfürsten sicher zu stellen und sie zu eifriger Theilnahme gegen denselben zu vermögen?
Wohl wäre der Kaiser, wenn Sachsen und Brandenburg ihm in seinen stiftischen Prätensionen nicht mehr widerstrebt hätten, auch seinerseits geneigt gewesen, sie in ihren besonderen Forderungen zu begünstigen. Richelieu behauptet zu wissen, daß der leitende Minister des kaiserlichen Hofes daran gedacht habe; allein schon war man in Wien nicht mehr mächtig genug dazu.
Der päpstliche Nuntius Pallotta setzte sich der Suspension der Wiederherstellung der Güter und der vermittelnden Auskunft, welche in Bezug auf Sachsen und Brandenburg im Werke war, eifrig entgegen. Er verwarf die Erneuerung des Vertrages von Passau, welchen der römische Stuhl nie anerkannt habe. Und wenn dann in Deutschland von der Verwendung des Einkommens der eingezogenen Güter zu anderen als kirchlichen Zwecken die Rede war, so wollte er auch davon nichts hören. Wie man damals von Staatsraison redete, so sprach man auch von einer Ragione della Chiesa als der allgemeinen Regel des kirchlichen Verhaltens, die den Ansprüchen des Kaiserthums und der weltlichen Gewalt nicht viel weniger entgegenlief, als dem Protestantismus. Der Nuntius verwarf eine gemischte Commission aus Kirchlichen und Weltlichen, die zur Prüfung der bereits geschehenen Provisionen des römischen Stuhles errichtet war, und wenn am Churfürstentage zwar nicht von der Wahl eines römischen Königs, aber doch von der Vorbereitung einer solchen die Rede sein sollte, so brachte der Nuntius die Ansprüche, die der römische Stuhl von jeher auf Bestätigung einer solchen Wahl machte, mit allem Nachdruck in Erinnerung.
Die Herstellung der kirchlichen Autorität in dem beabsichtigten Umfang wäre mit der Herstellung der geistlichen Güter und der alten Hierarchie verbunden gewesen.
Der päpstliche Stuhl hielt auch die geringste Concession für verderblich und übte auf die Beschlüsse der katholischen Churfürsten allezeit einen maßgebenden Einfluß aus. Der Nuntius rühmte sich seines Verständnisses mit dem Churfürsten von Baiern und der guten Wirkung, die dadurch erzielt worden sei. Sämmtliche Churfürsten haben ihm zugesagt, in allen Dingen, betreffend die Autorität des römischen Stuhls, die kirchliche Gerichtsbarkeit und die Ausbreitung der katholischen Religion, mit ihm zusammenzuhalten.
Zu weiterer Erörterung des obengedachten Vermittelungsvorschlages war eine Zusammenkunft in Frankfurt am Main angesetzt, bei der zugleich der Wahl halber auch die Churfürsten von Sachsen und von Brandenburg erscheinen sollten. Papst Urban hörte mit Mißbehagen von einer Conferenz zwischen Katholiken und Protestanten und nahm sich vor, sie mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln zu hintertreiben Questa mescolanza di cattolici con eretici non piacque in modo alcuno ad Urbano, sicche si pose in animo quanto gli fosse possible di distornarla. – Ich benutze die Berichte des Nuntius sowie der brandenburgischen Gesandten, ohne sie jedesmal im Einzelnen zu citiren..
Die Protestanten, die von den Verhandlungen innerhalb der katholischen Kreise keine Ahnung hatten, fühlten doch, daß alle Concessionen, die man ihnen etwa zugestände, durch den Einfluß des päpstlichen Stuhls rückgängig gemacht werden könnten Schreiben vom 7. Juli: »kann der Papst ebensowohl die Sincerationes (die Zusicherung) cassiren, als er die Brehmischen cassirt hat.«.
Wohl vernahmen sie noch von dem kaiserlichen Vicekanzler, daß man einen Unterschied zwischen den Immediat- und den Mediatstiftern machen werde: bei den ersten könne der passauer Vertrag nicht beobachtet werden, wohl aber bei den letzten. Es wäre eine sehr ungenügende Abkunft gewesen, aber zugleich eine höchst unsichere. Die an Würtemberg gemachten Eröffnungen bewiesen, daß man auch bei den Mediatstiftern nicht darauf Rücksicht nehmen werde, ob sie vor dem Vertrag eingezogen worden oder nicht. Man sagte gerade heraus, dieser Vertrag sei durch die Waffengewalt erzwungen, und man habe nicht die Verpflichtung ihn zu halten. Auch die exceptionelle Stellung, die für Brandenburg und Sachsen in Aussicht gestellt worden war, würde keine Haltbarkeit gewonnen haben: die herrschende Ansicht war, daß alle kirchlichen Güter wieder herausgegeben werden müßten.
In diesem Sinne predigte besonders Pater Weingarten in Regensburg in Gegenwart des Kaisers und der katholischen Fürsten. Er führte aus, daß Kaiser Carl V. für seine Connivenz in Bezug auf die Besitzthümer der Kirche und den Fortschritt des Protestantismus, überhaupt durch den Umschlag seines Glückes und die Nothwendigkeit, das Kaiserthum schimpflich abzugeben, bestraft worden sei; in der Aufregung der Rede warf er sein Barett auf die Kanzel mit den Worten: »werde Seine jetzt regierende kaiserliche Majestät die entwandten geistlichen Güter nicht herstellen, so werde ihn Gott strafen.«
Der Einbruch des Königs von Schweden, weit entfernt in diesen Absichten irre zu machen, bestärkte vielmehr darin. In Kurzem glaubte man seiner Herr zu werden: wehe dann seinen Anhängern. Man freute sich im Voraus der Confiscationen, die über sie verhängt werden würden; denn der Beschluß sei gefaßt, keinen Frieden mit dem König von Schweden einzugehen. Daß sich dieser Mecklenburgs annehme, wäre noch zu dulden, aber nicht, daß er sich der Ausführung des Restitutionsedicts widersetzen wolle; man werde ihn schlagen, diesen angeblichen Liberator, diesen evangelischen Maccabäus; dann werde der Partei nicht weiter zu helfen sein, man werde auf ihre Ausrottung gedenken. So ließ sich besonders der Churfürst von Trier vernehmen. »Wenn die Schweden geschlagen seien, so würden die Evangelischen ihr Felleisen packen müssen, denn im Reich werde man sie nicht dulden.« Es erweckte Erstaunen, daß gegen die Schweden keine ernstlichen Vorkehrungen getroffen wurden; Truppenzüge, die ihre Richtung nach Osten hin genommen hatten, sah man bald nachher nach Westen hin abrücken; es scheint als habe man Handlungen der Feindseligkeit von Holland her gefürchtet; »indeß,« so wollte man von Stralendorf gehört haben, »möge der König von Schweden nur weiter heraufkommen; möge sich zu ihm schlagen, wer da wolle: kaiserliche Majestät werde dadurch Gelegenheit zu neuen Confiscationen erhalten.«
Die Gewaltmaßregeln waren in vollem Zuge. Die, welche gegen den Kaiser gedient hatten, wurden mit Confiscation heimgesucht – damals auch solche, die einst unter der Union Dienste geleistet hatten, wie Friedrich von Mons, Kraft von Hohenlohe –; man hatte ein Verzeichniß Aller, die sich jemals gegen den Kaiser erklärt hatten, der Anhänger des Königs von Dänemark, des Bischofs von Halberstadt und anderer Gegner; Leute waren darin verzeichnet, die sich sehr sicher wähnten; bei Berechnung der Kosten der Truppen und ihrer Aufbringung spielten die Erträge der zu erwartenden Gütereinziehungen immer eine große Rolle.
Was waren das für Proceduren, die soeben im Reich über die alten Widersacher, z. B. über Braunschweig-Wolfenbüttel, verhängt wurden!
Um Tilly's Dienste zu belohnen, hatte der Kaiser demselben eine Schenkung von 400,000 Rthlrn. gemacht, mit denen er hauptsächlich auf den Grund einer von Dänemarck abgetretenen Schuldforderung an Friedrich Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel auf dessen Landschaft angewiesen wurde. Vergebens stellte Friedrich Ulrich die ganze Schuld in Abrede. Dem Grafen Tilly wurden dafür sieben fürstliche Aemter erblich zuerkannt, aber auch noch eine Anzahl anderer auf so lange in Besitz gelassen, bis die Agnaten jene Alienation anerkannt haben würden. So lautete eine Verfügung der Hofkammer, welche anfing sich in diese Angelegenheiten zu mischen So die brandenburgischen Gesandten, 29. Sept. 1630: Tilly werde auch so die übrigen Aemter behalten, »sintemal der Consenß schwerlich erfolgen wird.« Die Erhebungen bei v. d. Decken über diese Sache sind noch unvollständig..
Die Churfürsten waren mehr für die Restitution der geistlichen Güter, in der der Kaiser vielleicht einiges nachgegeben hätte; der Kaiser bestand auf seine Confiscationen, welche die Churfürsten zu beschränken wünschten: aber im Allgemeinen wirkten sie beide zusammen.
Der Kaiser konnte sich der Restitution doch niemals widersetzen, da er an der Einziehung der Erzstifter ein so großes Interesse hatte; wenn es darüber mit den Churfürsten zu mancherlei Zerwürfnissen kam, so war das den kaiserlichen Räthen nicht gerade unangenehm, weil sie dann den Kaiser um so mehr ausschließend in ihrer Hand behielten.
Immer in Geldverlegenheit, traf der kaiserliche Hof eben Anstalt, die Reichsstädte als Hypothek seiner Anleihen einzusetzen; mit Ulm wurde der Anfang gemacht.
Die Kirchengüter zum Vortheil der Liga und des Kaisers zurückgegeben, die Besitzthümer der protestantischen Fürsten confiscirt, die Lehen eingezogen, die Reichsstädte zur Hypothek der Schulden der kaiserlichen Regierung gesetzt: – in dieser Gestalt erschien die Ausbreitung des Katholicismus über die evangelischen Gebiete. Es waren die Umstände, unter denen Gustav Adolf in Deutschland auftrat.
Nimmermehr konnte man erwarten, daß die protestantischen Fürsten, die bei dem Fortgang des eingeschlagenen Systems ihren Ruin vor Augen sahen, sich dem König entgegensetzen würden.
Alles überlegt, meinten die eifrig Katholischen ihrer auch nicht zu bedürfen; wenn man nur durch den französischen Frieden in den Stand kam, die ganze Gewalt der katholischen Waffen unter einem bewährten und zuverlässigen General wie Tilly gegen ihn zu wenden.
Die Unterhandlungen über den Abschluß dieses Friedens bildeten noch einmal den Mittelpunkt aller Geschäfte.
Nachdem jene Einleitungen, auf die man fußen zu können meinte, getroffen worden, hatten die Churfürsten von weiterreichenden Forderungen abgerathen; weder auf eine allgemeine Schlichtung der Irrungen zwischen Frankreich und Spanien, noch auf eine Hineinziehung der alten Ansprüche des deutschen Reiches auf die drei Bisthümer wollten sie eingehen; sie riethen nur die mantuanische Sache zum Austrag zu bringen. Um es nicht zu einem Zusammentreffen der Armeen bei Casale kommen zu lassen, wodurch jedes Verständniß unmöglich geworden wäre, traf man in einem Moment, in welchem die kaiserlichen Truppen im Uebergewicht waren, einen Stillstand; als derselbe ablief, ward dann auch der Friede geschlossen. Der vom Kaiser zurückgewiesene, von Frankreich in Schutz genommene Prätendent Nevers-Gonzaga wurde als Herzog von Mantua anerkannt; der Kaiser versprach, den französischen Forderungen gemäß, seine Truppen aus den graubündener Pässen zurückzuziehen. Die französischen Gesandten nahmen dagegen eine Bedingung an, die allerdings von der obersten Bedeutung war: es war die Verzichtleistung auf alle Allianzen zum Nachtheil des Kaisers und des Reiches. »Der allerchristlichste König,« so lautet der erste Artikel, »werde weder Kaiser und Reich, noch auch die Erblande der kaiserlichen Majestät anfeinden oder anfeinden lassen, oder sich bei ihrer Anfeindung betheiligen, weder direct noch indirect, auf keinerlei Art und Weise: weder mit seinen Truppen, noch mit seinem Rath, auch nicht mit Geld, Waffen oder Munition zu Gunsten der Feinde des Kaisers und des heiligen Reiches, die es gegenwärtig sind, oder die sich noch als solche kundgeben werden.« In denselben Ausdrücken verpflichtete sich seinerseits der Kaiser gegen den König. Man hat ein Schreiben des Kaisers Ferdinand, in welchem er sein Verfahren mit der durch das Restitutionsedict erweckten Aufregung der protestantischen Reichsstände entschuldigt, gegen die er jetzt die Kräfte aller Katholiken vereinigt zu haben meinte. Unmittelbar den Tag nach dem Abschluß begab sich der Kaiser nach der Kirche auf der Donauinsel am Orth, berühmt durch eine Legende der heiligen Jungfrau, und ließ eine Messe zur Danksagung für den Frieden celebriren. Er betrachtete denselben ganz vom religiösen Standpunkt aus und meinte nun der Ausführung des Edictes, in welchem sich religiöse und dynastische Interessen vereinigten, sicher zu sein.
Allein wie sehr täuschte er sich!
Richelieu hatte ursprünglich der Gesandtschaft unbedingte Vollmacht gegeben und sein Vertrauter, Pater Joseph, selbst den ersten Artikel, an welchem den Deutschen Alles lag, entworfen, soviel man sieht, in gutem Glauben an seine Nothwendigkeit und aus katholischer Sympathie. Es dürfte bemerkenswerth sein, daß in dem Schreiben des Cardinals an Pater Joseph auch die Königin, Maria Medici, als einverstanden erscheint. So war die damalige Kombination in Frankreich. Aber indem der Kaiser und die Churfürsten, langsam und bedächtig, Worte, Umstände und alte Zwistigkeiten erwägend, auf die Vorschläge, denen sie zu Grunde lag, eintraten, geriethen sie in Berührung mit den Gährungen des ewig beweglichen Frankreich. Mit Einem Mal veränderte sich dort die ganze Lage der Dinge. Bei einer Krankheit des Königs im Sept. 1630, die ihn dem Tode nahe brachte, waren die alten Gegensätze der Regierung und der Persönlichkeiten wieder hervorgetreten; Richelieu bedurfte, um sich zu behaupten, der Fortsetzung des Krieges; er fürchtete, eine Vereinbarung in der katholischen Idee würde seiner Macht Eintrag thun. Und überdies die eingegangenen Verbindlichkeiten waren ihm zu stark. Er meinte, die Venezianer, mit denen er in gutem Vernehmen stand, die Holländer, mit denen er soeben einen Tractat geschlossen hatte, und die Schweden, mit denen er fortwährend unterhandelte, würden sich nach einem solchen Friedensschluß für verlassen und aufgegeben halten. Er selbst wollte aus der Stellung der Opposition gegen das Haus Oesterreich nicht weichen. Er fand auch manche andere Ausstellungen in den einzelnen Artikeln zu machen, obgleich diese im Ganzen so günstig waren. Genug, er erklärte, den Frieden, so wie er vorliege, nicht annehmen zu können.
War man betrogen, oder hatte man sich selbst betrogen?
Die deutschen Truppen konnten nun fürs erste Italien nicht verlassen; die politischen Verhältnisse blieben, wie sie waren; gegen den König von Schweden waren keine Vorkehrungen getroffen; täglich machte er neue Fortschritte.
Weit entfernt zu einer Vereinbarung im deutschen Reich zu führen, hatte der Churfürstentag nur die Entzweiung in Evidenz gestellt. Wenn der Kaiser den katholischen Churfürsten in den großen Angelegenheiten nachgegeben hatte, so war doch sein Hauptanliegen, die Vorbereitung der Wahl seines Sohnes, keinen Schritt breit weiter gediehen; nur zur Repression der Protestanten war man einverstanden. Diese sahen sich von der übermächtigen Restaurationspolitik mit dem Untergang bedroht. Da erschien der fremde Fürst, der eben durch seine Bildung und Religion ihnen angehörte, durch seine Herkunft ihnen sehr nahe stand; in ihm stellte sich die europäische Opposition gegen das Haus Oesterreich dar, das nun nochmals in die Gestaltung der deutschen Angelegenheiten einzugreifen trachtete. Bei ihm wirkten die eigenen schwedischen Interessen bei weitem stärker mit, als bei Christian IV. die dänischen; die schwedischen Reichsstände waren zu Rathe gezogen worden und mit dem Unternehmen vollkommen einverstanden. Wie aber die Dinge lagen, hatte sich die protestantische Bevölkerung seit geraumer Zeit nichts Besseres gewünscht als seine Ankunft. Ihre Lage hatte sich seit dem dänischen Kriege unendlich verschlimmert. Indem Gustav Adolf Oesterreich angriff, kam er ihnen unmittelbar zu Hülfe. In seinem Succeß, seinem Schicksal concentrirten sich die deutschen Geschicke.