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Vierzehntes Capitel.
Offener Bruch zwischen dem Kaiser und dem General.

Schon seit dem vorigen Sommer, als Wallenstein sich vermaß, den Frieden mit Hülfe der Armee durchzuführen, möge man am kaiserlichen Hofe wollen oder nicht, hatte man hier darauf gedacht, einen von dem obersten Feldhauptmann unabhängigen Einfluß auf die demselben zunächst stehenden Führer zu behaupten. Sehr verfänglich lautete der Auftrag, den der Hofkriegsrathspräsident Schlick bei der Reise in das Hauptquartier, deren wir gedachten, sich geben ließ, insgeheim und »unvermerkter Dinge« die vornehmsten Offiziere, wie man damals sagte die Generalspersonen, dahin zu bearbeiten, daß der Kaiser auf ihre volle Ergebenheit zählen könne für den Fall, daß man mit dem Herzog eine Veränderung vornehmen sollte So Slawata bei Aretin, Wallenstein. Urkunde Nr. 29.. Dem blieb das nicht vollkommen unbekannt. Er hat gesagt – denn fast als einen persönlichen Zwist mit dem Hofkriegsrathspräsidenten sah er es an –, Graf Schlick habe eine Mine gegen ihn angelegt, er sei derselben mit einer Contremine begegnet. Bestand diese vielleicht auch darin, daß er sich um so mehr der den höchsten Befehlshabern zunächst Stehenden zu versichern suchte? Aber auch jene selbst meinte er sich nicht entreißen zu lassen.

Von Pilsen aus hat er Piccolomini, nach jenem vertraulichen Gespräch, in welchem von den Unbilden, welche die Armee und er selber erfahre, und von den Aussichten die Rede war, welche bei der Lage der Dinge ein entschlossener Abfall darbieten würde, an Colloredo und Gallas geschickt, um zu erfahren, ob er sich auf sie verlassen könne. Die drei Generale kamen in Frankfurt a. O. zusammen und versprachen, ihm zu folgen, wohin er gehen werde No faltarlo con sus personas y seguir donde quiere. So Oñate 21. Januar.: Wallenstein war sehr glücklich es zu vernehmen. Wäre das aber wirklich ihre ernstliche Meinung gewesen? Wir erfahren, daß besonders Colloredo über das Ansinnen des Herzogs in große Aufregung gerieth. Aber ihm geradezu entgegenzutreten, hatten sie doch auch den Muth nicht: indem sie ihm ihre Ergebenheit erklärten, beschlossen sie doch, dem Kaiser treu zu bleiben.

Zunächst sehen wir sie eine zweifelhafte Haltung beobachten. Besonders auf Gallas, von den friedländischen Generalen den ruhigsten und feinsten, unübertrefflich in der Verbindung militärischer und diplomatischer Thätigkeit, einen Mann voll Einsicht und Resolution, setzte der Hof sein Vertrauen. Schon vor der Zusammenkunft zu Pilsen ging man mit der Absicht um, ihn dem König von Ungarn beizuordnen und interimistisch zum Oberbefehlshaber zu ernennen, zugleich die Obersten und Generale durch Handbriefe und andere Patente an ihn anzuweisen. Dennoch ist es wahr, daß Gallas durch eine körperliche Beschwerde verhindert worden ist, daselbst zu erscheinen; aus jenen Tagen findet sich ein Schreiben von ihm an Aldringer, seinen Schwager – sie waren beide mit Damen aus dem Hause Arco verheiratet –, worin er es als ein unbegreifliches Mißverständniß beklagt, daß man den Herzog vom Hofe her verstimme Auszüge aus dem Briefe bei Hurter, Wallenstein 379.. Wir berührten, daß er von den Anwesenden als einverstanden betrachtet wurde. Kurze Zeit darauf (24. Januar) ist er wirklich im Hauptquartier zu Pilsen erschienen; er hat sich mehrere Wochen daselbst aufgehalten. In der ganzen Zeit blieb er mit dem General in dem besten Vernehmen: er verhandelte mit ihm über seine Entschädigung, die Befriedigung der Truppen, den abzuschließenden Frieden. Man hielt sich überzeugt, ohne seine Einwilligung werde der Herzog nichts unternehmen.

Piccolomini war einst mit dem Succurs, welchen der Großherzog von Toscana nach Böhmen schickte, als Führer einer Compagnie Reiter über die Alpen gekommen und hatte sich seitdem diesseit und jenseit der Berge einen Namen gemacht. Er spielte eine glänzende Figur in dieser Armee. Man bewunderte ihn, wie gut er zu Pferde saß, und wie er seine Kürassiere in Ordnung zu halten wußte – in seinem Regiment fehlte nicht ein Nagel an einem Harnisch –; an ihrer Spitze erwarb er sich den Ruf, daß er eher sterben, als seinen Posten verlassen würde: in mehr als einem Zusammentreffen hat er das Beste gethan. Zugleich zeigte er sich überaus geschickt in der Unterhandlung. Collalto hat ihn in den schwierigen Verhältnissen zu den kleinen italienischen Fürsten und durch Missionen nach Deutschland, schon vor der Absetzung Wallensteins, erprobt. Da mag Piccolomini die Zuneigung Wallensteins erworben haben; wie man sagt, war es eine Berechnung der Nativitäten, in denen man eine Gleichmäßigkeit der Stellung der Gestirne bei der Geburt des Einen und des Andern gefunden hatte, wodurch sie zu unbedingtem Vertrauen stieg: Wallenstein hat ihn einmal sogar ermächtigt, den Obersten Regimenter zu geben und zu nehmen. Aber zugleich stand Piccolomini, in dem sich das gute Verhältniß der Italiener zu dem Hause Oesterreich repräsentirte, in steter Verbindung mit dem spanischen Gesandten. Wenn ihm Wallenstein wirklich von der Möglichkeit gesprochen hat, seinen Großherzog zum König zu erheben, so konnte das auf den Sienesen – denn aus Siena stammen die Piccolomini – nicht so viel Eindruck machen, da er seine eigene Beförderung und Größe nur von den Spaniern erwarten konnte, wie ihm denn nach der Hand von ihrer Seite selbst ein Fürstenthum zu Theil geworden ist. Piccolomini gewann es über sich und verstand es, mit den entgegengesetzten Persönlichkeiten intime Verbindung zu pflegen. Damals meinte er doch noch einen guten Ausgang von den begonnenen Friedensunterhandlungen erwarten zu dürfen: »nur müsse man«, sagte er, »die Augen aufthun.« Er glaubte bereits einmal, Gallas habe den Herzog in das rechte Gleis gebracht; wenn dessen Rath Beachtung finde, so werde er herbeieilen: sie würden die Feinde schlagen und den Herzog groß machen Auszug bei Höfler. Oesterreichische Revue v. J. 1867, I, 55..

Wie Gallas und Piccolomini, so war auch Aldringer keineswegs ausschließend ein Kriegsmann. Man sagt von ihm, er habe die Feder so wohl zu führen gewußt, wie die Wehr. Er hatte seinen Dienst als Secretär des Obersten Madruzzi angefangen und sich dann an der Spitze einer Freicompagnie hervorgethan. Wir begegneten ihm an der Dessauer Brücke, wo er entscheidend eingriff; bei der Eroberung von Mantua ist er zu Geld und Gut gelangt; auch manche literarische Seltenheit soll er sich dabei angeeignet haben. Später hatte er sich in dem schwierigen Verhältniß zwischen dem General-Herzog und dem Churfürsten von Baiern zu bewegen; doch war er nicht etwa zu diesem übergetreten: die Briefschaften zeigen, daß er das Vertrauen Maximilians und der bairischen Truppen nicht besaß In einem Schreiben des Churfürsten an Richel: »weder er zu unserm Volkh noch das Volkh zu ihm khaine Lust.«. Auch dem kaiserlichen Hofe gegenüber meinte Wallenstein ihn festzuhalten. Und wenn Aldringer bei den widersprechenden Befehlen vom Hofkriegsrath und aus dem Hauptquartier den ersten Folge leistete, so dachte er nicht mit dem Herzog zu brechen: in einem Briefe an Piccolomini spricht er die Erwartung aus, daß dieser ohne Bedenken einwilligen werde.

Man sieht, wie der oberste Feldhauptmann, so hatten auch die ihm zunächst stehenden Führer ihre besondere politische Stellung, die mit der seinen keineswegs zusammenfiel. Aus ihren Briefen, bei denen keine Täuschung obwalten kann, ergiebt sich, daß sie noch nicht entschieden gegen ihn Partei genommen hatten: durch die Uebereinkunft von Pilsen fanden sie sich nicht veranlaßt, mit ihm zu brechen.

So sah man diese im Anfang Februar auch in Wien selbst an. Man erklärte sie für einen Schachzug, um sich in Vortheil zu setzen: noch kein Anfang einer Rebellion liege darin So der Gesandte von Toscana, Sacchetti (4. Februar 1634, Archivio Mediceo): che si fossero sottoscritti più per un tiro, per cavarne avantaggio, e per modo di dire una confusione, che per un principio di rebellione.. Was dagegen gesagt wurde, erschien Anderen eine müßige Speculation ohne soliden Grund Dahin wird die Teusingersche Aufschreibung gehören, Aretin Urk. Nr. 33, die aber mit dem, was urkundlich bekannt geworden ist, wenig zusammenstimmt..

Der Kaiser stand in gewohnter Correspondenz mit Friedland, der freilich seinerseits bei einigen Ausdrücken des Vertrauens den Verdacht nicht bezwingen konnte, er solle dadurch getäuscht werden.

Denn auch alle ihm nachtheiligen Meldungen und Gerüchte fanden Gehör am Hofe; er kannte denselben genug, um zu wissen, wie thätig und einflußreich seine Gegner waren: man bemerkt ein unaufhörliches Hin- und Widerwogen günstiger und ungünstiger Stimmungen und Eindrücke.

Der spanische Gesandte, der für seinen Beruf hielt, die dynastischen Interessen der beiden Linien des Hauses Oesterreich zu wahren, und die eingehenden Nachrichten mit dem Argwohn eines Feindes aufnahm, hat kurz darauf dem Residenten von Toscana gesagt: nie in seinem Leben habe er sich in größerer Verlegenheit befunden. Er habe gesehen, daß Wallensteins Verhalten das kaiserliche Haus mit Verderben bedrohe; aber weder den Kaiser selbst, noch auch den Fürsten Eggenberg habe er davon überzeugen können. Die angekündigte neue Zusammenkunft der Obersten vermehrte seine Besorgniß: denn was könne nicht in Conferenzen beschlossen werden, zu denen man die Abgeordneten der Protestanten einlade? Noch am 22. Januar sagt er in einem seiner Briefe: würde Wallenstein »den Graben überspringen«, so sehe er nicht, wie ihm Widerstand geleistet werden könne. Die wenigen Getreuen, die es im Heere gebe, würden nicht im Stande sein, ihn im Zaume zu halten. Unumwunden spricht er aus: um das Haus Oesterreich nicht zu Grunde richten zu lassen, wäre es nothwendig, diesen Menschen auf eine oder die andere Weise unschädlich zu machen; aber weder in dem Kaiser noch in dessen Ministern sei der Muth dazu zu finden; er werde den Kranken, das ist den Kaiser, in seinen Armen sterben sehen, ohne ihm helfen zu können.

In dieser Verlegenheit gingen ihm aber Nachrichten zu, die keinen Zweifel übrig zu lassen schienen. Es erhellt nicht mit voller Bestimmtheit, welches sie waren; doch stellt er in seinen Berichten die Meldungen, die ihm über das Verhältniß Wallensteins mit Frankreich zugekommen waren, allen anderen voran. Auch der Churfürst von Baiern hatte solche eingesandt, sie ließen zugleich einen Umsturz der Dinge in Deutschland besorgen; von Savoyen langten andere an, wie es scheint, noch dringendere. Aus Böhmen vernahm man, daß die Emigranten sich Hoffnung machten, mit französischer Hülfe dem General diese Krone auf das Haupt zu setzen. Das traf nun ganz mit den Vermuthungen zusammen, die man in Spanien schon lange hegte. Der Gesandte war ausdrücklich beauftragt, den Kaiser vor den Umtrieben der Franzosen zu warnen, deren Sinn nur dahin gehe, ihn seiner Erbländer und selbst der Kaiserkrone zu berauben de quitalle todos sus estados y la corona imperial de su cabeça. . Zu dieser Anmahnung war nun jetzt die Zeit gekommen. Mit Beweisstücken, die ihm untrüglich vorkamen, begab sich Oñate zu Eggenberg gleichsam triumphirend über seine Entdeckungen. Der Fürst hörte ihn an, ohne ein Wort zu sagen; er zuckte nur die Achseln und verwies ihn an den Kaiser. Oñate begab sich nun mit altspanischer Förmlichkeit zu Kaiser Ferdinand Ich entnehme es aus Sacchetti; er sagt: Oñate m' a detto queste precise parole e concetti. Die Schreiben Oñates folgen im Anhang.. Er ließ sich von demselben nicht sowohl versprechen als angeloben, alles geheim zu halten, was er ihm sagen werde: der Kaiser wurde von der Wahrhaftigkeit seiner Mittheilungen überzeugt. Auch Eggenberg, der ähnliche Dinge vernommen, aber wenig beachtet hatte, stellte sie nicht mehr in Abrede. Er hat später gesagt, er habe den bizarren und hochfahrenden Geist Wallensteins gekannt; daß er aber jemals Ernst damit machen würde, dem Kaiser entgegenzutreten, habe er nie geglaubt: in diesem Moment aber habe er es mit Händen gegriffen.

Nicht auf Untersuchung von Schuld oder Unschuld, noch auf irgend eine private Rücksicht kam es hier an oder schien es anzukommen, sondern auf eine große politische Gefahr.

Wie hätte nicht auch nur die leiseste Kunde von den Verhandlungen mit dem französischen Hofe über die böhmische Krone, mochte es damit zum Abschluß gekommen sein, oder nicht, den tiefsten Eindruck auf den Kaiser und seine Minister hervorbringen sollen?

Für Oñate entsprang, wie seine Briefe zeigen, das vornehmste Motiv aus der Lage der allgemeinen europäischen Angelegenheiten.

Man dürfte davon ausgehen, daß zwischen dem französischen Gesandten in Wien und dem päpstlichen Nuntius die Rede davon war, eine Abkunft mit dem Kaiser als Oberhaupt des Reiches zu treffen, ohne Spanien dabei einzuschließen: der Nuntius lehnte ab, sich in diesem Sinne zu äußern, denn dadurch würde nur das Mißtrauen wachsen Auszüge aus den Dispacci des Nuntius Grimaldi in Rom.. Aber das war doch der Gedanke, der wahrscheinlich ohne directes Einverständniß auch bei der Haltung Wallensteins zu Grunde lag. Er setzte sich den Absichten der Spanier allenthalben entgegen und drückte einen tiefen Haß gegen sie aus; im Widerspruch mit ihnen wollte er den Kaiser mit den protestantischen Ständen versöhnen, nicht um diese dann gegen Frankreich ins Feld zu führen, sondern um im Kampfe der Mächte dem Reiche freie Hand nach beiden Seiten hin zu verschaffen. Selbst mit den italienischen Fürsten dachte er, wenn es zum Bruch komme, gemeinschaftliche Sache zu machen; denn vollständig hat die italienische Politik noch niemals von der deutschen getrennt werden können. Und merkwürdig genug sind die Ideen, die er im vertrauten Gespräch geäußert hat. Er wollte Neapel dem Papst überlassen, Mailand zur Republik machen; der Großherzog von Toscana und der Herzog von Savoyen sollten beide Könige werden, was dann eine vollkommene Vernichtung der spanischen Macht in Italien sowie ihres Zusammenhanges mit Oesterreich in sich geschlossen hätte.

Dahingegen suchten die Spanier den Zusammenhang der Monarchie im Sinne Philipps II. und Alba's von Italien her nach den Niederlanden wiederherzustellen; sie wollten darüber den Kampf mit Frankreich aufnehmen; die Ereignisse der Zeit schienen das unbedingt nothwendig zu machen.

Denn alle Tage sah man die Franzosen am Rhein und an der Mosel weiter um sich greifen; zu diesem Zweck war soeben eine neue Armee unter La Force gebildet worden: Oñate behauptet, daß ihnen ein Platz nach dem andern von den Schweden verkauft werde. Man empfand es als einen schweren Verlust, daß Feria in den ersten Tagen des Jahres unerwartet gestorben war: alle seine Pläne und Vorkehrungen gingen mit ihm zu Grabe. Je dringender der Cardinal-Infant wurde, um so weniger konnte er sich versprechen, gewiß nichts von Wallenstein, aber auch nichts von dem Kaiser, so lange derselbe auf Wallenstein Rücksicht nahm, oder gar seine Feindseligkeit fürchten mußte. Das war vor allem der entscheidende Moment. Oñate forderte von dem Cardinal-Infanten eine ostensible Ermächtigung, dem kaiserlichen Hof die Waffen und das Geld von Spanien zu versagen, so lange Friedland in seinen Diensten und die Armee nicht auf eine Weise eingerichtet sei, daß man sich auf ihre Treue verlassen könne 22. Januar: » me mande imbiar una Carta, que yo pueda mostrar en que me mande expressamente que de ninguna maniera se fien armas de S. Md ni socorro con su real hazienda al empr asta el empdr aya apartado al de Fridland de su servitio y despuesto sus armas de maniera que no pueda dudar de la fidelidad de los cavos.«.

Eine Maßregel gegen den General zu ergreifen, erschien vollends unerläßlich, als der spanische Gesandte in Baiern meldete, Churfürst Maximilian werde doch noch zu den Franzosen übergehen, wenn man den Eigenmächtigkeiten Wallensteins nicht durch die Entfernung desselben ein Ziel setze. Oñate spricht bereits die Besorgnis aus, Frankreich werde sonst durch Kriegserfolge und politische Verbindungen in den Stand kommen, die Wahl eines römischen Königs, der nicht aus dem Hause Oesterreich sei, durchzuführen.

Entfernte man dagegen Wallenstein, so war man der vollkommensten Ergebenheit des Churfürsten von Baiern sicher. Als sich das Gerücht verbreitete, man denke in Wien daran, zwei Heere zu errichten, das eine unter dem König von Ungarn, um die Erblande zu vertheidigen, das andere unter Wallenstein, um den Krieg im Reiche zu führen, sprach Maximilian den Wunsch aus, daß das Generalat des Heeres im Reich und den Erblanden dem König von Ungarn übertragen würde; er erklärte sich alsdann bereit, diesen als seinen Generalissimus anzuerkennen und sich ihm unterzuordnen, zugleich mit seinem und dem ligistischen Volk, diese Armee selbst in die Pflicht und den Dienst des Kaisers zu überlassen Richel wird am 14. Januar beauftragt, vorzutragen: »daß wir entschlossen, wann mehrgedachtem König (von Ungarn) das absolut Commando und universal Generalat aller Armaten im Reich und den Erblanden überlassen werden sollte, ihme alsdann als dem Generalissimo – unser und des Bundes Volk genzlich abzutreten, mit der Armata in Sr. Mt. Dienst und Pflicht zu verlassen.«.

Wie ganz anders als im Jahre 1630! Der Churfürst willigte mit Freuden in ein Verhältniß unbedingter Unterordnung unter den König von Ungarn, das er damals um keinen Preis angenommen hätte.

Man begreift, wenn dieser den Gesandten aufforderte, mit den Aufträgen, die er empfing, ja nicht zurückzuhalten: denn nichts mache größeren Eindruck auf seinen Vater, als was von Seiten des Churfürsten in Erinnerung gebracht werde.

Seit der zweiten Hälfte des Januar war für diese Angelegenheit ein besonderer Ausschuß des geheimen Rathes niedergesetzt, der aus Eggenberg, dem Bischof von Wien und dem Grafen von Trautmannsdorf bestand. Sie meinten anfangs, denn an sich waren sie keineswegs Feinde Wallensteins, der Sache durch eine Beschränkung seiner Vollmacht zu begegnen; aber dagegen sprachen der Beichtvater und der Graf Schlick: denn bei dem Naturell Friedlands, das ihnen bekannt sei, lasse sich davon keine Wirkung erwarten. In Fällen von so großer Tragweite fühlten sich wohl im Staate alle Die, welche sonst gehört werden, verpflichtet, ihre Meinung zu sagen. Ausführliche Gutachten liefen ein, die vor aller schonenden Behandlung warnten. Denn welch ein unerhörtes Betragen sei es doch, daß der General die kaiserlichen Befehle und Instructionen den Obersten zur Beurtheilung vorgelegt habe! Der kaiserliche Name werde dadurch nur verhaßt gemacht; schon halte sich der General für unangreifbar, er nehme eine Autorität in Anspruch, durch welche der Kaiser der seinen beraubt werde. Auf einen Frieden könne man mit ihm nicht hoffen, da er Ansprüche mache, welche eher einen langjährigen Krieg veranlassen würden; man habe erst mit ihm zu unterhandeln und dann mit um so größerer Schwierigkeit mit den Feinden; das Reich und die Erblande seien ausgesaugt und die Armee dennoch in dürftigem Zustand; vergebens wäre es, auf Besserung zu hoffen: um die vorliegenden Uebel zu heben und den künftigen vorzubeugen, müsse der Kaiser die Ursache derselben hinwegnehmen »Votum eines Kriegsrats in secreto consilio und das darauf bezügliche welsche Scriptum,« bei Aretin Urk. Nr. 30..

Dazu kamen die eifrigsten geistlichen Anmahnungen. Die Bedingungen, die mit Arnim verabredet worden, erklärte man für eine monströse Mißgeburt; der Vereinigung der katholischen Waffen mit den ketzerischen gedachte man mit Abscheu.

Auch der spanische Gesandte wurde zu den entscheidenden Sitzungen des Ausschusses herbeizogen. Leicht hat der Kaiser die Sache fürwahr nicht genommen: er sagte, sie lege sich mit ihm nieder und stehe mit ihm auf, sie lasse ihn nicht schlafen. In den Kirchen sind Gebete, daß Gott ihn erleuchten möge, für ihn veranstaltet worden.

Nicht lange konnte seine Entscheidung zweifelhaft sein. Den Einwirkungen, zugleich von Seiten der Gesandten, Repräsentanten des Gesammthauses und der eifrigsten Religiösen, den Besorgnissen sowohl für den Besitz der Erblande als für die Krone des Reiches, hatte der Kaiser keinen Willen entgegenzusetzen. Gelangte er nun aber einmal zu dem Entschluß, Friedland von seinem Generalat zu entsetzen, so war damit von selbst das Mittel gegeben, die Sache auszuführen.

Denn wenn so Manche bei der ersten Versammlung von Pilsen, wiewohl widerstrebend, doch dann zuletzt den Wünschen Friedlands sich gefügt hatten, so sah man die Ursache davon in der Gewalt, wie über Krieg und Frieden so über Leben und Tod, die derselbe ausübte. Wer wollte es da wagen, ihm zu widerstreben? Wenn man ihm die Autorität nahm, die er besaß, so zweifelte man nicht, sie würden andern Sinnes werden und sich durch das gegebene Wort wenig gebunden Oñate gedenkt der » juntilla«, an der er Anteil genommen, ohne sie näher zu bezeichnen; Richel bemerkt am 8. Februar, daß Oñate »erst neulich« dazu gezogen worden. achten.

Und für den Fall, daß der Kaiser eine Veränderung in dem Commando vorzunehmen rathsam finde, hatte man sich ja im voraus der Ergebenheit der angesehensten Oberhäupter zu versichern gesucht.

Dieser Fall war jetzt eingetreten. Ein Patent wurde abgefaßt, in welchem der Kaiser alle hohen und niederen Befehlshaber zu Roß und Fuß von jeder Verpflichtung gegen den obersten Feldhauptmann, mit dem er eine Aenderung vorzunehmen beschlossen habe, freispricht und sie interimistisch an Gallas anweist. Er höre, daß einige von ihnen weiter gegangen seien, als ihnen von Rechtswegen gebühre: allein er sei bereit, das zu vergeben und zu vergessen; nur den General selbst und zwei andere Personen, die man als Rädelsführer bezeichnete, schließe er von dem Pardon aus.

Das Patent trägt das Datum vom 24. Januar; doch ist es auffallend, daß Männer wie der spanische Gesandte noch einige Zeit später nichts davon wissen. Es scheint wohl, als sei es absichtlich zurückdatirt; auf jeden Fall ist es auch nachher nur unter dem strengsten Geheimniß mitgeteilt worden; denn man besorgte, durch ein rasches Vorgehen eine Entzweiung in der Armee hervorzurufen, was den Feinden die erwünschteste Gelegenheit zu einem Angriff gegeben hätte. Amtliche Mittheilungen gingen indeß in den gewohnten Formen fort, um weder in den Kanzleien noch bei dem General selbst Verdacht zu erwecken.

In demselben Maße, wie Wallenstein ungestüm und rücksichtslos, verfuhr der Hof mit Bedachtsamkeit und geheimnißvoller Vorsicht.

Er wandte sich zuerst an die beiden Generale, die immer in persönlichen Verbindungen mit den leitenden Männern des Hofes gestanden – Aldringer mit dem Bischof von Wien, Piccolomini mit dem spanischen Botschafter –, man schickte ihnen einen in Geschäften des Vertrauens geübten höheren Beamten, Walmerode, zu. Die entscheidenden Anträge sind ihnen nicht vor dem Februar zugegangen. Und ohne Zweifel waren sie unschwer zu gewinnen. Sobald als der Kaiser den obersten Feldhauptmann aus seinen Diensten entließ, so meinten sie nur ihre Pflicht zu erfüllen, wenn sie sich von ihm absonderten. Aldringer hatte den Revers überhaupt nicht unterschrieben: Piccolomini gehörte zu denen, von welchen man von Anfang an voraussetzte, sie würden sich durch ihre Unterschrift nicht gebunden erachten. Und das leuchtete ja ein, daß ihnen unter dem König von Ungarn eine größere und unabhängigere Stellung zu Theil werden mußte, als die, welche ihnen Wallenstein jemals gewährt hätte. Dessen Sturz schloß ihr Emporkommen in sich ein. Ueberdieß wurde ihnen zunächst nicht die äußerste Gewaltsamkeit gegen ihn zugemuthet. Es verrieth noch den nur Schritt für Schritt von der alten Verbindung sich abwendenden Sinn der kaiserlichen Minister, wenn in jenen Berathungen der Beschluß gefaßt wurde, Wallenstein noch erst zu hören, ehe man ihn verdamme. Man dachte ihn durch einen in Pilsen selbst auszuführenden Handstreich gefangen zu nehmen – denn unter allen Umständen mußte er unschädlich gemacht werden – und ihn in sichereren Gewahrsam zu bringen, hier ihm die Beschwerden, die man gegen ihn habe, vorzulegen und seine Entschuldigungen zu vernehmen. Die Generale, die zu der zweiten Zusammenkunft nach Pilsen beschieden waren, sollten das ins Werk setzen Der Auftrag an die Vertrauten, besonders an Piccolomini, war: » le procurassen prender a el y algunas pocas personas sus mas confidentes para oyrle y hazerle su processo sobre los cargos que se le imputaran, embiando al mismo tempo orden para la forma de gobierno del exercito hasta que se dispusiese otra cosa.« Damit kann nur das erste Patent gemeint sein, denn im zweiten wird Wallenstein schon als schuldig behandelt, während man ihn damals noch vor Gericht stellen wollte. Es wurde zurückdatirt, um es als eine unmittelbare Folge der ersten Zusammenkunft erscheinen zu lassen. Oñate gedenkt später auch des zweiten Patentes, das ebenfalls ein paar Tage zurückdatirt worden ist.. Oñate war von Anfang an nicht der Meinung: er sagte, es würde eben so leicht sein und weniger Gefahr dabei, Friedland umzubringen, als ihn wegzuführen und zu verwahren Die Einwendung entnehmen wir aus dem Schreiben Richels (8. Febr.), welcher sie von Oñate hörte, der ihn doch nicht völlig unterrichtet hat; den Beschluß meldet Oñate in seinem Hauptbericht vom 21. Februar.. Der Beschluß wurde jedoch gefaßt, und die beiden Generale zeigten sich bereit die Hand dazu zu bieten: Aldringer nicht ohne Widerstreben; Piccolomini wäre dagegen sehr bereit gewesen, wie er später sagt, die Vögel aus ihrem Nest zu holen.

Früh am siebenten Februar, noch in der Nacht, sind sie beide, der erste von Passau, der andere von Linz, aufgebrochen, um sich nach Pilsen zu verfügen.

Die Sache zeigte sich jedoch unausführbar. Wallenstein hatte damals die Garnison von Pilsen verändert: die Befehlshaber derselben wären nicht zu vermögen gewesen, zu der beabsichtigten Verhaftung und Wegführung die Hand zu bieten. Das Vorhaben selbst blieb unbekannt: es scheint nicht, als habe Wallenstein von der Gefahr, die über ihm schwebte, eine Vorstellung gehabt.

Nach und nach sammelten sich die Obersten zu der neuen Zusammenkunft; auch Herzog Franz Albert traf bei ihm ein, wurde aber sogleich wieder abgefertigt, um Arnims Ankunft zu beschleunigen. Wallenstein lebte und webte in dem Gedanken, seine alten Pläne durchzuführen, den Frieden mit Sachsen und Brandenburg zu Stande zu bringen, die Obersten zur Genehmigung desselben zu vermögen, vor allem, sie in seinem Gehorsam zu befestigen.

Am 19. Februar, eines Sonntags, machte er ihnen dann auf dem Bette liegend – denn er litt an einem Anfall seiner Krankheit – seine Proposition, aus der man seinen Standpunkt und seine Absichten erkennt.

Vornehmlich erneuerte er seine Bürgschaft für ihre Vorschüsse. Diese waren aufs neue dadurch gewachsen, daß die Obersten aus ihren eigenen Mitteln Sorge getragen hatten, ihre Regimenter vollständig zu machen. Zugleich aber zeigten sich Schwierigkeiten wegen der zu ihrer Schadloshaltung erforderlichen Leistungen der Landstände in Oberösterreich und Steiermark: Wallenstein erklärte, hiedurch seines gegebenen Wortes nicht erledigt zu sein.

Dagegen aber brachte er nun die gegen ihn übernommene Verpflichtung zur Sprache: man habe, sagte er, das Gerücht ausgesprengt, er denke etwas gegen den Kaiser zu versuchen, oder seine Religion zu ändern; aber er habe eben so gut ein Gewissen wie Andere, von denen ihm das nachgesagt werde; er denke nur den Frieden zu Stande zu bringen, welcher allerdings nicht von allen am Hofe gern gesehen werde und doch einzig dem Kaiser zum Besten gereiche: er werde die Bedingungen den Herren Obersten vorlegen lassen. Aber er müsse auch wissen, wessen er sich zu ihnen versehen dürfe: er befürchte, daß man ihm einen Schimpf anthun wolle: würden ihm die Obersten ihren Beistand dagegen versagen, so wäre es besser, sie hätten bei der früheren Versammlung in seine Abdankung gewilligt; er würde dann nicht in die jetzige Gefahr gerathen sein Ich folge der für den Kaiser bestimmten Inhaltsanzeige der Proposition, wie sie bei Aretin, Wallenst., Urk. Nr. 43, abgedruckt ist. In dem »Gründlichen Bericht« und bei Khevenhiller erscheinen einige Abweichungen, welche den Sinn verdunkeln..

Aufs neue kamen hierauf die Obersten bei Ilow zusammen. Dieser selbst erklärte sich entschlossen, dem Fürsten, dem er etwas Unehrenhaftes zuzutrauen niemals Anlaß gefunden, mit Leib, Gut und Blut beizustehen. Julius Heinrich von Sachsen-Lauenburg fügte hinzu, da der Generalissimus niemals etwas versucht habe, was dem Kaiser und dem gemeinen Wesen nachtheilig wäre, so müsse ja der kein ehrlicher Mann sein, der trotz seiner vor Kurzem gegebenen Unterschrift demselben wortbrüchig werden wolle. Wie Ilow, so erklärten sich auch Terzka, Sparr und die meisten Anderen, z. B. Mohr von Waldt, daß sie dem General ihre Dienste nicht entziehen dürften, wenn demselben etwas Unbilliges zugemuthet werde: nur daß der Eine und der Andere neben dem gemeinen Wesen und dem kaiserlichen Interesse auch noch die Religion betonten, gegen welche der Generalissimus nichts zu thun vorhabe, so wie die Pflicht, sich keinem anderen Führer zu unterwerfen, nachdem man an den Fürsten gewiesen sei. Nur eine einzige Stimme, die des Oberstlieutenants Balbiano vom Regiment Piccolomini geht einfach dahin, daß er im Dienst der kaiserlichen Majestät zu verbleiben gedenke So enthält ein mir aus dem Archiv in Warmbrunn mitgetheiltes Protokoll, welches die Aufschrift hat: » Anno 1634 den 19. Februarii Pillsen seindt nachgesetzte vota gegeben worden.« (Jetzt mitgetheilt von Hallwich a. a. O. II, S. 251.). Im Gespräche ist, so viel man hört, von Seiten Terzka's die Andeutung gefallen, daß es bei dem kaiserlichen Dienst vielleicht sein Verbleiben auch nicht haben könne. Man hat darauf keine Antwort erwartet; Ilow fiel ein: ein Schelm, wer dem Herzog eine Verachtung widerfahren lasse. Andere fanden eine neue Verpflichtung, da nichts Neues vorliege, überhaupt unnütz. Aber die allgemeine Meinung war, daß man bei Cavalierehre verbunden sei, bei dem Generalissimus unwandelbar auszuhalten. In diesem Sinne war ein neuer Revers entworfen und am 20. Februar unterschrieben. Darin spricht der Herzog die Obersten von ihrer Verpflichtung frei, wenn er, was ihm nie in den Sinn gekommen sei, wirklich etwas wider den Dienst und die Hoheit des Kaisers oder die Religion unternehmen sollte, hält sie aber zugleich bei derselben fest, da er ja nur die Absicht hege, sich gegen die Machinationen seiner Feinde zu sichern. Die Obersten erklären auch ihrerseits bei ihrem ersten Revers nichts wider den Dienst und die Hoheit des Kaisers oder die Religion im Sinne gehabt zu haben: mehrerentheils seien sie ja katholisch; aber wenn ihnen der General verspreche, einzig ihnen zum Besten bei der Armee zu bleiben, so seien auch sie gesonnen – dem gemäß, was sie unterschrieben – bei ihm bis auf den letzten Blutstropfen auszuhalten. Dieser Revers ward am 20. Februar unterzeichnet.

Den andern Tag ging der Oberst Mohr von Waldt nach Wien ab, um den Inhalt desselben dem kaiserlichen Hofe mitzutheilen: er sollte zugleich eine persönliche Besprechung mit Eggenberg nochmals beantragen Aussage Mohrs von Waldt in seinem Proceß.. Wallenstein hoffte, wenigstens ein vertrauter höherer Beamter, vielleicht Questenberg, würde mit Mohr herbeikommen; es war verabredet, daß ihn derselbe nach Prag begleiten sollte.

Denn bei Prag auf dem weißen Berge dachte Wallenstein sein Lager aufzuschlagen Rogge meldet (20. Febr.): die Obersten seien befehligt worden, »den 24. diß ufm Weissenberg ufm General-Rendevous zu erscheinen.« Aretin, Urk. Nr. 44.. Unmittelbar nach der Abreise Franz Alberts waren die Befehle dazu an die Obersten ausgefertigt worden: er hatte ihnen selbst davon gesprochen und die Berathung beschleunigt, damit sie sofort zu ihren Regimentern zurückkehren und sie herbeiführen könnten.

Mittlerweile meinte er mit einigen von ihnen die Friedensbedingungen durchzusprechen. Er behielt unter anderen die Obersten Beck und Gonzaga bei sich, auf den Grund hin, daß er auch Katholiken zu dieser Berathung hinzuziehen müsse, ohne Zweifel aber auch deshalb, weil er sie nicht für einverstanden hielt und ihrer Gegenwirkung in der Armee zuvorkommen wollte.

Dort würde dann auch Arnim eingetroffen sein: unter der Beistimmung der Armee würden die mit den beiden Churfürsten vereinbarten Friedensbedingungen proclamirt und alsdann zum Gesetz für das Reich und die Erblande erhoben worden sein, wenn der Kaiser sie genehmigt hätte. Bei der sonstigen Wehrlosigkeit des Kaisers ließ sich erwarten, er werde sie unterschreiben, er selbst und sein Sohn; auch von den Widersachern Wallensteins wurde diese Erwartung getheilt.

Wenn man die Intentionen eines bedeutenden Mannes, die nicht aufgeschrieben worden und, wenn sie es würden, vielleicht auch dann nicht unbedingt angenommen werden dürften, aus seinen Aeußerungen, seinen Präcedenzen und seiner Lage abnehmen darf – denn etwas Hypothetisches bleibt in dem Dunkel menschlicher Antriebe und Ziele immer übrig –, so wage ich dies als die vornehmste Absicht Wallensteins zu bezeichnen. Er dachte noch mit Hülfe der beiden norddeutschen Churfürsten die Angelegenheiten des Reiches auf der Grundlage des Religionsfriedens zu ordnen, was denn nicht geschehen könnte, ohne auch in Böhmen den Emigranten und den österreichischen Erblanden überhaupt durch Erneuerung der ständischen Verfassung in weitester Ausdehnung gerecht zu werden. Zugleich wollte er die Armee in ihren Ansprüchen befriedigen und zugleich den Umfang seiner eigenen Gebiete und die Zukunft seines Hauses festsetzen. Es scheint selbst, als würde er alsdann das Commando niedergelegt und an den König von Ungarn, den er noch zum römischen König zu krönen gedachte, abgetreten haben. In Wien trug man sich mit einem Briefe von ihm, in welchem er erklärte, in vier Monaten abdanken und den Steigbügel Ferdinands III. küssen zu wollen. Immer aufs Neue brachte er in Antrag, eine Abkunft mit ihm zu schließen; er selbst sprach den Wunsch aus, daß sein Neffe und präsumtiver Erbe, der sich des allgemeinen Vertrauens am Hofe erfreute, in sein Lager kommen und die Vermittelung übernehmen möge Richel, 18. Jan. Nach einer Mittheilung von Schlick hatte der Stallmeister des Herzogs »referirt: S. F. Gn. seien gedacht, das Generalat zu resignieren, wenn S. K. Mt. demselben nur ihrer Person halber Versicherung verspräche und noch dazu eine Summe von 300,000 Reichsthaler nachließe: deshalb habe er Maximilian von Wallenstein zu sich beschieden, durch den er seine endliche Meinung werde wissen lassen.« Am 25. Januar erwähnt er eines Briefes, den er jedoch nicht gesehen hat, worin Wallenstein sich erbietet, in vier Monaten zu resigniren, das Heer dem König zu übergeben, ihm den Stegreif zu küssen.: durch den werde er seine endliche Meinung eröffnen lassen. Wir berührten soeben seine nach der zweiten Zusammenkunft in Pilsen erneute Annäherung an den Hof, seine Hoffnung, noch in dem Moment Anträge, die demselben entsprächen, zu erhalten.

Aber mit Gewalt, durch eine ähnliche Combination wie die vorige, wollte er sich den Oberbefehl nicht entreißen lassen; um das nicht wieder zu erleben, hatte er sich mit der Armee verbunden, ihre Anforderungen zu den seinen gemacht und sie zur feierlichen Zusage vermocht, auch seine Heerführung aufrecht zu halten.

Darauf vornehmlich gingen die Verabredungen in Pilsen, doch nicht ausschließlich: sie ordneten zugleich Theilnahme an der Festsetzung des Friedens, wie er mit den Churfürsten berathen worden, an.

Wie nun aber, wenn am kaiserlichen Hofe die entgegengesetzten Ideen den Platz behielten, wenn man seinen Frieden verwarf und seine Enthebung vom Generalat aussprach?

Aus den Briefen Oñate's ergiebt sich, daß Wallenstein seinen Frieden mit den Spaniern hätte machen können, wenn er sich ihrer Politik angeschlossen hätte: sie würden dann seine Größe genehmigt und selbst gefördert haben. Aber das war ihm unmöglich: er würde dann allen den Absichten, die er im Laufe des Lebens gefaßt hatte, absagen und sich den spanischen Tendenzen haben unterwerfen müssen. Wenn sie die Oberhand am kaiserlichen Hofe behielten, so war er ohne Zweifel entschlossen, sich gegen diesen selbst zur Wehre zu setzen. Er meinte das Recht zu haben, die ihm entgegengesetzte Faction, die das deutsche Haus Oesterreich in sein Unglück führen werde, zu bekämpfen. Für diesen Fall gerüstet zu sein, hat er mit der großen europäischen Gegenmacht angeknüpft. Er war geneigt, nach dem Anerbieten der Emigranten, das auch bei manchen Katholiken Eingang fand, die böhmische Krone anzunehmen und mit Frankreich zu einer Umgestaltung der italienischen Verhältnisse zusammenzuwirken. Die Verbindung mit Sachsen war definitiv, die französische sehr eventuell; sie sollte erst dann eintreten, wenn die erste nicht zum Ziel führte. Nicht einmal der Gesichtspunkt, geschweige denn die Bedingungen waren verabredet.

Wenn wir bei dem Vorhaben Wallensteins an das Unternehmen des Churfürsten Moritz gegen Carl V. erinnerten – es hatte dasselbe Ziel, die Gleichberechtigung der beiden Bekenntnisse im Reich, die fernere Unabhängigkeit der norddeutschen und protestantischen Elemente; es war eben so auf die Entfernung des spanischen Einflusses berechnet –, so bemerken wir auch den ungeheuren Unterschied: Moritz war selbst der Kriegsherr seiner Truppen; er hatte mancherlei Schwierigkeit mit ihnen, aber sie folgten seinem Namen. Wallenstein war ein von dem Kaiser eingesetzter General; auf dessen Namen war die Armee geworben; wenn es zum Zwiespalt kam, sollte der Dienst des Kaisers nicht dem Gehorsam gegen den General vorgehen? Der Boden, auf dem er stand oder auf den er sich stellte, war bereits unterwühlt. Wenn er seine Verbindung bei der Armee hauptsächlich auf das Geldgeschäft gründete, so waren die spanischen Subsidien bereit, um die Ansprüche zu befriedigen, welche eine so hohe Bedeutung hatten.

Die Sache kam sofort zur Entscheidung.

Als der Plan der Gefangennehmung und Wegführung Wallensteins aus Pilsen gescheitert war und die neue Versammlung daselbst einen ähnlichen Verlauf nahm wie die frühere, ist man in Wien noch einmal zu Rathe gegangen, ob man nicht der Sache noch eine Weile ruhig zusehen, nach dem Ausdruck der Betheiligten sie dissimuliren solle; denn man fürchtete die Folgen einer Entzweiung in der Armee. Schon standen die Sachen aber so, daß man es selbst auf diese Gefahr hin wagen konnte. Sollten nicht auch die Obersten, die sich noch an Wallenstein hielten, von ihm loszureißen sein, wenn man ihre Forderungen befriedigte? Der Kaiser berechnete die ausstehenden Summen auf eine Million Gulden. So viel konnte der spanische Gesandte nicht darbieten; aber eine ansehnliche Summe, die er bisher zurückgehalten hatte, zahlte er doch sogleich, und für das Uebrige ließ er den Beistand seines Königs und den Ertrag italienischer Veräußerungen hoffen. »Man zeige ihnen nur Geld,« so heißt es in einem Bericht über die Stimmung der Führer, »man lasse sie Confiscationen hoffen.« Beweggründe verächtlicher Art wirken nicht selten zu einem großen Zweck. Der Dienst des Kaisers ward mit den Motiven persönlichen Ehrgeizes und persönlicher Habsucht in Verbindung gebracht. Schon waren, wie wir erwähnten, die dem Obergeneral zunächst stehenden Führer größtentheils gewonnen. Piccolomini hatte sich nach jenem vergeblichen Versuch so rasch wie möglich wieder davon gemacht. Aldringer war überhaupt nicht dahin gegangen; eine Krankheit vorwendend blieb er in Frauenburg bei Marradas, einem alten Gegner Wallensteins. Dahin begab sich jetzt Gallas, angeblich um ihn zu überreden, mit ihm nach Pilsen zu kommen; aber sie schlossen vielmehr ein entgegengesetztes Verständniß. Von Bedeutung war es, daß ihnen Marradas, General des Königreichs Böhmen, und Colloredo, der in Schlesien commandirte, beitraten. Unter den Einverstandenen erscheinen auch Hatzfeld, Götz und selbst Suys. Dergestalt der vornehmsten Führer sicher, trug man kein Bedenken mehr, am 18. Februar ein zweites Patent und einen dazu gehörigen Armeebefehl zu erlassen, in welchem als bewiesen angenommen wird, daß Friedland in einer Conspiration begriffen sei, um den Kaiser seiner Erblande, seiner Krone und seines Scepters zu berauben und sie sich selbst zuzueignen. Als Kaiser und oberster Feldherr bedeutet nun Ferdinand II. die hohen Offiziere, dem gewesenen Feldhauptmann und dessen Anhängern, namentlich Ilow und Terzka, keinen weitern Gehorsam zu leisten, sondern nur den genannten Generalspersonen, bis ein anderer Oberbefehlshaber ernannt sein werde.

Es war keine Aechtung, sondern nur eine Entsetzung, zu welcher der Kaiser ohne Frage das Recht und auch in der zweifelhaften und untreuen Haltung Wallensteins hinreichenden Anlaß hatte; er schritt erst dazu, als so viele angesehene Generale sich entschlossen zeigten, Wallenstein zu verlassen.

Es war eigentlich eine Spaltung in der Armee; der größte Theil derselben verließ den General-Herzog, als er mit seinem Kaiser zerfiel, und trat denen bei, die er als eine widerwärtige und verderbliche Faction zu bekämpfen meinte. Die entschiedenen Anhänger Wallensteins, welche in der bisherigen Richtung vorangegangen waren, wurden zugleich mit ihm entsetzt und die Truppen sämmtlich aufgefordert, sich von ihnen loszusagen.

Sollte nun das Ansehen des Generals der kaiserlichen Autorität die Wage halten können?

Die erste Entscheidung hierüber erfolgte in Prag. Und auf die Hauptstadt des Landes kam, wie anderwärts, so auch hier das Meiste an. Wallenstein rechnete auf die Garnison, oder vielmehr – wie er denn von dem, was vorging, keine Kunde hatte – er zweifelte nicht, daß sie seinen Befehlen nachkommen würde. Den vornehmsten Obersten der in Prag garnisonirenden Truppen, des Namens Beck, der freilich nicht selten von dem Unterschied zwischen dem Gehorsam, den er dem General, und der Treue, die er dem Kaiser schuldig sei, geredet hatte, ließ er am 21. Februar noch einmal zu sich bescheiden, um ihn in seinem Gehorsam zu befestigen. Aber Beck hatte bereits bei seiner Abreise nach Pilsen seinen Oberstlieutenant ermächtigt, keinem Befehl nachzukommen, den er ihm von Pilsen aus geben werde. Und indessen hatte nun Gallas der Garnison die kaiserliche Weisung zugehen lassen, Befehle weiter weder von Friedland, noch von Ilow oder Terzka anzunehmen; Aldringer hatte nicht versäumt, bei dem Oberstlieutenant, den er kannte, seinen persönlichen Einfluß dafür zu verwenden. Der Armeebefehl wurde den Soldaten angekündigt. Nicht allein regte sich Niemand dagegen, sondern unter der Theilnahme der bürgerlichen Behörden wurden sogleich Vorkehrungen getroffen, den wallensteinischen Truppen die Annäherung an die Stadt zu verwehren.

So weit war es bereits, als Terzka sich aufmachte, um den Weg, den der Herzog nach Prag ziehen wollte, in Augenschein zu nehmen. Mit Erstaunen vernahm er von einem ihm entgegenkommenden Offiziere, was dort begegnet sei.

Man hatte sich in Pilsen noch mit der Ausführung der wenige Tage zuvor gefaßten Beschlüsse beschäftigt, als man dies vernahm. Im ersten Augenblick schien es nur die Eigenmächtigkeit des Oberstlieutenants, die durch den Gegenbefehl des Obersten wieder gut gemacht werden könne. Aber bald ward man inne, wie die Sachen standen. Der Abfall von Prag war auch deshalb entscheidend, weil man das Heer in der Nähe zu versammeln und zu der großen Unterhandlung zu schreiten gedacht hatte.

Terzka gab eine ungeberdige, wilde Ungeduld kund; Ilow und Kinsky sah man gesenkten Hauptes stehen: sie wühlten mit ihren Stöcken in den Boden. Sie ermaßen die Tragweite des Vorgefallenen.

Besonders behielt Wallenstein das Bewußtsein des sich vollziehenden Ereignisses. Er entließ den kaiserlichen Rath, der bei ihm war, um an den Friedensunterhandlungen Theil zu nehmen: denn davon konnte dort nicht weiter die Rede sein. »Ich hatte den Frieden in meiner Hand,« sagte er dem Obersten Beck, den er noch einmal sah; noch verzweifelte er vielleicht nicht; nach einem Augenblick des Stillschweigens fügte er hinzu: »Gott ist gerecht.«


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