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Am 20. Oktober 1791 wurde die Zahl der wegen der neuen Konstitution ausgewanderten Franzosen im National-Konvent schon auf 40 000 angegeben. Diese Auswanderung war noch eine Kleinigkeit gegen die nachher erfolgten. Eine unglaubliche Zahl dieser Flüchtlinge wendete sich nach Deutschland, und ich glaube sehr mäßig zu rechnen, wenn ich die Zahl der jetzt in unserm Vaterlande noch befindlichen französischen Ausgewanderten auf 40 000 Menschen annehme.
Unter diesen Ausgewanderten gibt es mehrere, welche
ihr Vaterland verlassen haben. Diese drei Klassen werden wahrscheinlich nach und nach zurückkehren. Sie verdienen eine ehrenvolle Ausnahme von den gewöhnlichen Ausgewanderten, und wer würde so hartherzig, so elend sein, mit einem Chartres, einer Sillery, einem Montesquieu nicht Tisch und Hütte willig teilen zu wollen.
Wenn ich also von nun an im allgemeinen von Ausgewanderten rede, so verstehe ich darunter
Die Anzahl dieser Menschen in Deutschland nehme ich (gering gerechnet) auf dreißigtausend Köpfe an, und darunter sind zuverlässig zwanzigtausend ganz arme.
Welchen Einfluß mögen diese Menschen wohl auf die Sittlichkeit und den Wohlstand von Deutschland haben?
Eine Frage, die um so wichtiger ist, da in Preußen nur wohlhabende, in Sachsen nur wenige, in Böhmen, Hessen, Hannover, den meisten sächsischen Fürstentümern etc. gar keine dergleichen Ausgewanderte geduldet werden und sich also jene Masse von Menschen auf wenige Städte und Dörfer konzentriert.
Der Charakter der ausgewanderten Adligen (im allgemeinen, versteht sich) hat sich zu Koblenz gezeigt. Die Schilderung, welche im dritten Stück dieses Journals enthalten ist, die »Historie secrette de Coblence« können Belege abgeben, daß man nicht zuviel sagt, wenn man diese ausgearteten Menschen mit dem Beiwort »Abscheu der Menschheit« brandmarkt. Höhnender Stolz, tierische Brutalität gegen Andersdenkende und Geringere, Verschwendung, Sittenlosigkeit, Rachsucht, Haß gegen Aufklärung, Vernunft und Ordnung – dies sind die hervorstechendsten Eigenschaften dieser Flüchtlinge, solange sie noch Vermögen besitzen oder von ihren einheimischen Brüdern unterstützt werden.
Jetzt sind sie arm, verachtet, fast aller Hoffnung beraubt, aber dadurch noch keineswegs gebessert. Der »Genius der Zeit« hat im Junius- oder Juliusstück dieses Jahres die Aufführung der Emigranten im Hannövrischen geschildert. Da ich in einer Stadt lebe, worin sich an fünfhundert fast durchgängig arme Geistliche und vielleicht an zweihundert arme Cidevants beinah ein ganzes Jahr lang aufhielten, so will ich einen kleinen Beitrag zu der Charakteristik dieser Menschen im Stande der Erniedrigung liefern. Ihre Hauptzüge waren und bleiben folgende:
1. Stolz.
Keiner dieser Ausgewanderten war so klug geworden, die nicht mehr existierenden Orden und Ordenszeichen abzulegen. Der Chevalier im zerrissenen Rocke und abgeschabten Hute vergaß, auch wenn er sich die Wäsche selbst am Bache wusch, sein Kreuz, oder wenn dieses versetzt war, sein Band gewiß nicht. Ja man erzählt als zuverlässig, daß viele dieser Ausgewanderten von ihrem mühsam zusammengebettelten Gelde ein Stück ponceaurotes Band von Frankfurt kommen ließen, weil die Bänder an dem Orte ihres Aufenthalts nicht hochrot genug waren. Untereinander beobachteten sie alle feinen Unterscheidungen des Ranges, und Monsieur le Marquis redete, indem er sich beim Bäcker Brot holte, eine andere, weibliche, in gleicher Absicht dahin gekommene Figur mit »Madame la Comtesse« an. Sie verlangten, von den Einwohnern der Stadt ihrem Range gemäß gegrüßt und behandelt zu werden, und sprachen wie ehedem von Roturiers.
2. Haß gegen Deutsche.
Äußerst wenige von diesen Cidevants geben sich die Mühe, den geringsten Fleiß auf die ihnen jetzt so nötige deutsche Sprache zu wenden. Sie verhehlen es ganz und gar nicht, daß sie die Deutschen herzlich verachten und die ihnen erzeigten Wohltaten als Schuldigkeit ansehen. Wo sie etwas suchen, verstecken sie ihre Brutalität noch einigermaßen. Unausstehlich werden sie aber, wo sie das Recht zu haben glauben, etwas fordern zu können. Mir ist ein Fall bekannt, wo ein Apotheker einem dieser Flüchtlinge umsonst Arzneien gab. Er verstand aber nicht genug von der französischen Sprache, um sogleich eine Anweisung zum Gebrauch geben zu können. Der Ausgewanderte hielt sich unverschämterweise darüber auf, daß ein deutscher Apotheker nicht vollkommen französisch spreche, und als dieser ihm zur Antwort gab, daß man nicht von den Einwohnern eines Landes verlangen könne, fremde Sprachen um Reisender willen zu erlernen, sondern daß die Reisenden der Sprache des Landes, worin sie sich aufhalten, mächtig zu werden suchen müßten, erwiderte der Cidevant, die deutsche Sprache sei eine Pferdesprache.
3. Salopperie.
Die französischen Ausgewanderten beschweren sich, daß die Deutschen sie weit unbilliger behandeln als ihre Landsleute. Allerdings ist an diesem Vorwurf manches Wahre. Überhaupt werden ja Fremdlinge gemeinsüchtigen Leuten immer leichter zur Beute als Eingeborne, welche die Preise der Dinge kennen und so leicht nicht zu hintergehen sind. Auch mag eine Art von Nationalhaß gegen die Franzosen und besonders gegen die Ausgewanderten hierbei mitwirken. Aber gewiß ist es auch, daß diese Cidevants unverschämt in ihrem Betragen und in ihren Forderungen sind. Wer ein Haus besitzt, wird es gewiß lieber um einen geringen Mietzins an einen Deutschen als um einen beträchtlichen an einen Ausgewanderten vermieten. Der Unfug, den diese Letztern treiben, ist unglaublich. Die ekelhafteste Unreinlichkeit, die gewissenloseste Verderbung aller Meublen, ewiger Zank und Streit, immer vermehrte Forderungen – das hat jeder zu erwarten, der sich mit solchen Mietsleuten befaßt.
4. Unveränderliche Hartnäckigkeit bei verjährten Vorurteilen.
Man sollte vermuten, die sechs Jahre lang andauernden Unfälle der Cidevants müßten endlich diese Herren wenigstens einigermaßen gebessert und sie dahin gebracht haben, über ihre Rechte, ihre ewigen Anmaßungen, ihre Bedrückungen der niedrigern Stände und dergleichen reiflicher nachzudenken. Dies ist so wenig der Fall, daß die Herren vielmehr in ihren Begriffen noch verwirrter, in ihren vermeinten Rechten noch abenteuerlicher, in ihrer Verachtung der nichtprivilegierten Stände bestärkter geworden sind. Jeder, der nicht ganz auf der Seite der alten Regierung mit allen ihren Mißbräuchen und Grausamkeiten ist, gilt bei ihnen für einen »Carmagnolen«, ein Lieblingswort, womit sie ungefähr das bezeichnen, was einige unsrer deutschen berüchtigten Schriftsteller »Illuminat« zu nennen pflegen, das heißt ein Mensch, der nicht gleich mit ihnen denkt und deswegen in keinem Staat geduldet werden soll. »II est Carmagnol« sagen sie zum Beispiel von jedem, der nicht ihre unbedingte Rückkehr nach Frankreich wünscht. Es herrscht in einer Stadt der »esprit carmagnolique«, wo man sie nicht nach Belieben wirtschaften läßt, »les bureaux sont infectés du jacobinisme«, wo man ihnen nicht erlaubt, Bediente wie Sklaven zu behandeln und dergleichen mehr. Merkwürdig ist es, daß diese Adligen, welche sonst immer im Munde zu führen pflegten, daß die Religion gut für die Kanaille sei, jetzt auf einmal im höchsten Grade fromm scheinen wollen, sobald sie beobachtet sind. Sie laufen von Kirche zu Kirche, bekreuzen sich vor und nach Tische und dergleichen. Die Geistlichen besitzen diese Eigenschaften in noch höherm Grade, und bei ihnen kommt noch hinzu:
5. Grenzenlose Unwissenheit.
Es ist wirklich unglaublich und hat mich oft über die allgemein gepriesene Aufklärung des ehemaligen Frankreichs zweifelhaft gemacht, wie unendlich verwahrlost die ehemaligen Volkslehrer dieses Landes in aller Art von Kenntnissen sind. Man trifft bei diesen Menschen weiter nichts als die Spuren der Klostererziehung, ein barbarisches Latein und einen festen Glauben an die abgeschmacktesten Dogmen ihrer Kirche an. Geschichte, Erdbeschreibung, Kenntnis der Natur, Begriffe von Recht und Unrecht sind ihnen ganz fremd. Sie glauben an Hexen und Gespenster, kurz, nur unter unseren einfältigsten Mönchen trifft man so unbeschreiblich elende Menschen an als diese Pfaffen.
Möchten doch die Herren, welche das Salz der Erde so gerne dumm machen wollen, bedenken, daß in der durch solche Volkslehrer verwahrlosten Erziehung und Aufklärung des gemeinen Mannes in Frankreich einer der hauptsächlichsten Gründe der Leichtigkeit und Grausamkeit liegt, mit welcher der Pöbel sich zu Ausschweifungen mißbrauchen ließ. Unglücklich ist der Regent, welcher durch Pfaffentrug sein Volk im Zaume halten will! Mehr, als er jetzt den vernünftigen Rechten der Untertanen nachgeben muß, verlangen dann fanatische, nie zu befriedigende Priester von ihm, und, will er gegen diese einmal seine Würde behaupten, so wiegeln sie das blinde Volk so schnell und durch ebenso gewiß berechnete Operationen auf, als die Jakobiner es in Frankreich aufwiegelten.
Eine unzertrennliche Folge der bei den französischen Priestern im allgemeinen herrschenden Dummheit ist auch
6. eine außerordentliche Bigotterie,
welche wirklich allen Glauben übersteigt. Der Verfasser dieses Aufsatzes war Zeuge, daß solche Geistliche beim Eintritt in einen Gasthof sich sorgfältig erkundigten, welcher Religion der Wirt zugetan sei, und mit allen Zeichen des äußersten Entsetzens und Abscheues sich schleunig entfernten, als sie hörten, es sei ein Protestant. Die im vierten Stück dieses Journals angeführte Anekdote von einem solchen Priester, der aus einem protestantischen Dorfe, welches ihn aus Mitleiden ernährt hatte, plötzlich aufbrach, weil es ihm sein Gewissen nicht erlaube, länger unter ewig verdammten Ketzern zu bleiben, ist wörtlich wahr. Diese Elenden gingen von dem Tische ihrer protestantischen Wohltäter, noch satt, vom ketzerischen Gelde gekleidet, umher zu ihren Glaubensbrüdern, beschworen die reichern bei ihrem Seelenheile, aus ketzerischen Häusern zu ziehen, den Ketzern keinen Verdienst mehr zu verschaffen und dergleichen mehr. Diese Bigotterie erzeugte auch bei ihnen
7. einen unbeschreiblichen Undank
gegen ihre Wohltäter. Alles was sie umsonst erhielten, Wohnung, Kleidung, Speise, betrachteten sie als einen schuldigen Tribut. Einige verlangten ungestüm, beinahe mit Gewalt, diese oder jene Kleinigkeit zum Geschenke. Gewohnt der fetten Klosterspeisen, war ihnen die gute deutsche Hausmannskost zu schlecht, und sie betrugen sich bei den braven deutschen Bürgern, welche diese Taugenichtse über ihre Kräfte bewirteten, wie Soldaten, welche auf Einquartierung liegen. Fanden sie einen bessern Tisch, so verließen sie ihre Wohltäter nicht nur ohne einiges Zeichen von Erkenntlichkeit, sondern sogar noch mit Vorwürfen. Von ketzerischen Tischen satt, von ketzerischen Weinen noch halb trunken, versammelten sie sich gewöhnlich nach Tische in eine Art von geistliche Synod, untersuchten mit einer lächerlichen Ernsthaftigkeit die Frage, ob ihre ketzerischen Ernährer wegen ihrer Wohltaten einst in der Hölle etwas kühler sitzen möchten, und entschieden dahin, daß diese guten Werke bloß zum Verderben der Abtrünnigen gereichen könnten. Protestantische Prediger, welche diese faulen Mönche gefüttert hatten, wurden zum Abschiede von ihnen mit Schmähbriefen belohnt. Zu diesem Undank gesellte sich noch
8. eine außerordentliche Gefräßigkeit und Mangel an aller Lebensart.
Wer bei diesen Geistlichen die bekannte Feinheit der Franzosen zu finden glaubte, hatte sich häßlich getäuscht. Kein deutscher Bauer der niedrigsten Klasse kann so weit in allen dem zurück sein was Lebensart heißt. An Salopperie übertrafen sie alles, was ich noch kenne. Ihre Gefräßigkeit, ihre ekelhafte Unreinlichkeit, ihr Umgang mit den niedrigsten Gassendirnen machte sie allgemein verhaßt. Zu allen diesen schönen Eigenschaften kam noch
9. eine alles übertreffende Faulheit und Arbeitsscheue.
Einige der ausgewanderten Adligen sind klug genug gewesen, den Umständen nachzugeben und sich teils durch kleine Handarbeiten, teils aber auch durch Erlernung eines Handwerks einigen Unterhalt zu verschaffen. Unter allen den Geistlichen aber, die ich kenne und unter denen viele derbe und vierschrötige Bengel anzutreffen sind, kenne ich keinen, der sich zu irgendeiner Art Handarbeit entschlossen hätte. Brevierbeten, verhetzen, sich an alte Betschwestern anschmiegen, Uneinigkeiten in Familien stiften – das ist es, was diese Menschen als die einzige Art Arbeit ansehen, welche sich für sie schickt. Mir sind Fälle bekannt, wo diesen Leuten Arbeit angeboten wurde, die gewiß nichts weniger als unanständig war, und sie deutlich erklärten, daß sie ein Recht auf Fütterung hätten, ohne von ihrer Seite etwas dagegen zu tun. So zum Beispiel machte ein Apotheker einem solchen Geistlichen, der etwas von der Chemie verstand, den Antrag, ihm gegen freie Wohnung und Kost bei seinen chemischen Operationen behilflich zu sein. Der Pfaffe erklärte geradezu, er wolle nicht arbeiten.
Und dies Gesindel, das mit allen diesen lobenswürdigen Eigenschaften noch den entschiedensten Haß gegen sein Vaterland vereint, diese raubsüchtigen Faultiere, welche ihre Rachsucht gegen alle Bürger Frankreichs auch jetzt in ihrem Elende nicht verhehlen, aus deren Munde ich hundertmal gehört habe, daß der National-Konvent hingerichtet, Paris geschleift, Frankreich mit Feuer und Schwert verheert werden solle, sobald sie wieder den Eingang in ihr Vaterland finden würden – dies Gesindel sollten die Franken wieder zurückrufen?
Eine unbegreifliche Schwäche hat die gegenwärtig in Frankreich herrschende gemäßigte Partei vermocht, der Einwanderung dieser Priester durch die Finger zu sehen. Man hat, sonderbar genug, geglaubt, diese fanatischen Pfaffen gleichsam als Freiheitsbataillons gegen die Terroristen brauchen zu können, und man hat nicht bedacht, daß eben diese tonsurierten Ungeheuer vielleicht die Republikaner nötigen werden, das Schreckenssystem wenigstens in einiger Hinsicht wiederherzustellen.
Man sollte glauben, diese Priester, denen man die Rückkehr zu ihrem Herde, denen man Freiheit des Gottesdienstes wieder erlaubt hat, würden ruhig und stille leben. Die Erfahrung so vieler Jahrhunderte reichte nicht hin, den Konvent zu belehren, daß Roms Priester nur im Grabe ihr Gift verlieren. Es brauchte einer neuern, schrecklichern Erfahrung. Sie ist gemacht. Schon berichten unsre Zeitungen, wie die Menschen, welche erst noch so menschlich, so gerecht, so mitleidig waren, welche der Abscheu vor den republikanischen Greueltaten aus Frankreich trieb, an einem Tage dreiundvierzig Republikaner vom Felsen herab in die Rhône stürzen. Carriers, des Unmenschen, Greueltaten hörten doch mit dem Tode der Schlachtopfer auf. Priester-Rache schändet auch noch die Leichname. Denn an diese wurden Tafeln befestigt, mit dem Befehl, daß niemand sie begraben solle, der sie finde. – Um dies Schauspiel recht gemächlich ansehen zu können, waren auf dem Felsen Sitze für die Zuschauer errichtet. Diese schöne Szene schlage ich dem Herausgeber des »Revolutions-Almanachs« zum Gegenstande eines Kupferstichs; als Gegenstück zu dem Einzug Suworows in Warschau, vor. Wenn man solche Greueltaten mißbilligt, so schließt Herr Reichard, dieser Meister in der Kunst, alles zu verdrehen, nach einer nur ihm eignen Logik daraus, daß man Carriers Greueltaten beifällig ansehe. Welcher Mensch könnte das wohl! Aber Herrn Reichard scheinen die Prager Massaker nur höchstens eine unschuldige Arznei gegen den Jakobinismus zu sein, und er empfiehlt unsern Herrschern diese kleinen politischen Abführungsmittel als Mittel gegen Revolutionen. – Ich kann mich nicht enthalten, noch eine andere Schilderung des Betragens der geduldeten, zurückgekehrten Flüchtlinge in Frankreich hier einzurücken.
»Seit den Zeiten der Reformation«, schreibt ein in Frankreich reisender Deutscher, »waren die Diener der katholischen Kirche nie geschäftiger, die Ausbreitung des Reichs Christi zu befördern, als in den letzten fünf Jahren. Denn ihre zeitliche Glückseligkeit war mit dem Seelenheil ihrer Beichtkinder unzertrennlich verbunden. Sie arbeiteten aber in keiner Epoche der Revolution mit solchem Eifer und – in der Sprache der Kirche zu reden – niemals mit so vielem Segen wie in dem gegenwärtigen Zeitpunkte. Seit der Herrschaft der gemäßigten Partei sind sie in ganzen Zügen wieder nach Frankreich gegangen und haben das Land allenthalben wie Heuschrecken überströmt. Sie verdunkeln, wie diese, durch ihre Streifereien das Licht der Sonne und zerstören alles Gute; was die Philosophie in Frankreich seit 1789 aussäete und das allenthalben so glücklich aufzukeimen begann.«
Wer nicht Augenzeuge von den Auftritten ist, die sie allenthalben verbreiten und veranstalten, dem scheint der unersetzliche Schaden, den sie dem Wohl und der Ruhe des Innern verursachen, unglaublich. Sie sind die Furien, die wie Engel des Lichts einhergehen und Feuerbrände unter die friedlichen Bürger werfen. Gefährlichere Meutmacher gibt es unter der Sonne nicht mehr. Sie predigen Krieg und Aufruhr im Namen Jesu Christi und empören den Sohn wider den Vater, indem sie ihm das Panier des Kreuzes vorhalten und unter Gebeten und Psalmen den Verstand in Schlummer wiegen.
Man zieht sich vielleicht durch diese Behauptung bei einigen frommen Seelen den Verdacht der Lieblosigkeit und Ungerechtigkeit zu, indem man ein so allgemeines Urteil über eine große, durch ihr Amt so besonders ehrwürdige Menschenklasse ausspricht. Allein diese in den Klöstern erzogene Rasse ist sich fast durchgehends gleich und außer einigen Ausnahmen, wo die größere Geisteskraft das Gängelband des Rituals zerreißt, unverbesserlich. Das beweist auch der Umstand, daß die größten Blutsäufer und Mörder unter Robespierre – ehemalige katholische Priester waren. Nur der Mönchsgeist kann einen Menschen herzlos genug zu solchen Greueln machen. Lebon, Chabot, selbst (daß ich diesen Namen hier nennen muß!) Schneider zeugen dies. Der Ordensgeist erstickt jeden Funken des Gemeingeistes. Das Zölibat trennt sie von dem süßesten vertraulichen Familienverein. Das Vaterland wird ihnen fremder, je wichtiger und größer der Einfluß der Kirche wird. Sie betrachten sich als Glieder einer geistlichen, allherrschenden Monarchie, deren Erhaltung durch jede Maßregel gesucht werden muß, weil der Zweck die Mittel heiligt, Diesen Satz, der alle Bande der bürgerlichen Glückseligkeit zerstört, predigt Georg, König von England, und sein Minister Pitt vom Throne ohne Scheu vor einem ganzen Volke. Beide scheuen sich nicht, laut zu bekennen, daß sie auf angestiftete Meutmacher im Innern Frankreichs ihre größte Hoffnung gesetzt haben. und in Wahrheit sind sie auch alle Teilnehmer und Mitglieder einer großen Verschwörung gegen die Herrschaft der Vernunft.
So wie der Franzose von einem Extrem zum andern steigt, wollen wir, nach dem eisernen Jahre des Robespierre, auf einmal das Goldne Zeitalter der Revolution herbeiführen und, um die Lieblingsidee der Philosophen, allgemeine Freiheit des Gottesdienstes, zu realisieren, allen entflohenen Priestern einen Freibrief erteilen. So glaubte man, nebenbei aus Politik, handeln zu müssen, um einige Popularität zu gewinnen und den großen abergläubischen Haufen für die herrschende Partei zu erobern, indem man den räsonierenden Sansculottismus zu unterjochen suchte. Die Tempel wurden wieder geöffnet, die Beichtstühle füllten sich an, und die Ablaßkrämerei erschien unter einer neuen Gestalt. Statt der Amulette teilte man weiße Kokarden aus und vergab die Sünden unter der Bedingung, sich gegen den Konvent zu verschwören. Ermahnungen, Drohungen, Tränen und Flehen, Versprechungen, Wunderkuren und Prophezeiungen wurden angewandt und hervorgesucht, um die Leichtgläubigkeit des gemeinen Landvolks zu bestechen. In den Cevennen gibt es Priester, welche unter der Beschwörungsformel »im Namen Ludwigs des Sechzehnten, des heiligen Märtyrers«, Krankheiten heilen und Teufel austreiben.
Frankreich war überflüssig mit Priestern versehen. Die Bildung des Volkes gewann auch ohne ihr Zutun schon einen sichern Gang. Es war kein Bedürfnis, die deportierten und emigrierten Priester wieder einzuladen. Es war übel angewandte Menschlichkeit, denn sie waren, wie alle emigrierte Adlige, Feinde des neuen Systems und folglich Feinde des Staats. Solange die Gegenrevolution nicht bewirkt war, durften sie den Besitz ihrer Güter nicht wieder zu erlangen hoffen, und doch rief man auf die unbedachtsamste Art nicht nur so viele Verschworne gegen den Staat, sondern die Chefs der Verschwörung, die Prediger des Aufruhrs und die Werber der Gegenrevolution herein.
In diesem Augenblicke, wo die Urversammlungen über die neue Konstitution entscheiden sollen, ist ihr Einfluß am größten und sichtbarsten. Sie schreiben Volksblätter, verbreiten Anschlagzettel, machen Spottgedichte und Erbauungslieder. Und zwar mit der nämlichen Unverschämtheit, womit die zurückgebliebenen Wölfe in Schafskleidern unter Robespierrens Regierung die gemäßigten Republikaner verfolgten. Der nämliche Pfaffe, welcher Marats Volksblätter in Marats Geiste fortsetzte, schreibt jetzt gottselige Ausfälle gegen die Philosophie. Der infame Etienne, Verfasser der berüchtigten Petition der Anarchisten gegen die Gironde, ist jetzt auch Advokat der Royalisten. So sieht man denn augenscheinlich, wie Könige und Priester durch ihre Werkzeuge erst Pöbeluntaten verursachen, um denn wieder gegen diese Pöbeluntaten zuerst schimpfen und das Volk unter Peitsche und Krummstab zurückführen zu können. Sie mischen sich in alle Gesellschaften der niedern Klassen, drängen sich zu den Toiletten der Damen und regieren das Herz ihrer Männer durch den Leitfaden, den sie mit vieler Geschicklichkeit in ihrer Hand zu führen wissen. – Da, wo sie die Urversammlungen nicht für das Königtum gewinnen können, denn dies ist nur in Bretagne und Provence zu erwarten, wo ihre Räuberhorden die Versammlungen insultieren, suchen sie Zerrüttungen und Zwiespalt einzuführen und den innerlichen Krieg von allen Seiten anzufachen.
In der Gegend von Lyon, bis an die Grenzen der Schweiz, leiten sie eine neue Empörung ein. Einige tausend Vagabunden, angeführt von Exadligen und Offizieren der Linientruppen, durchstreifen Flecken und Dörfer und hausen weit ärger als die ehemalige berüchtigte Revolutionsarmee. Sie dringen in die Wohnungen der Pächter und Käufer von Nationalgütern ein, ermorden die Besitzer unter abscheulichen Martern, schänden ihre Gattinnen und Töchter und rauben, was sie vorfinden.
Menschen, die kaum entrissen dem fürchterlichsten Elend, kaum wieder eingeschlichen in ihre Hütten, schon von neuem auf Verschwörungen denken, schon wieder ihr Vaterland mit Blut zu beflecken suchen und lieber heimatlos herumirren, als sich den Gesetzen der Notwendigkeit und Ordnung fügen wollen, werden sicher in keinem Staate gute Bürger sein. Welchen Einfluß sie auf Deutschlands Wohl haben, hat sich zu Koblenz gezeigt (s. das dritte Stück dieser Zeitschrift). Wo jene luxuriösen Verschwender ihr Wesen getrieben haben, ist die Moralität auf Jahrzehnte verdorben, das weibliche Geschlecht verführt und vergiftet, der Pöbel durch ein verderbliches Beispiel zu Ausschweifungen hingerissen worden. Jetzt sind sie arm und verlassen, und dennoch fügen auch die Armen uns immer noch beträchtlichen Schaden zu, denn
Bei Gott! Ich gönne jedem Unglücklichen Hilfe, Trost und tätige Unterstützung, sei dieser Unglückliche auch ein schlechter Mensch, sei er der Wohltaten auch nicht ganz würdig, sei er auch mein persönlicher Feind, genug – er ist Mensch. Aber geschmerzt hat es mich in der Seele, wenn ich arme Deutsche, Mütter mit sechs Kindern, die nur aus Mangel an Arbeit mit Tränen der Scham in der Dämmerung, des Bettelns ungewohnt, bescheiden um eine kleine Unterstützung baten oder eine Kleinigkeit zum Verkauf ausboten, von eben den Menschen hartherzig abweisen sah, welche drei bis vier dieser verlaufenen Pfaffen an ihrer Tafel nährten. Geschmerzt hat es mich, als ich einen solchen tonsurierten Schurken, der die gute deutsche Hausmannskost unter französischen Spöttereien verschmähte, über andere deutsche Arme als »gueux«, als »fripons« schimpfen hörte. Geschmerzt, als ich diese brutalen Ausgewanderten, diese bettelhaften Ludwigsritter und Mönche mit einer Art Verehrung von Menschen behandeln sah, welche denjenigen für unverschämt gehalten haben würden, der ihnen vorgeschlagen hätte, etwa einen armen Handwerksburschen an ihrem Tische sich sättigen zu lassen. Der arme deutsche Arbeiter in einer durch den Krieg ins Stocken gekommenen Fabrik ging in Lumpen einher und wurde abgewiesen, während verlaufene Pfaffen und Nonnen neu gekleidet und ihr wollüstiger Gaumen mit den schmackhaftesten Speisen gekitzelt wurde.
Als die armen französischen Gefangenen in der härtesten Winterkälte, verwundet, mit dem Tode ringend, unter Pestdüften der Verwesung, unbekleidet, an ihrem eignen, halb gefrornen Blute klebend, auf Karren durch halb Deutschland geschleppt wurden, Gefangene, unter denen sich reiche, in allen Bequemlichkeiten erzogene, der feinsten Genüsse des Lebens und keine Entsagungen gewohnte Kaufmannssöhne aus Lyon befanden, da sahen hartherzige Deutsche dieser Menschenschinderei, die ein Engel mit Blut in das Tatenverzeichnis eines gewissen Feldherrn eintragen wird, ruhig und gelassen zu. Da freueten sich vornehme Unmenschen der gefolterten Bürger und beklagten, daß diese Hunde nicht noch mehr leiden könnten. Da munterten gefühllose Offiziere ihre noch fühlloseren Schießmaschinen zu geschärftem Mißhandlungen gegen diese Wehrlosen, zum Krieg Gezwungenen auf, da ward jede Träne, die in eines Menschen Auge blinkte, als Jakobinismus, jeder Bissen Brot, einem Hungernden in der Todesnot gereicht, als Hochverrat an der Sache der Fürsten denunziert. Siehe die »Laterne für die Deutschfranzosen«, ferner »Wanderungen eines Deutschen in die Rheingegenden«, das abscheuliche Produkt des mönchischen Parteigeistes. Entartete Tiger in Menschengestalt (Fürsten oder nicht Fürsten gilt gleich) weideten sich in ihren von Menschenhänden gebauten Palästen an dem Anblick der Unglücklichen, die es gewagt hatten, sich nicht von ihnen ferner zertreten lassen zu wollen. Nicht so die edle Herzogin von Sachsen-Gotha. Sie besuchte selbst die Gefangenen, sorgte selbst für sie. Gute Fürstin! Dank dir für diesen Besuch im Namen der Menschheit! Ehre dir dafür im Herzen jedes deiner Mitbrüder. Die schändliche Anmerkung, welche der bübische Verfasser jener »Wanderungen etc.« über diese menschliche Tat macht, ist ein Beweis für ihre Güte. Und der dumme Pöbel gaffte und freuete sich des Elends, seiner Söhne nicht denkend, die in den Krieg des Unsinns getrieben, dem Feinde in die Hände gefallen waren und im nämlichen Augenblicke vielleicht von dem Vater oder Bruder dieser langsam zu Tode gemarterten Unglücklichen einen Bissen Brot, einen Labungstrank erhielten, oh, die Menschheit bebt zurück vor diesen Greueln! Diese geilen Mönche, diese stolzen Ludwigsritter hingegen empfangen jetzt Brot aus der Hand der Bürger, die sie sonst mit Füßen traten, denn jene Unglücklichen hatten für ihr Vaterland gefochten, diese haben es verraten.
Jetzt endlich scheint man der Ernährung der Ausgewanderten fast überall überdrüssig zu werden. Ob es aus Gründen der Vernunft oder deswegen geschieht, weil man befürchtet, es mögten demokratische Franken sich unter dieser Maske einschleichen, die Sterne und Kometen möchten im allgemeinen verächtlich werden, weil man sie auf dem abgeschabten Rocke mancher Bettler erblickt oder ob man der Republik dadurch Cour machen will – dies alles will ich nicht genau untersuchen.
Verfährt man aber auch bei dieser Entfernung der Ausgewanderten mit Billigkeit? – Ich glaube nicht.
Erst als Artois und Condé ihr Wesen in Deutschland trieben und an der Spitze des neuen Kreuzzuges standen, lockte man viele dieser Leute mit täuschender Hoffnung aus ihrem Vaterlande. Man drohte in dem Vandalen-Manifest jedem getreuen Bürger mit Feuer und Schwert, man versprach jedem Verräter Schutz und Unterstützung. Die protestantischen Preußen setzten entflohene Mönche in Longwy und Verdun unter klirrenden Bajonetten wieder in ihre ehemaligen Stellen ein. Die Ludwigsritter und Bischöfe fanden überall freie Tafel und Festins. Bald aber wandte sich das Blatt. Nur in wenigen Ländern duldete man noch diese Ausgewanderten eine Zeitlang. Plötzlich, vor dem Anfange des Winters, befahl man den Elenden, ihren Zufluchtsort zu verlassen und schob sie, wie einen Schub, dem Nachbarlande zu. Auch diese plötzliche Entfernung ist unbillig, ist ungerecht. Die meisten wissen aber dennoch dazubleiben. Viele waren in den Niederlanden, als die Franken dort siegten, und haben bei ihrer damaligen Flucht von der kaiserlichen Regierung Pässe als Niederländer erhalten, um, wenn sie dennoch etwa den Siegern in die Hände fielen, nicht als Ausgewanderte behandelt zu werden. Diese Pässe zeigen sie jetzt vor und geben sich als Brabanter aus.
Nach meiner Einsicht wäre ein allgemeines Gesetz gegen diese Ausgewanderten, folgenden Inhalts, billig und nötig:
Jeder Ausgewanderte ist entweder
Ist er so reich, daß er von seinen Interessen leben kann, und kann er dies bescheinigen, so ist diesem Ausgewanderten bei einem ruhigen, stillen, bürgerlichen Leben, jedoch unter der ausdrücklichen Bedingung der Aufenthalt in Deutschland zu gestatten, daß er auf keinen Fall Anspruch auf ein Amt, Wie leider an manchen Orten der Fall ist, wo Emigranten armen Einwohnern kleine Stellen wegnehmen. eine Stelle, eine Unterstützung von seiten des Staats Rechnung machen könne. Ist der Emigrant aber arm, so fragt sich, ob er
1. alt und gebrechlich ist.
In diesem Falle gehört er entweder unter die Klasse von Ausgewanderten, welche nach Frankreich zurückkehren können, falls sie sich den Gesetzen fügen wollen, und wird dann in Deutschland nicht geduldet, oder die Rückkehr ist ihm durch ein Dekret versperrt, und er wird in den Klöstern nach einer klugen Austeilung versorgt, oder
2. ob er zur Arbeit fähig ist.
In diesem Fall muß er anzeigen, ob er eine Kunst oder ein Handwerk oder irgendeine andere Geschicklichkeit besitze und ausübe, durch welche er sich nähren kann und will. Besitzt er diese, so wird in jeder Stadt einigen dieser Ausgewanderten ein Zufluchtsort gestattet, jedoch ihnen alles Betteln verboten und von der Obrigkeit über ihr Betragen genau gewacht. Auch müssen sie alle Unterscheidungszeichen ihres vorigen Standes sogleich ablegen.
Besitzt aber der Ausgewanderte keine Kunst, kein Handwerk, oder will er nicht arbeiten, so wird ihm im ersten Fall Unterricht gegeben, im zweiten aber sogleich zum Soldaten weggenommen, in Zucht- und Arbeitshäuser gesteckt und im Fall er sich nicht ruhig beträgt, aus allen deutschen Ländern verwiesen, nachdem er vorher mit dem Zeichen »F«, Faul, auf der Stirne gebrandmarkt worden, um sich nicht wieder einschleichen zu können.
Ein solches Gesetz würde uns von einer Menge unnützer Tagediebe befreien, ohne die Pflichten der Menschlichkeit zu verletzen.