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12. Anrede an Deutschlands Fürsten

Fürsten des achtzehnten Jahrhunderts! Sagt, wie ist es möglich, daß ihr Krieg führen könnt? Ihr seid so aufgeklärt, daß einige von euch sogar die Todesstrafen abgeschafft haben, und viele von euch sind so menschlich, daß ihre Hand zittert, wenn sie das Todesurteil eines Mörders oder Mordbrenners unterzeichnen sollen. Aber unschuldige und rechtschaffene Bürger könnt ihr zu Tausenden auf die Schlachtbank führen?

Ihr nennt euch Schutzherren unsers Eigentums und gewährt uns diesen Schutz nicht umsonst, denn wir müssen euch Schutzgeld teuer genug bezahlen, aber ihr raubt uns unsre Kinder, das, was uns von unserm Eigentume gerade das kostbarste ist. Ihr bestraft uns, wenn wir uns rächen und unsern Beleidiger schlagen, aber ihr zwingt uns, Menschen zu morden, die uns nie beleidigt haben. Ihr straft den, der von des andern Acker eine Garbe entwendet, und ihr ermuntert eure Heere, die Saaten des armen Landmanns zu verwüsten. Ihr errichtet Scheiterhaufen für den Mordbrenner, der seines Nachbars Haus angezündet, und ihr gebt Befehl, Dörfer zu verbrennen und blühende Städte in Asche zu verwandeln. Welch ein Widerspruch! Und wie demütigend ist der Gedanke, daß ihr uns für so kurzsichtig ansehen könnt, solche Widersprüche nicht zu bemerken!

Unwillig wenden wir unser Gesicht weg, wenn wir Menschen sich bei den Haaren herumziehen sehen, die sich um Worte, öfters um nichts bedeutende Kleinigkeiten streiten. Und euch sollen wir bewundern, wenn ihr große Heere gegeneinander führt, um sich zu zerfleischen und niederzumetzeln. Und doch ist der deutsche Pöbel, wenn er sich bei den Haaren herumzieht, und der englische Pöbel, wenn er seine Streitigkeiten durch Faustschläge entscheiden will, lange nicht so als ihr Fürsten zu tadeln, die ihr, ohne euch selbst in Gefahr zu setzen, das Blut eurer Untertanen aufopfert, um einen Zwist zu endigen, der bloß euch interessiert, uns aber gar nichts angeht. Jener bulgarische Fürst gab dem griechischen Kaiser, als dieser seinen Streit mit ihm durch einen Zweikampf ausmachen wollte, zur Antwort: »Ein Schmied, der Zangen hat, wird das glühende Eisen aus den Kohlen nicht mit seinen Händen herauslangen.« So denkt ihr insgesamt, ihr fürstlichen Schmiede! Ihr behandelt uns als eure Zangen, mit welchen ihr das glühende Eisen herauszulangen versucht. Was gehn uns eure Zwistigkeiten an? Die Zeiten sind vorbei, da man den Eroberern Ehrenpforten und Triumphbogen baute, und wir sind jetzt zu aufgeklärt, um den Krieg für etwas anderes als für ein Überbleibsel der Barbarei anzusehen, wodurch alles niedergerissen wird, was die Weisen der Nationen für das Beste der Menschheit getan haben. Zwar wollt ihr gemeiniglich durch eure Deduktionen beweisen, daß Liebe zu eurem Volke euch in die Notwendigkeit versetze, Krieg zu führen. Glaubt ihr aber, daß wir so leichtgläubig sind, solche Märchen für Wahrheit aufzunehmen? Ehrgeiz und Habsucht sind es allein, die euch vermögen, das Blut unschuldiger und treuer Bürger aufzuopfern.

Aufklärung, sagt man, habe die französische Revolution bewirkt, und deswegen wollt ihr solche verhindern? Fürsten! Wenn euch das gesagt werden sollte, so bitten wir, laßt euch durch solch fades Geschwätz nicht täuschen. In jedem Stande gibt es einen gewissen Auswuchs von Leuten, unter den Bauern gibt es grobe Leute, unter den Kaufleuten Betrüger, unter den Ärzten Quacksalber, unter den Rechtsgelehrten Rabulisten, unter den Theologen Tartüffe, und unter den Fürsten – das wißt ihr am besten – gibt es Despoten. Alle diese Auswüchse hassen die Aufklärung, weil ihnen solche gefährlich ist. Aber ist die Aufklärung Männern gefährlich, die in ihrem Stande ihre Pflicht tun? Wird ein weiser Prediger, Jurist oder Arzt wohl die Aufklärung scheuen? Wenn ihr weise und gute Fürsten seid, so muß es euch freuen, sooft in eurem Lande ein Mann auftritt, der sie zu verbreiten sucht und solche aufs möglichste befördert. Nur Despoten und schwachköpfigen Fürsten kann sie fürchterlich sein, nur solchen Fürsten, die von keinem andern Rechte und von keinen andern Gesetzen wissen, als der Willkür und den Launen der Tyrannei, kann die Aufklärung zum Nachteil gereichen, weil sie die Fesseln zerbricht, die Despoten geschmiedet haben, weil sie sich dann weigern, sich ferner von solchen fürstlichen Schmieden als Zangen gebrauchen zu lassen, um die glühenden Eisen aus dem Feuer zu holen.

Wahr ist es, soviel hat die Aufklärung bewirkt, daß wir eure Kriege verabscheuen und besonders einen solchen Krieg, wie er gegen Frankreich geführt worden, weil hier nirgends Spuren der Menschlichkeit anzutreffen sind. Man sagt, ihr wäret hintergangen worden; und das verdiente Verzeihung. Aber wenn wir bedenken, wer die Geschöpfe waren, denen die Hintergehung zugeschrieben wird, so werden wir zweifelhaft, ob auch eine Entschuldigung in diesem Falle stattfinden könne. Wir wollen eure Verführer, der Ordnung nach, hersetzen. Es waren wollüstige, verschwenderische französische Prinzen, aufgeblasene Edelleute ohne alles Verdienst, böse Pfaffen und ein Pitt, ein böser Minister des englischen Reichs. Dieser machte gleich anfangs den Anschlag, Frankreich auszuhungern, um durch Elend des unschuldigen Teils der Nation seine Absichten zu erzwingen. So wurden denn die alten Regeln des Völkerrechts vergessen und die Gesetze der Menschlichkeit mit Füßen getreten. Pitt, das böse Prinzip, trat mit Verrätern und Wucherern in Bund, mit Hunger und Bürgerkrieg, und wäre es möglich gewesen, sich mit der Pest zu vereinigen, so hätte es dieser Mensch mit Freuden getan, um sein teuflisches Projekt ins Werk zu richten, welches, wenn es zur Ausführung gekommen wäre, nicht die Streiter selbst, sondern unschuldige Kinder, Witwen, Waisen und Greise getroffen hätte. Man sehe hierüber den vortrefflichen Aufsatz im »Neuen grauen Ungeheuer«. Mit dieser Klasse von Menschen, die bisher selbst von Kannibalen verschont worden, wollte Pitt Krieg führen, diese Unschuldigen wollte er durch den Hungertod würgen. Und mit so einem Geschöpfe konntet ihr, gute Fürsten Deutschlands, gemeine Sache machen, ihr konntet euch von einem Pitt verführen lassen? Von einem Bösewichte, der falsche Assignate fabrizierte und sie millionenweise in das Land schickte, von einem Gauner, der im Finstern nach niedrigen Mitteln haschte, konntet ihr euch leiten und bewegen lassen, die Pflichten der Menschlichkeit zu verletzen? Das ist fast unverzeihlich.

Sowenig selbst im hitzigsten Kriege der Meuchelmord verzeihlich ist, sowenig kann auch diese Art von unmilitärischem Benehmen als Pitts Falschmünzen auch nur im geringsten einen Verteidiger finden. Nicht genug, Deutschlands Fürsten, daß ihr mit einem solchen Ungeheuer gemeine Sache machtet, sondern das alte Sprichwort »Böse Gesellschaft verdirbt gute Sitten« habt ihr deutlich genug in diesem Kriege bewiesen, weil die unmenschliche Behandlung der französischen Gefangenen beim Transporte auf der Donau von Seiten der Österreicher und die noch schrecklichere beim Transporte der Gefangenen nach Magdeburg von sehen der Preußen nur zu deutlich bewiesen hat, daß man willens war, diesen Krieg durchaus nicht auf seine sonst gewöhnliche, sondern auf eine neue, grausame Art zu führen, wie noch kein Beispiel in der Geschichte vorhanden war.

Ja, was alles andere an kannibalischer Wildheit übertraf und die Rüge der Zeitgenossen verdient, war die Ausrüstung der Seressaner oder Rotmäntel, die, weil sie keinen Sold erhielten, zum Rauben privilegiert wurden. Noch nicht genug, sondern diesen Unmenschen wurde für jeden abgeschnittenen Kopf, den sie lieferten, ein Dukaten zur Belohnung gereicht. Sehr natürlich war es, daß diese privilegierten Kopfabschneider, um recht vieles Blutgeld zu erhalten, die abscheulichsten Handlungen begingen, für welche die Menschheit bei der bloßen Erzählung schaudert. Denn es ist bekannt, daß sie in der Dämmrung an die Fenster der Bauern klopften und ihnen beim Heraussehen die Köpfe abschnitten, und von Wurmser, Chef der Kopfabschneider, ihre Dukaten in Empfang nahmen. So wurden also die Köpfe dutzendweise geliefert, und das nannte man Kriegführen? Ja, was noch mehr war, das ehrlose Banditenhandwerk wurde nicht etwa bloß als ein Unfug getrieben, davon man in allen Kriegen Spuren aufzuzeigen vermögend ist, sondern durch Befehl des kaiserlichen Hofkriegsrats war dieser Meuchelmord privilegiert worden.

Seht, ihr Fürsten Deutschlands! Solche Tatsachen sind uns leider bekannt, sind mit blutigen Zügen in unser Gedächtnis geschrieben und lassen sich so leicht nicht wegwischen wie ein Rechnungsexempel von der Tafel. Glaubt ihr demungeachtet, daß wir euren Kreuzzug sowie überhaupt eure Kriege billigen können? Sind wir denn Puppen in der Hand des Schicksals oder Bälle, womit ihr Fürsten nach Belieben spielen könnt? – Vielleicht glaubte man dieses noch zu Anfange dieses Jahrhunderts, aber diese Zeiten sind vorbei, denn wir sind aufgeklärt worden und verdanken solches besonders den Neufranken. Ein Kreis von neuen Ideen hat sich in uns ausgebreitet, und wir sehen jetzt mit Staunen Grundsätze um uns herum aufblühen, die wir vorher entweder nicht kannten oder höchstens nur kalt und oberflächlich begafften. Es ist also nicht möglich, uns ferner auf solche Art zu regieren, wie ihr uns bisher regiert habt, sondern wir verlangen von euch statt Despotismus eine gerechte, sanfte Regierung, statt der alles verheerenden Kriege verlangen wir – Friede. Nur durch Befriedigung dieses Wunsches könnt ihr hoffen, daß wir euch als gute Fürsten in Zukunft verehren!


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