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10. Warum sind die Großen über die Französische Revolution so erzürnt?

Nichts ist leichter, als diese Frage zu beantworten. Die Regierer haben der Gutwilligkeit der Völker ihre Größe zu verdanken, aber mit der Französischen Revolution kamen zugleich gewisse Ideen in Umlauf, die diese Gutwilligkeit verminderten. Auf den Unterschied zwischen guten und schlechten Regenten fing man an aufmerksam zu werden, man verlangte, daß sie gut regieren sollten, und man war so dreist, die Regierung schlecht zu nennen, wenn der Fürst weiter nichts tat als ein goldnes Schlaraffenleben zu führen. Kurz, durch die Französische Revolution fingen die Menschen an, in der Stille klüger zu werden. Soviel kann man behaupten, daß die Zeiten vorbei sind, wo es den Herrschern erlaubt war, sich nur füttern zu lassen und zu schwelgen, wo sie die Menschen mit ihren Launen quälten und nur in Lustbarkeiten herumtaumelten. Ist es also wohl ein Wunder, wenn die großen Herren über die Französische Revolution erzürnt wurden, Himmel und Hölle in Bewegung setzten, um den Neufranken ihren Sieg der Freiheit zu erschweren? – Freilich hatten sie solches nicht Ursache, weil keine Revolution vermögend sein würde, den Völkern zu ungünstigen Urteilen über die großen Herren Veranlassung zu geben, wenn nicht selbst mancher Hermelinsünder seinen Untertanen Stoff gäbe, über ihn und das Unwesen, so er treibt, ernstlich nachzudenken. Wer kann es wohl leugnen, daß ein solcher Regent, wie der vor einigen Jahren verstorbene Fürst von Zerbst, eine seinem Lande sehr entbehrliche Möbel ist. Man sagt zwar, von den Toten solle man Gutes reden, ich finde aber dieses alte Sprichwort gar nicht anwendbar und sehe nicht ein, warum man nicht von einem verstorbenen Schurken laut sagen soll, daß er ein Schurke war? Genug, dieser Fürst war für sein Land gerade das, was eine Null ohne Zahl ist. Er war seit vielen Jahren gar nicht in sein Land gekommen, seine Untertanen kannten ihn ebensowenig als er sie kannte, und doch mußten sie für ihn arbeiten, und er verzehrte die Gelder seiner Untertanen im Auslande. Bei Zuchthausstrafe ließ er durch öffentliche Edikte bekanntmachen, daß keiner seiner (Untertanen sich unterstehen sollte, ihn mit Bittschriften zu belästigen. Er verkaufte seine Untertanen und vertat auf die liederlichste Art dieses Blutgeld im Auslande. Sollte wohl die Nachwelt glauben, daß die Gutwilligkeit des Volks so weit gehen könnte, einen solchen fürstlichen Taugenichts zu füttern? Er kümmerte sich um nichts, und wenn er einen Befehl ergehen ließ, so enthielt solcher den abscheulichsten Unsinn. So befahl er zum Beispiel, daß jeder, der um Versorgung anhielt, hinzusetzen mußte, »es sei im Zivil- oder Militärstande«. Seine ganze Kriegsmacht bestand in nicht mehr denn 3000 Mann, und sollte man wohl glauben, daß der lächerliche Befehl so weit ausgedehnt wurde, daß ein Theologe, wenn er um eine Pfarre anhielt, genötigt war, sich der Klausel zu bedienen »es sei im Zivil- oder Militärstande«, da es denn auch oft geschah, daß er einen Theologen oder Rechtsgelehrten zum Feldwebel machte. Und ein solches halb unkluges und halb tyrannisches Ungeheuer war so frech, sich Vater des Landes zu nennen, und seine Zerbster waren auch so gutmütig oder vielmehr so einfältig, trotz aller seiner Narrheiten ihn den gnädigen Fürsten zu heißen. Wenn Frankreichs Regierung auf den Einfall käme, sich umsonst füttern zu lassen und das Geld in fremden Ländern durchzubringen, was würden die Widersacher der Neufranken von dieser Regierung und von diesem Volke, das so einfältig wäre, solches zuzugeben, wohl sagen? – Bei dieser Gelegenheit müssen wir eine Frage aufwerfen, die mit dem Betragen des gedachten unklugen Fürsten in einiger Verbindung steht. Warum wird es überhaupt verstattet, daß viele der regierenden Fürsten Deutschlands in fremde Kriegsdienste treten? So etwas sollten Kaiser und Reich nicht zugeben, wenn es ihnen anders um Deutschlands Wohl zu tun ist, denn wie ist es möglich, daß ein Land gut regiert werde, wenn der Vater desselben nicht gegenwärtig und, was noch mehr, wenn er im Kriege begriffen ist. Durch feindliche Kriegsheere, durch Lager und Festungen ist ein solcher Fürst von seinen Untertanen getrennt, seine Räte können und dürfen ihn nicht von Angelegenheiten seines Landes benachrichtigen, kurz, seine Diener sind sich selbst überlassen, und er weiß gar nicht, was in seinem Lande vorgeht. Ist es unter solchen Umständen nicht sehr natürlich, daß die Regierung vernachlässigt werde? Ein Regierer des Landes ist bei allem seinem guten Willen nicht vermögend, die Arbeit vollkommen zu verrichten, die ihm als Landesvater zukommt, und dennoch ist es ihm erlaubt, fremde Arbeit zu übernehmen? Er übernimmt neue Lasten und ist nicht einmal vermögend, die Bürde zu tragen, die ihm als Regierer eines Volkes auferlegt ist? Nicht zu gedenken, daß die Löhnung, die sie von dem fremden Fürsten erhalten, oft nicht zureicht, eine fürstliche Equipage und ein eigenes Regiment zu halten, so sind sie noch dazu genötigt, die Gelder ihrer Untertanen in fremden Ländern zu verzehren.

Überhaupt ist es sonderbar genug, daß ein Fürst, der in seinem Lande das Oberhaupt ist, solches verläßt, sich von andern Fürsten besolden läßt und deren Befehlen Folge leistet, wie dieses sehr oft der Fall ist, indem ein solcher Regent zuweilen nicht einmal als kommandierender Feldherr dienet, wie solches bei einem Herzog von Weimar, Fürst von Köthen und mehrern deutschen Fürsten geschah. Wenn es aber auch der Fall ist, wie bei einem Herzog von Braunschweig, daß ein solcher Regent Befehlshaber einer Armee ist, so bleibt die Sache selbst ebenso unschicklich, widersinnig und nachteilig für den Fürsten selbst und seine Untertanen, der Erfolg seiner Unternehmungen möge glücklich sein oder nicht. Erobert er auch Festungen, gewinnt er Schlachten und erficht er sich Lorbeern, was ist diese eingebildete Ehre gegen den wahren Ruhm, ein guter Regent, ein wahrer Vater seines Landes zu sein. Ist er unglücklich in seinen Unternehmungen, muß er sich vielleicht mit seinem Kriegsheere zurückziehen oder wohl gar auf sichern Befehl Manifeste ergehen lassen, die ihn in den Augen seiner Zeitgenossen und der Nachwelt als kriegerischen Prahler charakterisieren – wie kränkend muß solches nicht für seine Untertanen sein, die ihn lieben und als ihren Vater verehren? Oder halten solche Fürsten vielleicht ihre eigenen Länder für zu kleine Gegenstände ihrer Sorgfalt, als daß sie sich mit deren Wohl abzugeben die Mühe nehmen sollten. Wozu wären sie denn da, und weswegen vertraute ihnen, ihr Land sein Wohl an, gab ihnen alles in die Hände und legte sich Lasten auf? Nicht deswegen, daß der Fürst es glücklich machen, sondern, damit er sich im Auslände mit fremden Kriegsvölkern beschäftigen sollte, indes er die Geschäfte seines eigenen Landes fremden Händen anvertrauet? – Oh, wie leicht wäre es möglich, einen solchen Unfug zu verhindern, wenn die Völker nur wollten, und zwar ohne großes Aufsehen zu machen, noch weniger ohne den geringsten Aufstand zu erregen. Die Untertanen eines solchen regierenden Fürsten, wenn er den lächerlichen Einfall bekäme, in fremde Kriegsdienste zu treten, dürften ihn nach meiner Meinung nur auf folgende Art anreden: »Du bist ja unser Fürst, nicht der Fürst der Preußen oder der Österreicher. Wir wollten ja deine Hilfe und Beistand haben, in der Voraussetzung, daß wir uns nicht selbst helfen noch regieren konnten. Dir vertrauten wir unser Wohl an und verstatteten dir so viele Einkünfte, und zum Lohn dafür behandelst du uns als Bastarde, ob du gleich unsre Wohltaten nicht verachtest, sondern die Abgaben nimmst und willens bist, unsre Gelder in fremdem Dienst und fremden Ländern zu verzehren. Niemand kann zweien Herren dienen, entweder er muß einem anhängen oder den andern verachten, so steht es schon in der Bibel, und unsre Vernunft sagt uns, daß du in deinem Lande Beschäftigung genug hättest, wenn du nur wolltest. Willst du uns vielleicht zur Antwort geben, daß deine Räte statt deiner regieren? Ei nun, wenn das der Fall wäre, so, würdest du ja selbst eingestehen, daß du überflüssig seist und daß wir dich sehr leicht entbehren können. Du hast also jetzt die Wahl, entweder du bleibst in unsrer Mitte und bemühst dich, uns gut zu regieren, und wir versprechen, deine treuen Untertanen zu sein, oder du ziehst in fremde Länder und suchst durch Leichen und Verwüstungen Lorbeern zu erringen. Ziehst du diese Lorbeern dem Ruhm vor, Vater eines Landes zu sein, so ziehe hin, wir bedürfen deiner nicht und werden dich nie wieder in einem Lande regieren lassen, das deiner Regierung so leicht entbehren könnte, wie du selbst durch dein Auswandern uns deutlich genug bewiesen hast.«

Eine solche männliche Sprache des Volks würde hinreichend sein, jeden regierenden Fürsten von dem törichten Vorsatze abzuhalten, in fremde Dienste zu treten und die Regierung seines eigenen Landes zu vernachlässigen.


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