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19. Einige Worte über mich selbst und mein Schicksal und bei Gelegenheit desselben

Es sind nunmehr zwei Jahre und ein Monat seit der grausamen Verfolgung verflossen, welche mich um deswillen traf, weil ich früher als die Männer, in deren Händen damals noch die Rettung Deutschlands stand, das künftige Schicksal meines Vaterlands voraussah und es laut vorherzusagen wagte. Tränen, bittere Tränen – freilich nicht der Reue, sondern der Scham und der ohnmächtigen Wut – rollen vielleicht jetzt über die Wangen des harten, unmenschlichen Erzbischofs, dessen Stolz, dessen unbegrenzter Starrsinn vom Anfange dieses Krieges an bis zu seinem für Deutschland schmählichen Ende durch keine Vorstellung, durch kein Geschick gebeugt werden konnte. Mögen ihn diese Tränen mit seinem Gewissen aussöhnen und möge seine nahe Todesstunde nicht durch Erinnerung an die unzähligen Opfer verbittert werden, an deren Tode er die erste Ursache war! Das Wehe, welches dieser Krieg über ganze Geschlechter ausgoß, das Unheil, welches Torheit über ganze Länder brachte, die Zerstörung der Moralität und der Zufriedenheit vieler Tausende verdienen ja wohl einige Reue und einige Buße. Wie mancher Greis sah seine Hütte verbrennen, wie mancher Säugling starb den Hungertod, wie manche Familie verlor ihren Versorger! Die kahlen Felder von Lautern wie die schönen Ebenen von Mainz sind zu einem weiten Kirchhofe geworden, wo in Lumpen gehüllte Waisen auf der verwesungsschwangern, Erde, welche die zerstreuten Gebeine ihrer Väter zur Not bedeckt, um eine harte Brotrinde betteln. Kann es den unglücklichen Opfern wohl einigen Ersatz geben, wenn sie die törichten Unheilstifter, welche die verzehrende Flamme anbliesen, nun selbst von ihr versengt sehen? Wird eine zerstörte Hütte dadurch wieder aufgebaut, wenn der Zerstörer endlich selbst aus seinem Palast wandern muß, um ihn nie wieder zu betreten? O wahrlich, für den Verderber eines Landes ist der Verlust einer Bischofsmütze eine allzugelinde Strafe!

Das Schicksal hat sich (was nicht allemal der Fall zu sein pflegt) diesmal in etwas gerechtfertigt. Die Verbannten, die Verfolgten um Meinungen und um des freien Bekenntnisses der Wahrheit willen kehren endlich zurück, und ihre Verfolger müssen nun selbst den bittern Kelch des Leidens kosten, den sie für ihre Feinde so voll, so übervoll einschenkten. Mag es wohl jemand dem Leidenden verdenken, daß er sich über das Ende seiner Qualen freut, daß ihm im ersten Augenblick die verdiente Demütigung seiner Feinde, deren Rache und Wut keine Grenzen kannte, nicht unwillkommen ist? Aber unwert des Sieges ist der Überwinder, der den geschlagenen Feind noch mit Hohn und Rache verfolgt und nun seinerseits zum grausamen Verfolger wird. Die Waffen der Gegner zu zerbrechen ist Pflicht der Selbsterhaltung, aber den entwaffneten Gegner niedermachen, das kann nur ein Feiger, und wüßte er auch, daß der Entwaffnete, wäre er Sieger, keine Großmut gekannt haben würde.

Freilich in dem Augenblicke, wo ich an einem stürmischen Dezembertage mit wenigen in der Eile zusammengerafften Dukaten, mit einem einzigen Kleide dem Tode oder der noch gräßlichem ewigen Gefangenschaft entfloh, alle meine Lebensplane zerstört sah, wo ich in einer einzigen Viertelstunde den Erwerb mühevoller Jahre verloren hatte, wo drei Nächte lang das Rufen der Wachen, die auf mich lauerten, den Schlaf von meinen Augenlidern verscheuchte, wo ich vom kalten Wasser einer Bergschlucht bis auf die Haut durchnäßt mich vor den Schergen verbergen mußte, die mir nachsetzten, wo ich einem Verbrecher glich, nur bei Nacht meine Reise fortsetzen konnte, wo jeder elende Bube einen hinlänglichen Stoff zur Rache, nicht nur an mir, sondern auch an meinen unschuldigen, an meinen Meinungen keinen Teil habenden Freunden gefunden hatte, wenn er elenden, kriechenden Richtern anzeigte, daß sie mich nicht hatten verraten wollen – in dem Augenblicke, am 13. Dez. 1795 war ich zwar gewiß, daß die gerechte Strafe dieser Frevel früher oder später ihre Urheber treffen werde, aber ich konnte doch noch nicht vorhersehen, daß ich schon am 13. November 1797 dazu gebraucht werden würde, an der Einteilung der nichtfürstlichen Länder auf dem linken Rheinufer in Departements der fränkischen Republik zu arbeiten. Ich konnte nicht wissen, daß die Rede davon sein würde, einen ebensosehr verfolgten Mann, den der Kurfürst noch vor zwei Jahren hängen wissen wollte, zum Bevollmächtigten der fränkischen Republik zum Kongreß zu Rastatt zu ernennen, und ob ich gleich in meiner Verfolgungsgeschichte vorhersagte, daß ich ungehindert in Mainz einziehen würde, so glaubte ich doch nicht, daß ich am 3. Nivôse des sechsten Jahrs der Republik (am 23. 12. 1797) zu dem ehrenvollen Amte des höchsten Tribunals in den ehemaligen Kurmainzisch-Pfälzischen und Zweibrückischen Landen diesseits des Rheins berufen werden würde, damals war ich jedem Kotwurfe ausgesetzt, und wahrlich, hätten meine Feinde mich in ihre Gewalt bekommen, sie würden nicht so glimpflich mit mir verfahren haben, als ich es mit ihnen zu tun gedenke. Ich war ja geflohen, ich stand keinem mehr im Wege, ich hatte alles verloren, und dennoch war ihre Rache nicht befriedigt, dennoch raubten sie mir noch durch ein lächelndes Verbot den letzten Notpfennig, worauf ich allenfalls noch hätte rechnen können, dennoch neckten sie mich am Ufer der Elbe. Sei es Schwäche, sei es in den Augen dessen, der von meinen damaligen Leiden keinen Begriff hat, Rachsucht, aber ich gestehe, daß ich seit zwei Jahren zum ersten Male das Gefühl der Sehnsucht nach Rache an dem Tage geschwächt fühlte, an welchem ich meinen großen Prozeß mit dem Erzkanzler des Heiligen Römischen Reichs so glänzend gewonnen hatte. Dieses Geständnis meiner Zufriedenheit, diese Freude darüber, daß ich mein Wort halten konnte, sei aber auch meine einzige Rache, und ich wünsche nun nichts mehr, als daß ich Gelegenheit finden möchte, das Schicksal meiner zu Boden geschlagenen Verfolger zu erleichtern und Öl in ihre Wunden zu gießen.

Diejenigen, welche bisher mit blinder Wut alle ihre Hoffnungen auf Gewalt und bestochene Verschwörer gründeten und nun durch ihre Verhältnisse gezwungen werden, die Gnade der siegreichen Republik anzuflehen, können versichert sein, daß ihr künftiges Schicksal bloß von ihrem Betragen abhängt. Zwar werden sie sorgfältig beobachtet und gehindert werden, ihre bisherigen Entwürfe fernerhin auszuführen, und die Strenge der Gesetze wird sich im vollen Maße gegen sie wenden, wenn sie unverbesserlich bleiben sollten. Aber auf der andern Seite wird auch niemand, der sich von nun an den Gesetzen der Republik unterwirft, zu befürchten haben, daß ihm seine ehemaligen Meinungen zum Verbrechen angerechnet werden, und jeder wahre Patriot wird mit Kraft und Mut diejenigen bekämpfen, welche ihre Privatleidenschaft zur Sache des Staats machen und ihre Gewalt zur Ausübung niedriger Rache mißbrauchen wollten.

Deutschland hat durch seine Untätigkeit und eine sonderbare Verkettung der Umstände die Gelegenheit zu einer vernünftigen Umschaffung seiner gotischen Anarchie ungenützt verstreichen lassen. Es zerfällt nunmehr notwendig in mehrere Massen, und ein beträchtlicher Teil wird ganz und gar davon abgerissen. Als Deutscher hätte ich gewünscht, daß die auf dem linken Rheinufer gelegnen Länder den großen Weg zur Vollendung in Gemeinschaft mit den übrigen zurückgelegt hätten. Sie allein waren zu schwach, um allein mit Glück wandern zu können. Die Fortsetzung des Kriegs hätte, wenn wenigstens Augereau im Besitz seines Einflusses geblieben wäre, unausbleiblich zu diesem erwünschten Resultat führen müssen. Der fränkischen Regierung aber konnte man mit Recht unmöglich zumuten, ihren Kampf für fremde Völker fortzusetzen, welche nichts für sich selbst zu tun wagten. Der schöne Traum, Deutschland zu einer Republik und die Deutschen zu einer Nation werden zu sehen, mußte, endlich aufgegeben werden.

O Germanien! Nimm die Zähre des bittern Unmuts, die über meine Wange rollt, zum letzten Opfer von deinem dir nur gezwungen absagenden Sohne an! Du gleichst einem Riesen, dessen Knaben spotten, weil seine Glieder gebunden sind! – Du brauchtest dich nicht selbst die große Nation zu taufen, wenn du diese Fesseln abschütteln wolltest! Du würdest diesen Namen mit Recht von allen Völkern erhalten! Du würdest ausführen und vollenden, was der Franke nur versuchte! O Germanien! Germanien! Wer stürmte die Bastille? Deine Söhne in Paris. Wer machte Hollands Handlung so blühend? Deutsche. Wer steht noch jetzt an der Spitze der ersten Handlungshäuser, der ersten Fabriken in England? Deutsche. Mit dem Fleiße deiner Arbeiter gewinnen französische und englische Fabrikanten Millionen. Wer schuf wüste Gegenden am Delawarenstrom zu Pflanzungen um? Deutsche. Wer gab dem Papsttum den ersten Stoß? Ein Deutscher. Wer erfand die furchtbarste Waffe der Wahrheit, die Buchdruckerei? Ein Deutscher. Wer setzte zuerst feste Grundsätze der Philosophie und der Politik fest, auf welcher die Franken nur durch Gefühl, durch schwankende Ahnungen geleitet wurden? Ein Deutscher. Wer hat unter dem fürchterlichsten Druck unbelohnt, unverkannt für Erziehung, für wahre Aufklärung, für wahre Moral mehr getan als die Franken, die sich jeden Tag die große Nation in der nächsten Generation tun werden? Deutsche. Wäre Germanien erst ein vernünftig eingerichteter Staat, wären Germaniens Söhne eine Nation – welches Volk des Erdbodens könnte sich mit uns messen!

Mögen die Menschen, welche nur sich selbst in allem sehen, welchen eine Befriedigung ihrer Eitelkeit mehr wert ist als das Wohl des Ganzen, welche der Freiheit höfeln wie ehemals einem Fürsten, welche die Wirkung kühner Verwegenheit, das Gelingen toller Entwürfe und die Stärke der Sache nicht vom Verdienste der Personen absondern, welchen schöne Worte für schöne Taten gelten, sich zu französischen Schirachs und Reichards herabwürdigen und es ruhig ertragen, wenn Menschen, die nichts getan haben, das Produkt der Kraft der braven fränkischen Armeen für ihr Werk ausgeben und stolz als ältere Söhne der Freiheit auf ein vermeintliches Volk ohne Kraft herabsehen. Ich fühle, daß dieses Volk, wäre es nicht durch eine Anarchie gelähmt, hätten sich nicht Verräter aller Art dagegen verschworen, am reifsten zur großen Vollendung wäre. Bindet den Riesen los, und ihr werdet seine Stärke kennenlernen.

Aber der einzelne vermag nicht, mit Gewalt gegen das Schicksal zu ringen, und, da Deutschland sich nicht regen und zu einem selbständigen Freistaate werden wollte, so weht jetzt die dreifarbichte Fahne an den Ufern des alten Rheins, und dieser mächtige Strom scheidet uns zu Franken gewordene Deutsche von unsern ehemaligen Landsleuten, denen man nun den Unterschied zwischen Integrität und Indivisibilität, zwischen Protektion und Usurpation, zwischen Indepotnehmen und Inbesitznehmen begreiflich zu machen zu suchen wird. Die Erfahrung wird zeigen, daß die Integrität der deutschen Reichsverfassung den Mächtigen nur insoweit am Herzen lag, als von Erhaltung ihrer Vorrechte gegen ihre Untertanen die Rede war. Die Teilung Deutschlands, welche ich im ersten Stück des »Neuen grauen Ungeheuers« vor vier Jahren vorherzusagen wagte, ist nunmehr nah, und dem Liebhaber wird es nicht an Gegenstücken zu dem darin abgedruckten Protektionsformular mangeln.

Unter solchen Umständen mag kein freier Mann vors erste das Bürgerrecht eines Volks von dreißig Millionen beibehalten, das sich wie einen Kuchen unter drei oder vier Gewalthaber verteilen läßt. Ich mag weder Preuße noch Österreicher noch Hesse sein, wenn ich einer dieser Mächte wie ein Sklave zufallen soll, über den das Los geworfen wird. Und so werde ich Franke, nicht weil ich Custinen gehöfelt habe oder weil ich auf Freiheit, die von andern geschenkt wird, viel Wert legte, sondern weil das Volk am linken Rheinufer doch wochenlang eine Art von Stellvertretung gehabt und sich selbst mit Frankreich vereinigt hat, weil doch in Köln, in Worms und Altzig Freiheitsbäume nicht auf Befehl, sondern aus eigner Regung und selbst zu einer Zeit gepflanzt wurden, wo es noch ein großes Problem war, ob die Republik Frankreich die verwegnen Sprecher schützen würde.

Die fränkische Regierung scheint die gute Absicht zu haben, diese so ausgesognen und durch den Krieg so sehr mitgenommenen Länder nunmehr mit aller Schonung zu behandeln. In fünfzehn Monaten werden sie ihre Stellvertreter, ihre Richter und ihre Administratoren selbst wählen, und es wird denn auf die Aufklärung der Einwohner ankommen, wie ihr Zustand künftig beschaffen sein wird.

Unter denen, welche sich in diesen Gegenden zuerst für die Sache der Freiheit laut erklärten, schlafen Georg Forster und Adam Lux schon im Grabe. Ein Denkmal verewige ihr Andenken und belohne die edle Aufopferung des braven Lux! Von den übrigen kehren einige, welche das Zutrauen des Volks verdienen, wieder zurück und sind vom Direktorium auf eine ehrenvolle Art für ihre Aufopferungen entschädigt worden. Ich führe unter diesen den braven Bürger Blau an, einen Mann, der den reinsten moralischen Charakter besitzt und dessen Herz durch die Revolution sowenig als durch unerhörte Mißhandlungen, die er während seiner langen Gefangenschaft ausstehen mußte, verdorben worden ist. Andere, welche vielleicht der Aufmerksamkeit der fränkischen Regierung entgingen, werden vom Volke nicht vergessen werden. Für viele aber, welche in Frankreich wie in Deutschland der Freiheit nur aus selbstsüchtigen Absichten den Hof machten und durch Denunziationen und Intrigen aller Art sich herabwürdigten, ist es wohl rätlich, sich selbst in Vergessenheit zu bringen und keinen Wert auf ihr ehemaliges Lautschreien zu legen. Die fränkische Regierung wird dafür sorgen, daß sie ihre kleinlichen Leidenschaften nicht auf Kosten des guten Rufes der Nation befriedigen können.

Mainz kann seiner glücklichen Lage nach in mancher Hinsicht eine der ersten Städte Deutschlands werden. Die freie Schiffahrt auf dem Rhein, die Menge der Fremden, die sich dort ansiedeln werden, die Gelegenheit, jetzt wohlfeile National- und andere Güter zu kaufen, die Aussicht für Handel aller Art, insbesondere auch für Buchhandel, das alles muß notwendig diese Stadt blühend machen. Möchte doch die fränkische Regierung die dort bereits existierende Universität nicht ganz eingehen lassen, sondern bloß die theologische Fakultät wegjagen und im übrigen einige von den der Republik zufallenden Stiftsgütern zu Errichtung mehrerer Lehrstühle anwenden. Sömmering wird hoffentlich von einer Regierung nicht aus dem Lande gelassen werden, welche es für ihren höchsten Stolz hält, daß jede nützliche Idee dem Frankenvolk angehören solle. Ich weiß zwar wohl, daß einige sogenannte Mainzer Patrioten die Absicht haben zu verhindern, daß Männer von Talenten vom rechten Rheinufer sich in Mainz ansiedeln. Allein die fränkische Regierung wird hoffentlich sich nicht von dieser neuen Faktion von Exklusiven täuschen lassen, welche gar zu gerne ihre unter dem Schutze der fränkischen Armeen und zum Teil aus Privatabsichten geäußerte Freiheitsliebe für ein ausschließliches Privilegium erklären möchten. Die Herren, welche ich meine, werden mich verstehen und mich hoffentlich nicht zwingen, sie dem Direktorium näher bekanntzumachen.

Solange meine Feder mir noch zu Gebot steht, werde ich sie entlarven, wenn sie nicht freiwillig zur Billigkeit zurückkehren. Solange das Direktorium, dem ich indessen gewiß nie niedrig schmeichelte, noch je schmeicheln werde, noch seine Meinung von meiner Liebe zur Republik und zur Wahrheit mir erhalten wird, werde ich der Regierung meine Gedanken frei mitteilen, und solange ich den richterlichen Hut trage, werde ich unerschütterlich wie ein Fels gegen alle diejenigen bleiben, welche die Gerechtigkeit zu Befriedigung ihres Privathasses mißbrauchen wollen. Ich kenne vor dem Gesetz weder Mainzer noch Franken noch Deutsche, weder Aristokraten noch Demokraten – Handlungen und nicht Meinungen gehören vor den Richter. Diese Grundsätze sind auch die des Direktoriums.

Es wird meinen Freunden in Deutschland unglaublich vorkommen, daß es Deutsche, sogenannte geflüchtete Patrioten, in Paris gab, an denen es wahrlich nicht lag, wenn ich nicht heute als Jakobiner, morgen als Aristokrat, ja ein andermal gar als Agent des Kaisers und der deutschen Fürsten aus Paris verjagt wurde, daß einer dieser Verleumder sogar das Direktorium ein paar Tage lang zu täuschen wußte. Aber da man hier nicht gleich einkerkert, so haben die Bemühungen dieser Herren zu nichts geholfen, als daß ich Gelegenheit erhielt, mich vollkommen zu rechtfertigen. Das Direktorium fand es billig, einen Mann nicht ungehört zu verdammen, der, ohne Belohnung zu suchen, der Wahrheit alles aufgeopfert hatte, der von dem 18. Fructidor, in der Zeit der Krise selbst durch eine auch in englischen Blättern abgedruckte Broschüre der Faktion von Clichy Krieg angekündigt und am 16. Fructidor durch eine wichtige Entdeckung vielleicht den heldenmütigen Entschluß des Direktoriums beschleunigt hat. Umsonst vereinigten sich mit diesen Patrioten, die vor dem 18. Fructidor auf beiden Achseln trugen, einige Agenten eines gewissen Hofes – meine Verleumder sind beschämt, und das Direktorium hat auf die gegen meine Ernennung gerichteten Kabalen durch Bestätigung meiner Anstellung geantwortet. Meine Gegner waren mir zu klein, als daß ich nur nach ihren Namen hätte fragen mögen.

Freunde der Freiheit in Deutschland! Wenn, wie kaum mehr einem Zweifel unterworfen ist, einige mächtige Raubtiere euer Vaterland vollends unter sich teilen, wenn der Schatten von Freiheit, der sich noch hie und da in einigen kleinen Freistaaten erhielt, vollends sich in Nacht verliert, wenn der Troß der Obskuranten das Übergewicht erhält, so eilt in die Gegenden des linken Rheinufers. Mit wenigem Gelde vermöget ihr euch bei uns anzusiedeln, und die für das innere Frankreich möglichen Erschütterungen habt ihr nicht zu fürchten, da sie sich den Departements nur schwach und sehr geschwächt mitteilen werden. Bringt eure reine, durch Revolutionsstürme nicht verminderte oder verschrobne Liebe zur republikanischen Ordnung mit, laßt uns alle gemeinschaftlich unsre Kräfte vereinigen, um in unsren deutschen, nun frei gewordenen Departements der Welt zu zeigen, was ein moralisches, kräftiges Volk durch vernünftige Formen auszurichten vermag. Laßt euch nicht durch den Gedanken abschrecken, daß Frankreich uns eine Zeitlang stiefmütterlich behandeln möchte. Diese Prüfungszeit ist kurz, und in längstens einem Jahre wählen wir selbst unsre Obrigkeiten. Wenn wir echte Freiheitsfreunde uns die Hand reichen, so sind wir allmächtig. Das Departement vom Donnersberg, die schönen Rheinufer müssen zur Freistätte aller deutschen Freiheitsfreunde werden, die auf ihr altes Vaterland noch wirken wollen, von diesem Sinai aus möge noch einst eine vernünftige Form, eine auf Menschenrechte beruhende Gesetzgebung von Deutschen für Deutschland ausgehen. So unmäßig vorteilhaft auch dieser Friedensschluß für die Überbleibsel der Koalition ist, sowenig er auch den billigen Erwartungen der Republikaner entspricht, sosehr auch dabei die Überwundenen statt der verdienten Strafe gewonnen haben, so ist er doch der Fortpflanzung der Freiheit weit günstiger, als die Staatsmänner glauben, die ihn so schnell unterzeichneten. Was kümmert es uns im Grunde, daß Hessen-Darmstadt etwa Frankfurt, Bayern Nürnberg und Windsheim verschlingt? Haben die Frankfurter es anders haben wollen? Sie mögen nun ein paar Jahre lang Grollmanniaden schmecken, und denn werden sie hoffentlich bereit sein zu tun, was sie früher hätten tun müssen. Alle die Gemäßigten, welche bisher nach dem gemeinen Sprichwort Pelze waschen und nicht naß machen wollen, werden nunmehr endlich einsehen, daß die Erhaltung eines ihnen behaglichen Mittelzustandes unmöglich sei. Die öffentliche Meinung wird über diejenigen richten, welche uns unsre goldnen und silbernen Gefäße zur Erhaltung der Reichsverfassung abforderten und welche diese gepriesene Verfassung nun selbst zerschlagen. Die Inkonsequenz der Obskuranten wird nun selbst dem blödesten Auge klar sein, und was man im Jahre 1793 ohne Gefahr eines Kriminalprozesses nicht sagen durfte, das wird nun selbst dem Tagelöhner nicht mehr vorgelesen zu werden brauchen. Wir geflüchteten Freiheitsfreunde leiten indes von Mainz aus die öffentliche Meinung, wir lachen der Zensuren in Deutschland, da wir in Mainz drucken lassen können, was wir wollen, und – ein Kahn führt es ja über den Rhein! Die Schweiz vollendet indes auch ihre durch den Verräter Carnot und den Oligarchengönner Barthélémy nur verspätete Umwandlung. Die cisalpinische Republik erhält Kraft und Bedeutung. Je ärger es über den Rhein inzwischen hergehen mag, desto besser für uns, desto eher müssen Seiner Kaiserlichen Majestät neu eingetauschte und eingefeilschte Untertanen Rache nehmen. Ihr unglücklichen Söhne Venedigs, deren Land verteilt, deren Schiffe weggeführt wurden, denen die erstgebornen Söhne der Freiheit, denen die Bürger – nicht doch, ein paar Staatsmänner der großen Nation ihre Waffen wegnahmen, als sie sich gegen den Despoten verteidigen wollten, der sie eingefeilscht hatte – dann wird auch eurer Erlösung großer Tag beginnen! Dann, Germanien, schlägt deine Rettungsstunde! Was sind drei, fünf, zehn Jahre! Die Grundsätze, nicht die Waffen müssen die Despoten stürzen. Ein Volk muß seine Freiheit selbst erobern, nicht zum Geschenk erhalten.

Dombrowski, und du edler Mann, den ich nicht nennen darf, der du aber der Reinsten einer bist, die ich noch fand, dann brecht auch ihr auf, um euer zerstückeltes Vaterland zu rächen. In Paris wie in Mailand, in Warschau wie in Berlin, wo ihr auch leben möget, laßt euch den Glauben an Freiheit, an Menschheit nicht aus euren Herzen reißen, nicht nehmen den Glauben an eine beßre Zukunft! Das Schicksal hat uns nicht umsonst, wenngleich nur auf einen Augenblick, zusammengebracht! Wir brauchen keine Eide, keine Symbole, keine geheime Gesellschaft, wir gehen alle gerade, wenngleich auf verschiedenen Wegen, und finden uns alle gewiß. Euer Wirkungskreis ist größer als der meinige, aber auch der meinige ist doch nicht unbedeutend. Braucht das Schwert, indes ich die Feder führe oder leite, verteidigt auf dem Felde der Ehre die Wahrheit, der ich doch auch oft bei Männern Eingang verschaffte, die auf Europens Geschick Einfluß haben. Am Ziele finden wir uns.

Opfer haben wir alle gebracht, Lohn erwarten wir nicht, denn wir alle wissen, daß, wer die Menschheit kennt, auf diesen nicht rechnen darf. Laßt uns, wenn uns der Weg bis zum Ziele unerreichbar weit dünkt, dem müden Wandrer gleich zu werden mit Zufriedenheit die Strecke betrachten, die wir schon zurückgelegt haben. Ihr seid verbannt und zum Tode verurteilt und bedroht jetzt schon an der Spitze einer siegbeginnenden Armee die Länder der Despoten, die euer Vaterland teilten. Seid ihr weiter von Warschau, als noch vor wenigen Jahren die dreifarbichte Fahne von Mailand war? Geht der Riese der Revolution nicht vorwärts mit gewaltigem Schritt? Haben die Verschwornen im fränkischen Volkssenat das Königtum weitergebracht? Haben Carnot, Pichegru, Moreau unsrer Armeen Siegesflug lähmen können? Vermochte Barthélémy die Schweizer Oligarchien zu erhalten? Der Sieg der Grundsätze ist entschieden, die öffentliche Meinung in Europa ist gebildet. Wir können dann und wann zurückzugehen scheinen, aber selbst diese Rückschritte sind nur ein neuer Anlauf, der uns dann plötzlich näher zum Ziele führt.

Aber daß mit dem Vorwärtsschreiten der Revolution auch zugleich die Moralität vorwärtsschreite, daß bei dem Übergange von einer schlechten Form zu einer bessern nicht auch alle Bande der Sittlichkeit gelöset werden mögen, daß nicht Revolutionäre aus Aristokratie sich der Zügel des Staates bemeistern, daß die alten Vorurteile nicht gegen Sittenlosigkeit vertauscht werden, sondern daß vernünftige Aufklärung sie gründlich ausrotten und Grundsätze an ihre Stelle setzen möge, das ist das große Werk, an dem jeder Freund der Menschheit mit Eifer arbeiten muß. Fern von uns sei der törichte Gedanke einiger über die Ausschweifungen der Revolution aufgebrachten Stubengelehrten, daß man die Kinderschuhe so lange anbehalten müsse, bis man zum Manne geworden sei, aber auch auf der andern Seite laßt uns ebensowenig dem Kinde gleich Mannsschuhe anziehen. Der Schmetterling, der Sich in der Chrysalide gebildet hat, verdirbt, wenn er zu lange in der Schale eingesperrt bleibt, aber er verdirbt ebensowohl, wenn eine allzu voreilige Hand die Hülse öffnet, ehe er ausgebildet ist. Die Natur der Dinge bestimmt selbst den Zeitpunkt seiner Verwandlung. Ebenso ist es wahrlich auch mit den Völkern. Es ist eine törichte Sache, von ihrer Reife zur Freiheit zu sprechen. Man räume die künstlichen Hindernisse weg, die ihnen in den Weg gelegt werden, aber man peitsche sie auf der andern Seite auch nicht zu Theaterstreichen, die man nachher Revolutionieren tauft.

Mit eben der Zuversicht, als ich vor drei Jahren vorauszusagen wagte, daß ich, ehe vier Jahre vergingen, in Mainz ungehindert einziehen würde, mit eben der Zuversicht wage ich eine Wette um mein Leben, daß vor Ausgang dieses Jahrhunderts noch drei bedeutende Staaten ihre jetzige Form gegen eine bessere vertauschen. Die Völker spotten des Friedens zu Campo Formio und der lateinischen Urkunde, welche die Pedanten des Heiligen Römischen Reichs zu Rastatt ausfertigen werden. Herkules schwingt seine Keule, und alle die Staatsmänner, Militärdrahtpuppen, Obskuranten, Oligarchen etc. mögen sich seinem Schlage nur immer in den Weg stellen, sie werden zerschmettert. Sie blasen in den gewaltigen Sturm, der sich über ihrem Haupte gesammelt hat, die Despoten und Despötchen allzumal, kleine und große, alte und neue, aber der Wind spielt mit ihnen, und sie verschwinden mit ihren Proklamationen und Manifesten und Reichstagsprotokollen von der Erde.


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