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Wider und für das Freudenmädchen

… Doch gesteh'n wir's uns nur ein: wir haben gemeinsam mit dem Freudenmädchen die Zeremonien der Liebe ausgeübt, aber wir haben das Freudenmädchen niemals unbedingt geliebt.

Das wollen wir nicht »Die Liebe« nennen.

Wenn wir mit einem Freudenmädchen zu tun hatten, empfanden wir nie, nie ein ungehemmtes, unbegrenztes Lustgefühl, stets war ein Zusatz von Unlust in unseren Regungen.

Die Hetäre hat nicht nur mit anziehenden, sondern auch mit abstoßenden Kräften auf uns eingewirkt; immer sind Hemmungen in uns lebendig geworden, die verhindern wollten, daß wir uns der Hetäre rückhaltlos hingeben, daß wir die Hetäre rückhaltlos hinnehmen.

Mögen wir mit der Hetäre in einer noch so innigen Verbindung gewesen sein, immerdar war eine unsichtbare Wand zwischen uns und der Hetäre. Wir waren in engster Vereinigung und waren dennoch weltenweit von einander entfernt.

Die unsichtbare Wand … Sie war aus mannigfachen Quadern und Steinen des Anstoßes gefügt … Unser Verstand konnte uns nicht immer in klaren Formeln die Ursachen sagen, weshalb uns das Freudenmädchen nie eine ungemischte Freude bieten konnte, aber unser Instinkt zeigte uns die dunkeln Umrisse der Ursachen, – der Steine des Anstoßes, – der unsichtbaren Quadern.

Der Nebenbuhler! – Dies war ein Stein des Anstoßes.

Jedermann, jeder Mann ist mein Nebenbuhler, alle Männer sind im Kämmerlein dieses Mädchens meine Vor- und Nachbuhler.

Denn sie ist eine Käufliche.

Sie liebt nicht mich, sie liebt die Silberlinge, die ich ihr gebe. Wenn ich zufällig die Silberlinge zu Hause vergessen hätte, so wäre sie mir gegenüber unnahbar, unantastbar, ein eisiger Tugendengel. Nicht ein Fünkchen Liebe wäre in ihrem Auge.

Und wenn in ebendemselben Augenblicke ein anderer Mann käme, in dessen Tasche Silberlinge klingen, so würde die Unnahbare, die Eisige sich plötzlich erwärmen, in ihrem Auge würde Liebe aufflammen, für die Silberlinge. Und sogleich wäre der andere Mann, der Jedermann mein siegreicher begünstigter Nebenbuhler.

Denn sie liebt nicht mich, sie liebt meine Silberlinge.

Und weiterhin: wie könnte ich mich mit ungehemmter Lust zu ihr hinsehnen, wie könnte ich sie schrankenlos lieben, wenn ich nicht – Eifersucht empfinden darf!

Was ist eine Würze der Liebe? Daß man ein Recht zur Eifersucht hat, aber keinen Grund zur Eifersucht.

Und hier, im Kämmerlein des Freudenmädchens, ist's umgekehrt: ich hab' wohl gar kein Recht zur Eifersucht, doch destomehr Grund zur Eifersucht.

Ich hätte Grund zur Eifersucht wider alle Männer, wider den kläglichsten Wicht. Ich hätte! – Wie schön, daß ich nicht Grund habe zur Eifersucht, weil ich nicht die Pflicht zur Eifersucht habe. Wie schön, daß ich hier auf die Würze der Liebe verzichten muß, weil ich verzichten will, hier zu lieben.

Nein, wir haben nimmer das Freudenmädchen hemmungslos geliebt.

– Ein Teich an der Karawanenstraße. Jedermann darf sich hier erquicken. Auch der schmierigste Kameltreiber.

Man muß schon viel Durst haben, wenn man an diesem Wasser sich labt.

Das ist es: unser Durst ist unser übler Berater. Er macht, daß wir zu Zeiten auch aus trüben Zisternen trinken. Unser Durst, des Leibes Notdurft.

Wo man liebt, da liebt man auch noch weiter, nachdem man den ersten Durst gelöscht hat. Wenn du eine Frau liebst, willst du in ihrer Nähe weilen, auch nachdem sie deines Leibes Not und Durst gestillt hat. Ihre Anziehungskraft erlischt nicht für dich, nachdem dein erstes Verlangen gelöscht und erloschen ist. Du bleibst, du kehrst wieder.

Du liebst sie vorher, ehe sie deine Sinne gelabt, und du liebst sie auch noch nachher. Auch nachher bleibt dir die wohlige friedensvolle Stimmung: hier in den Armen dieser Frau bin ich daheim und im Hafen. Hier ist gut ruhen.

Bist du jedoch bei der öffentlichen Zisterne, welche »Öffentliches Mädchen« geheißen ist, dann wendest du dich alsogleich zum Gehen, sobald dein Durst befriedigt ist. Mit Gleichgiltigkeit gehst du von dannen oder gar mit Mißbehagen. Schien dir die Zisterne auch vorher ein erstrebenswertes Ziel der Wünsche, nachher ist sie dir etwas tief Entwertetes, etwas Wertloses.

Immer klafft im Kämmerlein des Freudenmädchens ein betrübsamer Gegensatz zwischen dem Vorher und dem Nachher. Und nimmer empfandest du hier das Zuhause-Gefühl, nimmer den Wunsch, zu bleiben.

Im Vorher war dir schon eine Vorher-Ahnung des Nachher, ein störender Vorgeschmack des Nachgeschmacks.

Jawohl, stets stand eine unsichtbare Mauer zwischen uns und dem Freudenmädchen, gefügt aus mancherlei Quadern und Steinen des Anstoßes.

Der Nebenbuhler, – dies war ein Stein des Anstoßes.

Die Käufliche, – dies war ein anderer Stein.

Das unerquickliche Nachher, – dies war ein anderer Stein.

Ein Teich an der Karawanenstraße, in den der schmierigste Kameltreiber hineinwaten darf; – das Reinlichkeitsgefühl konnte sich sträuben, aus diesem Teich einen Labetrunk zu holen.

Und zudem weiß man, daß in solchen Teichen arge Blutegel und mancherlei feindselige Krankheitskeime nisten. Man denkt daran, daß die öffentliche Zisterne, welche »Öffentliches Mädchen« geheißen ist, gar böses Siechtum bringen kann.

Wie könnten wir mit ungehemmter, ungetrübter Liebe dem Lager des öffentlichen Mädchens nahen, da wir am Kopf-Ende des Lagers eine düster-vermummte Gestalt erblicken, die warnend die hagere, bleiche Hand erhebt: die Gefahr der Erkrankung.

Auf solchen Lagern, in Anwesenheit vermummter Gäste, ist wahrlich nicht gut ruhen.

Und noch mancherlei andere Hemmungen stehen zwischen uns und dem Freudenmädchen und strecken uns abwehrend die Hände entgegen.

– Doch genug davon! – Eines wissen wir und sagen es noch einmal: von »Liebe« können wir hier nicht sprechen.

Freilich, die Begründung haben wir vor uns selber: wenn wir in die Hütte der arabischen, afrikanischen, indischen, persischen, japanischen, singhalesischen, chinesischen und anderer Freudenmädchen eintraten, so suchten wir weniger das Freudenmädchen als die Araberin, Perserin, Chinesin und die sonstigen Töchter fremdartiger Himmelsstriche.

Wir vermuten, daß wir vor allem von einem Interesse für das rätselhafte exotische Menschenkind erregt waren und erst in zweiter Folge vom erotischen Interesse. Und nicht selten dünkte uns die Hütte und das Kleid und das Ohrringlein des Mädchens nahezu wichtiger und beachtenswerter als die Stimme unserer Sinnlichkeit.

Daß im Umkreis Euerer Hütte die Palme wuchs und das wunderlich verschnörkelte Geäst der Baniane, dies schmückte Euch mit einem Reiz.

Daß Euere Hütte in Ägypten auf einem Boden stand, der durch die Nähe des Nils einen Hauch des Wunderbaren empfing, und in Kalkutta durch die Nähe des heiligen Ganges und in Shanghai durch die Nähe des ungeheueren Yangtsekiang, daher kam mir eine Verlockung.

So liebte ich Euch – nein: so vollzog ich mit Euch die Gebräuche der Liebe, nicht weil ihr Freudenmädchen seid, sondern obwohl Ihr Freudenmädchen seid.


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