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Trotz der mancherlei Vergünstigungen, welche die Bergleute genossen, griff am Ende der 80er Jahre Unzufriedenheit unter ihnen um sich, und es kam im Mai 1889 zu einem Ausstand, durch den das bis dahin bestehende gute Verhältnis zwischen der Bergbehörde und den Bergleuten empfindlich gestört wurde. Die Ausstandsbewegung ging von dem rheinisch-westfälischen Kohlengebiet aus und verbreitete sich auch auf die Saargegend.
Am 15. Mai 1889 fand auf dem Bildstock eine von 2000 bis 3000 Bergleuten der benachbarten Gruben besuchte Versammlung statt, in welcher der Bergmann Warken den Vorsitz führte. Es wurde beschlossen, eine Reihe von Forderungen an die Bergwerksdirektion zu richten und im Falle der Nichterfüllung in den allgemeinen Ausstand zu treten. Die wichtigsten Forderungen waren achtstündige Arbeitszeit, Ein- und Ausfahrt eingeschlossen, und Lohnerhöhung (dem Häuer 4 Mk. für die Schicht). Da die Bergverwaltung diese Forderungen nicht ganz bewilligen konnte, so legten am 23. Mai etwa 1200 Bergleute die Arbeit nieder, während 14 000, unter ihnen die Belegschaft der Grube Dudweiler, anfuhren. Zum Schutze der Arbeitswilligen erschien es nötig, Militär einrücken zu lassen. Die Ausständigen glaubten die Bergverwaltung zum Nachgeben zwingen zu können, und es kam als Kampfgesang das »Warkenlied« auf, in dem der Bergmann zum Beharren im Ausstand aufgefordert wurde mit dem Kehrreim:
»Wenn dein starker Arm nicht will,
Stehen alle Räder still.«
Aber schließlich gingen den Ausständigen die Mittel aus, und am 3. Juni fuhr die ganze Belegschaft wieder an. 48 Bergleute wurden wegen Unbotmäßigkeit abgelegt; aber auch 15 Steiger, 79 denen pflichtwidriges Verhalten nachgewiesen worden war, wurden entlassen.
Doch die Gemüter beruhigten sich keineswegs. Noch im Juni 1889 wurde der Rechtsschutzverein für den Oberbergamtsbezirk Bonn gegründet, dessen Vorsitzender der abgelegte Bergmann Nikolaus Warken wurde; große Versammlungen wurden abgehalten und neue Forderungen gestellt. Obwohl die oberste Bergbehörde sich entgegenkommend zeigte, wurde auf einzelnen Inspektionen, u. a. auch in Dudweiler-Jägersfreude, im Dezember 1890 die Arbeit eingestellt; doch als die Bergbehörde mit der Entlassung der Ausständigen drohte, fuhr am 23. Dezember die ganze Belegschaft wieder an.
Das Jahr 1890 verlief ohne äußere Störung, aber auch ohne wirkliche Beruhigung. In zahlreichen Versammlungen wurde die Lage des Bergmannsstandes erörtert. Der Rechtsschutzverein, der jetzt an 14 000 Mitglieder zählte, beschloß die Gründung einer Unterstützungskasse und den Bau eines Vereinssaales auf dem Bildstock. Auch die von der Bergbehörde im Februar 1891 ins Leben gerufenen Arbeiterausschüsse beruhigten die aufgeregten Gemüter nicht, und die Bewegung geriet mehr und mehr in das sozialdemokratische Fahrwasser. Im Mai 1891 kam es auf den Inspektionen Sulzbach und Gerhard zum Ausstand, der infolge von energischen Maßnahmen der Verwaltung nach einigen Tagen sein Ende erreichte. In Dudweiler traten viele Bergarbeiter aus dem Rechtsschutzverein aus, weil sie der Sozialdemokratie abgeneigt waren.
Der Erlaß einer neuen Arbeitsordnung, welche die Ein- und Ausfahrt nicht in die Achtstundenschicht einschloß und eine Herabsetzung der Schlepperlöhne verfügte, führte Ende Dezember 1892 zu dem umfangreichsten und längsten Bergarbeiterstreik des Saargebietes. Er dauerte vom 21. Dezember 1892 bis zum 18. Januar 1893 und erreichte seine größte Ausdehnung am 2. Januar 1893, an dem 25 236 Arbeiter feierten und nur 4611 arbeiteten. Am 31. Dezember wurde Warken verhaftet, der andere Hauptführer Berwanger entging dem gleichen Schicksal zunächst durch die Flucht, wurde aber später ebenfalls festgenommen und wegen Unterschlagung von Vereinsgeldern verurteilt. Der Verlauf des 80 Ausstandes auf der Grube Dudweiler ist aus der folgenden Tabelle ersichtlich:
Am | 29. | 12. | 1892 | feierten 1267 von 2500 Bergleuten, |
" | 30. | 12. | 1892 | feierten 1192, |
" | 31. | 12. | 1892 | (Feierschicht) 91, |
" | 1. | 1. | 1893 | Maschinenpersonal fährt vollzählig an, |
" | 2. | 1. | 1893 | 2031, |
" | 3. | 1. | 1893 | 1963, |
" | 4. | 1. | 1893 | 1929, |
" | 5. | 1. | 1893 | 1855, |
" | 6. | 1. | 1893 | Feiertag; Maschinenpersonal fährt vollzählig an, |
" | 7. | 1. | 1893 | 1757, |
" | 8. | 1. | 1893 | Sonntag, Maschinenpersonal fährt vollzählig an, |
" | 9. | 1. | 1893 | 1716, |
" | 10. | 1. | 1893 | 1668. |
" | 11. | 1. | 1893 | 1601, |
" | 12. | 1. | 1893 | 1397, |
" | 13. | 1. | 1893 | 1030, |
" | 14. | 1. | 1893 | 612, |
" | 15. | 1. | 1893 | Sonntag, Maschinenpersonal fährt vollzählig an, |
" | 16. | 1. | 1893 | 51, |
" | 17. | 1. | 1893 | 18, |
" | 18. | 1. | 1893 | 0. |
Seit dem Jahre 1912 wurde das Bergfest nicht mehr gefeiert. In diesem Jahre wurde statt dessen die Familien-Krankenkasse eingerichtet, durch welche auch die Familienangehörigen der Bergleute freie ärztliche Behandlung in der Sprechstunde und ärztliche Besuche bei Tage gegen eine Gebühr von 25 Pfg. erhielten, bei Nacht mit einem Zuschlag von 1 Mk. bei näheren und 2,75 Mk. bei weiteren Entfernungen. Diese Familienfürsorge kostete den Staat jährlich 215 000 Mk., während die Kosten des Bergmannsfestes sich auf 155 000 Mk. belaufen hatten. 81