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Horch, wie der liebe Gott schmält! sagte eine Mutter zu ihrem Kinde, so oft es donnerte. Gib Achtung, der liebe Gott straft! sagte sie, wenn es nicht gleich folgen wollte. Oft wenn es die unschuldigsten Ergötzlichkeiten sich erlaubte, drohte sie ihm mit der heißen Hölle, und wenn sie etwas erzählte, so war es gewöhnlich von der Hölle, in welche der liebe Gott die bösen Kinder würfe und ewig von dem Teufel martern ließe.
Fiekchen konnte nicht anders, als ihrer Mutter glauben. Sie stellte sich folglich den lieben Gott als einen bösen Mann vor, der sein Vergnügen darin fände, wenn er durch sein Poltern Menschen ängstigen könnte, der den armen Kindern keine Freude gönne, sondern gleich wütend zuschlüge, wenn sie ein bißchen herumsprängen und etwa ein Loch in die Schürze rissen, und so grausam wäre, daß er sie gleich dem Teufel übergäbe, wenn sie etwa eine Tasse zerbrächen oder ein Bierglas umstießen.
Notwendig mußte Fiekchen dem lieben Gott gram werden.
Anstatt daß sie bei Gewittern an das Fenster hätte treten und die Majestät ihres himmlischen Vaters bewundern, ihn anbeten und für den Segen preisen sollen, den er auf ihren Garten goß, so verkroch sie sich in einen Winkel und zitterte.
Sie betete zwar täglich ihren Morgen- und Abendsegen, aber niemals aus Liebe und Dankbarkeit, sondern aus Furcht, der liebe Gott möchte böse werden und sie strafen.
Notwendig mußte sie auch eine Abneigung gegen sein Wort bekommen.
Sie hörte, da sie groß war, immer predigen, daß Gottes Wort eine große Wohltat sei, hat es aber niemals glauben können.
1. Kaspar wurde von seinem Vater angehalten, täglich ein großes Stück aus den Psalmen und dem Katechismus auswendig zu lernen. Stockte er, oder hatte er gar nicht gelernt, so setzte es tüchtige Schläge.
»Wirf dein Anliegen auf den Herrn, der wird dich versorgen und wird den Gerechten nicht ewig in Unruhe lassen.« Flegel! kannst du das nicht merken?
So sagte er einst zu ihm, als er diesen schönen Vers nicht gelernt hatte, und zauste ihn dazu bei den Haaren.
Kaspar mußte notwendig dem Buche gram werden, um dessenwillen er so viele Schläge bekommen hatte. Kaum war er aus der Schule, so warf er es weg und bekam niemals Lust, es wieder anzusehen.
2. Ein gewisser Vater meinte es wirklich mit der Religion gut und wünschte, daß sie bald bei seinen Kindern Wurzeln schlagen möchte. Allein er tat es auf eine so unbedachtsame Art, daß er, ohne seinen Willen, ihnen Abneigung gegen dieselbe beibrachte.
Schon vom vierten Jahre an mußten seine Kinder dem öffentlichen Gottesdienste beiwohnen und bei demselben vom Anfange bis zu Ende aushalten. Obgleich sie noch nicht lesen konnten, mußten sie doch Gesangbücher mitnehmen und den Gesang der Gemeinde mit anhören, und ob sie gleich von der Predigt noch gar nichts verstanden, wurden sie doch gezwungen, auf dieselbe zu merken.
Da nun Kinder eine freie Bewegung lieben und ungern an einem Orte stundenlang stille sitzen, so mußte ihnen notwendig der christliche Gottesdienst, bei welchem sie gar keine Unterhaltung fanden, die ihrem kindischen Verstande angemessen gewesen wäre, zuwider werden.
Diese Abneigung wurde noch größer, weil sie auch im Winter bei der strengsten Witterung in der Kirche aushalten mußten.
Du lieber Gott, schon wieder Sonntag! sagten sie, wenn sie durch die Glocken das Zeichen zum Gottesdienste geben hörten, und suchten oft mit Tränen die Kleider zusammen, die sie anziehen sollten.
Dieser Widerwille wurzelte bei ihnen so tief, daß sie ihn auch bei zunehmenden Jahren nicht ablegten. Sie ergriffen begierig jede Gelegenheit, die Kirche zu versäumen, und wenn sie dieselbe auch besuchten, so fruchtete doch Predigt und Gesang wenig bei ihnen, weil sie beides mit Unwillen hörten.
1. Nachbar Thomas hatte nebst vielen andern Fehlern auch den an sich, daß er immer von andern Leuten Übles redete. Vorzüglich ließ er anzügliche Reden fahren, wenn das Gespräch auf den Pfarrer oder Schulmeister kam.
Hatte der Pfarrer eine Predigt gehalten, die von der Gemeinde mit Beifall aufgenommen wurde, so sagte er: Das sind keine Künste; wenn ich auch, wie der Pfarrer, zwölf Malter Zehnten (Dezimation) einzunehmen hätte und könnte zu Hause hinter dem Kachelofen sitzen, so wollte ich es ebensogut machen. Sah er etwa einen Amtsbruder in das Pfarrhaus gehen, da hieß es: Ja, ja, das Pfaffengeniste, das tut nichts als schmausen und faulenzen, und unsereins muß den ganzen Tag arbeiten.
Rügte der Geistliche einen Fehler, den Nachbar Thomas an sich hatte, so glaubte er, der Pfarrer habe auf ihn gestichelt, und dann ging es bei Tische über den guten Mann unbarmherzig her. Wenn doch der Pfaffe, sagte er gewöhnlich, sich nur um sich bekümmerte und lernte, wieviel Psalmen wären. (Der Geistliche hatte sich nämlich einmal versprochen und, statt des siebzigsten, den hundert und siebzigsten Psalm genannt.) Was will so ein Kerl reden! Und nun wurde alles, sein Gang, seine Perücke, seine Haushaltung und sein Ackerbau lächerlich gemacht.
Dem Schulmeister ging es eben nicht besser. Da, Junge! da ist das Holzgeld für den Schulmeister. Trag' es dem Hungerleider hin, ehe er dich mahnt. Gehe hin und sage dem Schulmeister, er soll diesen Abend zum Schlachtessen kommen, daß er auch einmal weiß, wie es deuchtet, wenn man sich satt essen kann.
So schlecht sprach der Mann von Kirchen- und Schuldienern.
Nun hatte der junge Thomas auf der ganzen Welt niemand, von dem er die Religion hätte lernen können als den Pfarrer und den Schulmeister, die ihm der Vater so verächtlich gemacht hatte; kein Wunder, wenn er die guten Lehren, die sie vortrugen, wie ihre Ermahnung und Verweise verachtete.
Hm, dachte er bei sich selbst, wenn er im Pfarr- oder Schulhause eine gute Lehre bekam, was will der Pfaffe, was will der Hungerleider mich lehren können!
2. Nicht besser machte es Meister Simson. Dieser schickte sein Söhnchen in eine Schule, an welcher drei Lehrer arbeiteten, die alle drei ihre Fehler hatten; denn sie waren Menschen. Der eine war etwas jähzornig und hatte daher oft mit seinen Nachbarn allerhand Streitigkeiten. Der andere liebte den Putz, und da sein Einkommen sehr gering war, so ging es fast für Kleidung auf. Wenn nun Fleisch, Bier oder andere notwendige Dinge zu kaufen waren, so fehlte es oft an Geld; er mußte hier und da borgen und wurde von seinen Gläubigern bisweilen ziemlich unhöflich gemahnt. Der dritte war lustig und erlaubte sich in Gesellschaften, wo es ihm gefiel, gern ein Gläschen Wein mehr zu trinken, als ihm zuträglich war, und plauderte dann oft Dinge, die freilich einem Manne, der seiner Schüler Vorbild sein soll, nicht gar wohl anstanden.
Wenn nun einer von diesen Leuten einmal ein Böckchen geschossen hatte, so merkte es Meister Simson sehr genau und redete davon oft in Gegenwart des jungen Simsönchens.
Ja, das sind Schulkollegen, daß Gott erbarm'! Der eine zankt sich alle Tage, der andere ist ein Bankerotteur, der dritte ein Vollzapfen. Wenn die Schuldiener sich so aufführen, was sollen denn die Kinder tun!
Dergleichen Reden waren bei ihm sehr gewöhnlich.
Niemals sprach er aber schlechter von ihnen, als wenn sie Simsönchen einen Verweis oder eine Züchtigung gegeben hatten.
Was will der Narr haben? sagte er alsdann. Er kann ja sich nur um sich bekümmern. Er kann ja nur erst vor seiner Tür kehren.
Simsönchen, der eben sonst nicht den besten Kopf hatte, merkte doch dieses sehr gut. Wenn ihm hernach einer von diesen Männern den Katechismus erklärte und zeigte, was ein Christ tun und lassen müsse, so lachte er in seinem Herzen und dachte: der Narr kann sich ja nur um sich bekümmern, er kann ja nur erst vor seiner Tür kehren.
Da Simson aus der Schule kam, wurde er ein sehr wilder Knabe, der weder auf die Vorstellungen des Vaters, noch des Pfarrers etwas gab. Er fing so viele Händel an, daß er nach und nach sein ganzes Vermögen auf dem Rathause zahlen und am Ende die größte Not leiden mußte, wie noch jedermann weiß, der ihn gekannt hat.
Wer hat nun wohl das arme Simsönchen ins Unglück gestürzt?