Moritz Gottlieb Saphir
Wilde Rosen
Moritz Gottlieb Saphir

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Wilde Rosen

Dreifache Weihe.

1.
        Weil ich liebe dich mit Liebe
      Wie kein And'rer sonst im Leben,
Sei genannt mit einem Namen,
      Den kein And'rer dir gegeben.

Weil an deinem Namensklange
      Tausend And're dich erkennen,
Sollen meiner Liebe Lieder,
      Dich mit andrem Laut benennen.

Denn so einzig ist mein Fühlen,
      Meine Lieb' so ohne Gleichen,
Daß ihr Vater, Bruder, Freundin,
      Alle And're müssen weichen. 4

Und so einzig und so selten,
      Und so ohne seines Gleichen,
Sei der Ton, der dich benenne,
      Sei auch deines Namens Zeichen.

Denn mit einem Andern theilen
      Will ich selbst nicht deinen Namen,
Weil er ist von deinem Bilde
      Süßer Töne Kranz und Rahmen. 5


2.
          Mit dem Kranz von wilden Rosen,
      Abgepflückt in Lebens-Wildniß,
Send' ich dir im Geist mein eig'nes,
      Schlichtes, aber treues Bildniß.

Findest du, daß Geist und Leben
      Und des Herzens Schlagen fehle,
Werd' ihm, was du mir gewesen,
      Werde seines Daseins Seele.

Findest du, daß stumm die Lippe,
      Sagt es dir kein Wörtchen wieder,
Löse ihm wie mir die Lippe,
      Daß es singe Wehmuths-Lieder.

Wenn du einst hast mein vergessen,
      Wenn du einst wirst mein nicht denken,
Bitt' ich dich die Sterbe-Bitte,
      Dieses Bildniß zu versenken, 6

Einzugraben in die Erde,
      Gleich als ob ich's selber wäre
Und die Erde zu benetzen
      Mit der letzten Mitleids-Zähre;

Und zu meines Bildes Grabe
      Wird mein Herz den Weg mir zeigen,
Und ich will zu meinem Schatten,
      Selbst ein Schatten niedersteigen. 7


3.
        Nicht ganz arm sind diese Lieder,
      Sind aus reicher Brust geflossen,
Lieder sind's, die leben werden
      Mit gar schönen Sangs Genossen!

Blut'ge Tropfen sind's, aus welchen
      Wundersame Töne schossen,
Wie aus Blut am Marterkreuze
      Ew'ge Blumen sind gesprossen;

Blut'ge Tropfen, die ich flechte
      In das Haar dir, wie Korallen,
Daß sie dir wie volle Schnüre
      In die gold'nen Locken fallen;

Blut'ge Tropfen, wie Rubinen,
      Die ich wein', dich zu beglücken,
Daß sie einstens mögen glänzen,
      Deinen Abend noch zu schmücken. 8

Und so nimm denn diese Tropfen
      Aus des Herzens Demant-Schachten,
Denk', was sie dem Herzen kosten,
      Wenn du gehst, sie zu betrachten. 9



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