Moritz Gottlieb Saphir
Wilde Rosen
Moritz Gottlieb Saphir

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11.

        Ich nahm von ihr ein Röschen mit,
      Weiß nicht, wie ich's bekommen,
Sie gab mir dieses Röschen nicht,
      Ich hab' es nicht genommen;

Und doch kam es aus ihrer Hand,
      Und ich nahm's mit am Morgen,
Und that es in ein gülden Glas,
      Um stets dafür zu sorgen.

Und stand vielmal vom Schreiben auf,
      Das Röschen zu befragen,
Auf welche Weis' ich meine Lieb'
      Der Holden sollte sagen;

Da senkte traurig es sein Haupt
      Hinunter in das Wasser,
Da sah es d'rin sein schönes Bild
      Mit jeder Stunde blasser. 28

Es sehnte nach der Holden sich,
      Ein Heimweh hat's ergriffen,
Ich habe seinen Sehnsuchtstod
      Empfunden und begriffen.

So haucht es aus den letzten Duft,
      Die Blätter fielen nieder,
Der Geist des todten Röschens klagt
      Noch lang durch meine Lieder. 29


12.

        In ihrem Garten, in der grünen Wiege
    Des Frühlings, wieget sich die Holde,
Um ihre Locken wiegen sich die Blüten,
    Um ihren Fuß wiegt sich die Dolde.

Gleich einer Rose in smaragd'ner Schale,
    Gleich einer Blum' in Blattesräumen,
Gleich einer Blüte, halberschlossen,
    Versteckt in zweigenreichen Bäumen,

Gleich einer Knospe, die, nur halbgeöffnet,
    Dem grünen Netz sich will entstricken,
Gleich Erdbeerblüten aus dem Sammt der Moose
    Erröthend und bescheiden blicken,

Gleich Vestaflamme, die aus Jaspisampel
    Im Tempel glüht, mit keuschen Strahlen,
So wär' wenn sie erscheint in ihrem Garten,
    Der Holden einzig Bild zu malen! 30

So sing' ich, wenn ich von der Holden singe,
    Zugleich vom Frühling und von Blume,
Und wenn vom Lenz und Ros' ich singe,
    So gilt es ihr zugleich zum Ruhme!

Der Lenz ist kalt, doch muß er wärmer werden,
    Die Ros', noch zu, muß sich entfalten,
Nur sie allein bleibt kalt und bleibt verschlossen;
    Trotz Liebessonn' und Liedsgewalten. 31


13.

        Ein Mann geht durch die Wüstenei,
Da trifft ihn an die schönste Fei,
Verschmachtend fleht der arme Mann
Die schöne Fei um Labung an.
Sie führt ihn d'rauf in ihr Geschloß,
Wo Silber in den Bächen floß.
Sie sperrt ihm auf ihr Prunkgemach,
Da schimmert Gold in Schrein und Fach:
Sie führt ihn in des Gartens Raum,
Da trägt Demanten jeder Baum.
Sie führt in eine Laube ihn,
Da sieht er grün Smaragden blühn;
Jedoch der Mann verschmachtend spricht:
»Mir stillt den Durst dein Steinreich nicht,
Für Gold und Demant habe Dank,
Mich rettet nur ein Labetrank!« –
Jedoch die schöne, schöne Fei,
Bringt stets nur Edelstein' herbei,
Bis bei dem Schimmer alsodann
Verschmachtet lag der arme Mann! – 32

Der Mann bin ich, sie ist die Fee,
Ich schmachte stets nach ihrer Näh',
Ich fleh' um Labetrunk sie an,
Sie aber zeigt zum Trunk mir an:
Die Achtung, diesen Edelstein,
Die Freundschaft, ein Juwel ganz fein,
Bewunderung, gediegen Gold;
Sind lauter Schätze, lieb und hold. –
»Doch hab' für Gold und Demant Dank,
Mich rettet nur ein Labetrank!« 33


14.

        Es steht der Berg im grünen Kleid,
Mit Blüten ist sein Haupt beschneit;
In seinem Innern volle Adern klingen,
Sie drängen sich an's Tageslicht zu springen.

Es schlitzt der Bergmann dies Gewand,
Zersprengt die grüne Frühlingswand;
Und ruft hervor die Lebensgeister alle,
Die wunderhellen, singenden Metalle,

Dem Berg fällt ab sein grünes Kleid,
Die Blumenbrust klafft auf, ganz weit,
Die Tiefe, wo so lieblich es geklungen,
Ist wund und leer und öd' und weit zersprungen!

Der grüne Berg ist Jugendlust,
Das Blumenkleid die Hoffnungsbrust,
Und in dem Busen die metallnen Klänge,
Es waren süßer Liebe Hochgesänge! 34

Der Berg zerriß, die Brust zersprang,
Und ausgegraben jeder Klang,
Der Busen, der die Lieder hat gegeben,
Steht wund und leer im liebelosen Leben. 35


15.

        Wenn sich die Wolke bricht mit Schauern,
      Der Last entladend sich in Wettern,
Wenn Meere, aufgepeitscht vom Sturme,
      Die Wogen an das Ufer schmettern,
Da faßt's den Menschen an mit Grauen,
Entsetzt ist er, dieß Schauspiel anzuschauen.

Wenn sich der Waldstrom stürzt vom Gipfel,
      Den Schaum zerschlägt an Felsenrippen,
Wenn Gletscher durch die Lüfte donnern,
      Der Sturmwind heult um Wälderklippen,
Da faßt's den Menschen an mit Grauen,
Entsetzt ist er, dieß Schauspiel anzuschauen.

Wenn durch die Nacht ein Haus in Flammen
      Das Gluthaar läßt im Winde rasen,
Wenn ein Vesuv die Flammen schleudert,
      Als wollt' er Berge überglasen,
Da faßt's den Menschen an mit Grauen,
Entsetzt ist er, dieß Schauspiel anzuschauen. 36

Doch wenn ein Auge bricht in Thränen,
      Wenn Wogen in der Brust sich thürmen,
Wenn Flammen schlagen aus dem Herzen,
      Wenn in der Brust Vulkane stürmen,
Das können kalt und ohne Grauen,
Die Menschen bei den Menschen schauen! 37


16.

        Soll ich fliehen? Soll ich weilen?
Von ihr eilen? Nach ihr ziehen? –
Tollkühn ist's, Gefahr zu suchen,
Feigheit ist's, Gefahr zu fliehen.

Soll ich reden? Schweigsam bleiben?
Fröhlich plaudern? Traurig schweigen?
Falschheit ist es: sich verstellen,
Thorheit ist es: wahr sich zeigen.

Soll ich hoffen? Resigniren?
Träume spinnen? Endschluß fassen?
Wahnsinn ist es: Hoffnung nähren,
Irrsinn ist es: Hoffnung lassen.

Soll sie's wissen? Nicht erfahren?
Soll ich reden? Mich bezähmen? –
Weibisch wär's, sich nicht bemeistern,
Kindisch wär's, der Lieb' sich schämen! 38

Ob ich rede, ob ich schweige,
Ob sie suche, ob sie meide,
Mit mir geht der Schmerz der Liebe,
Und die Lieb' spricht stets vom Leide. 39


17.

        Die Ros' ist schön, doch ist sie schöner,
Wenn eine Thrän' im Kelche glänzet, –
Die Hoffnung ist so süß, doch süßer
Wenn sie von Furcht wird rings begränzet.

Das Aug' ist hold, doch ist es holder,
Wenn Scham die Wimper drüber senket;
Geständniß ist so süß, doch süßer
Wenn halb vom Zagen es beschränket.

Das Morgenroth ist mild, doch milder,
Wenn es durch Blässe zart entglommen: –
Ein Kuß ist süß, doch ist er süßer
Wenn unter Sträuben er genommen.

Die Sonn' ist hell, doch scheint sie heller
Seh'n wir durch Wolkenflor sie schreiten; –
Die Lieb' ist süß, doch ist sie süßer
Wenn sie vermischt mit Bitterkeiten. 40


18.

        Wie in einer kleinen Knospe
Rosenblätter enggebettet liegen,
Im Gedränge unbeschädigt,
Freundlich kosend, schwesterlich sich schmiegen;

So in meinem tiefsten Herzen
Gedanken an Gedanken wohnen,
Tausend wohnen da zusammen,
Schmiegsam gegenseitig sich zu schonen.

Soll der Strahl denn niemals kommen
Der die Herzensknospe wird erschließen,
Daß sich die Gedankenblätter
Rosig blühend an das Licht ergießen?

Soll denn keines dieser Blätter
Aus dem vollen Herzenskelche schlagen?
Soll kein Zephir nur ein Blättchen
An die Brust der einzig Holden tragen? 41

Sollen die Gedanken sterben,
Eh' sie noch das Sonnenlicht erblicket?
Soll im grünen Knospensarge
Junges Rosenleben sein ersticket?!! 42


19.

        Gerne möcht' ich Lieder singen,
    So unsterblich wie die Liebe,
Daß der Name der Geliebten
    Mit Lied und Lieb' unsterblich bliebe.

Möchte flechten lauter Lieder,
    Und zur Kette sie dann fassen,
Und an ihr den holden Namen
    In die Zukunft tauchen lassen,

Daß ihr Name späten Tagen
    Diene als ein helles Zeichen,
Wenn man spricht von süßen Frauen,
    Und von Anmuth sonder gleichen;

Daß ihr Name dien' in Zukunft,
    Um in einem Wort' zu sagen,
Wie geliebt und wie verehret
    Wir ein Bild im Herzen tragen; 43

Daß ihr Name sei gepriesen
    Von den spät'sten Minne-Dichtern,
Daß ihr Name sei gezählet
    Zu der Vorzeit schönsten Lichtern;

Daß man ihren Name nenne,
    Wenn man nennen wird den Meinen,
Daß der Sarg der dunkeln Zukunft
    Uns're Namen mög' vereinen! 44


20.

        Wie lang der Mensch wohl leben könnte,
      Wenn ohne Luft er müßte leben?
Wie lang der Mensch wohl leben könnte,
      Wenn seiner Welt kein Licht gegeben?

Ich weiß es nicht, doch glaub' ich: lange,
      Ja, lange kann's der Mensch ertragen,
Dieweil ich leb', und sah sie nicht
      In langen, langen, langen Tagen! 45



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