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Hoff erkannte in den nächsten Tagen, daß die Gefahr einer Entdeckung nur in seiner Einbildung lebte.
Die Ermittlungen der Behörden verfolgten andere Pfade.
Doch jetzt brach ein weit grausameres Martyrium über ihn herein.
Bisher hatte er um sein Leben gekämpft. Es war ihm ein Akt der Notwehr gegen den Rächer Staat. Jetzt begann das zermürbende Ringen mit den Mächten in seiner Brust.
Er verfolgte die Notizen in den Zeitungen.
Und immer verzweifelter wurde ihm bewußt, daß der andere dem Abgrund entgegentrieb. Immer würgender zog das Netz sich zusammen um den verhafteten Arbeiter Otto Rüdebusch.
Hoff las, daß »er der Tat so gut wie überführt« sei. Er leugnete zwar immer noch und die Person der Getöteten sei bisher nicht festgestellt.
Da die Identifizierung bisher nicht gelungen wäre, sei anzunehmen, sie habe in Groß-Berlin weder Verwandte noch Bekannte. Sonst hätte ihr Verschwinden diesen auffallen müssen. Es handle sich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine heimatlose Landstreicherin, die in der warmen Sommernacht im Walde genächtigt habe, hier von dem vagabundierenden Arbeiter angetroffen, vergewaltigt und dann ermordet worden sei.
Bei solchen Berichten reckte Hoff die Arme fassungslos zum Himmel. Solch ein Wahnsinn! Hintertreppenromantik!
Er wartete in der ersten Zeit von Tag zu Tag auf die Kunde von Rüdebusch' Entlassung aus der Untersuchungshaft.
Als er dann erfuhr, daß die Voruntersuchung eröffnet sei, begannen die Zweifel an seinem Gewissen zu nagen.
Durfte er diesen unschuldigen Menschen in Angst und Bedrängnis im Gefängnis vergehen lassen? Durfte er ihm diese seelischen Qualen aufbürden? Und wenn er verheiratet war! Die Sorge der Frau um sein Schicksal.
Er grübelte und sann und hätte sich vor Selbstverachtung die Faust ins Gesicht schlagen mögen. Er war sich in seinen guten Momenten seiner Pflicht klar bewußt. Hingehen mußte er und alles bekennen. Doch dann spintisierte seine Vernunft: stand sein Opfer in irgendeinem Verhältnis zu den vorübergehenden Leiden dieses Mannes? Nein. In wenigen Tagen mußte sich seine Unschuld erweisen, dann war er ledig aller Not. Wenn er aber hinging – ob sie ihm glaubten oder nicht, sein Leben war verpfuscht. Daran war nicht zu rütteln, Er mußte den Dienst quittieren – und ohne Zaudern mußte er das – ja, und dann? Und vor allem: sie würden ihm nicht glauben. Jetzt nicht mehr, Alles sprach gegen ihn. Daß er die Leiche zu dem Eisenbahndamm geschleppt hatte, seine Ausflüchte Frau Ebeling und Susannes Mutter gegenüber, sein langes Schweigen – kein Gedanke, daß sie ihm glaubten. Er würde auf der Stelle unter dem Verdachte des Mordes verhaftet werden, und damit war das Leben verpatzt. Und wenn er freigesprochen würde – er mußte doch aus dem Dienst – ja – das war noch das Günstigste. Und die Frauen zu Hause waren vernichtet. Nein, nein, nein. Alle diese blutigen Opfer, um so zu enden?! Die Suse sollte ihr blühendes, junges Leben gelassen haben, damit nun alles so kläglich zusammenbrach! Nein, nein. Und bloß, um diesem wildfremden Manne die paar Tage Haft zu ersparen. Unsinn. Sentimentalität!
Doch Hoff rieb sich auf und wußte, daß er erbärmlich handle. Trotz alledem. Trotz alledem!
Eines Tages, nach Beendigung des Dienstes, trieb es ihn nach Moabit. Hören wollte er, horchen, vielleicht etwas über die Lebensverhältnisse des Mannes erlauschen. Er wußte selbst nicht recht, was er dort wollte. Von einer fremden Macht getrieben, schritt er durch den Tiergarten.
Draußen schritt er eine Weile langsam durch die hallenden Gänge. Hier und da grüßte ihn ein Gerichtsdiener. Wohin wollte er bloß? überlegte er endlich.
Er ging durch den langen, winkeligen Durchgang hinüber in das neue Gebäude. An einem der Fenster blieb er stehen und blickte gedankenvoll in den Hof des Gefängnisses. Drei Männer in blauer Anstaltskleidung hackten dort unten Holz. Ob wohl einer von ihnen Rüdebusch war? Er sah ihnen einige Zeit zu und ging dann weiter.
Jetzt war er auf wohlbekannten Boden. Hier waren die Arbeitszimmer der drei Staatsanwaltschaften. Länger als ein Jahr war hier seine Werkstatt gewesen. Er dachte daran, wie stolz und selbstbewußt sein Schritt ehedem durch die Gänge hallte. Für eine Säule des Staates hatte er sich gehalten. Ja, wahrhaftig. Das Bewußtsein hatte er stets in der Brust getragen, Arbeiter zu sein zum Schutz und zur Wehr des heiligsten Volksgutes. »Schirmer des Rechts –« ja, so etwas war er immer gewesen. Schmerzende Scham lohte in ihm auf. Vernichter des Rechts war er.
Hoff richtete sich auf, »Bah–« schleuderte er die bohrenden Bedenken von sich fort – »das ist seine Schuld. Warum läßt der Staat sich irreführen. Wer heißt ihn, Unschuldige einkerkern!!«
Er stand vor seinem früheren Arbeitszimmer. Da fiel ihm ein, daß Staatsanwalt Grunau ihn neulich zum Besuche aufgefordert hatte. Er bog in einen Seitenflur und suchte das Schild. Daß er daran noch nicht gedacht hatte! Er war manchmal wirklich zu blöd. Der bearbeitete doch die Sache. Nein, man war wirklich zu töricht.
Als Hoff sich der Tür näherte, trat Grunau, elegant wie immer, auf den Gang.
»Guten Tag, Herr Staatsanwalt
»Ah – lieber Kollege!«
»Kam gerade hier vorbei, wollte doch mal Ihrer freundlichen Aufforderung –«
»Sehr angenehm, Herr Kollege. Äußerst liebenswürdig. Bitte sehr!«
Er öffnete zuvorkommend die Tür.
Hoff zögerte auf der Schwelle.
»Sie wollten gerade fortgehen, Herr Staatsanwalt. Ich möchte Sie nicht aufhalten.«
»Aber – ich bitte –«
»Wenn Sie gestatten, begleite ich Sie ein Stück.«
»Ja«, meinte Grunau, »ich wollte erst nochmals ins Gefängnis. Eine Abrechnung stimmt da nicht.«
»Gehe ich mit und warte«, griff Hoff eilig zu. »Dauert wohl nicht lange?«
»Einen Augenblick. Wenn Sie so liebenswürdig sein wollen.«
»Aber natürlich«. Hoff lachte. »Sehe mir den alten Kasten ganz gern wieder mal von innen an.«
Sie gingen plaudernd hinüber. Vor einem der Bureaus blieb Grunau stehen.
»Ich warte hier«, sagte Hoff.
»Einen Moment bitte«, nickte Grunau und trat ein.
Hoffs Gedanken flogen. »Jetzt«, blitzte es in ihm auf, »jetzt mußt du es versuchen.«
Er ging die Stufen hinan, die oben von einem Eisengatter gesperrt waren. Dahinter stand der Schließer. Er grüßte Hoff militärisch und öffnete die Schranke.
Hoff trat ein.
»Morgen, Herr Assessor.«
»Morgen. Na, starke Belegung?«
»Is nich wenig, Herr Assessor. Aber nu vor'n Ferien kommt ja 'n ordentlicher Schub raus.«
Hoff nickte. Er mußte schlankweg aufs Ziel losstürmen. Die Sekunden rannen.
»Sagen Sie mal, man liest da jetzt so viel von diesem – na, wie heißt doch der Kerl, der die – diese Frau da im Grunewald ermordet haben soll?«
»Herr Assessor meinen wohl den Rüdebusch?«
»Richtig – Rüdebusch. Ja. – Den haben Sie ja auch hier, was?«
»Jawoll, der is hier.«
»Wie ist der denn?«
»Der? – Den kann der Herr Assessor hören, wenn er will. Der singt und pfeift 'n lieben langen Tag. Hören Sie bloß mal!«
Er hob horchend den Finger.
Durch die öden Gänge hallte ein taktfester Torgauer Marsch.
»Kann ich ihn sehen?« fragte Hoff.
»Wenn der Herr Assessor will, gern.«
Er schüttelte seinen Schlüsselbund.
»Los!« kommandierte Hoff.
Sie gingen in einen dunklen Korridor und machten vor einer Tür halt. Das Flöten drinnen ward immer schmeichelnder. Der Beamte hob die Klappe von dem Guckloch. »Arbeiten tut der Kerl gar nichts«, murrte er und schloß auf.
Der Mann blickte kurz auf und pfiff gelassen weiter.
»Sie haben zu melden«, schnauzte der Schließer, »und zu pfeifen haben Sie nich. Verstanden?«
Der Gefangene brummte: »Was denn? Sie wissen doch, daß ich hier bin. Was soll ich da denn erst großartig melden.«
»Sie haben zu melden!« brüllte der Schließer wütend.
»Na gut. Meinetwegen doch! Die Zelle is also belegt mit 'nem Untersuchungsgefangenen. Nu schön.«
Hoff blickte den Mann scharf in das rote, gedunsene Gesicht.
»Säufer!« entschied er.
»Sind Sie verheiratet?« fragte er.
»Nee«, grinste der Mann.
»Sie scheinen ja sehr vergnügt.«
»Na etwa nich?«
»Die Lustigkeit könnte Ihnen doch aber vergehen, wissen Sie.«
»I – was können sie mir denn! Ich bin unschuldig. Mir können sie jarnischt!«
»Leiden Sie nicht unter der Untersuchungshaft?«
»I – bewahre! Das macht mir nischt. Krieg ja mein Futter und hab 'n Bett. Mehr hab ich draußen auch nich. Oft genug hatt' ich's nicht 'n mal. Solange sie mir nicht kujonieren mit dem dammligen Melden und so 'ne Sachen, is 's janz gemütlich hier. Is 's auch.«
Hoff hörte draußen die Tür gehen.
»Danke sehr«, nickte er dem Schließer zu und hastete zum Gatter zurück.
»Da drin sind Sie?« lachte Grunau.
»Wollte mal wieder ein bißchen diese greuliche Zellenluft atmen. Schließer!« rief er.
Der Beamte kam schlüsselklirrend herbei und öffnete das Gitter.
»Danke sehr.«
»Mahlzeit, Herr Staatsanwalt. Adjüs, Herr Assessor.«
Dann gingen sie über den Hof. Die Wache öffnete diensteifrig das Tor. Sie schlenderten der Moltkebrücke zu.
Die Unterredung mit dem Gefangenen hatte Hoff von jener dunklen Last befreit. Jetzt sah er den rechten Weg zurück ins Leben. Und keck sagte er: »Haben ja einen sehr fidelen Gefangenen an diesem Rüdebusch. Der Kerl pfiff den Torgauer Marsch, daß er dem besten Querpfeifer Ehre gemacht hätte.«
»Dem werden wir noch ganz andere Flötentöne beibringen«, murrte Grünau.
Hoff schwieg einen Augenblick.
»Glauben Sie – daß da etwas herausschaut?«
»Feste.«
»Wird Anklage erhoben?«
»Anklage?! Der Kerl wird so sicher verknackt wie zweimalzwei vier ist.«
Hoff fühlte, wie ihm das Blut aus dem Kopfe wich. Er ließ den Stock zur Erde fallen und bückte sich rasch nieder.
»Die Akten sind gestern aus der Voruntersuchung zurückgekommen. Ich habe ja schon allerhand erlebt, aber so blödsinnig hat sich denn doch noch keiner verteidigt. Jedes Wort 'ne hahnebüchene Lüge. Will die Person tot auf dem Damm gefunden haben, erschossen!«
»Was sagen Sie dazu? Erschossen!«
»Unglaublich«, murmelte Hoff.
»Und hat sie nur ansehen wollen. Aus purem Mitleid hat er sie aufgehoben.«
»Weiß man, wer das Mädchen war?« fragte Hoff.
»War 'ne Frau. Mehr weiß man nicht. Wird wohl auch nicht mehr rauskriegen, wenn der Bursche sich in der Hauptverhandlung nicht doch noch zu einem Geständnis bequemt. Ist aber auch unerheblich. Die Sache liegt so faustdick.«
»Na –« meinte Hoff, »ob die Geschwornen daraufhin verurteilen? Man kann die Tat doch nicht strikt beweisen. Es kann doch immerhin sein, daß er sie wirklich nur gefunden hat.«
Grunau blieb stehen und lächelte. »Kollege – Sie haben sich verteufelt schnell gehäutet. Übrigens haben Sie recht. Die Geschwornen machen die tollsten Sachen. Man kann nie wissen.«
»Wenn die Voruntersuchung bereits geschlossen ist, kommt die Sache wohl noch vor den Ferien dran?«
»Hoffe stark. Mein Referendar baut heute die Anklage, dann raus damit. Steht ein bißchen viel an für die letzte Periode vor den Ferien. Aber schnelle Justiz ist gute Justiz, sage ich immer. Die Bande draußen muß spüren: Donnerwetter, die arbeiten mit Dampf. Beste Abschreckungstheorie.«
Hoff schwieg und sprach dann von nebensächlichen Dingen.
Als sie sich trennten, ging Hoff frohgemut durch die Straßen. Er fühlte sich zum erstenmal seit jener Nacht des Grauens frei und geborgen. Grunau mit seinem verrannten Anklagekoller. Natürlich. Sich solchen sensationellen Fall entgehen lassen? Ausgeschlossen, angeklagt muß werden. Kein Gedanke, daß die Kammer das Hauptverfahren eröffnete. Das heißt, es wurden schon aussichtslosere Verfahren eröffnet. Die Prüfung war nicht gerade immer sehr vorsichtig. Gut, gut, es sollte ruhig zur Hauptverhandlung kommen. Er wollte doch einmal die Geschwornen sehen, die auf solche geisterhaften Indizien hin einen Menschen zum Tode verurteilen. Der gute Grunau würde trotz seiner schönsten Emphase mit einer gehörigen Schlappe abfahren.
Hoff wippte seinen Stock und pfiff vergnügt vor sich hin. Wie gut, daß der Kerl keine törichten Lügen ausgetiftelt, sondern einfach die schlichte Wahrheit berichtet halte. Sonst hätte er sich am Ende verheddern und Verdacht erregen können. Aber so! Hoff dachte an dieses Säufergesicht und lächelte. Wegen eines solchen Kumpans hatte er Seelenkämpfe gelitten!
Er straffte sich und war sich zum erstenmal wieder seiner jungen Kraft bewußt.
Ha, arbeiten! Ja, endlich wieder arbeiten. Sein Buch zu Ende führen! Und plötzlich dachte er an Susanne. Er staunte darüber, wie still er an sie denken konnte. Das war nicht mehr dieser weiße, grelle Schreck, dieses entsetzt zitternde Grauen. Zart und leise, in tiefer Trauer gedachte er ihrer, wie einer sanft entschlummerten Toten. Wie war sie lieb und fein! Ja, jetzt wollte er sie besuchen. Jetzt, da die Gefahr vorüber war, konnte er zu ihrem Grabe gehen, draußen, hoch im Norden der Stadt, wo sie ruhte im Friedhof der Namenlosen.
Als er zur Bülowstraße kam, beschloß er, gleich jetzt Frau Neubert den täglichen Besuch abzustatten.
Nachmittags wollte er schaffen.
Er ging hinauf und plauderte mit ihr. Wehe, zage Erinnerungen tauschten sie aus.
Bei Tisch entging es den sorgend spähenden Blicken der Frauen nicht, daß die dunkle Wolke von seiner Stirn und der bleiche Kummer aus seinen Augen gewichen waren. Und schon bei der Suppe erzählte Herta der Mutter so obenhin, daß Honigmanns nun wohl bald verreisen würden. Wahrscheinlich nach St. Moritz.
Lisbeth beugte ihr Gesicht tief nieder auf den Teller.
Hoff tat, als hörte er nichts. Es schien ihm frevelhaft, heute, da Susanne kaum vierzehn Tage in ihrem kalten Grabe lag, von Esther Honigmann zu sprechen. Die Liebe zu Suse und die Trauer um ihren herben Tod würden nie aus seinem Herzen schwinden. Niemals. Aber er gehörte dem fordernden Leben. Das rann weiter und stellte erbarmungslos seine Ansprüche. Alles andere war blasse Gefühlsduselei. Ja, er lebte und hatte seine Pflichten.
Und als Herta bei dem zweiten Gericht meinte, man müsse sich wieder einmal bei Esther melden, sagte er, ruhig: »Klingle sie doch an. Wir können ja heute hinausfahren.«
»Du willst?!« schrie sie freudig auf.
»Oder weißt du was? Sag ihr, wir kämen sie abholen. Es ist eigentlich höchste Zeit, daß ich dort einmal Besuch mache.«
Und so geschah es. Und als sie in der Margaretenstraße waren, erklärte Esther, sie könnten nach dem Kaffee immer noch hinausfahren. Und nach dem Kaffee schlug die Kommerzienrätin vor, sie sollten doch lieber im Garten bleiben, als bei der Hitze im Grunewald umherlaufen.
Und dann jagte Herta mit dem Backfisch Ruth im Garten einher, und Hoff saß mit Esther in der kühlen Laube. Und sie erzählte von ihren Fürsorgezöglingen und deren inniger Anhänglichkeit.
Und Hoff sprach von seinem Buch. Sie wollte so gern etwas davon hören. »Ich will Ihnen vorlesen, was daran fertig ist«, erklärte er bereitwillig. Und sie verabredeten, daß er morgen – ja, morgen hatte sie einen freien Tag – morgen wollte er kommen und ihr hier in der Laube die vollendeten Kapitel vorlesen.
Dann trippelte ein kleiner, jovialer Herr in den Garten und stellte sich als Papa und Kommerzienrat Honigmann vor. Und es hätte nicht viel gefehlt, so wären die Geschwister zum Abendbrot geblieben. Doch Herta kannte die probate Lebensregel, seine Gaben sparsam zu spenden, wenn man Ziele erreichen will. Trotz alles Drängens der Frau Kommerzienrat blieb sie dabei, daß die Mutter sie bald erwarte – –
Später hatte Mama und Papa Honigmann eine ernste Unterredung. Und er meinte, es wäre ihm sehr recht. Wenn nur das schwierige Kind endlich einmal einen Mann passabel fände. – –
Einige Tage später las Hoff, daß die Verhandlung gegen den Mörder Rüdebusch am 3. Juli stattfinde. Sein Gesicht wurde kreidig. Ein Schmerz riß im Schlunde. Es war ihm, als sei die Luftröhre plötzlich zu kurz geworden und dehnte sich in Qualen. So zerrte es in der Kehle. Also hatten sie doch eröffnet! Unglaublich! Unglaublich! Seine Augen irrten unstet über die Zeitung. Unerhört!
Er stand auf und ging schwerfällig mit eingeknickten Knien auf und nieder.
Auf solche haltlose Anklage hin einen unschuldigen Menschen vor die Geschwornen zu schleppen! Und wegen Mord! Nicht einmal wegen Totschlag. Einfach fidel drauflosphantasieren. Wahrhaftig, die Reform des Strafprozesses hatte Eile. Natürlich würde er freigesprochen werden. Das war selbstverständlich. Aber wenn auch. Einen schuldlosen Menschen durch diese Folter zu schleifen! Wahrhaftig, der liebe Staat gestattete sich viel! Man war ja geradezu vogelfrei.
Hoff wußte nicht, daß seine Empörung nichts war als Schuldbewußtsein und selbstsüchtiger Jammer darüber, daß sein Elend nun noch kein Ende fand. Ach, wenn doch erst der 3. Juli vorüber wäre!
Er überlegte, ob er zur Verhandlung gehen solle. Da fiel ihm ein, daß er ja Dienst habe. Erleichtert atmete er auf. Also ausgeschlossen. Es hatte auch wirklich Zeit, wenn er die Freisprechung in der Abendzeitung las.
Tags darauf erzählte ihm ein Kollege im Ministerium, er sei beauftragt, am 3. Juli in Vertretung des Ministers einer Verhandlung in Moabit beizuwohnen.
Hoff erblaßte.
»In Moabit?«
»Ja. Amtsverbrechen eines Notars!«
Hoffs Atem strömte wieder.
»Ist doch Schwurgerichtssache.«
»Na ja.«
»Irren Sie sich auch nicht im Datum?« fragte Hoff. »Mir ist so, als ob ich gestern gelesen hätte, daß am Dritten eine Mordsache verhandelt wird.«
»Kann stimmen. Die Sitzungsperiode ist jetzt vor den Ferien so überlastet, daß an manchen Tagen drei Sachen anstehen.«
»Dauert Ihre Sache lange?«
»Ziemlich. Zwölf Zeugen. Und dann, bei 'nem Kollegen – Sie wissen ja, wie sorgfältig da verhandelt wird.«
»Wann steht Ihre Sache an?«
»Um neun. Noch gut, daß es die erste ist.«
Da wußte Hoff, daß er hingehen konnte. Am Vormittag kam Rüdebusch nicht zur Verhandlung. Doch er wollte nicht hingehen. Nein, er wollte nicht. Wozu auch? Er las es doch abends. Und am Ende erregte es Verdacht? Nein, das nun zwar nicht. Eine Mordsache hören viele Juristen an. Aber wozu all diese Aufregung? Nerven kostete es ja doch – trotz der sicher winkenden Freisprechung. Nein, er ging nicht.
Noch am Morgen des 3. Juli war Hoff fest entschlossen, nicht hinzugehen. Aber nach Tisch, als er die Frobenstraße hinabschritt, dachte er: »Mein Gott, ich kann ebensogut dorthin gehen. Habe ich wenigstens gleich die frohe Gewißheit. Warum soll ich eigentlich nicht hinaufgehen?«
Als er den Justizpalast betrat und die wohlbekannte eigentümliche Luft des Gebäudes atmete, packte ihn eine peinigende Erregung. Rasch sprang er die Treppe hinauf. Vor dem kleinen Schwurgerichtssaal brodelte das brausende Summen einer sensationellen Verhandlung.
Hoff trat an den Gerichtsdiener heran. Der Mann kannte ihn und grüßte.
»Wie weit ist die Sache?«
»Noch bei der Zeugenvernehmung. Zwei Zeugen sind noch.«
»Dann dauert es ja noch mindestens zwei Stunden.«
»Sicher.«
Hoff blickte nach dem Terminzettel.
»Nachher steht noch eine Sache an?«
»Jawohl, Herr Assessor. 'Ne Mordsache.«
»So – so. Na, ich komme dann vielleicht wieder.«
Hoff ging überlegend die Stufen hinab. Zwei Stunden. Hm. Lange Zeit! Ob er einfach nach Schlachtensee fuhr? Er ging die Straße Alt-Moabit hinunter. Ja, das war das Vernünftigste. Und abends kaufte er die Zeitung. Als er an der Gemäldeausstellung vorüberkam, ging er hinein. Er konnte ja ebensogut hier die Zeit totschlagen.
Während er durch die Säle schritt, stürmte plötzlich ein lähmender Zweifel auf ihn ein: »Wenn er nun doch verurteilt wird!« Er blieb stehen und betrachtete gespannt das Gemälde vor ihm. Blödsinn. Wie konnte er denn verurteilt werden! Unmöglich. Er wußte doch am besten, daß der Mann unschuldig war. »Darauf kommt es doch nicht an, was du weißt«, raunte die aufdringliche Stimme. »Wenn er nun doch verurteilt wird. Was dann?« Hoff starrte noch immer auf das Bild. »Was dann? Ja, was dann? Wenn der Mann heute zum Tode verurteilt wird? Was dann? – –«
Da ging Hoff weiter. Solch ein Unfug, sich mit bleichsüchtigen Phantastereien zu martern. Verrückt! Ebenso vernünftig wäre es, sich mit der Frage zu quälen, was er tun solle, wenn er selbst verurteilt würde. Es war doch völlig ausgeschlossen! »Ja, aber wenn er nun doch – doch – trotz allem – trotz allem – verurteilt wird?!«
Hoff ging in den Lesesaal und nahm eine Zeitschrift. Er mußte sich zerstreuen. Er war ja total überreizt. »So was Verstiegenes. Verurteilt? Wie konnte er denn verurteilt werden! Weil er im Wald spazieren gegangen und auf eine Leiche gestoßen war, zum Tode verurteilen! Hirngespinste!«
Er betrachtete mit Interesse die fein getönten Bilder der Zeitschrift. Wirklich einen kolossalen Aufschwung hatte der Farbendruck in den letzten Jahren genommen. Enorm. »Ja, aber wenn er nun doch verurteilt wird!«
Wütend schleuderte Hoff das Blatt auf den Tisch und wanderte wieder durch die Räume. Auf leisen Sohlen schlich die folternde Frage heimtückisch hinter ihm drein. »Ebensogut könnte ich mir überlegen, was ich tun würde, wenn der Diener dort behauptete, ich sei plötzlich Kaiser von Japan geworden«, dachte er. »So ein Unsinn. Verurteilen! Daraufhin verurteilen!«
Er blickte auf die Uhr.
»Wenn ich langsam gehe, ist es bald so weit.«
Und plötzlich lief er zurück zum Gerichtsgebäude.
Es war sicher viel schneller gegangen und Rüdebusch war schon freigesprochen.
Als er am Schwurgerichtssaal anlangte, hatten die Geschwornen sich gerade zur Beratung zurückgezogen.
Hoff trat in die weit geöffneten Türen. Die muffige Luft des überfüllten Sitzungssaales schlug ihm erstickend entgegen. Er blickte sich um. Die Richter plauderten hinten im Beratungszimmer. Staatsanwalt Grünau schrieb eifrig in seinen Akten. Der angeklagte Notar war abgeführt. Drüben am Fenster stand der Kollege vom Ministerium und schaute gelangweilt zum Fenster hinaus. Die Zuhörer flüsterten scheu.
Hoff ging zu dem Kollegen hinüber.
»Guten Tag, Herr Regierungsrat.«
Der wandte sich um. »Tag, Hoff. Was treibt Sie denn her?«
»War in der Ausstellung. Wollte nur mal reinschauen.«
»Sie haben's gut«, seufzte der andere. »Seit neun sitzen wir hier.«
»Wie steht's?«
Der Regierungsrat drehte die flache Hand hin und her.
»So – so. 'ne eklige Sache.«
Jetzt blickte Grunau auf.
Hoff entschuldigte sich und ging zu ihm. Nach der Begrüßung sagte Hoff schnell:
»War hier nebenan in der Kunstausstellung. Will mal wieder eine Ihrer fulminanten Plädoyers hören.«
Grunau lächelte geschmeichelt. »Hätten Sie früher kommen sollen, Herr Kollege. Eben einen grimmigen Disput mit Frey gehabt.«
»Steht ja noch eine Sache an – – habe ich eben draußen gelesen.«
»Och – die! Furchtbar einfache Geschichte. Glaube, wir sprachen mal davon.«
»So?« fragte Hoff. »Entsinne mich nicht.«
»Sie wissen doch, der Mord im Grunewald. Die Sache dauert keine Stunde. Der Mann ist überführt. Werde kaum zu reden brauchen.«
Da meldete der Diener, daß die Beratung der Geschwornen beendet sei. Hoff ging in den Zuschauerraum. Der Diener brachte ihm einen Stuhl.
Die Richter traten ein. Hoff blickte gespannt auf. Hm – Mehring saß vor! Immer sehr schneidig und superklug, aber Mensch. Hätte schlimmer sein können.
Der Notar wurde freigesprochen.
Hoff atmete leicht. Das war ein gutes Omen. Die Geschwornen waren also milde. Er schielte zu Grunau hinüber. Der war blaß geworden und rupfte seinen blonden Schnurrbart. Er nahm jede Freisprechung als persönliche Beleidigung.
Nachdem sich Angeklagter, Verteidiger und die Zeugen entfernt hatten und feierliche Stille der Erwartung durch den Saal raunte, hub der Vorsitzende an: »Meine Herren, wenn es Ihnen recht ist, gehen wir ohne Pause zu der nächsten Sache über.«
Alle Beteiligten nickten zustimmend.
»Also die Sache gegen Rüdebusch«, rief der Vorsitzende dem Boten zu. »Lassen Sie den Angeklagten vorführen!«
Die Sache wurde auf dem Flur aufgerufen. Eine hastende Unruhe huschte durch den Saal. Hinter der Anklagebank öffnete sich eine Tür. Rüdebusch wurde von einem Gefängniswärter hereingeführt. Die Zeugen traten ein. Am Verteidigertisch stand ein junger Rechtsanwalt.
»Offizialverteidiger«, schätzte Hoff ihn ab und forschte gierig in seinen stillen Zügen. Wenn der nur seiner Aufgabe gewachsen war! Dann wandte er den Blick dem Angeklagten zu. Er stutzte staunend. Der Mann machte heute solch ruhigen schlichten Eindruck.
Da begann der Vorsitzende, zum Staatsanwalt und Verteidiger gewendet:
»Meine Herren, Sie haben sich bereits heute früh damit einverstanden erklärt, daß die Geschwornenbank auch in dieser Sache urteile. Die Herren Geschwornen haben ihre Erklärung auch für diese Sache abgegeben.«
Einige der Geschwornen nickten zustimmend.
»Wir können dann gleich in die Verhandlung eingehen. Die Zeugen können wieder abtreten. Sie werden nachher einzeln hereingerufen werden.«
Die Zeugen entfernten sich. Der Eröffnungsbeschluß wurde verlesen. Die Anklage lautete auf Mord.
Jetzt wandte sich der Vorsitzende zur Anklagebank. Man merkte, wie aller Augen sich auf den großen, stillen, bleichen Mann dort in dem käfigartigen Bau richteten.
Nach einigen Fragen hob der Vorsitzende die Stimme, blätterte gelassen in den Akten und sagte: »Sie sind vorbestraft?«
»Ja«, antwortete der Mann ruhig und sicher.
»Wie oft?«
»Fünfmal.«
Hoff pochte das Herz.
»Stimmt«, nickte der Vorsitzende. »Und zwar zweimal wegen Diebstahls mit je neun Monaten Gefängnis, zweimal wegen Landstreichens und Bettelei mit vier und acht Tagen und einmal wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt mit einem Jahr Gefängnis. Stimmt's?«
»Ja.«
»Heute sind Sie wegen Mordes angeklagt. Sie sollen eine Frau im Walde vergewaltigt und ermordet haben. Die – –«
»Das is Lüge!« rief der Mann.
»Lassen Sie mich ausreden«, sagte der Vorsitzende freundlich. »Sie kommen schon noch zum Wort. Sie sollen also die Frau ermordet haben. Ihr Name ist unbekannt. Ihre Personalität hat nicht ermittelt werden können. Für die Frage Ihrer Schuld oder Unschuld ist es aber gleichgültig, wer die Frau gewesen ist. Denn Sie leugnen ja nicht, an der Leiche dieser Frau angetroffen worden zu sein.«
»Nein, das leugne ich nicht. Tot war sie.«
»Wollen Sie uns jetzt einmal den Vorgang erzählen«, gebot der Vorsitzende.
Rüdebusch suchte hilflos nach Worten.
»Erzählen Sie es ganz ruhig«, ermunterte Mehring. »Berichten Sie uns, was Sie von den Begebenheiten jener Nacht wissen.«
»Ich habe nichts getan«, rief der Angeklagte.
»Erzählen sollen Sie«, es klang ein wenig nervös, »mein Gott, Sie werden uns doch erzählen können, was Sie an dem Abend erlebt haben, ehe der Landjäger Sie verhaftete.«
Rüdebusch starrte auf die Geschwornen.
»Ich habe nichts gemacht«, murmelte er.
Der Vorsitzende trommelte mit den Fingern auf den Akten.
»Sind Sie wirklich so beschränkt oder verstellen Sie sich hier?« Er runzelte die Stirn. »Wo waren Sie am Abend des 6. Juni?«
»In Schlachtensee war ich.«
»Schön. Na – und –?«
»Dann wollte ich in der Nacht nach Wannsee gehen.«
»Gut. Warum gingen Sie in der Nacht? Man geht doch eigentlich mehr am Tage spazieren.«
»Ich bin nicht spazieren gegangen. Ich wollte Arbeit suchen.«
»Bei Nacht?«
»Nee, ich wollte bei Tag in Wannsee sein.«
»Ah. Was haben Sie denn am 5. Juni in Schlachtensee getrieben?«
»Arbeit gesucht.«
»Das haben Sie auch in der Voruntersuchung angegeben. Sie haben aber nicht eine einzige Adresse von Leuten angeben können, bei denen Sie Arbeit erbeten haben. Sollte es sich nicht vielleicht so verhalten, daß Sie gebettelt haben?«
»Ja.«
»Na also. Sagen Sie nur lieber die reine Wahrheit. Damit kommen Sie am weitesten. Sie haben also in Schlachtensee am 5. Juni gebettelt. Und sind dann in der Nacht fortgegangen, auf Wannsee zu, um Arbeit zu suchen?«
»Es war so 'ne schöne Nacht.«
»Was denn? Wollten Sie nachtschwärmen?«
»Ich wollte von Schlachtensee fort, weil ich da gebettelt hatte.«
»Na – endlich wissen wir's. Sie hatten also gebettelt und liefen deshalb davon. Schön. Nun kamen Sie in den Wald. Was geschah da weiter?«
»Ich bin an 'nen Damm gekommen«, sagte der Mann und stockte.
»Ja, ja doch. Erzählen Sie nur!«
»Und wie ich raufkomm – drüber weg – wollt' ich – da seh ich was liegen. Es war Mondschein. Was Weißes sah ich da liegen. Ich denk: nanu! und geh drauf zu. Und wie ich näher komm – da seh ich, daß es was Totes is –«
»Weiter doch!«
»Nu – ich denke, wie kommt die Leiche hier auf'n Damm, denk ich. Und bück mich und da seh ich, daß sie 'n Loch von 'ner Kugel im Kopf hat. Und da kommt auch schon ein Landjäger und da hab ich mich weggemacht.«
»Hm. Also, Sie haben die Leiche auf dem Eisenbahndamm gefunden?«
»Ja. So is es. Und alles andre is Lüge.«
»Weshalb gingen Sie denn über den Damm? Sie werden zugeben, daß der Weg ein wenig auffällig ist.«
»Ich kam an den Damm und wollte weiter.«
»Aha. Und da gingen Sie einfach drüber weg?«
»Sagen Sie mal zunächst eins, Angeklagter. Als der Landjäger kam, was taten Sie da?«
»Fortgelaufen bin ich.«
»Fortgelaufen. Ja, ist das nicht seltsam? Warum sind Sie denn fortgelaufen? Sie hatten die Leiche doch ganz harmlos da auf dem Damm gefunden, Sie waren völlig unschuldig, nicht wahr? Da läuft man doch nicht fort, wenn ein Beamter kommt. Im Gegenteil, ich meine, da bleibt man stehen und ruft den Polizisten herbei. Meinen Sie nicht auch?«
Der Vorsitzende blickte verständnisinnig zu den, Geschwornen hinüber.
»Ja, Herr Präsident«, raffte der Angeklagte seinen Mut zusammen, »das sagen Sie so. Ich hab mir's nachher auch gesagt. Es war 'ne Dämlichkeit von mir. Aber so im ersten Schreck. Ich hab ja gar nicht gewußt, was ich tu. Ich war – reine toll war ich.«
»Also – Sie meinen – Sie sind vor Bestürzung davongelaufen?«
»Ja – das mein ich.«
»Hören Sie mal, Angeklagter. Sie sind doch kein solcher Schreckfuß. Ein Mann wie Sie. Der fünfmal mit dem Gericht zu tun gehabt hat!«
»Eben darum hab ich ja so 'ne Angst gehabt.«
»Also, kurz und gut, Sie liefen in Bestürzung davon?«
»Nun ist die Sache aber die, daß der Landjäger Sie wiederholt zum Stehen aufforderte und sogar zweimal auf Sie schoß. Wollen Sie behaupten, daß Sie so bestürzt waren, – obwohl Sie doch gar nichts getan hatten, – daß Sie nicht auf die Aufforderung des Landjägers hörten und sich sogar –« der Vorsitzende hob die Stimme und blickte wieder zu den Geschwornen hinüber – »der Todesgefahr aussetzten. So bestürzt waren Sie?«
»Ja«, sagte er leise.
Durch die Geschwornenbank flutete eine Bewegung. Hoff zitterte das Herz. Herrgott, sah hier alles anders aus!
Der Vorsitzende räusperte sich.
»Na, Angeklagter, es wird Ihnen wohl selbst einleuchten, daß Ihre Bestürzung ein etwas sehr ungewöhnliches Maß angenommen hat. Wie erklären Sie nun aber das Folgende. Sie liefen trotz Rufens und Schießens weiter, bis Sie über eine Baumwurzel stolperten und zu Boden stürzten. Da holte der Landjäger Sie ein. Was taten Sie jetzt? Riefen Sie nun endlich: ›Ich bin unschuldig. Ich habe die Leiche auf dem Bahndamm gefunden. Ich bin nur in der ersten Bestürzung davongelaufen?‹ Ja, taten Sie das?«
»Nein«, antwortete der Mann bleich.
»Nein«, rief der Vorsitzende fast frohlockend, »nein, das taten Sie nicht. Im Gegenteil. Sie sprangen auf, ergriffen eine schwere Gerte und schlugen wie rasend um sich. Taten Sie das?«
»Ich weiß es nicht mehr genau.«
»Aber es ist möglich, wie?«
»Und dann mußte der Beamte blank ziehen und Ihnen einen Hieb über die Hand geben, ehe er Sie überwältigen konnte. Stimmt das?«
»Ja, er hat mich mit dem Säbel geschlagen.«
Wieder entstand eine Pause der Bewegung.
Hoff ward immer bleicher. Himmel, sah der Vorsitzende denn nicht, wie töricht seine Psychologie irrte! Hoffs Blick lief über die Gesichter der Geschwornen. Er konnte ihre Stimmung nicht recht erkennen. Einige freilich machten aus ihrem Herzen keine Mördergrube und folgten zustimmend lächelnd den klugen Spürwegen des Fragestellers.
Der Vorsitzende erhob die Stimme.
»Die Anklage legt Ihnen, im Gegensatz zu Ihren Ausführungen, zur Last, Sie hätten die Frau im Walde getroffen – vielleicht schlafend – hätten sie überwältigt und sie dann, aus Furcht oder Wollust, erdrosselt und hätten sie auf den Damm geschleppt, um sie auf die Gleise zu werfen. Die Anklage nimmt an, Sie haben das getan, um ihre Erkennung zu vereiteln. Hiefür spricht auch der Umstand, daß die Leiche völlig unbekleidet war. Was haben Sie auf diese Beschuldigung zu entgegnen?«
»Alles ist Lüge.«
»So. Sie haben die Frau also nicht im Walde getroffen?«
»Nein.«
»Sie haben von der Frau überhaupt nichts gesehen, ehe Sie auf den Damm kamen?«
»Nein.«
»Sie wollen ein Geständnis also nicht ablegen?«
»Ich hab's doch nicht getan!« schrie er gellend.
Der Vorsitzende hob den Kopf.
»Dann scheint es mir das Vernünftigste, zunächst einmal den Landjäger zu hören. Vielleicht entsinnt sich der Angeklagte dann besser.«
Er blickte Staatsanwalt und Verteidiger fragend an. Sie nickten.
»Der Zeuge Müller«, gebot er dem Boten.
Der Landjäger erschien, wurde vereidigt und ermahnt. Er erzählte:
»In der Nacht vom 5. zum 6. Juni hatte ich in Schlachtensee Dienst. Gegen zwei Uhr ging ich den Waldweg entlang. Da sah ich einen Mann durch den Wald gehen mit einer schweren Last auf dem Rücken.«
Hoff blickte sich schreckhaft um. Er glaubte, er habe geschrien. Doch alle Augen starrten auf den Zeugen.
»Wo sahen Sie den Mann gehen? Vor dem Eisenbahndamm?«
»Ja. Er ging auf den Damm zu.«
»Wie weit waren Sie entfernt?«
»Etwa 500 Meter.«
»Also ziemlich weit. Können Sie sich da nicht getäuscht haben?«
»Nein. Es war ja Vollmond. Ich sah ihn deutlich über eine Lichtung schreiten.«
»Weiter.«
»Ich sah auch ganz genau, wie der Mann mit der Last auf den Damm hinaufstieg.«
»Das sahen Sie deutlich?«
»Ganz genau.«
»Weiter.«
»Dann lief ich quer durch den Wald auf die Stelle zu. Und als ich dann an den Damm herankam, da kniete der Mann bei der Leiche und hatte den Kopf auf den Knien liegen. Und dann sprang er auf und ich hinterher.«
»Der Mann war der Angeklagte?«
»Ja. Ich habe ihn dann gleich festgenommen.«
Totenstille herrschte in dem großen Saale.
»Was sagen Sie hiezu?« fragte der Vorsitzende.
»Es ist nicht wahr«, rief der Angeklagte. Die Zähne schlugen ihm in Todesgrauen zusammen. »Es ist nicht wahr, ich habe nichts getragen.«
»Zeuge Müller«, ermahnte der Vorsitzende ernst, »Sie wissen, daß von Ihrer Bekundung das Leben eines Menschen abhängt.«
»Sie irren sich nicht? Es liegt auch keine Täuschung vor? Das Mondlicht hat Sie vielleicht getäuscht?«
»Herr Präsident, ich habe ganz genau den Mann mit einer Last auf dem Rücken zum Damm gehen und hinaufklettern sehen. Ich habe es ganz deutlich gesehen. Eine Täuschung ist ausgeschlossen.«
Mehring blickte den Angeklagten fragend an.
»Es ist Lüge, Herr Präsident, es ist alles Lüge, Ich habe nichts getragen. Der Mann hier lügt!« Jetzt stand der Verteidiger auf.
»Können Sie mit Bestimmtheit versichern«, wandte er sich an den Zeugen, »daß der Mann, den Sie die Last tragen sahen, und der Angeklagte, den Sie später bei der Leiche fanden, dieselbe Person ist?«
Ein spöttisches Lächeln glitt über Grunaus Gesicht. Diese Verteidiger mit ihren lächerlichen Fragen!
»Nein, bestimmt kann ich das nicht sagen. Ich war zu weit entfernt. Das Gesicht des Mannes, der die Last trug, habe ich nicht erkennen können.«
Jetzt stand auch Grunau auf.
»Ich hätte noch einige Fragen«, sagte der Verteidiger.
Der Vorsitzende nickte.
»Haben Sie den Damm, während Sie darauf zuliefen, immer im Auge behalten?«
»Nein. Als ich durch den Wald drauf zulief, konnte ich ihn nicht sehen.«
»Wie lange Zeit haben Sie den Damm aus dem Auge verloren?«
Hoff atmete leichter. Das waren die erlösenden Fragen.
Endlich!
»Etwa drei Minuten.«
»Es ist also möglich, daß der Angeklagte in diesen drei Minuten den Damm erstieg, ohne von Ihnen gesehen zu werden?«
»Das glaube ich nicht.«
»Ich frage nicht nach, Ihrer Meinung. Ob es möglich ist, will ich wissen, oder ob Sie es unbedingt hätte sehen müssen, wenn, nach dem Mann mit der Last, der Angeklagte erst auf den Damm stieg.«
»Das weiß ich nicht. Ich habe ihn nicht hinaufsteigen sehen.«
Hier griff der Vorsitzende ein.
»Der Herr Verteidiger meint folgendes: Sie sahen den Mann mit der Last auf den Damm steigen?«
»Jawohl, Herr Präsident.«
»Dann liefen Sie durch den Wald und verloren den Damm aus den Augen – auf drei Minuten, sagen Sie.«
»Jawohl, Herr Präsident.«
»Wenn die Behauptungen des Angeklagten richtig sind, wenn also der Mann mit der Last nicht der Angeklagte war, wenn Sie aber den Angeklagten bei der Leiche trafen, muß doch in diesen drei Minuten der ›Mann mit der Last‹ sich – vielleicht nach der anderen Seite des Dammes – entfernt und der Angeklagte in eben diesen drei Minuten den Damm erstiegen haben.«
»Jawohl, Herr Präsident.«
»Halten Sie das für möglich?«
Der Landjäger lächelte leicht. »Nein, Herr Präsident!«
»Weshalb nicht?« fragte der Verteidiger.
»Weil ich es für unwahrscheinlich halte.«
»Das sind keine Gründe«, frohlockte der Verteidiger.
Der Vorsitzende nahm wieder das Wort.
»Es kommt nicht auf die Ansicht des Zeugen an. Die Herren Geschwornen werden darüber zu urteilen haben, ob sie glauben, daß ›der Mann mit der Last‹ der Angeklagte gewesen ist oder nicht. Sie bleiben jedenfalls bei Ihrer Darstellung?«
»Jawohl, Herr Präsident.«
Hier erbat Grunau das Wort.
»Behauptet denn der Angeklagte, daß er einen Mann auf dem Damm oder in dessen Nähe gesehen hat? Es wäre doch seltsam, wenn dieser ominöse Lastträger so spurlos verschwunden sein sollte.«
»Haben Sie einen Mann gesehen?«
»Nein«, sagte er leise.
Der Staatsanwalt setzte sich befriedigt. Der Vorsitzende verhörte den Zeugen weiter.
»Wie lange waren Sie an jenem Abend im Freien, als Sie den ›Mann mit der Last‹ sahen?«
»Etwa drei Stunden.«
»Haben Sie in dieser Zeit einen Schuß gehört? Der Angeklagte behauptet, er habe die Frau erschossen vorgefunden.«
»Nein, ich habe keinen Schuß gehört.«
»Sind noch Fragen an den Zeugen?«
Der Verteidiger erhob sich:
»Machte der Angeklagte einen sehr bestürzten Eindruck, als Sie ihn verhafteten?«
»Nein, er schlug wie wahnsinnig auf mich ein.«
Hoff hatte den Kopf in die Hände vergraben und starrte zu Boden.
Es wurde noch manche Frage an den Landjäger gerichtet, Leumundszeugen wurden vernommen, die wenig Günstiges über den Angeklagten zu sagen wußten. Endlich erfolgte das Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen über den Leichenfund.
Und die Verhandlung rollte weiter.
Der Staatsanwalt hielt sein Plädoyer. Er »erachtete« den Angeklagten für überführt. »Meine Herren«, rief er mit Pathos, »Sie werden sich nicht irreführen lassen. Sie werden nicht an den großen Unbekannten glauben, der mit dieser Leiche im Mondlicht einherlief, mit dieser Leiche, bei der wenige Minuten später der Angeklagte getroffen wurde. Wir haben gehört, daß die Behauptungen des Angeklagten nur dann einen Schimmer von Glaubhaftigkeit trügen, wenn er just in den drei Minuten auf den Damm gestiegen wäre, in denen der Zeuge Müller die Stelle aus dem Auge verlor. Meine Herren, das sind Mondscheinmärchen, die Sie nicht glauben werden. Es ist der große Unbekannte, der fast immer durch diesen Saal spukt, wenn alle anderen Ausflüchte versagen. Hätten Sie noch den Schimmer eines Zweifels, meine Herren, so müßte Sie das Verhalten des Angeklagten beim Herannahen des Landjägers völlig überzeugen. Meine Herren, man läuft nicht, wie der Herr Vorsitzende mit Recht schon betont hat, man läuft nicht wie ein Wahnsinniger davon, wenn man das Bewußtsein seiner Unschuld in der Brust trägt. Man setzt sein Leben nicht den nacheilenden Kugeln aus, wenn man nichts zu fürchten hat. Man kämpft nicht wie ein Berserker, wenn man reine Hände hat. Und noch dazu ein Mann mit der Vergangenheit des Angeklagten, dem ein Landjäger doch kein solches unbekanntes Schreckgespenst ist. Nein, meine Herren, ein solcher Mann –«
Er sprach lange mit Schwung und Nachdruck. Und Hoff sah mit Entsetzen die Geschwornen ihm folgen.
Als er mit dem Aufruf geendet hatte: »Meine Herren, lassen Sie diesen nächtlichen Schänder und Mörder nicht den Armen der Gerechtigkeit entrinnen, seien Sie nicht weichherzig, glauben Sie nicht an nachtwandlerische Mythen, glauben Sie an das Recht und die Wahrheit«, ward es feierlich still im Saale.
Leise weinte der Angeklagte.
Langsam erhob sich der Verteidiger. Er redete schlicht ohne jede Mimik, Es spreche ein gewisser Schein gegen den Angeklagten. Indessen sei dies nur ein Schein. Der Fehler bei der Betrachtung der Vorgänge durch die Anklagebehörde sei der, daß sie diese Vorgänge mit ihrem vom Verdacht getrübten Auge sähe. »Meine Herren, ich bitte Sie, diese Brille jetzt abzuwerfen und mit klarem, scharfsichtigem Blick die Ereignisse jener Nacht zu betrachten. Was bleibt dann? Ein Mensch geht aus durchaus glaubhaften Gründen durch den Wald, steigt auf einen Bahndamm, findet dort eine Leiche und flieht, als er den Landjäger kommen sieht. Meine Herren, in dieser Flucht soll ein Beweis der Tat liegen! Es heißt wahrhaftig jeder Psychologie bar sein, wenn man nicht begreift, daß unter tausend Menschen neunhundert gehandelt hätten wie der Angeklagte. Gerade ein Mensch, der schon des öfteren mit Polizei und Gericht in Konflikt geraten ist, hat aus reiflicher Erfahrung vor beiden seinen Schrecken. Der Herr Vorsitzende mag ein sehr resoluter Herr sein. Der Angeklagte ist es nun aber nicht. Und, meine Herren, wir wissen alle sehr wohl, daß Menschen auf die gleichen Reize sehr verschieden reagieren.«
So sprach er weiter und stellte fest, daß für die Schuld des Angeklagten auch nicht der geringste Beweis erbracht sei. Alles schwebe in der Luft. Was liege denn eigentlich vor: Mord? Warum gerade Mord? Weshalb nicht Totschlag?
Und er schloß: »Meine Herren, Sie werden es nicht wagen, auf diese Mondscheinhalluzinationen der Anklage hin einem Menschen das Leben abzusprechen.«
Grunau entgegnete kurz.
Dann wurde der Angeklagte gefragt, ob er noch etwas zu sagen habe. Er wimmerte leise, daß er unschuldig sei: »Ich habe es nicht getan, Herren Geschworne, ich habe es beim wirklichen Gott nicht getan.«
Und schließlich zogen die Geschwornen sich zur Beratung zurück.
Hoff wagte nicht, sich zu rühren. Die Beine hingen bleiern an ihm hinunter. Er wollte aufstehen, hatte aber nicht die Kraft. Da sah er, wie Grunaus Blicke ihn suchten. Jäh schnellte er empor und eilte zu ihm.
»Gratuliere«, brachte er hervor, »ausgezeichnet! Wirklich ganz famos.«
»Das wäre ja auch noch schöner«, lachte der Staatsanwalt selbstgefällig, »wenn der Kerl mit den platten Lügen durchkäme. Jetzt sind Sie doch wohl auch überzeugt?«
»Ja – ja«, stammelte Hoff, »allerdings – naja – es sieht bedenklich aus. Aber doch. Der Angeklagte machte auf mich keinen schlechten Eindruck. Und wer kann –«
»Sie glauben wohl gar auch an den großen Unbekannten?«
Hoff lachte grell. »Nein, nein – aber – naja – nicht wahr?«
Und er plauderte über andere Dinge, ohne zu wissen, was er sprach. Seine Sinne suchten durch die geschlossene Tür zu dringen, hinter der sein Schicksal entschieden wurde.
Die Geschwornen betraten den Saal. Der Obmann verkündete als ihren Wahrspruch, daß der Angeklagte des Mordes schuldig sei.
Hoff fuhr wie eine Rakete empor. In der allgemeinen Bewegung blieb er unbemerkt.
Der Angeklagte wurde hereingeführt. Der Gerichtsschreiber verlas ihm den Spruch.
Er beugte sich weit über die Wehr des Gitters und starrte die Geschwornen an. Dann griff er suchend mit den Fingern in die Luft.
»Ihr – Ihr –« schrie er – »wie dürft Ihr das –! Mein Leben – Ihr Bluthunde!«
Der Gefängniswärter sprang zu. Rüdebusch schleuderte ihn von sich. »Ich bin unschuldig«, brüllte er, »hört Ihr! Nehmt den Spruch zurück – Nehmt den Spruch zurück – Ich bin's nicht gewesen – Hilfe! – Hilfe! – Ich bin's nicht gewesen –«
Der Vorsitzende schnellte von seinem Sitz.
»Angeklagter!« donnerte er.
Der Mann starrte ihn mit aufgerissenem Munde an. Dann ward sein Gesicht eine winselnde Grimasse. Er hob flehend die gefalteten Hände und legte den Kopf auf die Seite.
»Herr Präsident«, wimmerte er, »ich war's nicht. Beim Leben meiner Mutter schwör ich, ich war's nicht. Erbarmen! – Erbarmen! Ich will nicht sterben, ich will nicht sterben!««
»Wenn Sie nicht ruhig sind, muß ich Sie abführen lassen«, sagte der Vorsitzende ernst.
»Ich bin still, ich bin ja still – ganz stille bin ich«, jammerte der Mann und preßte die Fäuste auf den Mund. »Nur Erbarmen! – Hilfe! – Hilfe!«
Der Staatsanwalt beantragte die Todesstrafe.
»Nein – nein! Das nicht. Ich bin unschuldig!« schrie Rüdebusch auf.
Der Verteidiger zuckte die Schultern, als der Vorsitzende ihn anrief.
Dann zog sich das Gericht zurück.
Jetzt brach der Angeklagte auf der Bank zusammen. Er fiel auf den Boden, schlug mit der Stirn auf die Bank und heulte laut klagend auf.
Hoff wollte hinaus. Er konnte das nicht hören. Er wollte nicht hören, wie sie ihn zum Tode verurteilten. Er wollte hinaus. Ja – ja – das vielleicht! Wenn sie einstimmig den Spruch für verfehlt hielten, konnten sie ihn aufheben. Ja – ja – das mußte ja geschehen. Um Gott – um Gott – wie der Mann heulte – wie ein Tier – ganz tierisch.
Wenn sie nur den Spruch aufhoben – sonst – sonst! – Ja – ja – er mußte aufspringen und schreien: »Er ist unschuldig – hier steht der Mann, der die Last trug« – ja, das mußte er – das würde er – der Mann durfte nicht unschuldig so leiden – nein – nein – komme, was kommen wollte – er mußte vorstürzen zum Richtertisch und schreien: »Hier steht der Mann mit der Last – keiner hat sie gemordet, sie hat sich selbst erschossen.«
Wie er winselte –
Hoff hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt, das Gesicht in die Hände vergraben. Es fiel keinem auf.
Die Richter blieben stehen. Unwillkürlich erhob sich alles. Hoff stützte sich mit beiden Händen auf die Schranke, die den Zuhörerraum begrenzte. Der Vorsitzende stülpte sein Barett auf den Kopf – Hoffs Nägel rissen tiefe Furchen in das Holz der Barriere. – Der Vorsitzende verkündete laut:
»Im Namen des Volkes! Der Angeklagte Otto Rüdebusch ist des Mordes schuldig und wird deshalb zum Tode verurteilt!«
Ein wilder Schrei gellte durch den Saal. Der Angeklagte lag zuckend am Boden.