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Noch niemals hatte Fabulla die Kaiserin so zornig gesehen, als an jenem Vormittage der Besichtigung des lateranischen Hauses. Messalina kehrte wutsprühend heim, obwohl der Kaufvertrag ihrem Wunsche entsprechend abgeschlossen worden war.
Bald darauf erscholl manch ein Schrei gezüchtigter Sklavinnen aus den Gemächern der erregten Frau. Sie ließ die Hitze ihrer grenzenlosen Enttäuschung und Beschämung an den Schuldlosen aus und tobte keifend über jeden geringfügigen Verstoß ihrer Dienerinnen.
Callistus, Pallas und Narzissus waren der Kaiserin nicht mehr freundlich gesinnt, seit ihr unseliger Gefährte Polybius auf Betreiben Messalinas hingerichtet worden war. An diesem aufgeregten Vormittage aber zeigten sie den Umschlag ihrer Gesinnung zum ersten Male ohne jede Scheu.
Callistus ging händereibend mit einem frechen Schmunzeln des Wissens umher. Die Kaiserin war gründlich gedemütigt worden. Vielleicht brach das ihren Hochmut und damit ihren Einfluß. Man durfte jetzt die Maske der Freundschaft schon etwas lüften und die heimliche Furcht vor der ebenso dreisten wie in ihrer Dreistigkeit rücksichtslosen Frau ein wenig zum Vergangenen rechnen.
Callistus hatte Messalina zu dem Besitztum des Plautius Lateranus begleitet, um die Unterschrift und den Austausch der Kaufverträge als Zeuge mit zu vollziehen. Nun tuschelte er jedem, der es hören wollte, die große Neuigkeit zu.
... Nach Erledigung der geschäftlichen Angelegenheiten hätte seinem sichersten Wissen nach die mannstolle Kaiserin auf ein Schäferstündchen mit Lateranus gerechnet. Doch scheine sie sich diesmal in der Wirkung ihrer sonst gewiß sehr verführerischen Persönlichkeit verrechnet zu haben. Die Zweisamkeit mit dem hübschen und kräftigen Senator habe verblüffend schnell geendet. – Mit wirren Haaren sei Messalina wutschnaubend im Vestibulum erschienen ... allein ... wohlgemerkt, ganz allein. Denn der getreue Ehemann Lateranus sei von dem Überfall so erschüttert gewesen, daß er nicht einmal die Höflichkeit besessen habe, die fürstliche Käuferin seines Eigentums bis an die Sänfte zu geleiten. – Nebenbei, eines Besitztums«, das er an die Kaiserin so gut wie verschenkt habe. Was sie wahrscheinlich zu falschen Rückschlüssen verführt hätte ...
Fabulla hielt es für ihre Pflicht, der kaiserlichen Freundin von diesem Getuschel Mitteilung zu machen. Zu ihrem Staunen blieb Messalina vollkommen ruhig.
»Wie dem Polybius, so wird auch dem Heuchler Callistus die Stunde nahen,« sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen. »Und wie diese beiden, so wird noch manch anderer voll Reue meiner gedenken!« fügte sie mit funkelnden Augen hinzu.
Dann aber erlosch plötzlich ihr Blick.
Mit zitternden Lippen erzählte sie der Vertrauten: »Das Widerliche ist, daß dieser Schurke nicht einmal lügt. Ja, es ist wahr! Lateranus wies mich von sich, wie er eine ihm nicht zusagende Dirne an der Marsyassäule von sich weisen würde. Doch ich habe schon dafür gesorgt, daß der mir zugefügte Schimpf seine Vergeltung findet. Unter den Senatoren gibt es keinen, der, weil er um sein einträgliches Amt und um den Besitz seines Vermögens ständig bangt, so käuflich wäre, billig käuflich wie Lucanus Lucilius. Mein Weg von den lateranischen Gärten führte zuerst zu diesem braven Manne. Es bedurfte nicht langer Überredung, ihn dahin zu bringen, daß er diesen Plautius Lateranus verhaften läßt. Dann wird Lucilius den Antrag stellen, ihn nicht nur aus dem Senate zu stoßen, sondern ihn auch zu bestrafen, weil er sich mir in unzüchtiger Weise zu nähern wagte.«
Fabulla rann es eisig über die Haut. Was war aus der einst so kindlichen, zwar eigensinnigen, doch mildherzigen Valeria Messalina geworden! Doch klüglicherweise unterdrückte die zur Freigelassenen erhobene Sklavin ihre stillen Gedanken. Immerhin war sie der ihr gegenüber allezeit gütigen Herrin und Wohltäterin zur Treue verpflichtet. Und dann! Wer hätte ohne Gefahr gewagt, der Kaiserin die Wahrheit zu sagen! Seneca war ein warnendes Beispiel für die Gefährlichkeit solchen Mutes. Er büßte auf Korsika. – Und wenn er auch durch des Kaisers Claudius Gnade dem Tode entronnen war, so schwebte doch durch der Kaiserin geheimen Zorn das Schwert ständig über seinem Nacken.
»Wird dir die trübe Erinnerung nicht den Aufenthalt in dem Hause verleiden?« meinte Fabulla treuherzig.
»Ich werde es niemals wieder betreten,« rief Messalina, und ihre Nüstern flogen. »Aber ich werde es entwürdigen. An einem der nächsten Abende gehst du mit mir wieder zur Marsyassäule. Wir werden schon eine größere Anzahl Dirnen auftreiben, denen ich eine Zuflucht in dem schönen Gebäude mit seinen Wundergärten bieten will. Hat der Imperator Caligula sogar im Palatium etliche Räume zum Lupanar für käufliche Liebe eingerichtet, warum soll mir verboten sein, aus meinem Besitztum das schönste, glänzendste und geräumigste Bordell in Rom zu machen?! Und wenn ein Lateranus wagen durfte, mich in diesen Mauern wie eine Dirne fortzuscheuchen, warum sollte ich mich an diesem Hause nicht rächen, indem ich dort von Zeit zu Zeit wirklich die Dirne spiele?«
Fabulla zog es vor, nicht zu antworten. Doch um die Freundin vor ihrer Raserei gegen sich selbst zu hüten, sagte sie scheu: »Es war doch aber dein Wunsch, Herrin, einen schönen Besitz dein Eigen zu nennen. Du sagtest mir doch auch, du müßtest eine große Kaufsumme bezahlen.«
»Dieses Geld ist verloren,« gab die Kaiserin zu. »Verloren wenigstens für den Zweck, den es erfüllen sollte. Und da ich nun ein anderes Besitztum nicht kaufen kann, ohne mich aufs äußerste zu verausgaben, werde ich einen andern Weg einschlagen. Du hast gewiß schon von den Prachtgärten des Lucullus gehört.«
»Man rühmt die Schönheit und die Pracht dieser Gärten, den Reichtum der Marmorgebäude darin, die von Gold und Elfenbein, von edeln Zieraten nur so strotzen sollen,« bejahte Fabulla eifrig.
»Der Besitzer aller dieser Wunder ist Asiaticus, einer der reichsten Reichen in Rom,« fuhr die Kaiserin fort. »Er würde seine Wunder niemals an mich verkaufen – er würde keine Furcht vor mir haben – er –«
Sie brach jäh ab.
Da fragte Fabulla nach kurzem Schweigen verwundert: »Und dennoch willst du versuchen, sie an dich zu bringen?«
»Das werde ich!« versetzte die Kaiserin mit trockener Stimme und einem dürren, grimmigen Lächeln. »Darf es in Rom Menschen geben, die unbelästigt mehr besitzen als die höchste Frau der Welt?«
Sie legte die geballte Hand an die Stirn, als wolle sie einen plötzlich hinter dieser Stirn aufleuchtenden Gedanken festbannen. Dann entschloß sie sich:
»Rufe die Dienerinnen. Ich will mich für den Theaterbesuch ankleiden. Ferner laß dem Kaiser bestellen, er möge sich unbedingt sogleich bei mir einfinden. Ich hätte Wichtiges mit ihm zu besprechen.«
Fabulla merkte, daß die Herrin in weitgehende Pläne versponnen war und keine Unterhaltung wünschte. So zog sie sich stumm zurück, um die ihr erteilten Weisungen auszuführen.
Als Kaiser Claudius eine halbe Stunde später die Ankleideräume der Gattin betrat, blieben ihm die Vorwürfe, die er grämlich hatte erheben wollen, weil er in »unendlich wichtigen« Arbeiten unterbrochen worden war, im Halse stecken. Ihm bot sich ein Anblick, den Messalina allerdings vorher wohl berechnet hatte. Es galt, den Cäsar zu einer Untat zu verführen, vor der er in seinem bisweilen pedantischen Gerechtigkeitsgefühle vielleicht doch zurückschrecken würde.
Messalina war soeben dem Bade entstiegen und stand inmitten einer kleinen Gruppe von Sklavinnen, die mit geschickten Händen den nackten Körper der Domina mit duftenden Essenzen rieben. Sie markierte äußerst natürlich einen leisen Aufschrei schamvollen Erschreckens, tat aber keinen Schritt, dem durch vieles Lesen und Schreiben kurzsichtig gewordenen Kaiser ihren Anblick zu entziehen.
Lüstern lächelnd musterte denn Claudius auch in aller Ruhe ihre Blöße.
»Ich hatte dich noch nicht erwartet, süßer Freund,« girrte sie mit ihrem reizendsten Lächeln. »Doch da du nun einmal da bist und wahrscheinlich schleunig zu deiner Arbeit zurückkehren möchtest –«
»Oh, nicht doch – es eilt nicht so sehr,« stotterte der Kaiser, die lockende Gestalt der Gattin mit weit aufgerissenen Augen genießend.
Mit tapsendem Schritte wollte er sich nähern, die welken, zitternden Hände vor sich gestreckt, sein Weib und Eigentum zu betasten.
»Bleib stehen, wo du bist!« rief Messalina ihm süßverschämt zu und schlüpfte behend in eine Tunika interior, ein hauchdünnes Hemd, das mit seinem rosenfarbenen Stoffe die Haut hindurchschimmern ließ.
»Du sollst mir nur eine Frage beantworten, Liebster,« erklärte sie, als sie mit hold lächelnder Miene aus der Schleierwolke wieder auftauchte.
»Jede – jede,« versicherte Claudius, gebannt von dem Vergnügen, zum erstenmal in seiner Ehe einer reizvollen Ankleideszene der schönen Frau beiwohnen zu dürfen.
»Dann nimm irgendwo Platz und bleib gehorsam sitzen,« zwitscherte Messalina, sich drehend und wendend, als ob sie den Handgriffen der Dienerinnen folgen müsse, ein Getue, das nur darauf berechnet war, den sinnlichen Alten in Fesseln zu schlagen, ihn zu betäuben und jedem Wunsche zugänglich zu machen.
»Nun frage,« bat der Kaiser mit schmatzenden Lippen, nachdem eine der Sklavinnen ihm einen doppellehnigen Sessel zurechtgestellt hatte, von dem aus er lüstern den aufreizenden und anmutigen Anblick mit breitem Behagen genoß. Ah, diese Frau war doch noch tausendmal begehrenswerter als eine Calpurnia oder Cleopatra!
»Wen hältst du für die schönste Frau in Rom?« begann Messalina.
»Natürlich dich,« rief Claudius gefällig.
»Ich wünsche keine Schmeichelei zu hören,« entgegnete sie munter.
»Aber es ist keine Schmeichelei!« beteuerte er ehrlich in der Begeisterung des Augenblickes.
»Für mich ist die schönste Frau in Rom Poppäa Sabina, die Gattin des Senators Scipio.«
»Sie hält den Vergleich mit dir nicht aus,« wehrte Claudius und sah zu seinem stillen Bedauern die nackten Glieder der Kaiserin unter einer dichter verhüllenden Tunika verschwinden.
»Wir wollen nicht streiten,« gab Messalina nach. »Alle Welt weiß, daß du die Heiligkeit und Reinheit der Ehe sehr hoch hältst.«
Dem braven Claudius fielen seine Mätressen Calpurnia und Cleopatra abermals ein und so antwortete er nach einigem Zögern: »Ja – gewiß – natürlich – sehr hoch!«
Er saß da wie das leibhafte böse Gewissen. Denn er vermutete ein Verhör. Es gab ja so viele Zuträger und klatschgefällige Schranzen im Palatium.
Doch zu seiner Erleichterung sprach die Kaiserin weiter: »Meinst du nicht auch, daß nur in den seltensten Fällen die Frau die Verführerin ist?«
»Nun ja – vielleicht,« zögerte der alte Herr, sich ob seines eigenen ehelichen Verhaltens eine Deckung zu sichern.
»Meiner Meinung nach ist besonders eine verheiratete Frau sehr selten die Schuldige, sondern fast immer die mit List und Lüsten Verführte.«
»Hm, hm,« machte er kurz, denn er wollte nicht offen widersprechen, da ihm noch nicht klar war, worauf Messalina abzielte.
»Verdient nun der Verführer, der eine hochachtbare Frau um ihren guten Ruf bringt, nicht die strengste Strafe?«
»Allerdings – aber – ?«
»Es gibt kein Aber in dem Falle, von dem ich spreche,« unterbrach sie ihn schroff, um ihn ganz einzuschüchtern.
»Sprichst du von Poppäa Sabina?« staunte Claudius entgeistert. »Sie gilt als die treueste und keuscheste Frau in Rom.«
»Das war sie,« betonte Messalina, so dicht an den Kaiser herantretend, daß ihr Körper ihn streifte.
»Sie – sie – war es?« stotterte er verwirrt. »Unmöglich!«
»Wie – unmöglich? Du strafst mich Lügen?«
Sie schrie ihn so heftig an, daß er vor Schreck errötete. Dann verzog sie ihr Gesicht, als wolle sie in ein schmollendes Weinen ausbrechen, und wie jäh von ihrer Kraft verlassen, lieh sie sich auf seinen Schoß niedergleiten. Schluchzend barg sie den Kopf an des Alten Brust.
Mit täppischer Zärtlichkeit streichelte er sie. »Ich glaube dir ja, selbstverständlich glaube ich dir. Weine nur nicht! Ich glaube ja alles, was du sagst. Nur weine nicht! Ich kann dich nicht weinen sehen! So – so! Komm, Tränchen fortwischen. So – so. Nun ist alles wieder gut, gelt? Poppäa Sabina! Wer hätte das gedacht! Wer ist ihr Verführer? Er soll meinen schwersten Zorn erfahren.«
»Dem Ehebrecher Verbannung und Vermögensverlust – dem Ankläger Vermögen und Besitz des Verurteilten!« sagte sie mit grausamer Klarheit, Wort für Wort schicksalsschwer betonend.
»So ist es Rechtens,« stimmte er bei, »Wer ist der Ankläger?«
»Ich,« bekannte Messalina, sich von den Knien des Kaisers erhebend.
Das zerknitterte Gesicht des Cäsars glättete sich in Staunen. So spannte sich jede Fiber darin. Mit offenem Munde starrte er die Kaiserin an.
»Schon wieder du in dieser so wenig fürstlichen Rolle?« Dann fragte er mit hohler Stimme: »Wer ist der Verklagte?«
»Asiaticus, der Besitzer der Gärten des Lucullus.«
Claudius sackte förmlich zusammen. Ihm graute plötzlich vor diesem Weibe. Sie ging zu weit in ihrem Eifer. Das war zuviel! Mochte sie tausendmal glauben, recht zu handeln, sie ging zu weit. Die Beschuldigung dieses ehrenhaften, edlen Mannes war eine Verblendung! Ihre Absicht, als Klägerin aufzutreten, just gegen einen Mann, der seine Treue zum Kaiserhause stets durch die Tat erwiesen hatte, eine schmerzliche Verirrung. Alle Verlockung vergessend, wich Claudius von seinem Weibe zurück.
»Es müßten die gewichtigsten aller Zeugen sein, wenn sie mich überzeugen sollen,« sprach er langsam und in gramvoller Erschütterung. »Eifer ist gut, mein Kind. Doch allzu großer Eifer hat oft unersetzlichen Schaden gestiftet. Ach begreife, daß unsittliches Treiben deinen redlichen Sinn empört. Aber man muß nicht suchen, wo sicher nichts zu finden ist.«
»Ich werde diese Zeugen beibringen,« versicherte Messalina ohne mit der Wimper zu zucken, obgleich sie vorläufig keine Ahnung hatte, wen sie für den Anschlag auf den Besitz eines der geachtetsten und beliebtesten Männer Roms gewinnen sollte.
»Und wem verdankst du dein Wissen in dieser furchtbaren Sache?« forschte Claudius matt. Er sprach stillergeben und leise, überwältigt von seiner Gemütsbewegung. Eine dumpfe Ahnung der wahren Triebfeder ihres Tuns hatte ihn gestreift.
»Zunächst dem – dem – Suillius,« antwortete Messalina, den Namen dieses verrufenen Menschen aufs Geratewohl nennend.
»Suillius ...!?« fragte der Kaiser gedehnt in ernsten Bedenken. »Er steht in dem Rufe, ein käuflicher Denunziant zu sein.«
»Ich leugne das nicht,« versetzte Messalina rasch gefaßt. »Doch wer anders als einer, der nichts zu verlieren hat, hätte gewagt, über den Asiaticus die Wahrheit zu sagen?! In Rom herrscht Feigheit gegenüber allen, die reich sind.«
Claudius schüttelte den greisen Kopf.
»Der Denunziant Suillius! Man wird mir glaubhaftere Männer als gerade diesen Nutznießer des Verrates bringen müssen.«
Tief aufseufzend, ermannte er sich. »Wünschest du wirklich, daß ich dieser Anklage nachgehe?«
»Unbedingt!«
»Dann erwarte ich untrügliche Beweise.«
Sie blickte ihn heimlich prüfend an. So fest und klar hatte er noch nie gesprochen.
»Tatsachenbeweise oder Zeugenbeweise?« fragte Messalina mit heimlicher Enttäuschung.
»Bekanntlich genügen in solchen Fällen Zeugenbeweise,« erinnerte der Kaiser in tiefem Bedauern. Er dachte an den nach Korsika verbannten Seneca, dessen sträflicher Umgang mit der ermordeten Livilla auch nur durch die Aussage des dem Tode verfallenen Polybius bezeugt worden war.
»Ich merke, du wünschest diese Unterredung abzubrechen,« sagte die Kaiserin, die selbst dringend das ihr entglittene Gespräch beenden wollte. Sie scheute weitere Fragen. Ihr Plan war bisher nichts als eine lose Idee und Absicht. Der zufällig genannte Suillius und andere Zeugen mußten erst gewonnen werden, die Anklage zu stützen.
»Allerdings wäre ich dir dankbar, wenn ich mich jetzt entfernen dürfte,« gestand Claudius und legte die bebenden Hände an den schmerzenden Kopf.
Sie umarmte ihn und drückte die samtweiche Wange an sein welkes, runzliges Gesicht.
»Es tut mir so leid, wenn ich dich erregen mußte,« flüsterte sie in falscher Zärtlichkeit. »Und es schmerzt mich, deine enttäuschte Miene zu sehen. Du siehst in alle Menschen deine Lauterkeit hinein. Du glaubst allzusehr an die Rechtschaffenheit der Menschen, an die Reinheit aller menschlichen Regungen, an die Sittlichkeit jener, die eine ehrbare Maske zur Schau tragen. Kann ich dafür, daß ich skeptischer bin und tiefer schaue? Soll ich schweigen, wenn mein Herz sich empört?!«
Der überzeugende Ton ihrer Worte machte auf den Kaiser Eindruck. Sie fühlte es sofort. Den gebeugten Nacken des verstummten Mannes umschlingend, sprach sie weiter.
»Sag – bin ich denn nicht ein Teil deiner selbst? Ist es nicht meine Pflicht dir meine Wahrnehmungen mitzuteilen, auf daß du ein gerechter Richter und wahrer Vater deines Volkes wirst, der auch in den höchsten Kreisen kein Verbrechen duldet?«
Wie immer, schmolz er unter ihren Liebkosungen und dem Zauber ihrer bestrickenden Stimme dahin. Er küßte sie mit jener zarten Innigkeit, die diese rätselhafte Frau aus diesem greisen, steifleinenen Pedanten hervorzuhexen verstand, und wiederholte sein Versprechen, den Prozeß gegen Asiaticus einzuleiten und bis zum letzten durchzuführen, falls die Beweise untrüglich seien.
Dann ging er.
Einige Sekunden stand Messalina nachdenklich da. Dann warf sie die letzten Bedenken von sich. Sie hatte fast planlos eine Verruchtheit begonnen. Setzt war sie entschlossen, aus dieser Planlosigkeit einen Sieg zu modeln. Sie vertraute auf ihr seltsames Glück, das ihr in allem Tun bis dahin treu geblieben war. Von Callistus und Pallas, das fühlte sie, hatte sie weder Hilfe noch Beistand zu erhoffen. Sie war auf sich allein gestellt, seit diese beiden ihr den Tod des Polybius verargten. Narzissus? ... Auch ihm war nicht mehr zu trauen. Er würde zu seinen griechischen Freunden halten.
»Die Würfel sind im Becher geschüttelt, nun gilt es einen geschickten Wurf zu tun!« dachte sie, den schönen Kopf stolz aufrichtend.
Dann befahl sie den Dienerinnen, sich mit der Vollendung der Kleidung zu beeilen.
»Schmücke dich,« wandte sie sich an Fabulla. »Du wirst mich ins Theater begleiten. Hoffentlich gibt es dort etwas zu sehen, das mich zerstreut und anregt.«
»Mnester tritt auf,« berichtete Fabulla.
»Ah – Mnester ...?« murmelte die Kaiserin unter einem mystischen Lächeln.