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Die Offiziere mit ihren Begleitern hatten sich, nachdem sie den alten Schaftoni für seine Gastfreundschaft reichlich belohnt, auf den Rückweg gemacht. Da erstere fleißig Zeichnungen und Notizen machten, ging der Marsch ziemlich langsam von statten.
Leutnant Naus hatte von Hauptmann Jeetze gern die Erlaubnis erhalten, die nächsten zwei Tage nach Lermos zum Besuche seiner Verwandten gehen zu dürfen. Der heitere, blaue Himmel hatte auch ihm die trüben Ahnungen weggezaubert und so waren, wie immer, alle seine Gedanken nur der Arbeit gewidmet. Mit manch wertvoller Skizze der sich hier so großartig zeigenden Bergformation ward sein Notizbuch bereichert und die sich dann und wann zeigenden Gemsen, Hirsche und Rehe machten nicht nur ihm, sondern der ganzen Gesellschaft großes Vergnügen.
Waren die drei Offiziere so mit Zeichnen beschäftigt, dann hatten die beiden Begleiter nichts Besseres zu thun, als sich auf ein Felsenstück zu legen und ihren verschiedenartigen Gedanken nachzuhängen. In einem solchen Augenblick begann Mathies mit dem verwirrt dareinschauenden Kameraden ein Gespräch.
»Was bist so maultot?« fragte er den schwarzen Görgl, der finster zu Boden starrte; »bist lauter müad?«
»Was müad!« gab Görgl zur Antwort. »Granti 181 bin i, daß i von der ganzen Plackerei nix hon, als a zrißens Gwanta und dafrörte Händ, und daß i elendiger hoam kimm, als i furt bin.«
»Ja, du hast freili was Bessers dahofft,« lachte Mathies, »a Springwurzel, und damit is's halt nix gwen, gelt? No', moanst nit, daß der Zuggeist dalöst is? Unter Dunner und Blitz is er davon und grad recht guat hat er's vermoant mit dir.«
»Red nimmer davon,« rief Görgl ärgerlich;»i glaub an koan Zuggeist mehr und an koa' Springwurzel; i glaub an gar nix mehr. Es giebt koa' Bergfräulein und koan guldan Saal bei uns herin. Alles, was dei' Ahnl und mei' Muatta und d' Veilawidl plauscht habn, is erlogen, alles is erlogen auf der Welt, was d' Leut sagn, und aa dös, was der Pfarrer sagt. I glaub an gar nix mehr, an koan Himmel und koa' Höll.«
»Du red'st daher, wie r a Depp,« versetzte Mathies. »I moan, du hätt'st es gestern drobn am Zugspitz dakennt, daß's an' Herrgott giebt. Wer hätt' denn die wunderbar' Welt g'macht? Mir is's Herz aufganga und ganz betet is mir z' Muat worn, wie i's daschaut hon, die Pracht und Schönheit ummatum. Du hast dengerscht aa off'ne Augen g'habt, und braucht's denn mehr, als off'ne Augen?«
»Ah was verinteressiert mi die Aussicht, dös is mir nix Seltsams!« entgegnete Görgl. »I hon meine Augen schon offen g'habt und in alle Ritzen einig'schaut, auf daß i d' Springwurzel finden sollt, denn gestern bin i no' so dumm gwen und hon dran glaubt; hon aa schier vermoant, der Geieradler is damit marschaus, derweil is alles grad a verlogne G'schicht.«
»Und du hast so viel Zeit damit versäumt!« lachte 182 Mathies. »Hast nix als sinniert und sinniert über die Geistersachen und hast drüber d' Arbet verachten glernt. I hon koa' Zeit g'habt zu söchane Gedanken, und dank Gott dafür. Was i nit auf natürliche Weis' dalanga kann, dös laß i lieg'n, und is eam a Glück b'stimmt, so kimmt's aa ohne Springwurzel; dessel muaßt dir mirka.«
»Dös is itz aa mei' Glaubn,« pflichtete Görgl bei. »I schneid aa nimmer lang um und daß d' es woaßt, d' Bärnafra muaß mi für alles trösten; itz laß i 's nimmer aus; die muaß mei' Wei' wern und geht's wie da will.«
Mathies fuhr zuerst ärgerlich auf, dann aber mußte er laut lachen.
»Was lachst denn?« fragte Görgl.
»Weilst da aa wieder z'spät d'ran bist,« erwiderte Mathies. »Sollst es denn wahrhafti no' nit gmirkt habn, daß d' Afra längst ihren Buam hat?«
»Den bring i um!« rief Görgl mit wütender Gebärde.
»Z'erst wirst dir'n anschaugn,« versetzte Mathies mit spöttischem Lächeln; »es kunnt leicht oana sei', der di dadrucket.«
»Wer is's? Du kennst'n?« fragte Görgl hastig und steckte die Huifedern auf seinem Hute nach vorwärts.
»Heunt nenn i dir'n no' nit,« antwortete Mathies. »Nur so viel sag i dir, i rat dir's, laß d' Hand von der Butten. Es giebt Burschen, die dir deine Huifedern abafalzen vom Hüatl und di nur für an' Taunderlaun (verächtlichen Menschen) halten.«
»Was, du sagst ma so ebbas? G'hörst du vielleicht aa zu dene, die mi für so ebbs halten?«
»Grad recht g'hör i dazua,« sagte Mathies bestimmt.
»Dös nimmst z'ruck!« schrie Görgl, sich erhebend.
183 »Nit um a Gschloß!« entgegnete Mathies trotzig, sich ebenfalls erhebend.
»So will i dir 'n Taunderlaun zoagn!« rief Görgl und stürzte auf Mathies los.
Dieser empfing ihn mit kräftigen Armen und ein heftiger Ringkampf begann.
Die Offiziere waren inzwischen mit ihren Zeichnungen fertig geworden. Als sie sich dem Platze näherten, glaubten sie, die beiden Burschen wollten sich im »Rankeln« üben, und blieben eine Weile stille Beobachter des Kampfes.
Dieser nahm plötzlich ein schnelles Ende.
Mathies war es gelungen, den wütenden Görgl an der Hüfte zu packen und mit kräftigen Flößerarmen hoch in die Luft zu heben, dann schleuderte er den Zappelnden in das nahe Latschengesträuch, in welchem der Besiegte einen Augenblick betäubt liegen blieb.
Erst jetzt erkannten die Zuschauer den Ernst der Lage. Sie eilten Görgl zu Hilfe und halfen dem vom Falle noch ganz Betäubten wieder auf die Füße.
»Er hat's nit anders wolln!« erklärte Mathies den ihn mit Fragen Bestürmenden.
Görgl überzeugte sich, daß er keinen Schaden genommen, dann warf er dem Kameraden einen feindseligen Blick zu.
»Dös is dir nit g'schenkt!« sagte er. »Wir kemma wieder z'samm!«
Die Offiziere machten Ruhe. Aber schon beim Rainthalbauern, wo sie Rast machten, drohte der Streit wieder auszubrechen, was Naus veranlaßte, den wilden Burschen ernstlich zu verwarnen. Görgl nahm aber dies sehr übel auf, so daß er in rohester Weise verlangte, Mathies müsse 184 als Meßgehilfe entlassen werden, wenn er selbst noch länger als Führer dienen solle. Und da Görgl keine Vernunft annehmen wollte, entschloß sich der Offizier, Görgl, seinem Wunsche gemäß, sofort zu entlassen. Er zahlte ihn aus und gab ihm für die gestrige Anstrengung noch eine Extragratifikation. Er bedauerte, daß er für die kurze Zeit des Hierseins noch einen anderen Bergführer anstellen müsse, aber Görgl blieb taub für alle Vorstellungen.
»Es giebt a Unglück, wenn i da bleib,« sagte er mit einem giftigen Blick auf Mathies und eilte dann allein auf dem Wege nach Partenkirchen voran.
Noch während Mathies den Herren die Ursache des Streites erklärte, kamen die Partenkirchener heran, welche ausgeschickt waren, sich nach dem Schicksale der Zugspitzbesteiger zu erkundigen. Mit größter Freude begrüßten sie die Geretteten und einer von ihnen eilte sofort zurück, um in Partenkirchen die frohe Botschaft der glücklichen Ersteigung des Zugspitzes zu verkünden.
Dort herrschte darüber große Freude. Alles eilte den Ankommenden entgegen. Die Musikkapelle postierte sich am Eingange des Dorfes und die Böller wurden geladen. Als die kühnen Bergsteiger endlich anlangten, wurden sie mit hundertfachen Vivats, einem kräftigen Tusch und dröhnenden Böllerschüssen empfangen und freudig in ihr Quartier zum »Stern« geleitet. Es war ja für die ganze Gegend ein höchst merkwürdiges Ereignis, daß nunmehr ein Weg zum höchsten Gipfel der bayerischen Alpen gefunden war, von dessen majestätischer Hochwarte man hinausgrüßen konnte in das schöne, gesegnete Bayernland. 185