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Neunzehntes Kapitel.

Die aufmerksamen Zuhörer zollten der schönen Kopistin dieser Sage den Dank, den die Höflichkeit erforderte. Oldbuck allein rümpfte die Nase und bemerkte, Fräulein Wardour habe hier fast die Geschicklichkeit eines Schwarzkünstlers bewiesen, indem sie eine tiefe und schätzenswerte Moral aus einer recht albernen, lächerlichen Sage gezogen habe.

»Die Mode, soviel ich weiß, will es nun einmal, daß solche extravaganten Hirngespinste bewundert werden. Was mich aber betrifft:

Ein englisch Herz und furchtlos ist das meine,
Ihm tun Gespenster nichts noch rasselnde Gebeine.«

»Wenn Sie erlauben, mein guter Herr Oldenbuck,« sagte der Deutsche, »Fräulein Wardour hat der Geschichte – aber das macht sie mit allem so, was sie anfaßt – eine wirklich allerliebste Wendung gegeben. Aber all die Geschichten von dem Hartschgeischt, wie er in den wilden Bergen herumgeht mit einem großen Fichtenstamm als Spatschierstock und dem grünen Krantsch um Kopf und Leib – die sind alle wahr – so wahr ich ein ehrlicher Kerl bin.«

»Gegen eine so gute Bürgschaft läßt sich nichts einwenden,« versetzte der Alteitümler trocken.

Das Gespräch wurde hier unterbrochen durch die Ankunft einer neuen Person.

Ein junger, hübscher Mann war's, fünfundzwanzig Jahre mochte er alt sein, er trug eine militärische Uniform und in Blick und Wesen verriet sich sofort sein Soldatenberuf, ja, vielleicht etwas aufdringlicher, als mit dem Benehmen eines Mannes von guter Lebensart und Erziehung vereinbar ist, bei dem berufsmäßige Manieren nicht vorherrschen sollen. Die Mehrzahl der Ausflügler begrüßte ihn sofort.

»Mein lieber Hektor!« sagte Fräulein M'Intyre, erhob sich und nahm seine Hand.

»Hektor, Priamos' Sohn, von wannen kommst du?« fragte der Altertümler.

»Von Fife, mein Lehnsherr«, antwortete der junge Soldat, und als er die Anwesenden und besonders Sir Arthur und Fräulein Wardour höflich begrüßt hatte, fuhr er fort: »Wie ich nach Monkbarns ritt, dir meine Huldigung darzubringen, hört ich von dem Dienstvolk, ich würde die ganze Gesellschaft hier bei den Ruinen finden, so nahm ich gern die Gelegenheit wahr, so vielen Bekannten auf einmal meine Reverenz zu erweisen.«

»Und auch einem neuen, mein wackrer Trojaner,« sagte Oldbuck, »Herr Lovel, dies ist mein Neffe, Herr Kapitän M'Intyre. –Hektor, ich empfehle dir Herrn Lovel zur nähern Bekanntschaft.«

Der junge Soldat heftete sein scharfes Auge auf Lovel und grüßte ihn mit mehr Zurückhaltung als Herzlichkeit; und da unser Freund seine Kälte fast hochfahrend fand, so erwiderte er den Gruß ebenso unnahbar und stolz. So schien sich im eisten Augenblick ihrer Bekanntschaft ein Vorurteil voreinander herausgebildet zu haben.

Die Beobachtungen, die Lovel im weiteren Verlauf ihrer Partie machte, waren nicht dazu angetan, ihm diesen neuen Teilnehmer sympathischer zu machen. Kapitän M'Intyre widmete sich in der Zuvorkommenheit, die von seinem Alter und seinem Stande erwartet werden konnte, dem Dienste Fräulein Wardours und erwies ihr bei jeder möglichen Gelegenheit Aufmerksamkeiten, die Lovel um alle Welt ihr am liebsten selber erwiesen hätte, nur hielt ihn die Furcht ab, ihr zu mißfallen.

Einmal mit trostloser Niedergeschlagenheit, dann wieder mit reizbarer Achtsamkeit sah er mit an, wie der hübsche junge Soldat all die Pflichten eines werbenden Kavaliers auf sich nahm und ausübte. Er reichte Fräulein Wardour die Handschuhe, half ihr den Schal umlegen, begleitete sie, als es weiterging, beseitigte bereitwillig alle Hemmnisse auf dem Wege und reichte ihr den Arm wo der Pfad schwierig und rauh war, wenn er sprach, wandte er sich vor allen an sie, und so oft es ging oder die Umstände es gestatteten, sprach er nur mit ihr. Dies alles, das wußte Lovel, konnte nur so die egoistische Galanterie sein, mit der die jungen Männer gern sich das Ansehen gaben, als wüßten sie die Aufmerksamkeit der hüschesten Name, die sonst an niemand Gefallen finden mochte, auf der Stelle an sich zu fesseln.

Aber es kam ihm so vor, als läge im Benehmen des Kapitäns M'Intyre eine scharf ausgesprochene Zuvorkommenheit, die wohl einen Liebhaber eifersüchtig machen konnte. Auch nahm Fräulein Wardour seine Aufmerksamkeiten entgegen, und wenn er sich auch freimütig eingestand, daß sie nicht gut abgelehnt werden konnten, ohne unliebsames Aufsehen zu machen, so war es doch Wermut für seine Seele, es mitanzusehen.

Sie befanden sich nun auf dem Rückweg nach dem Platze, wo sie die Wagen zurückgelassen hatten. Fräulein Wardour und ihr Kavalier waren den andern auf einem engen Wege ein Stück voraus, aber anscheinend wünschte die junge Dame sich der übrigen Gesellschaft wieder anzuschließen und dem Alleinsein mit dem jungen Offizier ein Ende zu machen. Sie blieb daher stehen und wartete, bis Herr Oldbuck herangekommen war.

»Ich möchte Sie gern einmal fragen, Herr Oldbuck,« sagte sie, »wie alt Wohl diese interessanten Ruinen sein mögen.«

Es hieße der Lebensart Fräulein Wardours nicht gerecht werden, wollte man meinen, sie hätte nicht von vornherein gewußt, daß diese Frage zu einer allenfalls langatmigen Antwort führen müsse. Der Altertümler stürzte sich denn auch – wie ein Streitroß sich bäumt bei der Drommete Klang – Hals über Kopf in allerlei Ausführungen für und gegen das Jahr 1273, das von einer neueren Schrift über Altertümer der schottischen Baukunst als Gründungsjahr von St. Ruth bezeichnet worden war. Er zählte die Namen aller Äbte her, die der Stiftung vorgestanden hatten, aller Edelherren, die ihr Ländereien vermacht hatten, und aller Herrscher, die hier ihren letzten Schlaf getan hatten.

Wie eine Zündschnur, die Feuer gefangen hat, leicht eine andere ansteckt, wenn Brennstoff in der Nähe ist, so schnappte der Baron den Namen eines seiner Ahnen auf, der in Oldbucks Statistik vorkam, und begann nun zu erzählen, was dieser Mann für Kriege geführt, was er für Siege erfochten und was er für Trophäen erbeutet habe. So rannten nun die Redner wie Rennpferde auf ihr Ziel los, einer den andern überbietend, und es machte ihnen nichts aus, wenn sie einander in die Quere kamen oder sich gar anrannten.

So uninteressant dieses Gewäsch auch sein mochte, es war offenkundig, daß Fräulein Wardour entschlossen war, lieber aufmerksam zuzuhören, als Kapitän M'Intyre Gelegenheit zu geben, ihr Gespräch unter vier Augen zu erneuern, Der junge Krieger wartete denn auch eine Weile mit schlecht verhehltem Mißfallen in den hochnäsigen Zügen und überließ sie dann ihrem schlechten Geschmack, indem er den Arm seiner Schwester nahm und sie ein wenig hinter der Gesellschaft zurückhielt.

»Ich merke schon, Mariechen, ihr seid hierherum nicht eben flotter und auch nicht gebildeter geworden.«

»Es hat uns deine Geduld und deine Weisheit zum Unterricht gefehlt, Hektor.«

»Sehr nett, Schwesterchen. Aber ihr habt an deines Bruders Stelle einen weisern, wenn auch nicht ganz so flotten Zuwachs zu eurer Gesellschaft bekommen. Bitte, sag' mal, wer ist denn dieser Herr Lovel, den unser guter alter Oheim mit einem Male so hoch in Gnaden aufgenommen hat? – er läßt sich doch sonst nicht so leicht mit fremden Leuten ein.«

»Herr Lovel, Hektor, ist ein sehr netter junger Mann.«

»Pah! das heißt weiter nichts, als er macht 'ne Verbeugung, wenn er ins Zimmer kommt und hat einen Rock an, der an den Ellenbogen ganz ist.«

»Nein, Bruder, das besagt weit mehr. Ich will damit sagen, seine Manieren und seine Redeweise deuten auf den Charakter und die Bildung eines Mannes von höherem Stande.«

»Ich aber verlange genau zu wissen, von welcher Herkunft er ist und was für einen Rang er in der Gesellschaft einnimmt. Und vor allem welches Recht er hat, in dem Kreise zu verkehren, in dem ich ihn schon so hübsch heimisch finde.«

»Wenn du meinst, wie er dazu käme, daß er uns in Monkbarns besucht, da mußt du Onkel fragen, und der wird dir voraussichtlich sagen, daß er sich einladet, wen er will. Und wenn du Sir Arthur fragen willst, so mußt du wissen, daß er Fräulein Wardour und ihm einen hervorragenden Dienst geleistet hat.«

»Was? Diese romantische Geschichte ist also wahr? Und bitte, sag' mal, rechnet der tapfere Ritter etwa auf die Hand der Baroneß, die er aus der Gefahr errettet hat? Das wäre vorschriftsmäßig, wie es in einem hübschen Roman sein müßte. Und mir kommt's auch so vor, als wäre sie zu mir ungewöhnlich kurz gewesen. Manchmal schien sie auch sich zu überzeugen, ob sie auch ja nicht bei ihrem galanten Kavalier Anstoß errege.«

»Lieber Hektor,« sagte seine Schwester, »wenn du wirklich noch immer Fräulein Bardour liebst...«

»Wenn? Mariechen, da ist keine Rede von wenn!«

»Nun, ich will dir's nur gestehn, ich halte deine hartnäckige Werbung für aussichtslos.«

»Und warum hoffnungslos, Meine weise Schwester?« fragte Kapitän M'Intyre. »So wie es mit ihrem Vater steht, kann Fräulein Wardour auf großes Vermögen keinen Anspruch machen – und was die Familie anbetrifft – na, ich denke doch, die M'Intyres stehen ihnen nicht nach.«

»Aber Hektor, Sir Arthur hat uns immer für Mitglieder des Hauses Monkbarns angesehen.«

»Darüber mag Sir Arthur denken, was er will,« antwortete der Hochländer zornig. »Aber jeder, der seine fünf Sinne beisammen hat, wird so denken, daß das Weib den Rang vom Manne erhält und daß meines Vaters Stammbaum von fünfzehn untadelhaften Ahnen meine Mutter veredelt haben muß, und wenn Druckerschwärze selbst in ihren Adern geflossen wäre!«

»Um Gotteswillen, Hektor,« versetzte seine ängstliche Schwester, »sieh dich vor – wenn ein indiskreter oder hinterlistiger Lauscher einmal eine einzige derartige Äußerung dem Onkel hinterbrächte, so hättest du sein Wohlwollen für immer verloren, und all deine Aussicht, einmal sein Vermögen und seine Besitzung zu erben, wäre dahin.«

»Meinetwegen!« erwiderte der achtlose junge Mann, »ich gehöre zu einem Berufe, den die Welt bisher noch nie hat entbehren können und auch noch ein halbes Jahrhundert lang mindestens nicht wird entbehren können, und mein guter alter Onkel mag sein gutes Besitztum und seinen plebejischen Namen an dein Schürzenband hängen, wenn er will, Mariechen, und du magst diesen seinen neugebackenen Günstling heiraten, wenn du willst, und ihr mögt beide still, friedlich und hübsch ordentlich leben miteinander, wenn der Himmel will. Mein Entschluß steht fest – ich tu keinem Menschen schön wegen eines Erbes, das durch Geburt überhaupt mein sein sollte.«

Fräulein M'Intyre legte ihrem Bruder die Hand auf den Arm und bat ihn sich in seinem Ungestüm zu mäßigen.

»Wer tritt dir denn zu nahe oder trachtet auch nur danach, als du dir selber in deinem Jähzorn? Was für Gefahren trotzest, du denn, als bloß denen, die du selber heraufbeschworen hast? – Unser Oheim ist doch bisher zu uns immer freundlich und väterlich gewesen, und warum wolltest du denn denken, es würde anders werden, als es bisher immer gewesen ist, seit wir als Waisen unter seiner Obhut stehen?«

»Er ist ein ausgezeichneter alter Herr, – muß ich zugeben,« erwiderte M'Intyre, – »und ich bin selber fuchsteufelswild auf mich, wenn ich ihm mal zufällig weh tue. Aber seine ewigen Salbadereien über Gegenstände, die keinen Schuß Pulver mehr wert sind – seine Untersuchungen über angebrochene Töpfe und Pfannen und ausgediente Pfeifenstopfer – all diese Sachen sind mir unerträglich – dabei reiht mir die Geduld – hab' etwas vom Heißsporn an mir, Schwesterchen – muß ich gestehn.«

»Nur zu viel, Bruder, nur zu viel. In wieviel Gefahren, und verzeih mir, manche davon waren recht unvernünftig und unrühmlich – hat dich nicht schon dieses zufahrende ungestüme Wesen gebracht! Laß nicht solche Wolken die, Zeit verdüstern, die du jetzt bei uns zubringen willst, sondern laß unsern alten Wohltäter seinen Verwandten sehen wie er ist: hochherzig, lieb und flott, nicht roh, starrsinnig und ungestüm.«

»Schön,« sagte Kapitän M'Intyre, »da hab' ich meine Gardinenpredigt weg – so will ich denn mich guter Manieren befleißigen! Ich will gleich bei eurem neuen Freunde den Höflichen machen – will mal 'n kleinen Plausch veranstalten mit diesem Herrn Lovel.«

Mit diesem Vorsatz, mit dem er es für den Augenblick völlig ehrlich meinte, begab er sich wieder zu der Gesellschaft, die vor ihnen einherging. Sir Arthur sprach jetzt über die' neuesten Nachrichten aus dem Auslande und über die politische und militärische Lage des Landes – Themata, über die eine Meinung zu äußern sich jedermann für befähigt hält. Es war die Rede auf eine Schlacht vom vergangenen Jahre gekommen, und Lovel hatte sich zufällig ins Gespräch gemischt und eine Behauptung inbetreff dieser Schlacht geäußert, von deren Richtigkeit Kapitän M'Intyre nicht überzeugt zu sein schien. Er äußerte seine Zweifel in höflicher Form.

»Hier mußt du deinen Irrtum zugeben, Hektor,« sagte sein Oheim, »freilich kenn' ich keinen, der weniger gern ein Unrecht eingestünde – aber du warst damals in England, und Herr Lovel war wahrscheinlich selber mit in dieser Schlacht.«

»So rede ich mit einem Militär,« sagte M'Intyre. »Darf ich fragen, welchem Regiment Herr Lovel angehört?«

Herr Lovel nannte die Nummer seines Regiments.

»Es ist komisch, daß wir uns noch nie gesehen haben, Herr Lovel. Ich kenne Ihr Regiment sehr gut und habe mehrmals mit ihm in einem Quartier gelegen.«

Eine Röte fuhr über Lovels Gesicht.

»Ich bin seit einiger Zeit nicht mehr bei meinem Regiment gewesen,« erwiderte er. »Ich bin im letzten Feldzuge zum Generalstab abkommandiert gewesen, unter Sir...«

»Was Sie sagen! das ist ja noch wunderbarer, denn ich habe allerdings nicht unter Sir... gedient, aber ich hatte Gelegenheit, die Namen aller Offiziere zu lesen, die unter ihm gestanden haben, und ich kann mich eines Lovel nicht erinnern.«

Bei diesen Worten errötete Lovel abermals so tief, daß es der ganzen Gesellschaft auffallen mußte, während Kapitän M'Intyre mit einem verächtlichen Lachen seinen Triumph zu zeigen schien. Lovel hatte inzwischen sein Notizbuch hervorgezogen und einen Brief herausgesucht, den er aus dem Umschlag nahm und M'Intyre reichte.

»Sie kennen höchstwahrscheinlich die Handschrift des Generals,« sagte er, »eigentlich' sollte ich ja wohl nicht diese überschwenglichen Äußerungen seiner Achtung und Hochschätzung meiner Wenigkeit zeigen.«

In dem Schreiben sprach der betreffende Offizier seine hohe Anerkennung eines vor kurzem geleisteten militärischen Dienstes aus. Kapitän M'Intyre überflog es und konnte nicht bestreiten, daß es in der Handschrift des Generals geschrieben war, aber er gab es zurück mit den trocknen Worten, daß die Adresse fehle.

»Die Adresse, Kapitän M'Intyre,« antwortete Lovel im selben Tone, »steht Ihnen zur Verfügung, sobald es Ihnen beliebt, sie sich auszubitten.«

»Ich werde sicherlich darauf zurückkommen,« sagte der Soldat.

»Nanu, nanu!« unterbrach sie Oldbuck. »Was soll denn das bedeuten? Laßt mal eure Eisenfresserei, ihr Bürschchen! Seid ihr vom Kriege in der Ferne hergekommen, um häuslichen Zank in unserm friedlichen Lande anzustiften? Seid ihr denn wie die Schlächterhunde, die, wenn das Schlachtvieh weggebracht worden ist, übereinander herfallen und sich beißen und ehrlichen Leuten, die dabei stehen, an die Waden fahren?«

Sir Arthur meinte, die jungen Herren würden sich doch hoffentlich nicht über eine solche Kleinigkeit wie eine Briefadresse ereifern?

Die beiden Gegner stritten jede derartige Absicht ab, und während sie hochrot erglühten und ihre Augen flammten, beteuerten sie doch, sie seien noch nie in ihrem Leben so ruhigen Blutes gewesen. Aber das Vergnügen des Ausflugs hatte einen merklichen Riß bekommen, das Gespräch bewegte sich von nun an durchaus in den Grenzen gesellschaftlicher Vorschriften, und Lovel, der sich kalten, mißtrauischen Blicken allerseits ausgesetzt glaubte und wohl verspürte, daß seine ungenauen Antworten seltsame Gedanken über seine Person wachgerufen haben mußten, entschloß sich schweren Herzens, auf das Vergnügen, den Abend in Knockwinnock zu verbringen, wie er es sich zuerst vorgenommen hatte, zu verzichten.

Er gab daher als Entschuldigung an, daß ihn ein heftiges Kopfweh befallen habe, wie er es seit seiner Erkrankung noch nicht gehabt habe – er schrieb es der Hitze des Tages zu. Sir Arthur, den er der Förmlichkeit halber bat, ihn für den Abend zu beurlauben, hörte mehr auf den plötzlich erwachten Verdacht, als auf die Dankbarkeit für früher getane Dienste und drängte ihn nicht mehr, sein Versprechen zu halten, als es der gute Ton allenfalls verlangte.

Als Lovel sich von den Damen verabschiedete, schien Fräulein Wardour besorgter, als je bisher. Sie warf einen Blick, den Lovel allein bemerken konnte, nach Kapitän M'Intyre hin, ihn als die Ursache ihrer Besorgnis bezeichnend, und in einem Tone, weit leiser als sie sonst zu sprechen pflegte, sprach sie die Hoffnung aus, es möge eine nicht minder angenehme Einladung sein, die Herrn Lovel bewege, sie des Vergnügens seiner Gesellschaft zu berauben.

»Es handelt sich um keine Einladung,« versicherte er ihr, »nur das Leiden ist wiedergekehrt, das mich seit einiger Zeit ab und zu befällt.«

»In solchem Falle ist das beste Mittel Klugheit, und ich – jeder, der es gut mit Herrn Lovel meint, wird erwarten, daß er das Mittel anwendet.«

Lovel verbeugte sich und errötete tief, und Fräulein Wardour wandte sich ab, als fühle sie, daß sie zu viel gesagt hätte, und stieg in den Wagen. Nun hatte Lovel sich von Oldbuck zu verabschieden.

»Was, Mann!« rief dieser. »Sie wollen uns doch nicht etwa verlassen wegen der Zudringlichkeit und des Ungestüms Hektors? Ei, das ist ein gedankenloser Bengel – seit der Zeit schon, wo er noch in den Armen der Amme gelegen hat, ist er eine verzogene Range – wenn ich ihm das Stück Zucker, um das er nergelte, nicht hab' geben wollen, hat er mir sein Spielzeug an den Kopf geworfen – und Sie haben doch zuviel Verstand, als daß Sie sich um so einen schrulligen Jungen kümmern sollten? Ich will ihn schon mit der Zeit Mores lehren und alles ins rechte Geleise bringen.«

Aber Lovel bestand darauf, nach Fairport zurückzukehren.

Da schlug der Altertümler einen ernstern Ton an.

»Nehmen Sie sich in acht, junger Mann, und erwägen Sie wohl, was jetzt in Ihnen sich regt. Das Leben ist Ihnen zu nützlicherem und wertvollerem Zweck gegeben und Sie müssen es erhalten, um die Literatur unsers Landes zu zieren, sofern es nicht Ihre Pflicht ist, es zur Verteidigung des Landes oder zur Rettung der Unschuldigen in die Schanze zu schlagen. Der Krieg zwischen zweien ist dem zivilisierten Altertum ganz unbekannt und von allen Albernheiten, die die gotischen Stämme aufgebracht haben, die gröbste, ruchloseste und grausamste. Lassen Sie mich nichts mehr von diesen albernen Zänkereien hören, und ich will Ihnen auch meine Abhandlung über das Duell zu lesen geben.«

»Aber ich versichere Ihnen, mein lieber Herr, es ist nichts zwischen Kapitän M'Intyre und mir vorgefallen, und es liegt kein Anlaß zu einer so schätzenswerten Vermittlung vor.«

»Sehen Sie zu, daß dem so sei, denn sonst, meiner Treu, – ich sekundiere Ihnen beiden, – das heißt, ich leuchte Ihnen heim!«

Mit diesen Worten stieg der alte Herr in die Postkutsche, bei der Marie M'Intyre ihren Bruder zurückgehalten hatte. Aber Hektor verstand es doch, ihrer Vorsicht ein Schnippchen zu schlagen. Als er zu Pferde saß, ritt er langsam hinter dem Wagen her, bis sie um die Ecke der Chaussee von Knockwinnock gebogen waren, und dann warf er den Kopf seines Pferdes herum, gab ihm die Sporen und galoppierte in der entgegengesetzten Richtung davon.

In wenigen Minuten hatte er Lovel eingeholt, der vielleicht seine Absicht vorausgeahnt hatte und daher im Schritt geritten war. Der junge Soldat, schon von Natur heißblütig, war durch den scharfen Ritt noch mehr in Hitze geraten und brachte sein Pferd mit einem jähen Ruck neben Lovel zum Stehen. Flüchtig griff er an seinen Hut und fragte in hochfahrendem Tone:

»Sie sagten, Herr, Ihre Adresse stände mir zur Verfügung – wie hab' ich das zu verstehen?«

»Sehr einfach, Herr!« versetzte Lovel. »Das heißt, daß ich zur Zeit in Fairport wohne, wie Sie aus dieser Karte ersehen.«

»Und das ist die ganze Auskunft, die Sie mir geben wollen?«

»Ich wüßte nicht, daß Sie ein Recht hätten, mehr zu verlangen.«

»Ich finde Sie, Herr, im Verkehr mit meiner Schwester,« sagte der junge Soldat, »und ich habe ein Recht zu erfahren, wer in den Umgang von Fräulein M'Intyre eingeführt wird.«

»Ich bin so frei, dieses Recht zu bestreiten,« versetzte Lovel in ebenso hochfahrendem Wesen, wie der junge Mann gegen ihn herauskehrte. »Sie finden mich in einer Gesellschaft, die mit der Auskunft, die ich über mich und meine Angelegenheiten zu geben für angebracht gehalten habe, zufrieden ist, und Sie, ein bloßer Fremder, haben gar kein Recht, weiter nachzufragen.«

»Herr Lovel, wenn Sie Offizier sind, wie Sie sagen ...«

»Wenn!« unterbrach ihn Lovel. » Wenn ich Offizier bin, wie ich sage

»Jawohl, so sagte ich, Herr – wenn Sie es sind, dann müssen Sie wissen, daß Sie mir Satisfaktion schuldig sind.«

»Wenn Sie meinen – es soll mich stolz machen, Kapitän M'Intyre, Ihnen in der unter Männern von Ehre allgemein üblichen Weise Satisfaktion zu geben.«

»Sehr wohl, Herr,« versetzte Hektor und wandte sein Pferd und galoppierte nun wieder seinen Angehörigen nach.

Seine Abwesenheit hatte sie schon in Sorge versetzt, seine Schwester hatte halten lassen und steckte den Hals zum Wagen heraus, um zu sehen, wo er stecke.

»Was ist los mit dir?« rief der Altertümler. »Reitest hin und her, als säß dir der Satan im Genick – was bleibst du nicht beim Wagen?«

»Hatte meinen Handschuh vergessen, Onkel,« sagte Hektor.

»Deinen Handschuh vergessen! – Glaube eher, hingeworfen hast du deinen Handschuh – aber ich will dir schon den Standpunkt klar machen, Musjöchen! – Heute nacht sollst du mit mir nach Monkbarns.«

Mit diesen Worten hieß er den Postillon weiterfahren.


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