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In einer Wildniß, unbekannt der Menge,
Lebte von Jugend auf ein Eremit.
Moos war sein Bett, die Höhle seine Zelle;
Von Früchten nährt er sich, trank aus der Quelle;
Von Menschen fern, lebt er nur Gott allein;
Gebet war sein Geschäft – Preis seine Lust.
Parnell.
Der Leser kann nicht vergessen haben, daß die Entscheidung des Turniers hauptsächlich durch die Anstrengungen des unbekannten Ritters herbeigeführt wurde, den die Zuschauer, wegen seines Verhaltens im ersten Theile des Tages, den schwarzen Faullenzer genannt hatten. Der Ritter hatte sogleich nach entschiedenem Siege den Kampfplatz verlassen, und indem er von den Herolden und Trompeten aufgefordert wurde, den Lohn seiner Thaten zu empfangen, hatte er schon seinen Weg nach Norden fortgesetzt, alle besuchte Pfade vermeidend, und den kürzesten durch die Waldgegend einschlagend. Er brachte die Nacht in einer kleinen Herberge zu, welche von dem gewöhnlichen Wege abwärts lag, wo er aber von einem wandernden Minstrel Nachrichten über den Ausgang des Turniers erhielt.
Am folgenden Morgen brach der Ritter früh auf, in der Absicht, einen langen Weg zurückzulegen. Sein Pferd, welches er den Tag vorher sehr geschont hatte, würde ihn dies auch, ohne sich viel Ruhe zu gönnen, haben ausführen lassen, allein er fand die Wege, welche er eingeschlagen hatte, sehr schlecht, daß er, als schon der Abend hereinbrach, sich erst auf der Grenze des westlichen Theiles von Yorkshire befand. Mann und Pferd bedurften indeß der Erquickung, und der Ritter mußte sich durchaus nach irgend einer Stelle umsehen, wo er die Nacht zubringen könne, deren Anbruch nicht fern mehr war.
Der Platz, wo sich der Ritter befand, schien ganz und gar nicht geeignet, weder Unterkommen, noch Erquickung zu erwarten, und er also auf die gewöhnliche Auskunft irrender Ritter beschränkt zu sein, welche bei solchen Gelegenheiten ihre Rosse grasen ließen, und sich daneben hinstreckten, um sich den Gedanken an die Dame ihres Herzens zu überlassen. Allein der schwarze Ritter hatte entweder kein Liebchen, oder er war in der Liebe so gleichgültig, wie im Kampfe, genug er fühlte sich nicht aufgelegt zu so einsamer Unterhaltung, und war sehr mißvergnügt, als er um sich schaute, und sich tief im Walde sah, durch welchen wohl einige offene Gänge führten, die jedoch blos von den zahlreichen Heerden gebildet zu sein schienen, die in dem Walde sich umhertrieben, oder vielleicht auch von dem Wilde und den Jägern, die dort Jagd machten.
Die Sonne, welche dem Ritter vornehmlich zum Wegweiser gedient hatte, war nun hinter die Hügel von Derbyshire zur Linken hinabgesunken, und jeder Versuch, den er machen mochte, seinen Weg fortzusetzen, konnte ihn eben sowohl von dem rechten Pfade ableiten, als seine Reise befördern. Nachdem er umsonst versucht hatte, den betretensten Pfad zu wählen, in der Hoffnung, daß er zur Hütte eines Hirten oder der Wohnung eines Waldbewohners leiten möchte, und nachdem er sich für ganz unfähig hielt, sich zu einer Wahl zu bestimmen, beschloß er, der Scharfsichtigkeit seines Rosses zu vertrauen, denn die Erfahrung hatte ihn bei frühern Gelegenheiten gelehrt, daß diese Thiere ein bewundernswerthes Talent besitzen sich und ihre Reiter aus dergleichen Verlegenheiten zu ziehen.
Das gute Thier, durch die lange Tagereise unter einem geharnischten Reiter ganz ermüdet, fand sich durch die schlaffen Zügel nicht sobald seiner eigenen Willkür überlassen, als es auch neue Kraft und neuen Muth zu bekommen schien. Es spitzte wieder die Ohren und setzte sich in schnellere Bewegung. Der Weg aber, den das Pferd einschlug, wandte sich immer mehr von dem ab, den der Ritter den Tag über eingeschlagen hatte; allein da er ihm einmal ganz vertrauen wollte, störte er es auch in seinem eigenen Gange auf keine Weise.
Der Erfolg rechtfertigte dieses Vertrauen, denn der Fußpfad wurde immer weniger wild und verworren, und der Ton eines kleinen Glöckchens ließ den Ritter vermuthen, daß er sich nun in der Nachbarschaft einer Kapelle oder Einsiedelei befinde.
Er erreichte bald einen offenen Rasenplatz, an dessen entgegengesetztem Ende ein von einem sanften Abhange sich steil erhebender Felsen seine graue, vom Wetter zerrissene Stirn dem Wanderer darbot. Epheu bekleidete seine Seiten an manchen Stellen, und an andern kleine Eichen und anderes Gebüsch, dessen Wurzeln in den Spalten des Felsen Nahrung fanden, und dieses schwankte über dem darunter befindlichen Abgrunde, wie der Federbusch des Kriegers über dem stählernen Helme dem, dessen Anblick Schrecken verursachte, etwas Anmuthiges verleihend. Am Fuße des Felsen war eine Hütte erbaut, meistens aus Baumstämmen, in dem nahen Forste gefällt, und gegen das Wetter geschützt durch Ausfüllung der Ritzen und Spalten mit Moos und Lehm. Der Stamm einer jungen Tanne, aller Zweige entblößt, an dem, dem obern Ende nahe, ein Querholz befestigt war, stand aufrecht dicht an der Thür, als ein rohes Zeichen des heiligen Kreuzes. In geringer Entfernung zur Rechten sickerte eine Quelle klares Wasser aus dem Felsen und wurde in einem hohlen Steine aufgefangen, welcher einem Bassin glich. Aus demselben wieder herausfließend, rieselte sie in einem schmalen Kanale durch die kleine Ebene hin, bis sie sich endlich in dem benachbarten Walde dem Auge verlor.
An der Seite dieser Quelle befanden sich die Ruinen einer ganz kleinen Kapelle, deren Dach zum Theil eingefallen war. Das Gebäude hatte, selbst als es noch ganz war, niemals über sechzehn Fuß in der Länge und zwölf in der Breite gehabt, und das im Verhältniß sehr niedrige Dach ruhte auf vier concentrischen Bogen, welche von den vier Ecken ausgingen und deren jeder sich auf einen kurzen dicken Pfeiler stützte. Die Rippen von zwei dieser Bogen waren geblieben, obgleich das Dach zwischen sie hinein gestürzt war, über den andern sah man es noch ganz. Der Eingang dieses alten Bethauses war unter einem niedrigen runden Bogen angebracht, verziert mit mehrern Reihen jener Zickzackspitzen, welche den Haifischzähnen glichen, und dergleichen man so oft in den ältern sächsischen Kirchen findet. Ein Glockenstuhl erhob sich über dem Vorhofe auf vier kleinen Pfeilern, und in demselben hing die grünlich gefärbte, vom Wetter übel behandelte Glocke, deren schwache Töne eben zu des Ritters Ohren gedrungen waren.
Die ganze stille und friedliche Scene lag schimmernd im Zwielichte vor den Augen des Wanderers, und gab ihm die Hoffnung eines Unterkommens für die Nacht; denn es war die besondere Pflicht solcher in den Wäldern hausender Einsiedler, gegen verspätete oder verirrte Wandrer Gastfreundschaft auszuüben.
Dem zu Folge verlor der Ritter keine Zeit mit genauerer Betrachtung der von uns eben beschriebenen Einzelnheiten, sondern dem heiligen Julian, dem Schutzpatron der Reisenden, dankend, daß er ihm eine gute Herberge gezeigt habe, stieg er vom Rosse und klopfte mit dem Schafte der Lanze an die Thür des Eremiten, um sich Einlaß zu verschaffen.
Es währte ziemlich lange, ehe er eine Antwort bekam, und die, welche er endlich erhielt, war nicht sehr einladend.
»Nur vorüber, wer Du auch bist!« rief eine tiefe rauhe Stimme aus der Hütte, – störe nicht den Diener Gottes und des heiligen Dunstan in seiner Abendandacht.«
»Würdiger Vater,« versetzte der Ritter, »es ist ein armer Wanderer, der sich in diesen Wäldern verirrt hat, und der Euch Gelegenheit gibt, Eure Milde und Gastfreundschaft zu zeigen.«
»Guter Bruder,« entgegnete der Bewohner der Einsiedelei, »es hat unserer Frau und dem heiligen Dunstan gefallen, mich eher zum Gegenstande solcher Tugenden, als zum Ausüben derselben zu bestimmen. Ich habe keine Lebensmittel hier, die auch nur ein Hund mit mir würde theilen wollen, und selbst ein nur einigermaßen zärtlich gewöhntes Pferd würde mein Lager verschmähen – so gehe denn Deines Weges und Gott geleite Dich!«
»Aber wie ist es denn möglich,« erwiederte der Ritter, »den Weg durch einen solchen Wald zu finden, da schon die Dunkelheit hereinbricht? Ich bitte Euch, ehrwürdiger Vater, öffnet Eure Thür und bringt mich wenigstens auf den rechten Weg!«
»Und ich bitte Euch,« versetzte der Anachoret, »stört mich nicht länger. Ihr habt schon ein Paternoster, zwei Aves und ein Credo unterbrochen, welche ich elender Sünder, meinem Gelübde zufolge, vor Aufgang des Mondes schon gebetet haben sollte.«
»Den Weg! den Weg wenigstens!« rief der Ritter, »wenn ich nicht mehr von Dir zu erwarten habe.«
»Der Weg,« versetzte der Eremit, »ist leicht zu finden. Der Pfad führt vom Walde zu einem Sumpfe, und von diesem zu einer Furth, die jetzt, da der Regen nachgelassen hat, wohl gangbar sein wird. Wenn Du durch die Furth bist, so halte Dich links am Ufer, aber nimm Dich in Acht, denn es ist ziemlich steil, und der Pfad ist, wie ich höre, – denn ich verlasse selten die Pflichten meiner Kapelle – an manchen Stellen ein wenig weggespült. Dann geh nur gerade fort« –
»Ein zerrissener Pfad, ein Abgrund, eine Furth und ein Morast,« unterbrach ihn der Ritter, »nein, Herr Eremit, und wäret Ihr der heiligste, der je einen Rosenkranz betete, auf einen solchen Weg würdet Ihr mich des Nachts nicht bringen. Ich sage Dir, daß Du, selbst von der Milde der Menschen umher lebend – die Du, wie es scheint schlecht verdienst – kein Recht hast, dem armen Wanderer in seinen Nöthen eine Zuflucht zu versagen. Entweder öffne gleich die Thüre selbst, oder, so wahr ich lebe, ich schlage sie ein und bahne gewaltsam den Eintritt.«
»Freund Wanderer,« versetzte der Eremit, »sei nicht unverschämt! Wenn Du mich zwingst, fleischliche Waffen gegen Dich zu brauchen zu meiner Vertheidigung, so möchtest Du wohl am schlimmsten wegkommen.«
In diesem Augenblicke wurde ein entferntes Geräusch von Heulen und Knurren, welches unser Wanderer schon seit einiger Zeit gehört hatte, außerordentlich laut und heftig, und ließ den Ritter vermuthen, der Einsiedler möchte, durch seine Drohung des Einbruchs erschreckt, die Hunde herbeigerufen haben, von denen jene Töne offenbar herrührten. Erzürnt über diese Anstalten des Einsiedlers seinen unfreundlichen Vorsatz auszuführen, stampfte der Ritter so wüthend mit dem Fuße gegen die Thür, daß Pfosten und Angeln erbebten.
Der Einsiedler rief nun mit lauter Stimme: »Geduld! Geduld! spare Deine Kräfte, guter Freund, ich werde sogleich aufmachen, ob es Dir gleich eben nicht zum großen Vergnügen gereichen möchte.«
Jetzt öffnete sich die Thür, und der Einsiedler, ein großer Mann von starkem Gliederbau, in seinem groben Kleide nebst Kappe, mit einem Stricke von Binsen umgürtet, stand vor dem Ritter. In der einen Hand trug er eine brennende Fackel und in der andern einen Stock von wildem Apfelbaum, so dick und schwer, daß man ihn wohl eine Keule nennen konnte. Zwei große zottige Hunde waren bereit auf den Wanderer loszustürzen, sobald die Thür geöffnet sein würde. Als aber die Fackel auf der Rüstung des Ritters wiederstrahlte, änderte der Eremit vermuthlich seinen Plan und hielt die Wuth seiner Bundestruppen zurück; zugleich lud er den Ritter im Tone kirchlicher Höflichkeit ein, in seiner Zelle einzutreten, indem er sein früheres Betragen damit entschuldigte, daß oft nach Sonnenuntergang Räuber und Geächtete umherstreiften, welche unsere Frau und den heiligen Dunstan, und diejenigen, die ihr Leben dem Dienste derselben gewidmet hätten, gar wenig in Ehren hielten.
»Die Armuth Eurer Zelle, guter Vater,« sagte der Ritter sich umschauend und nichts erblickend als ein Blätterlager, ein grob aus Eichenholz gearbeitetes Crucifix, ein Meßbuch, nebst einem rauh behauenen Tische und zwei Stühlen, und einem oder ein paar andern Geräthschaften – »die Armuth Eurer Zelle sollte schon eine hinreichende Schutzwehr gegen Diebe scheinen, nicht zu gedenken der beiden tüchtigen Hunde, kraftvoll genug, sollt' ich meinen, einen Hirsch niederzuwerfen und es mit mehreren Menschen zugleich aufzunehmen.«
»Der Aufseher des Forstes,« sagte der Einsiedler, »hat mir erlaubt zum Schutze in meiner Einsamkeit und bis die Zeiten besser werden, diese Thiere zu halten.«
Nach diesen Worten befestigte er seine Fackel auf einem eisernen gedrehten Stiel, der ihm statt eines Leuchters diente, dann setzte er den eichenen Tisch an den Feuerherd, wo er einiges trockenes Holz zulegte, stellte einen Stuhl an die eine Seite, und bat den Ritter ein Gleiches zu thun.
Sie setzten sich, und jeder sah den Andern mit großem Ernst an, indem er im Herzen denken mochte, daß er selten eine kräftigere, athletischere Figur gesehen habe, als die, welche ihm jetzt gegenüber saß.
»Ehrwürdiger Einsiedler,« sagte der Ritter, nachdem er seinen Wirth lange und fest angesehen hatte, »wenn ich Euch nicht in Euren frommen Betrachtungen störe, so möchte ich drei Dinge von Eurer Heiligkeit erfahren: Erstlich, wo ich mein Pferd hinstellen soll? Zweitens, was ich zum Abendessen bekommen kann? und drittens, wo ich selbst diese Nacht mein Lager aufschlagen werde?«
»Darauf will ich durch meine Finger antworten,« versetzte der Einsiedler; »denn es ist gegen meine Grundsätze, durch Worte zu reden, wo ich mich der Zeichen bedienen kann.« Hiermit zeigte er ihm nach einander zwei Ecken der Hütte. »Hier Euer Stall,« setzte er hinzu, »und dort Euer Bett. Und das« – indem er eine Schüssel mit einer Handvoll gerösteter Erbsen von einem nahen Gesimse herunter nahm und auf den Tisch stellte – »das Euer Abendessen!«
Der Ritter zuckte die Achseln, verließ die Hütte, brachte sein Pferd herein – das er vorher an einen Baum gebunden hatte – sattelte es mit vieler Aufmerksamkeit ab und breitete seinen eigenen Mantel auf den breiten Rücken des Thieres.
Der Eremit schien durch die Besorglichkeit und Geschicklichkeit zur Theilnahme angeregt, denn indeß er etwas von Futter, welches für das Pferd des Forstaufsehers hier zurückgeblieben sei, murmelte, brachte er ein Bündel Heu aus einem Schlupfwinkel hervor und legte es dem Zelter des Ritters vor, dann schüttete er in der Ecke, die er dem Ritter zur Schlafstelle angewiesen hatte, einen Haufen gedörrtes Farrenkraut aus. Der Ritter dankte ihm für diese Höflichkeit; und nachdem so jeder seine Schuldigkeit gethan, nahmen sie ihre Sitze an dem Tische wieder ein, auf dem die Schüssel mit Erbsen stand. Nachdem der Eremit ein langes Gebet gesprochen hatte, das wohl ursprünglich lateinisch gewesen sein mochte, von dem man jedoch in seinem Munde nur noch wenig Spuren erkennen konnte, gab er seinem Gaste ein Beispiel und steckte zwei bis drei getrocknete Erbsen mit Anstand in den ziemlich großen Mund, besetzt mit Zähnen, welche an Weiße und Schärfe es mit denen eines Ebers aufnehmen konnten, – freilich ein ziemlich schmaler Bissen für eine so große und geschickte Zermalmungsmaschine.
Der Ritter, um einem so löblichen Beispiele zu folgen, legte seinen Helm und den größten Theil seiner Rüstung ab, und zeigte dem Eremiten ein Haupt, umlockt von gelbem Haar, edle Züge, blaue Augen, welche ausgezeichnet groß und feurig waren, einen wohlgebildeten Mund, dessen Oberlippe mit einem Barte bedeckt war, dunkler als das Haupthaar, im Ganzen aber das Ansehen eines kühnen und unternehmenden Mannes, womit seine Gestalt ganz im Einklange stand.
Der Eremit, gleichsam um das Vertrauen seines Gastes zu erwiedern, zog seine Kappe ab und zeigte dem Fremden das Haupt eines Mannes in der Blüthe des Lebens. Sein kurz geschornes Obertheil, umgeben von einem Kreise lockiger, schwarzer Haare, hatte Ähnlichkeit mit einem Weideplatze, von seiner hohen Einfriedigung umschlossen. Das Gesicht zeigte nichts von mönchischer Strenge, noch ascetischer Entsagung, im Gegentheil bemerkte man einen etwas kühnen und trotzigen Blick, breite und dunkle Augenbrauen, eine wohlgebildete Stirn, und Wangen rund und glänzend wie die eines Trompeters, von denen ein langer, krauser, schwarzer Bart herabfloß. Ein solches Gesicht, in Verbindung mit der kraftvollen Gestalt des heiligen Mannes, zeugte mehr von dem Genuß von Braten und dergleichen, als von Erbsen und trockenen Gemüsen. Dieser Widerspruch entging auch dem Gaste nicht. Nachdem er nicht ohne Beschwerde den Mund voll getrockneter Erbsen zermalmt hatte, fand er es durchaus nothwendig, seinen frommen Wirth auch um einige Feuchtigkeit zu ersuchen. Dieser setzte ihm sogleich einen Krug mit dem reinsten Quellwasser vor.
»Es ist aus der Quelle des heiligen Dunstan,« sagte er, »worin er von einem Sonnenaufgang bis zum andern fünfhundert heidnische Dänen und Briten getauft hat – gesegnet sei sein Name.« So setzte er seine schwarzbehaarten Lippen an den Krug und nahm einen der Quantität nach viel mäßigern Trunk, als seine Lobrede hätte erwarten lassen.
»Es scheint mir, ehrwürdiger Vater,« sagte der Ritter, »daß die schmalen Bissen, die Ihr genießt, sowie das heilige, jedoch etwas dünne Getränk bewundernswürdig angeschlagen haben. Ihr kommt mir eher vor, wie ein Mann, geschickter den Preis in einem Ringspiele oder in einem Schwertkampfe zu erwerben, als Eure Zeit in dieser einsamen Wildniß zu verschleudern mit Messelesen und von getrockneten Erbsen und kaltem Wasser zu leben.«
»Herr Ritter,« sagte der Einsiedler, »Eure Gedanken sind, wie die eines unwissenden Laien, fleischlich. Es hat unserer lieben Frau und meinem Schutzheiligen gefallen, meine dürftige Kost zu segnen, ebenso wie die Hülsenfrüchte und das Wasser den Kindern Sadrach, Meshech und Abednego's gesegnet wurden, weil sie es dem Weine und den köstlichen Gerichten vorzogen, die ihnen von dem Könige der Saracenen angeboten wurden.«
»Heiliger Vater, an dessen Körper der Himmel solche Wunder gewirkt hat,« sagte der Ritter, »erlaubt einem sündhaften Laien, Euch um Euren Namen zu bitten.«
»Du magst mich,« versetzte der Eremit, »den Geistlichen von Copmanhurst nennen, denn so heiße ich in dieser Gegend. Sie setzen freilich noch das Wort heilig hinzu, allein ich bestehe nicht darauf, da ich dieses Zusatzes unwürdig bin. Und nun, tapferer Ritter, darf ich um den Namen meines verehrlichen Gastes bitten?«
»Wohl!« sagte der Ritter, »die Leute nennen mich in dieser Gegend den schwarzen Ritter; manche setzen noch das Wort Faullenzer hinzu, allein ich setze darauf auch keinen großen Werth.«
Der Eremit konnte bei der Antwort seines Gastes sich kaum des Lachens enthalten.
»Ich sehe,« sagte er, »Herr fauler Ritter, daß Du ein Mann von Verstand und Klugheit bist; ferner sehe ich auch, daß Dir meine geringe Mönchskost nicht behagt, da Du vielleicht gewohnt bist, an Höfen und Lagern, sowie in Städten, in Ueppigkeit und Ueberfluß zu leben; jetzt nun fällt mir ein, daß, als der mildgesinnte Aufseher des Forstes mir diese Hunde zum Schutze und diese wenigen Bündel Heu zurückließ, er mir auch noch etwas weniges Speise hinterlassen hat, an die ich, da ich sie selbst nicht brauchen konnte, mitten unter meinen tiefen und wichtigen Betrachtungen nicht mehr gedacht habe.«
»Das dachte ich mir gleich,« sagte der Ritter, »ich hätte, so wie Ihr Eure Kappe abnahmt, heiliger Vater, darauf schwören wollen, es müßte sich bessere Nahrung in der Hütte finden. Euer Aufseher ist doch ein lustiger Schalk, und wahrhaftig, wer Deine Zermalmer sich mit solchen Erbsen abquälen und Deinen Hals mit dem so ungeistigen Elemente anfeuchten sieht, könnte es dulden, daß Du solche Pferdenahrung und Pferdetrank verdauen solltest – laß uns doch des Aufsehers Güte unverzüglich benutzen.«
Der Eremit warf einen ernsten Blick auf den Ritter, worin eine Art komischen Zauderns lag, als wäre er noch ungewiß, in wie weit es klug und gerathen sei, dem Gaste zu trauen. Indessen zeigte sich in des Ritters ganzem Wesen so viel Offenheit, als nur durch das Aeußere ausgedrückt werden konnte. Sein Lächeln hatte besonders etwas unwiderstehlich Komisches und zeugte zugleich von Redlichkeit und Rechtlichkeit, so daß sein Wirth sich nicht enthalten konnte, damit zu sympathisiren.
Nachdem der Eremit einen oder zwei Blicke mit ihm gewechselt hatte, ging er nach einer entfernten Seite der Hütte zu, und öffnete hier eine Thür, welche sehr künstlich und sorgfältig versteckt war. Aus einer dunkeln Zelle, zu der jene Oeffnung führte, brachte er nun eine große Pastete in einer zinnernen Schüssel von außerordentlicher Größe hervor. Dieses mächtige Gericht setzte er seinem Gaste vor, der sogleich seines Dolches sich bediente, es zu öffnen, und keine Zeit verlor, mit dem Inhalte genauere Bekanntschaft zu machen.
»Wie lange ist es denn, daß der gute Aufseher hier gewesen ist?« fragte der Ritter seinen Wirth, nachdem er eiligst einige Stücke dieser wohlschmeckenden Erquickung verschlungen hatte.
»Ungefähr zwei Monate,« antwortete der Einsiedler schnell.
»Beim Himmel,« versetzte der Ritter, »Alles in Eurer Einsiedelei ist wunderbar, heiliger Vater, denn ich möchte schwören, der fette Rehbock, der den Inhalt dieser Pastete geliefert hat, sei noch in dieser Woche auf seinen Füßen herumgelaufen.«
Der Eremit schien durch diese Bemerkung ein wenig betroffen, und überdies machte er noch ein trübseliges Gesicht, da er die Abnahme der Pastete gewahr wurde, in welche sein Gast verzweifelte Eingriffe machte, eine Kriegskunst, woran ihm seine vorhergehende Enthaltsamkeitserklärung Antheil zu nehmen durchaus keinen Vorwand ließ.
»Ich bin in Palästina gewesen, heiliger Vater,« sagte der Ritter, indem er plötzlich mit Essen innehielt, »und ich erinnere mich einer daselbst herrschenden Sitte, daß jeder Wirth, der seinen Gast speiset, ihn dadurch von der Gesundheit der Nahrung überzeugen muß, daß er sie mit ihm theilt. Fern sei es von mir, einen Verdacht auf einen so heiligen Mann, wie Ihr seid, zu werfen; indessen würde es mir doch sehr angenehm sein, wenn Ihr Euch dieser morgenländischen Sitte unterwerfen wolltet.«
»Um Euch Eure unnöthigen Bedenklichkeiten zu nehmen, Herr Ritter, will ich einmal von meiner Regel abweichen,« versetzte der Einsiedler. Und da es zu jener Zeit noch keine Gabeln gab, so waren seine Hände sogleich in den Eingeweiden der Pastete beschäftigt.
Da nun das Eis der Ceremonie einmal gebrochen war, so schienen Gast und Wirth zu wetteifern, wer den besten Appetit zeigen würde; und obgleich der Erste ziemlich lange gefastet hatte, übertraf ihn doch der Letztere bei Weitem.
»Heiliger Vater,« sagte der Ritter, nachdem er seinen Hunger gestillt hatte, »ich wollte wetten, der gute Aufseher, der so schön für Eure Nahrung gesorgt hat, wird Euch auch einen Schluck Wein oder Sekt, oder dergleichen hinterlassen haben zur Begleitung des trefflichen Gerichts. Das wird Euch vermuthlich auch wieder aus dem Gedächtnisse gekommen sein, indeß sucht nur einmal recht nach, und Ihr werdet gewiß finden, daß ich nicht Unrecht habe.«
Der Eremit antwortete darauf blos durch ein Lächeln, kehrte nach der Zelle zurück und holte eine lederne Flasche hervor, welche ungefähr vier Quart halten mochte. Nicht minder brachte er zwei große Trinkschalen herbei, aus dem Horn des Auerochsen gemacht und mit Silber eingefaßt. Jetzt glaubte er aller Ceremonie überhoben sein zu können, füllte die Becher und sagte in sächsischer Mundart: »Auf Euer Wohl, Herr fauler Ritter!« So leerte er den seinigen auf einen Zug.
»Auf das Eure, heiliger Einsiedler von Copmanhurst!« versetzte der Ritter, und that jenem auf gleiche Weise Bescheid.
»Heiliger Mann!« fuhr nun der Fremde fort, »ich muß mich wundern, daß ein Mann von solchen Sehnen und Knochen, der dabei ein so treffliches Talent zum Zerlegen besitzt, sich in eine solche Wildniß vergräbt. Nach meiner Ansicht taugtet Ihr besser ein Schloß oder Fort zu behaupten, etwas Gutes zu essen und zu trinken, als hier von Hülsenfrüchten und der Milde des Forstbeamten zu leben. Ich wenigstens, an Eurer Stelle, würde mich durch das herrschaftliche Wild zu versorgen wissen. Es läuft ja herdenweise herum, und ein Rehbock für den Kaplan des heiligen Dunstan kann doch wohl nicht vermißt werden.«
»Herr fauler Ritter,« versetzte der Geistliche, »das ist gefährlich zu unternehmen. Ich bleibe dem Könige und dem Gesetze treu; wollte ich mich an meines Herrn Wilde vergreifen, ich wäre nicht sicher vor dem Gefängniß, ja, mein Kleid würde mich selbst vor dem Galgen nicht schützen.«
»Nun!« sagte der Ritter, »so machte ich meine Wanderungen bei Mondlicht, wenn Förster und Aufseher in den warmen Betten liegen, ich murmelte dann meine Gebete her und ließ so zuweilen einen Pfeil unter die Herden fliegen, welche in dem Dickicht weiden. Sagt mir nur, heiliger Mann, habt Ihr denn das nicht zum Zeitvertreibe versucht?«
»Freund Faullenzer,« erwiederte der Eremit, »Du hast alles gesehen, was Dich in meiner Haushaltung interessiren kann, und vielleicht noch etwas mehr, als Einer verdient, der sich mit Gewalt eingedrängt hat; glaube mir, es ist besser, des Guten zu genießen, was Dir Gott gibt, als zudringlich zu forschen, woher es kommt. Fülle und leere Deinen Becher, und damit gut; und setze mich durch weitere Nachforschungen nicht in die Nothwendigkeit, Dir zu zeigen, daß Du mich schwerlich hättest zwingen können, Dich aufzunehmen, wenn ich mich ernstlich Dir hätte widersetzen wollen.«
»Bei meiner Ehre,« sagte der Ritter, »Du machst mich neugieriger, als ich vorher war; Du bist der geheimnißvollste Eremit, der mir jemals vorgekommen ist; und ich muß Dich, ehe wir scheiden, genauer kennen lernen. Deine Drohungen anlangend, so wisse, heiliger Mann, daß Du mit Jemand sprichst, dessen Gewerbe es ist, Gefahren aufzusuchen, wo er ihnen nur begegnen mag.«
»Herr fauler Ritter,« versetzte der Einsiedler, »Deine Tapferkeit in allen Ehren, allein, wenn du gleiche Waffen mit mir führen willst, so will ich Dir in aller Freundschaft und brüderlichen Liebe eine so hinreichende Buße und so vollständige Absolution geben, daß Du in den nächsten zwölf Monaten sicherlich nicht wieder aus übermäßiger Neugier sündigen sollst.«
Der Ritter nahm ihn beim Worte und bat ihn, die Waffen zu nennen.
»Es ist nicht etwa,« versetzte der Eremit, »die Scheere der Delila, oder Zehnpfennignagel der Joel, oder der Säbel des Goliath; mit solchen kann ich Dich freilich nicht bedienen. Aber, wenn Du mir die Wahl lässest, guter Freund, was sagst Du zu diesem Spielzeug?«
So sprechend öffnete er eine andere Vertiefung im Felsen und brachte daraus ein Paar breite Schwerter und Schilde hervor, wie sie die Leibwache jener Zeit zu führen pflegte. Der Ritter, der seine Bewegungen beobachtete, bemerkte, daß dieser zweite Raum auch mit zwei bis drei langen Bogen, einer Armbrust, einem Bündel Pfeile für die erstern und einem halben Dutzend Bolzen für die letztere versehen war. Eine Harfe und andere Dinge von nicht eben heiligem Ansehen zeigten sich gleichfalls in der dunkeln Vertiefung.
»Ich verspreche Dir, Bruder Geistlicher,« sagte er, »ich will Dir keine beleidigenden Fragen mehr vorlegen. Der Inhalt dieses Schrankes hat mir Antwort auf alle meine Forschungen gegeben; allein ich sehe hier auch eine Waffe« (hier ergriff er die Harfe), »auf der ich lieber meine Geschicklichkeit gegen Dich zeigen möchte, als mit Schwert und Schild.«
»Ich glaube, Ritter, Du führst den Beinamen des Faullenzers sehr mit Unrecht. Du bist mir nicht wenig verdächtig. Indessen da Du mein Gast bist, so will ich Deine Mannheit nicht ohne Deinen freien Willen auf die Probe stellen. Setze Dich also, fülle Deinen Becher, laß uns trinken, singen und guter Dinge sein. Verstehst Du Dich auf guten Gesang, so sollst Du immer auf ein Stück Pastete zu Copmanhurst willkommen sein, so lange ich die Kapelle des heiligen Dunstan bediene, was, so Gott will, so lange stattfinden soll, bis ich mein altes, graues Dach mit einem von grünem Rasen vertausche. Komm, fülle die Becher, es wird Zeit kosten, die Harfe zu stimmen, und nichts schärft das Ohr und schmeidigt die Stimme mehr als ein Becher Weins. Ich für meinen Theil fühle gern die Trauben in den Fingerspitzen, ehe ich die Harfensaiten berühre.«