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Ich werb' um sie so wie der Löwe wirbt
Um seine Braut.
Douglas.
Während die eben geschilderten Scenen in andern Theilen des Schlosses vorgingen, erwartete die Jüdin Rebecca ihr Geschick in einem entfernten, abgesonderten Thurme. Hierher war sie von zwei der verkleideten Räuber gebracht worden, und in einer kleinen Zelle fand sie sich in Gesellschaft einer alten Frau, welche ein sächsisches Lied vor sich hinmurmelte, gleich als wollte sie damit den Takt der auf dem Boden hintanzenden Spindel bezeichnen. Sie erhob das Haupt bei Rebecca's Eintritt, und schielte die schöne Jüdin mit einem so feindseligen Blicke an, wie ihn Alter und Häßlichkeit, wenn sie sich mit Schlechtigkeit der Gesinnung vereinigen, gewöhnlich auf die Jugend und Schönheit zu werfen pflegen.
»Du mußt jetzt fort, alte Hausunke,« sagte einer von den Männern, »unser edler Herr befiehlt es. Du mußt das Gemach einem schönern Gaste räumen.«
»Was?« kreischte die Alte, »werden Dienste so belohnt? Ich habe wohl eine Zeit gekannt, wo mein bloßes Wort den besten Kriegsmann unter Euch aus dem Sattel und Dienst gehoben hätte, und jetzt soll ich dem Befehle jedes Bedienten, wie Du bist, weichen?«
»Liebe Frau Urfried,« sagte der andere Mann, »vernünftelt nicht viel jetzt! Aus und fort! Des Herrn Gebote müssen stets mit willigem Ohr aufgenommen werden. Du hast einst Deine gute Zeit gehabt, alte Dame, aber Deine Sonne ist nun längst untergegangen. Du bist jetzt das wahre Ebenbild eines alten abgesetzten Kampfrosses, das einst mit stolzem Schritt einherging, und jetzt in kurzem Passe forthumpelt. Komm, humple nur fort.«
»Daß ihr doch beide wie die Hunde verfaulen möchtet,« erwiederte die Alte, – »möge der böse Zernebock mich Glied für Glied zerreißen, wenn ich meine Zelle eher verlasse, als bis ich den Hanf am Rocken vollends abgesponnen habe.«
»Das will ich unserm Herrn sogleich melden, Du alter Drache!« sagte der Diener, und entfernte sich. Rebecca aber blieb bei dem alten Weibe zurück, welche sie so unfreundlich aufgenommen hatte.
»Zum Teufel,« sagte die Alte vor sich hin murmelnd, »was haben sie nun wieder auf der Spur?« – Dabei warf sie aber immer einen stechenden, feindlichen Blick auf Rebecca. »Es ist leicht zu errathen; feurige Augen, schwarze Haare, eine Haut wie Papier, ehe es die Priester mit ihrer schwarzen Salbe netzen! Ja, ja, 's ist klar, warum sie diese hieher in den einsamen Thurm schicken, wo man einen Schrei eben so wenig hören kann, als in dem tiefsten Grunde der Erde. Nun, Du Schöne, Eulen wirst Du hier zur Gesellschaft haben, und um ihren Ruf wird man sich eben so kümmern, wie um den Deinen! – Ausländisch obendrein,« setzte sie hinzu, indem sie Rebecca's Kleidung und Kopfputz beschaute. – »Aus welchem Lande bist Du denn? Eine Saracenin, oder Aegypterin? Nun, Deine Antwort? Kannst Du nur weinen, nicht reden?«
»Sei nicht böse, gute Mutter,« sagte Rebecca.
»Brauchst mir nicht mehr zu sagen,« versetzte Urfried, »den Fuchs erkennt man an der Spur, die Jüdin an der Sprache.«
»Ums Himmelswillen,« sagte Rebecca, »sprich, was muß ich nun zum Schluß der Gewaltthat erwarten, die mich hierher geführt hat? Ist es mein Leben, nach dem man strebt? Soll ich für meinen Glauben sterben? Gern, gern will ich das.«
»Sterben, Kindchen?« versetzte die alte Hexengestalt, »was würde ihnen das für Vergnügen machen? Nein, Dein Leben ist nicht in Gefahr! Man wird Dich behandeln, wie man es einst gut genug fand, ein sächsisches Edelfräulein zu behandeln. Und kann denn eine Jüdin, wie Du, etwas Besseres erwarten? Sieh mich an. Ich war auch jung, und noch einmal so schön, als Du bist; da stürmte Front-de-Boeuf, Reginald's Vater, dieses Schloß. Mein Vater und seine sieben Söhne vertheidigten ihr Erbe von Zimmer zu Zimmer, von Thür zu Thür; da war kein Gemach, keine Treppenstufe, welche nicht von ihrem Blute naß gewesen wäre. Sie fielen, fielen Alle, und ehe ihre Leichen erkaltet waren, ehe ihr Blut vertrocknete, war ich schon die Beute und der Spott des Siegers geworden!«
»Ist denn hier keine Hülfe? Kein Mittel zu entrinnen?« sagte Rebecca, »reichlich, reichlich kann ich, will ich Deine Hülfe vergelten!«
»Ach!« sagte die Alte, »von hier ist kein Entkommen, als durch die Thore des Todes, und es wird spät, spät,« setzte sie das graue Haupt schüttelnd hinzu, »ehe diese sich uns öffnen! Doch es ist ein Trost zu denken, daß wir auf der Erde nur solche zurücklassen, die nicht glücklicher sind als wir selbst. Leb wohl, Jüdin! – Doch Jude oder Heide, Dein Loos würde das nämliche sein; denn Du hast es mit Menschen zu thun, denen Bedenklichkeit und Mitleid fremd ist. Leb wohl, sag ich; mein Tagewerk ist abgesponnen, Deines geht erst an.«
»Bleib! bleib! um's Himmelswillen,« rief Rebecca, »wenn's auch nur wäre, mir zu fluchen, mich zu verwünschen, Deine Gegenwart ist doch ein Schutz.«
»Die Gegenwart der Mutter Gottes würde hier kein Schutz sein,« entgegnete die Alte. – »Hier steht sie,« fuhr sie fort, auf ein rohes Marienbild deutend, »sieh zu, ob sie das Loos, das Dich erwartet, abwenden wird.«
Mit diesen Worten verließ sie das Gemach, ihre Züge zu einer Art von höhnischem Lächeln verzogen, welches ihr Gesicht noch häßlicher machte, als es an sich schon war. Sie schloß die Thüre hinter sich zu, und Rebecca konnte ihre Verwünschungen auf jedem Schritte hören, als sie mit Mühe und Anstrengung die Thurmtreppe herunter stieg.
Rebecca mußte ein noch weit furchtbareres Schicksal erwarten, als Rowena; denn wie war es wahrscheinlich, daß man Milde und Anstand gegen ein Mädchen ihres unterdrückten Volkes beobachten wurde, gesetzt auch, man hätte den Schein davon gegen eine sächsische Erbin angenommen? Indessen hatte die Jüdin den Vorzug, daß sie durch Gewöhnung zum Nachdenken und durch die natürliche Stärke des Gemüths besser vorbereitet war, Gefahren zu begegnen, denen sie sich ausgesetzt sah. Schon im frühesten Alter von ernstem, sinnenden Charakter, hatte sie sich durch den Reichthum und die Pracht, die ihr Vater in seiner Wohnung zeigte, und die sie in den Häusern der andern reichen Hebräer fand, keineswegs über die unsichern Verhältnisse verblenden lassen, unter welchen man diese genießen konnte. Gleich dem Damocles bei dem berühmten Mahle, erblickte Rebecca unaufhörlich mitten unter der verschwenderischsten Ueppigkeit das Schwert, welches an einem Pferdehaare über den Häuptern der Ihrigen hing. Diese Betrachtungen hatten einen Charakter, der unter andern Umständen leicht hochfahrend, stolz und hartnäckig hätte werden können, zahm und besonnen gemacht.
Durch ihres Vaters Beispiel und Befehl hatte Rebecca gelernt, sich gegen alle ihre Umgebungen artig zu benehmen. Sie konnte freilich nicht seine übertriebene Unterwürfigkeit nachahmen, weil ihr die Kleinlichkeit und Niedrigkeit des Gemüths fremd war, und sie den immerwährenden Zustand von Furcht und Angst nicht kannte, aus dem jene entsprang; allein sie benahm sich mit einer Art stolzer Demuth, gleich als unterwerfe sie sich den unglücklichen Verhältnissen, in denen sie als die Tochter eines verachteten Volkes lebte, indeß sie durch ihr Selbstbewußtsein sich zu einem höhern Range berechtigt fühlte, als der willkürliche Despotismus religiöser Vorurtheile ihr anzuweisen für gut fand.
So auf widrige Umstände gefaßt, hatte sie hinreichende Festigkeit erworben unter solchen zu handeln. Ihre gegenwärtige Lage erforderte auch alle ihre Geistesgegenwart, und sie rief sie demnach auch muthig in sich auf.
Ihre erste Sorge war, das Gemach zu untersuchen; allein es gewährte ihr wenig Hoffnung, weder zum Schutz noch zur Flucht. Es enthielt weder geheime Eingänge noch Fallthüren, und außer der Thür, durch die sie hereingekommen war, schien es blos von der runden, äußern Mauer des Thurmes umschlossen. Inwendig hatte diese Thür weder Schloß noch Riegel. Das einzige Fenster ging auf einen mit Zinnen umgebenen Raum auf dem Thurme, der Rebecca anfangs einige Hoffnung zur Flucht zu versprechen schien; allein bald fand sie, daß er mit keinem andern Theil der Mauer zusammenhing, und einen Balkon bildete, der wie gewöhnlich durch eine Brustwehr mit Oeffnungen geschützt war, worein einige Bogenschützen gestellt werden konnten, um den Thurm und den Wall des Schlosses auf dieser Seite durch ihr Geschoß zu bestreichen.
Es blieb ihr also nichts übrig, als leidende Festigkeit und jenes muthige Vertrauen zu Gott, das edlen und großen Seelen eigen ist. Ob sie gleich irrig gelehrt worden war, die Versprechungen der heiligen Schrift zum Vortheil des auserwählten Volkes des Himmels auszulegen, so irrte sie doch darin nicht, daß sie glaubte, jetzt sei die Zeit der Versuchung gekommen. Unterdessen zeigte ihr Alles um sie her, daß ihr gegenwärtiger Zustand der der Strafe und Prüfung sei, daß es ihre Pflicht sei zu dulden, ohne zu sündigen.
Dessenungeachtet bebte die Gefangene und erblaßte, als sie den Tritt eines Menschen auf der Treppe hörte, die Thür des Gemaches sich langsam öffnete, und ein großer Mann, gekleidet wie einer jener Banditen, denen sie ihr Unglück zuschreiben mußte, langsam hereintrat, und die Thür wieder hinter sich zumachte; die Mütze, welche er tief herabgezogen hatte, verdeckte den obern Theil des Gesichts, und den Mantel hielt er so, daß seine ganze übrige Gestalt verhüllt war. In diesem Aufzuge, gleich als wolle er eine That ausführen, deren er sich doch schäme, trat er vor die erschrockene Gefangene hin, indessen schien er, so sehr seine Kleidung ihn als Bösewicht bezeichnete, in Verlegenheit, den Vorsatz, der ihn hergeführt, Rebecca anzukündigen, so daß diese Zeit fand, seiner Erklärung zuvorzukommen. Sie nahm sogleich zwei Armbänder und ein Halsband ab, und reichte sie dem vermeintlichen Räuber dar, weil sie ganz natürlich schloß, daß sie durch Befriedigung seiner Habsucht vielleicht seine Gunst gewinnen könne.
»Nehmt dies, guter Freund,« sagte sie, »und seid um Gotteswillen barmherzig gegen mich und meinen alten Vater. Dieser Schmuck ist nicht ohne Werth, und doch ist es nur eine Kleinigkeit gegen das, was er opfern wird, um frei und ungekränkt aus diesem Schlosse zu kommen.«
»Schöne Blume Palästinas,« versetzte der Geächtete, »diese Perlen sind orientalische, allein sie stehen doch an Weiße Deinen Zähnen nach; diese Diamanten sind glänzend, doch kommen sie an Glanz Deinen Augen nicht gleich, und längst, ehe ich mich diesem wilden Gewerbe geweiht habe, schwur ich, die Schönheit stets dem Reichthum vorzuziehen.«
»Thue Dir nicht selbst Unrecht,« sagte Rebecca, »nimm dieses Lösegeld und habe Mitleid! – Gold wird Dir Vergnügen erkaufen – allein uns zu mißhandeln würde Dir nur Gewissensbisse verursachen. Mein Vater wird bereitwillig Deine kühnsten Wünsche befriedigen, und wenn Du klug sein willst, kannst Du Dir mit unserer Beute die Wiederaufnahme in die bürgerliche Gesellschaft erkaufen – kannst Verzeihung Deiner Vergehungen erhalten, und Dir die Nothwendigkeit ersparen, ferner dergleichen zu begehen.«
»Wohl gesprochen,« versetzte der Geächtete in französischer Sprache, denn er schien es schwer zu finden, die Unterhaltung mit Rebecca sächsisch fortzusetzen, wie er sie angefangen – »aber wisse, schöne Lilie des Thales Baca, daß Dein Vater sich bereits in den Händen eines mächtigen Alchymisten befindet, der es wohl versteht, auch die verrosteten Stäbe eines Kerkers in Gold und Silber zu verwandeln. Der ehrwürdige Isaak befindet sich schon in einer Retorte, um Alles von ihm herauszudestilliren, was er werth und theuer hält, ohne daß es dazu meiner Bitte oder Hülfe bedarf. Dein Lösegeld mußt Du durch Liebe und Schönheit zahlen, andere Münze wird hier nicht angenommen.«
»Du bist kein Geächteter,« sagte Rebecca in derselben Sprache, worin er sie anredete; »ein Geächteter hätte ein solches Anerbieten nicht ausgeschlagen. Kein Geächteter in diesem Lande spricht diesen Dialekt. Du bist kein Geächteter, sondern ein Normann – ein Normann, vielleicht von edler Geburt – o, sei es auch durch Thaten und wirf diese scheußliche Larve der Gewaltthätigkeit und Zügellosigkeit von Dir.«
»Und Du, die Du so trefflich rathen kannst,« sagte Brian de Bois-Guilbert, indem er den Mantel zurückwarf, »Du bist keine wahre Tochter Israels, Du bist in Allem, Schönheit und Jugend ausgenommen, eine wahre Hexe von Endor. Nein, schöne Rose von Saron, ich bin kein Geächteter, ich bin ein Mann, der eher Deine Arme und Deinen Hals mit Perlen und Diamanten zieren wird, die Dir so schön stehen, als dieses Schmuckes berauben.«
»Was willst Du denn von mir, außer meinem Reichthum?« sagte Rebecca. »Unter uns kann nichts gemein sein – Du bist ein Christ und ich eine Jüdin. Unsere Verbindung würde den Gesetzen der Kirche und der Synagoge gleich sehr zuwider sein.«
»In der That,« versetzte der Templer lachend, »eine Jüdin heirathen? Des par dieux! – Nein, nicht wenn sie die Königin von Saba wäre! Und wisse überdies, holde Tochter Zions, und wenn der allerchristlichste König mir seine allerchristlichste Tochter, und Languedoc zur Mitgift geben wollte, so könnte ich sie doch nicht heirathen. Es ist gegen mein Gelübde, ein Mädchen anders als par amour zu lieben, und so will ich Dich lieben. Ich bin ein Templer. Sieh hier das Kreuz meines heiligen Ordens.«
»Wagst Du Dich darauf zu berufen bei einer Gelegenheit wie die gegenwärtige?« sagte Rebecca.
»Und wenn ich es thue,« versetzte der Templer, »so geht es Dich nichts an, denn Du glaubst nicht an das gesegnete Zeichen unserer Erlösung.«
»Ich glaube, was meine Väter mich lehrten,« sagte Rebecca, »und Gott mag mir vergeben, wenn mein Glaube irrig ist. Aber Ihr, Herr Ritter, welches ist der Eurige, wenn Ihr unbedenklich das anruft, was Euch das Heiligste ist, selbst da, wo Ihr im Begriff seid, das feierlichste Eurer Gelübde, das eines Ritters und Dieners der Religion, zu überschreiten?«
»Recht schön und würdig gepredigt, o Tochter Sirach's,« versetzte der Templer, »aber liebenswürdige Kirchendienerin, Deine engen, jüdischen Vorurtheile machen Dich blind gegen unsere hohen Vorrechte. Die Ehe freilich würde ein unverzeihliches Verbrechen von Seiten eines Tempelherrn sein, aber was ich an geringern Thorheiten begehe, davon werde ich schnell bei dem nächsten Präceptorium unsers Ordens absolvirt. Nicht der weiseste der Monarchen, nicht sein Vater, dessen Beispiel Du doch für wichtig anerkennen mußt, verdammten Vorrechte, welche wir armen Soldaten des Tempels Zions durch unsern Eifer in seiner Vertheidigung uns erworben haben. Die Beschützer von Salomon's Tempel dürfen auch wohl auf Salomon's Freiheit Anspruch machen.«
»Wenn Du die Schrift nur liesest,« versetzte die Jüdin, »um Deine Schlechtigkeit und Deine Leidenschaft zu rechtfertigen, so ist Dein Verbrechen dem eines Menschen gleich, der aus den gesündesten und nothwendigsten Kräutern Gift zieht.«
Die Augen des Templers sprühten Feuer und Flammen bei dieser Antwort. »Höre, Rebecca,« sagte er, »bisher habe ich sanft mit Dir gesprochen, aber nun soll meine Sprache die eines Eroberers sein. Du bist meine Gefangene durch Bogen und Speer, meinem Willen unterworfen durch die Gesetze aller Völker, daher werde ich auch nicht einen Zoll breit von meinem Rechte fahren oder mich hindern lassen, mit Gewalt zu nehmen, was Du den Bitten oder der Nothwendigkeit versagst.«
»Nahe Dich nicht,« sagte Rebecca, »und höre mich, ehe Du eine solche Todsünde zu begehen Dich anschickest. Meine Kraft magst Du leicht überwältigen, denn Gott hat mich als ein schwaches Weib erschaffen, und daher meine Vertheidigung dem Edelmuthe des Mannes anvertraut. Aber, Templer, ich werde Deine Schändlichkeit von einem Ende Europa's bis zum andern ausbreiten. Dem Aberglauben Deiner Brüder werde ich verdanken, was ihr Mitleiden mir verweigern mag. Jedes Präceptorium, jedes Kapitel Deines Ordens soll es erfahren, daß Du, wie ein Ketzer, mit einer Jüdin gesündigt hast. Diejenigen, welche bei Deinem Verbrechen nicht erzittern, werden Dich für verflucht halten, daß Du das Kreuz, welches Du trägst, so entehrt hast, einer Tochter meines Volks nachzugehen.«
»Dein Witz ist scharf,« entgegnete der Templer, der wohl wußte, daß ihre Rede keine Lüge war, und daß die Regeln seines Ordens auf das Bestimmteste und unter den härtesten Strafen solche Intriguen verdammten, als er anspinnen wollte, und daß zuweilen selbst Degradation darauf gefolgt war – »Dein Witz ist scharf, allein laut muß Deine Klagstimme sein, wenn man sie außerhalb der Mauer dieses Schlosses hören soll, innerhalb desselben verklingen solche Klagen und solche Anrufungen der Gerechtigkeit ohne alle Wirkung. Eins nur, Eins allein kann Dich retten, Rebecca! Unterwirf Dich Deinem Schicksal; nimm unsere Religion an, und Du sollst sogleich in einem solchen Zustande von dannen gehen, daß manche normännische Dame eben so an Pracht wie an Schönheit der Favoritin der besten Lanze unter den Vertheidigern des Tempels nachstehen soll.«
»Meinem Schicksale mich unterwerfen,« sagte Rebecca, »heiliger Gott! welchem Schicksale! Deine Religion annehmen! und was kann das für eine Religion sein, die ein solcher Abscheulicher bekennet? Du die beste Lanze der Templer? Elender Ritter, meineidiger Priester, ich verachte Dich! Ich trotze Dir! – Der Gott Abrahams hat seiner Tochter einen Weg des Entkommens eröffnet, selbst aus diesem Abgrunde der Schande!«
Mit diesen Worten öffnete sie schnell das Gitterfenster, welches zu dem Balkon führte, und in einem Augenblick stand sie am äußersten Rande desselben, so daß nichts sie von der grausenden Tiefe zu ihren Füßen trennte. Unvorbereitet auf solch einen verzweifelten Entschluß, denn sie hatte bisher ganz bewegungslos dagestanden, hatte Bois-Guilbert nicht Zeit gehabt, sie zu hindern oder sie aufzuhalten. Als er sich ihr aber nähern wollte, rief sie: »Bleib, wo Du bist, stolzer Templer! Einen Schritt näher, und ich stürze mich in den Abgrund; eher soll mein Körper an diesen Steinen zerschmettert werden, als er ein Opfer Deiner Rohheit wird!«
Hierauf faltete sie ihre Hände und streckte sie zum Himmel empor, gleich als wollte sie um Erbarmung für ihre Seele flehen, ehe sie den furchtbaren Sprung thäte. Der Templer zögerte, und seine Entschlossenheit, die nie Mitleid empfunden oder dem Unglück nachgegeben hatte, wich der Bewunderung ihrer Seelenstärke.
»Komm herab, unbesonnenes Mädchen,« sagte er, »ich schwöre bei der Erde, dem Meer und dem Himmel, ich werde Dir kein Leides thun.«
»Ich kann Dir nicht trauen, Templer,« versetzte Rebecca, »Du hast mich besser gelehrt die Tugenden Deines Ordens zu würdigen. Das nächste Präceptorium könnte Dich von einem Eide entbinden, der nichts weiter betrifft, als die Ehre oder Entehrung eines elenden, jüdischen Mädchens.«
»Du thust mir Unrecht,« sagte der Templer, »ich schwöre Dir bei dem Namen, den ich führe, bei dem Kreuze auf meiner Brust, bei dem Schwerte an meiner Seite, bei dem alten Waffenschmucke meiner Väter schwör' ich – Du hast von mir keine Kränkung zu befürchten. Schone Dich, wenn auch nicht um Deiner selbst, doch um Deines Vaters Willen! Ich will sein Freund sein, und in diesem Schlosse braucht er schon einen mächtigen.«
»Ach!« sagte Rebecca, »leider weiß ich das nur zu gut! Darf ich's wagen Dir zu trauen?«
»Möge mein Schild umgekehrt, mein Name entehrt werden,« sagte Brian de Bois-Guilbert, »wenn Du Dich über mich zu beklagen haben sollst. Manches Gesetz, manchen Befehl habe ich gebrochen, aber nie ein Wort.«
»Nun, ich will Dir trauen,« sagte Rebecca, »aber nur so weit;« und so stieg sie von der Mauerbrüstung herab, und stellte sich an einen der Einschnitte in derselben. »Hier,« sagte sie, »nehme ich meinen Stand. Bleib, wo Du bist, denn wenn Du Dich nur einen Schritt näher wagst, so sollst Du sehen, wie ein jüdisches Mädchen seine Seele lieber Gott befiehlt, als ihre Ehre einem Templer.«
Indeß Rebecca so sprach, gab die erhabene und feste Entschlossenheit, welche so schön mit der ausdrucksvollen Schönheit ihres ganzen Wesens übereinstimmte, ihren Blicken, Mienen und Bewegungen eine fast übermenschlich scheinende Würde. Ihr Blick war nicht ängstlich, ihre Wange nicht bleich, im Gegentheil gab der Gedanke, daß ihr Schicksal in ihren Willen gestellt sei, indem sie der Schande durch den Tod entgehen konnte, ihrer weißen Haut eine dunklere Farbe und ihrem Auge einen höhern Glanz. Der selbst so stolze und muthvolle Bois-Guilbert gestand sich, daß er nie eine so belebte und imponirende Schönheit gesehen habe.
»Laß Friede zwischen uns sein, Rebecca,« sagte er.
»Wenn Du willst, ja,« versetzte sie, »doch nur in dieser Entfernung.«
»Du brauchst mich nicht mehr zu fürchten,« sagte Bois-Guilbert.
»Ich fürchte Dich nicht. Dank dem Himmel, daß dieser Thurm so hoch ist, daß nichts lebend herunterfallen kann, Dank dem Gott Israels! Ich fürchte Dich nicht!«
»Du thust mir Unrecht, wahrlich, Du thust mir Unrecht,« fuhr der Templer fort, – »ich bin von Natur nicht, wofür Du mich halten mußt, hart, selbstsüchtig, rachgierig! Ein Weib war es, das mich Grausamkeit lehrte, und an Weibern habe ich sie geübt, aber nicht an solchen, wie Du bist. Höre mich, Rebecca! – Nie ergriff ein Ritter seine Lanze mit mehr Liebe für seine Dame, als Brian de Bois-Guilbert. Sie, die Tochter eines kleinen Barons, dessen ganzes Erbe auf einen verfallenen Thurm und einen unfruchtbaren Weinberg, so wie auf wenig Morgen dürren Haidelandes in der Gegend von Bordeaux beschränkt war, – o ihr Name war bekannt, wo nur glänzende Waffenthaten geschahen, weiter verbreitet als der einer Dame, welche eine Grafschaft zur Morgengabe besaß. – Ja,« fuhr er fort, indem er auf der kleinen Plattform in einer Bewegung umherging, in der er Rebecca's Gegenwart ganz zu vergessen schien – »ja, meine Thaten, meine Gefahr, mein Blut machten den Namen Adelheid von Montemare von dem Hofe Castiliens bis zu dem von Byzanz bekannt. Doch – wie ward mir gelohnt? Als ich zurückkehrte mit dem theuer erkauften Ehrenzeichen, erkauft mit Blut und Arbeit, fand ich sie vermählt – vermählt an einen gasconischen Knappen, dessen Name nie gehört worden war, außer dem Umkreise seines eigenen erbärmlichen Gutes! Treu liebte ich sie, und schwer habe ich mich gerächt wegen ihrer gebrochenen Treue. Allein meine Rache ist auf mich selbst zurückgeprallt. Seit dem Tage habe ich mich selbst vom Leben und seinen Banden losgesagt – Kein zärtliches Weib soll mich beglücken, kein häusliches Glück mir blühen! Mein Grab soll einsam und verlassen bleiben, und kein Sprößling den alten Namen Bois-Guilbert zu fernen Geschlechtern tragen. Zu den Füßen meiner Obern habe ich das Recht der Selbstbestimmung, der Unabhängigkeit niedergelegt. Der Templer, ein Sklav in jeder Beziehung, kann weder Land noch Gut besitzen, darf weder leben noch athmen für sich, Alles, Alles nur nach dem Willen seiner Obern.«
»Aber,« sagte Rebecca, »welche Vortheile können denn für ein solches Opfer entschädigen?«
»Die Gewalt der Rache,« erwiederte der Templer, »und die Aussichten der Ehre.«
»Schlechte Entschädigung,« sagte Rebecca, »für die Hingabe von Rechten, welche doch stets der Menschheit das Theuerste bleiben.«
»Sage das nicht, Mädchen,« versetzte der Templer, »Rache ist ein Fest für Götter! Und wenn sie sich, wie uns die Priester lehren, diese selbst vorbehalten haben, so ist es geschehen, weil sie sie für einen Genuß halten, zu köstlich für bloße Sterbliche. Und Ehre? das ist eine Versuchung, die den Genuß des Glücks im Himmel selbst stören könnte.« – Hier hielt er einen Augenblick inne, dann setzte er hinzu: »Rebecca, wer den Tod der Entehrung vorziehen konnte, muß eine stolze und hohe Seele haben. Mein mußt Du werden! – doch, starre mich nicht so an, nicht ohne Deinen Willen, nur auf Deine Bedingungen. Du mußt mit mir Hoffnungen theilen wollen, ausgedehnter, als man sie von dem Throne eines Monarchen erblickt. Höre mich, ehe Du antwortest, und urtheile, ehe Du mich verwirfst. Der Templer verliert, wie gesagt, seine gesellschaftlichen Rechte, seine Unabhängigkeit, er wird Glied eines mächtigen Körpers, vor welchem schon Throne erbebten; er gleicht dem einzelnen Regentropfen, der, sich mit dem Meere vermischend, ein Theil wird des ewig bewegten Oceans, welcher Felsen untergräbt und königliche Flotten verschlingt. Solch eine schwellende Fluth ist auch dieser mächtige Bund. Von ihm bin ich keins der kleinsten Glieder, bereits einer der Hauptbefehlshaber, und ich darf wohl einst auf den Stab des Großmeisters Anspruch machen. Die armen Streiter des Tempels werden nicht allein ihren Fuß auf den Nacken von Königen setzen, – nein, unser gewappneter Tritt schreitet selbst den Thron hinan, unsere Eisenhand nimmt ihnen das Scepter aus der Faust. Das Reich Eures umsonst erwarteten Messias bietet Euren zerstreuten Stämmen keine solche Macht dar, als worauf ich hinziele. Nur einen feurigen Geist habe ich gesucht, sie mit mir zu theilen, und den habe ich in Dir gefunden.«
»Sagst Du das zu Einer von meinem Volke?« erwiederte Rebecca, »bedenke doch« –
»Berufe Dich nicht auf den Unterschied unseres Glaubens. In unsern geheimen Versammlungen verlachen wir solche Ammenmährchen. Denke nicht, daß wir lange blind geblieben sind für den thörichten Götzendienst unserer Stifter, welche jedes Lebensglück verschworen um den Genuß, als Märtyrer durch Hunger, Durst, Pestilenz und das Schwert der Wilden umzukommen, indeß sie sich vergebens bestrebten, eine öde Wüste zu vertheidigen, die nur in den Augen des blinden Aberglaubens einigen Werth haben konnte. Unser Orden faßte bald kühnere und weitere Ansichten, und fand eine bessere Entschädigung für seine Opfer aus. Unsere unermeßlichen Besitzungen in allen Reichen Europa's, unser hoher kriegerischer Ruf, der die Blüthe der Ritterschaft aus jedem Lande der Christenheit in unsern Kreis führt, – dies Alles ist Endzwecken gewidmet, von welchen sich unsere frommen Stifter gar nichts träumen ließen, und die auch den schwachen Seelen, die dem Orden noch nach den alten Grundsätzen sich zuwenden, und deren Aberglaube sie nur zu folgsamen Werkzeugen macht, streng verborgen bleiben. Doch ich will Dir den Schleier unserer Geheimnisse nicht weiter erheben. Der Ton des Horns deutet auf etwas, was meine Gegenwart erfordert. Denke nach über das, was ich Dir gesagt habe. Leb wohl! Ich sage nicht, vergib mir meine Gewaltthätigkeit, denn sie war nothwendig, mir Deinen Charakter zu enthüllen. Gold kann nur auf dem Prüfsteine erkannt werden. Bald kehre ich zurück, und dann sprechen wir weiter.«
Er trat zurück in das Thurmgemach, stieg die Treppe hinab und ließ Rebecca zurück, weniger erschrocken über die Aussicht des Todes, dem sie so nahe gewesen war, als über die wilde Ehrfurcht des kühnen Mannes, dessen Gewalt sie sich unglücklicherweise hingegeben sah. Als sie selbst wieder in das Gemach zurückkehrte, war ihr erstes Geschäft dem Gotte Jakobs für den Schutz zu danken, den er ihr bewiesen hatte, und um fernern Schutz für sich und ihren Vater zu erflehen. Ein anderer Name noch mischte sich in ihr Gebet; es war der des verwundeten Christen, den das Schicksal gleichfalls in die Hand blutdürstiger Menschen, seiner erklärten Feinde, gegeben hatte. Das Herz bebte ihr freilich im Busen, daß sich in ihre frommen Ergießungen das Andenken eines Mannes mischte, dessen Loos nie mit dem ihrigen sich vereinen konnte, eines Nazareners, eines Feindes ihres Glaubens. Allein es war schon geschehen, und kein enges Vorurtheil ihrer Sekte konnte Rebecca den Wunsch entlocken, das Geschehene ungeschehen zu machen.