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Wie viele Stund' und Jahre sind vergangen,
Seit Menschen hier an dieser Tafel saßen,
Und Lamp' und Kerz' auf ihrer Fläche brannten!
Mich dünk't, ich hör' den Ton uralter Zeit
Noch murmeln über uns in jener Höhe
Der dunklen Bogen, gleich den Stimmen derer,
Die längst geschlummert in der Gräber Tiefe.
Orra, eine Tragödie.
Indeß diese Maßregeln zur Befreiung Cedric's und seiner Gefährten genommen wurden, führten die Bewaffneten, welche dieser sich bemächtigt hatten, ihre Gefangenen nach dem Orte der Sicherheit, wo sie aufbewahrt werden sollten. Es wurde bald dunkel und die Waldpfade schienen den Räubern doch nur wenig bekannt zu sein. Sie mußten daher oft Halt machen, und mehr als einmal umkehren, um sich auf ihrem Wege wieder zurecht zu finden. Der Sommermorgen brach an, ehe sie mit voller Sicherheit wissen konnten, ob sie auf dem rechten Wege wären. Mit dem vollen Tageslichte kehrte ihr Vertrauen zurück, und der Zug rückte mit schnellen Schritten vorwärts. Unterdessen entspann sich zwischen den beiden Anführern der Raubgesellen folgendes Gespräch:
»Nun,« sagte der Templer zu de Bracy, »ist es wohl Zeit, daß Du uns verläßst, um den zweiten Theil Deines Schauspiels anzuordnen. Du mußt nun, wie Du weißt, bald den befreienden Ritter spielen.«
»Das hab' ich mir besser bedacht,« sagte de Bracy, »ich verlasse Dich nicht, bis der Preis glücklich in Front-de-Boeuf's Schloß in Verwahrung gebracht ist. Dort will ich vor Rowena in meiner eigenen Gestalt erscheinen, und ich denke, sie wird die Gewaltthat, der ich mich schuldig gemacht habe, der Heftigkeit meiner Leidenschaft verzeihen.«
»Und warum änderst Du denn Deinen Plan, de Bracy?« fragte der Templer.
»Das geht Dich nichts an,« war die Antwort.
»Ich will doch hoffen, Ritter,« sagte der Templer, »daß diese Abänderung in Deinen Maßregeln nicht von einem Verdachte gegen meine ehrliche Meinung herrührt, den Dir Fitzurse einzuflößen versucht hat?«
»Meine Gedanken gehören mir,« versetzte de Bracy, »der böse Feind lacht, sagt man, wenn ein Dieb den andern bestiehlt; und man weiß schon, daß, wenn man auch Feuer und Flammen speit, ein Templer sich nicht von seiner Neigung abwenden läßt.«
»Noch der Führer einer Freicompagnie,« entgegnete der Templer, »von der Furcht einer Ungerechtigkeit von Seiten seines Kameraden und Freundes, die er selbst gegen Jedermann ausübt.«
»Ich kenne schon die Moral des Tempelordens,« sagte de Bracy, »und ich will Dir nun gerade keine Gelegenheit geben, mich um die schöne Beute zu betrügen, um derenwillen ich so viel auf's Spiel gesetzt habe.«
»Still!« versetzte der Templer, »was hast denn Du zu fürchten? – Du kennst die Gelübde meines Ordens.«
»Auch wie sie gehalten werden. Die Gesetze der Galanterie lassen in Palästina eine liberale Auslegung zu, und in diesem Falle mag ich mich Deinem Gewissen gerade nicht vertrauen.«
»Nun, so höre denn,« sagte der Templer, »die blauäugige Schönheit kümmert mich nicht. Es ist Eine in dem Zuge, die mir weit besser behagt.«
»Wie? zu einem Dienstmädchen wolltest Du Dich herablassen?«
»Nein!« sagte der Templer stolz, »gewiß nicht! Ich habe unter den Gefangenen einen Preis gefunden, der dem Deinen nichts nachgibt.«
»Du meinst wohl die schöne Jüdin?«
»Und wenn ich sie meinte, wer will mir entgegen sein?«
»Niemand, so viel ich weiß, es müßte denn Dein Gelübde sein, oder eine Anwandlung von Gewissen bei der Intrigue mit einer Jüdin.«
»Des Gelübdes hat mich unser Großmeister entbunden,« sagte der Templer, »und das Gewissen anlangend, so macht sich ein Mann, der dreihundert Saracenen erlegt hat, aus solchen Lappalien nicht eben viel.«
»Du mußt Deine Vorrechte am besten kennen,« sagte de Bracy, – »indeß hätte ich schwören wollen, Dein Augenmerk wäre mehr auf des Wucherers Geldbeutel gerichtet gewesen, als auf die schwarzen Augen seiner Tochter.«
»Ich bewundere beides,« erwiderte der Templer, »der alte Jude aber ist nur eine halbe Beute für mich, denn den muß ich mit Front-de-Boeuf theilen, der uns den Gebrauch seines Schlosses nicht umsonst überlassen wird. Ich muß auch etwas für mich allein haben, und dazu habe ich mir die schöne Jüdin ausersehen. Nun also kannst Du ruhig Deinen ersten Plan ausführen, Du hast, wie Du siehst, nichts von meiner Dazwischenkunft zu fürchten.«
»Nein! nein!« versetzte de Bracy, »ich bleibe bei meinem Preise zurück. Bei Deinen Ansprüchen auf Vergebung wirst Du Dich um kleine Sünden nicht sehr bedenken.«
Während dieses Gesprächs versuchte Cedric aus denen, die ihn bewachten, ein Geständniß ihres Vorhabens und ihrer Gesinnungen zu locken. »Ihr wollt Engländer sein,« sagte er zu ihnen, »und doch stürzt Ihr als Räuber auf Eure Landsleute, als wenn Ihr wahrhafte Normänner wäret. Als meine Nachbarn solltet Ihr auch meine Freunde sein, denn meine englischen Nachbarn haben keine Ursache, es nicht zu sein. Ich sage Euch, Yeomen, auch die, welche das Loos der Achtserklärung getroffen hat, konnten sich meines Schutzes erfreuen; ich habe Mitleid mit ihrem Elende gehabt, und die Unterdrückung der tyrannischen Edelleute verflucht. Was habt Ihr also gegen mich? Oder wozu kann Euch Eure Gewaltthätigkeit helfen? Ihr seid schlimmer als rohe Thiere in Euren Handlungen, wollt Ihr auch so stumm sein wie sie?«
Es war umsonst, daß Cedric seinen Wachen so zusetzte; sie hatten zu gute Gründe, bei ihrem Stillschweigen zu beharren, als daß sie sich auf diese Art hätten dahin bringen lassen, es zu brechen.
Sie eilten daher nur schneller mit ihm fort, bis sich endlich aus der Umgebung hoher Bäume Torquilstone, das altergraue Schloß Reginald Front-de-Boeuf's, erhob. Es war nicht von großem Umfange und bestand aus einem hohen viereckigen Thurme, den minder hohe Gebäude umgaben, die durch einen innern Hofraum umschlossen wurden. Um den äußern Wall zog sich ein tiefer Graben, der von dem nahen Flusse Wasser erhielt. Front-de-Boeuf, der sich seines Charakters halber mit seinen Feinden immer in Fehde befand, hatte das Schloß noch fester gemacht, indem er auf den äußern Wall selbst hatte Thürme bauen lassen, um ihn auf jeder Ecke durch Geschoß bestreichen zu können. Der Eingang war, wie gewöhnlich bei den Schlössern jener Zeit, in einem gewölbten Außenwerke angebracht, das sich auf jeder Ecke in einem kleinen Thurme endigte, und durch denselben vertheidigt wurde.
Kaum hatte Cedric die Thürme von Front-de-Boeuf's Schloß erblickt, welche im Morgenlichte durch die Dunkelheit des Waldes schimmerten, als er auch eine ziemlich wahre Ahnung von der Ursache seines Mißgeschicks zu fassen begann.
»Ich that den Räubern und Geächteten dieses Waldes Unrecht,« sagte er, »wenn ich glaubte, solche Banditen gehörten zu ihren Banden; ich hätte eben so gut die Füchse in diesen Löchern mit den hungrigen Wölfen Frankreichs vergleichen können. Sagt mir, Ihr Hunde, ist es mein Leben oder mein Vermögen, worauf Euer Herr zielt? Ist's schon zu viel, daß zwei Sachsen, ich und der edle Athelstane, in einer Gegend Grundeigenthum besitzen, welches nicht ganz unserem Geschlechte zugehörte? Schleppt uns zum Tode, und nehmt uns das Leben, wie Ihr es schon mit unsern Freiheiten gemacht habt, damit Eure Tyrannei vollständig werde. Wenn der Sachse Cedric England nicht befreien kann, so stirbt er gern für dasselbe. Sagt Eurem tyrannischen Herrn, ich lasse ihn blos bitten, Lady Rowena unverletzt und in Ehren zu entlassen. Sie ist ein Weib, von ihr hat er nichts zu fürchten, und mit uns werden auch Alle die sterben, welche es wagen, für ihre Sache zu fechten.«
Die Begleiter blieben stumm wie zuvor, und jetzt stand man am Schloßthore. De Bracy stieß dreimal in's Horn, und die Bogen- und Armbrustschützen, welche auf dem Walle erschienen waren, um ihre Ankunft zu beobachten, ließen nun die Zugbrücke herunter und sie eintreten. Die Gefangenen wurden von der Wache genöthigt, abzusteigen, und in ein Gemach geführt, wo ein eiliges Mahl ihnen angeboten ward, welches jedoch keiner außer Athelstane anrühren mochte. Allein der Sprößling von Eduard dem Bekenner hatte nicht eben viel Zeit, der guten Mahlzeit vor ihm ihr Recht widerfahren zu lassen, denn die Wache gab ihm und Cedric zu verstehen, daß sie in einem Zimmer von Rowena getrennt aufbehalten werden sollten. Widerstand war vergeblich, und sie mußten daher in ein großes Gemach folgen, welches, auf rohen sächsischen Pfeilern sich erhebend, den Refektorien und Kapitelhäusern glich, die sich noch in den ältesten Theilen unserer ältesten Klöster finden.
Die Lady Rowena wurde gleichfalls von ihrem Gefolge getrennt, und mit Artigkeit zwar, doch ohne nach ihrem Willen zu fragen, in ein entferntes Zimmer geführt. Gleiche beunruhigende Auszeichnung wurde auch Rebecca zu Theil, trotz ihres Vaters dringenden Bitten, der sogar Geld bot, um sie bei sich behalten zu können. »Ungläubiger Schuft,« versetzte einer von der Wache, »wenn Du Dein Loch gesehen hättest, würdest Du Deiner Tochter nicht zumuthen, es zu theilen.« Und ohne alle weitere Erörterung wurde der alte Jude in einer entgegengesetzten Richtung von den andern Gefangenen fortgeschleppt. Die Dienerschaft kam, nachdem sie durchsucht und entwaffnet worden, in noch einen andern Theil des Schlosses, und Rowena mußte sogar des Trostes entbehren, ihre treue Dienerin Elgitha bei sich zu haben.
Das Gemach, worein die sächsischen Oberhäupter gebracht wurden, war ehedem die große Halle des Schlosses gewesen, jetzt aber war sie eine Art von Wachstube. Der jetzige Besitzer hatte unter andern Verbesserungen und Verschönerungen, auch eine neue Halle im edlen Style erbaut, deren Decke auf leichtern und elegantern Pfeilern ruhte, und auf diejenige reichere Art verziert war, welche die Normänner damals bereits in die Baukunst eingeführt hatten.
Cedric schritt in dem Gemache hin und her, erfüllt von Unwillen und Zorn über das Vergangene und Gegenwärtige, indeß sein Gefährte durch seine Apathie sich über Alles, außer die Unbequemlichkeit des gegenwärtigen Augenblicks, zu trösten wußte. Ja, er fühlte selbst diese so wenig, daß er von Zeit zu Zeit sogar auf Cedric's leidenschaftlich heftige Aeußerungen entgegnete.
»Ja,« sagte Cedric, halb mit sich selbst sprechend, halb zu Athelstane gewendet, »in der nämlichen Halle saß mein Vater beim festlichen Mahle mit Torquil Wolfganger, als er den tapfern und unglücklichen Harold bewirthete, der damals gegen die Norweger zog, die sich mit dem Rebellen Tosti vereinigt hatten. In dieser Halle gab Harold dem Abgesandten seines rebellischen Bruders die großmüthige Antwort. Oft habe ich meinen Vater bei Erzählung dieser Geschichte aufglühen sehen. Tosti's Gesandter ward eingelassen, als dieser Raum kaum die Menge edler Sachsenführer fassen konnte, welche rund um ihren Monarchen mit blutrothem Wein sich letzten.«
»Ich hoffe doch,« sagte Athelstane, durch diesen Theil der Rede seines Freundes etwas bewegt, »sie werden nicht vergessen, uns zu Mittag Wein und Erfrischungen zu senden, wir hatten ja kaum eine Minute zum Frühstück, und mir bekommt das Essen nun einmal nicht, wenn ich's genieße sogleich nach dem Absteigen vom Pferde, ob es gleich Manche empfehlen.«
Cedric fuhr in seiner Geschichte fort, ohne auf die Bemerkungen seines Freundes zu achten.
»Tosti's Gesandter ging die Halle entlang,« sagte er, »unerschreckt durch das drohende Ansehen Aller um ihn her, bis er vor dem Throne des Königs Harold seine Ehrfurcht bezeigte.
›Welche Bedingungen,‹ sagte er, ›Herr König, hat Dein Bruder Tosti zu erwarten, wenn er die Waffen niederlegt und um Frieden fleht?‹
›Eines Bruders Liebe,‹ rief der edelmüthige Harold, ›und die schöne Grafschaft von Northumberland.‹
›Und nimmt Tosti diese Bedingungen an,‹ fuhr der Gesandte fort, ›welches Land soll sein treuer Verbündeter Hardrada, König von Norwegen, erhalten?‹
›Sieben Fuß englischen Bodens,‹ versetzte Harold mit Stolz, ›oder da Hardrada ein Riese sein soll, bewilligen wir ihm vielleicht zwölf Zoll mehr.‹
Die Halle ertönte von Beifallsruf, und Becher und Trinkhorn wurde geleert, daß der Norweger nun bald in Besitz seines englischen Bodens kommen solle.«
»Mit Freuden hält' ich ihnen Bescheid gethan,« sagte Athelstane, »denn mir klebt die Zunge am Gaumen.«
»Der verhöhnte Gesandte,« fuhr Cedric fort, ob sich gleich der Zuhörer nicht sehr dafür interessirte, »entfernte sich, die bedeutungsvolle Antwort seines beleidigten Bruders dem Tosti zu hinterbringen. Nun sahen die Wälle von York und der blutige Fluß Derwent jenen schrecklichen Kampf, in welchem nach der unglaublichsten Tapferkeit der König von Norwegen und Tosti mit zehntausend ihrer tapfersten Begleiter fielen. Wer hätte denken sollen, daß an dem großen Tage, wo diese Schlacht gewonnen ward, derselbe Wind, der die siegenden Banner der Sachsen blähte, auch die normännischen Segel schwellen und sie an die unglückliche Küste von Sussex treiben würde; wer hätte denken sollen, daß Harold binnen wenigen Tagen selbst nicht mehr von seinem Reiche besitzen würde, als die paar Schritte, die er in seinem Zorne dem norwegischen Abenteurer bewilligen wollte? – Wer hätte denken sollen, daß Ihr, edler Athelstane, Ihr ein Abkömmling von Harold's Blut, und ich, dessen Vater wahrlich nicht der schlechteste Vertheidiger der sächsischen Krone war, eines elenden Normanns Gefangene sein würden, in derselben Halle, wo unsere Vorfahren ein solches Festmahl hielten?«
»Es ist freilich traurig,« versetzte Athelstane, »allein ich denke, wir werden schon mit einem mäßigen Lösegelde davon kommen. Auf alle Fälle aber können sie uns doch nicht Hungers sterben lassen, wiewohl ich, da es doch schon hoch am Tage ist, immer noch keine Zubereitungen zum Mittagsmahle erblicke. Schau doch einmal durch's Fenster, edler Cedric, und siehe, ob's noch nicht ganz Mittag ist.«
»Es ist möglich,« erwiderte Cedric, »allein ich kann das gefärbte Gitter nicht ansehen, ohne daß andere Betrachtungen in mir erwachen, als solche, welche sich auf den Augenblick und unsern Mangel beziehen. Als das Fenster angebracht wurde, mein edler Freund, da kannten unsere rauhen Väter die Kunst, Glas zu machen oder es zu färben, ganz und gar nicht. Wolfganger's stolzer Vater brachte einen Künstler aus der Normandie mit, um diese Halle auf die neue Art zu verzieren, welche das goldene Licht des Tages in so mancherlei phantastische Farben bricht. Der Fremde kam arm hierher, und kehrte reich und stolz zurück, seinen Landsleuten von dem Reichthume und der Einfalt der edlen Sachsen erzählend. Wir machten diese Fremdlinge zu unsern Busenfreunden, wir nahmen ihre Künstler und Künste auf, und verachteten die edle Einfalt und Rauhheit unserer Vorfahren, so wurden wir durch normännische Künste längst entnervt, ehe wir unter den Waffen der Normänner fielen. O, wie viel besser war doch unsere vaterländische Kost, in Frieden und Freiheit verzehrt, als die üppige Schwelgerei, der zu Liebe wir nun Leibeigene und Sclaven des fremden Eroberers geworden sind.«
»Mir,« versetzte Athelstane, »würde jetzt die schlechteste Kost Schwelgerei scheinen, und ich wundere mich, edler Cedric, daß Ihr Euch so genau vergangener Geschichten erinnern könnt, und die Essenszeit darüber ganz zu vergessen scheint.«
»Vergebene Mühe,« sagte Cedric für sich voller Unwillen, »mit dem von etwas Anderm zu reden, als was seinen Appetit betrifft. Hardicanut's Seele muß in ihn gefahren sein, denn er kennt kein Vergnügen, als schlingen und schlucken, und immer nach Mehrerm rufen. Ach!« setzte er mit einem mitleidigen Blicke auf Athelstane hinzu, »daß eine so dumpfe Seele in einer so gefälligen Gestalt wohnen muß, daß ein solches Unternehmen, wie Englands Umschaffung, an einer solchen Angel sich drehen soll! Zwar möchte wohl Rowena's edlere Seele, wenn er sich ihr vermählt hat, die bessere, nur schlummernde Natur in ihm erwecken. Aber wie soll dies geschehen, da Athelstane, Rowena und ich selber Gefangene des rohen Räubers sind, und vielleicht deshalb, weil unsere Freiheit ihm für die angemaßte Herrschaft seiner Nation gefährlich scheint?«
Indeß der Sachse sich in diese quälenden Gedanken versenkte, ging die Thür des Gefängnisses auf, und es trat ein Vorschneider mit seinem weißen Amtsstabe ein. Die wichtige, gravitätisch eintretende Person hatte vier Begleiter, welche einen mit allerlei Speisen besetzten Tisch trugen, deren Anblick und Geruch Athelstane ein hinreichender Ersatz für das erduldete Ungemach schien. Alle Personen, welche bei Tische aufwarteten, waren maskirt und verhüllt.
»Was soll diese Mummerei?« sagte Cedric, »denkt Ihr, wir wissen nicht, wessen Gefangene wir sind? Euer Herr mag seine Raubsucht befriedigen, wie ein Räuber! Sagt ihm, er soll das Lösegeld für uns bestimmen, und es soll bezahlt werden, wenn es nicht über unsere Kräfte ist.«
Der Vorschneider gab keine Antwort, sondern verbeugte sich blos.
»Und meldet Reginald Front-de-Boeuf,« sagte Athelstane, »daß ich ihn auf Tod und Leben fordere, zu Fuß oder zu Pferde, an einem sichern Orte, binnen acht Tagen nach unserer Befreiung, die er unter solchen Umständen uns nicht wagen wird zu verweigern.«
»Ich werde dem Ritter Eure Ausforderung hinterbringen,« erwiderte der Vorschneider, »unterdessen überlasse ich Euch Eurer Mahlzeit.«
Athelstane's Ausforderung kam nicht eben sonderlich heraus, denn er hatte den Mund voll Speise und brauchte beide Kinnbacken äußerst nöthig zum Zermalmen derselben; indessen machte sie doch auf Cedric einen guten Eindruck, so daß dieser ihm seinen ungeheuern Appetit fast verzieh.
Die Gefangenen hatten ihre Erfrischungen nicht lange genossen, als ihre Aufmerksamkeit von dieser ernsten Beschäftigung durch die Töne eines Hornes abgelenkt wurde, welche sich vor dem Thore hören ließen. Es wurde dreimal mit solcher Gewalt geblasen, daß es schien, als sollten Thürme und Wälle dadurch zusammenstürzen. Die Sachsen sprangen von dem Tische auf, und eilten zum Fenster. Allein sie konnten ihre Neugier nicht befriedigen; denn die Fenster gingen auf den Schloßhof, und die Töne kamen von der äußersten Umgebung her. Die Aufforderung schien indessen von Wichtigkeit, denn es entstand sogleich ein bedeutender Lärm im Schlosse.