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Elftes Kapitel.

Ich sagt', sie ist 'ne Ehebrecherin –
Ich sagt', mit wem sie sonst noch hat gesündigt, –
Camillo ist mit ihr vertraut und kennt,
Was selbst zu kennen sie sich schämen sollte.

Wintermährchen.

Sobald sie in dem Cabinet des Grafen ankamen, zog Leicester seine Schreibtafel aus der Tasche und begann zu schreiben, indem er theils mit Varney, theils mit sich selber sprach: – »Viele von ihnen sind fest mit mir verbunden, und besonders die, welche einen hohen Rang begleiten und gute Besitzungen haben; Viele, wenn sie auf meine Wohlthaten zurückblicken, oder vorwärts auf die Gefahren, welche ihnen zu Theil werden mögen, werden nicht geneigt sein, mich ohne Unterstützung schwanken zu sehen. Laß mich sehen – Knollis ist sicher, und auf diese Weise Guernsey und Jersey, – Horsey gebietet auf der Insel Wight, – mein Schwager Huntingdon und Pembroke haben Einfluß in Wales, – durch Bedford gewinne ich die Puritaner. – Mein Bruder Warwick ist mir beinahe gleich an Macht und Einfluß, – Sir Owen Hopton ist mir ergeben. Er hat über den Tower und den Staatsschatz zu verfügen. – Mein Vater und Großvater hätten ihre Köpfe nicht auf den Block zu legen brauchen, hätten sie ihre Unternehmungen so gut vorher berechnet. – Warum siehst Du so traurig aus, Varney?«

»Ach, Mylord,« sagte Varney mit wohlausgedrückter Leidenschaft, und nahm dann denselben trostlosen Ausdruck wieder an, welchen Leicester vorher bemerkt hatte.

»Ach!« wiederholte Leicester, »und warum ach! Sir Richard? Liefert Dir Dein neuer ritterlicher Geist keinen kräftigeren Ausruf, wenn ein edler Kampf bevorsteht? oder wenn dieses Ach bedeuten soll, daß Du Dich aus dem Kampfe wegstehlen willst, so magst Du das Schloß verlassen, oder Dich mit meinen Feinden verbinden, sobald Du es für gut hältst.«

»Nicht so, Mylord,« antwortete sein Vertrauter; »Varney wird an Eurer Seite fechten oder sterben. Verzeiht mir, wenn ich aus Liebe zu Euch deutlicher, als Euer edles Herz Euch zu thun erlaubt, die Schwierigkeiten bemerke, von denen Ihr umgeben seid. Ihr seid stark und mächtig, Mylord; doch erlaubt mir es, zu sagen, Ihr seid es nur durch das zurückstrahlende Licht der königlichen Gunst. So lange Ihr Elisabeths Günstling seid, gleicht Ihr in Allem, außer in dem Namen, einem wirklichen Herrscher. Nimmt sie aber die Euch verliehene Ehre zurück, so würde selbst die Kürbisflasche des Propheten nicht so leicht verwelken. Erklärt Euch gegen die Königin, und ich sage nicht, daß Ihr Euch in der großen Nation, oder in dieser Provinz allein plötzlich verlassen und ausgeschlossen finden würdet; doch ich sage, daß Ihr selbst in diesem Schlosse, und in der Mitte Eurer Vasallen, Verwandten und Dienstleute ein Gefangener, ja ein verurtheilter Gefangener sein würdet, sollte sie den Wink dazu geben. Denkt an Norfolk, Mylord, – an den mächtigen Northumberland, an den herrlichen Westmoreland, – denkt an alle Die, welche dieser weisen Prinzessin Trotz geboten haben. Sie sind todt, gefangen, oder verbannt. Dieser Thron gleicht nicht den andern, die durch eine Verbindung mächtiger Großen können umgestürzt werden. Die feste Grundlage, auf der er ruht, besteht in der weit verbreiteten Liebe und Zuneigung des Volks. Ihr könntet ihn mit Elisabeth theilen, wenn Ihr wolltet; doch weder Eure, noch irgend eine fremde oder heimische Macht wird ihn umzustürzen, oder auch nur zu erschüttern vermögen.«

Er schwieg und Leicester warf seine Schreibtafel verächtlich von sich. »Es mag sein, wie Du sagst,« entgegnete er; »und in der That, es liegt mir nichts daran, ob Wahrheit oder Feigheit Dir Deine Prophezeihungen eingibt. Doch soll man nicht von mir sagen, daß ich ohne Kampf gefallen bin. Ertheile Befehle, daß diejenigen von meinen Leuten, welche unter mir in Irland gedient haben, sich nach und nach im Castell versammeln, und laß unsere Freunde wachsam sein, und bewaffnet ausgehen, als erwarteten sie einen Angriff von den Begleitern des Grafen von Sussex. Verursache den Einwohnern des Dorfes einige Furcht; laß sie die Waffen ergreifen, und auf ein gegebenes Zeichen bereit sein, sich der königlichen Garde zu bemächtigen.«

»Erlaubt mir, Euch zu erinnern, Mylord,« sagte Varney mit demselben schwermüthigen Ausdrucke, »daß Ihr mir Befehl gegeben habt, Vorbereitungen zur Entwaffnung der königlichen Garde zu machen. Es ist Hochverrath; doch ich will Euch dessen ungeachtet gehorchen.«

»Es liegt mir nichts daran,« sagte Leicester verzweiflungsvoll. »Schande liegt hinter mir, Untergang vor mir, – ich muß vorwärts.«

Hier trat noch eine Pause ein, welche Varney endlich mit folgenden Worten unterbrach: »Jetzt ist es zu dem Punkte gekommen, den ich lange gefürchtet. Ich muß entweder, gleich einem undankbaren Thiere, den Fall des besten und gütigsten Herrn mit ansehen, oder aussprechen, was ich sonst in tiefster Vergessenheit würde begraben haben, oder von einem Andern hätte aussprechen lassen.«

»Was ist es, was Du sagst, oder sagen willst?« versetzte der Graf; »wir haben keine Zeit an Worte zu verschwenden, wo die Umstände uns zur Handlung auffordern.«

»Ich bin bald mit meiner Rede zu Ende, Mylord, – wollte Gott, sie wäre auch so bald beantwortet. Eure Heirath ist die einzige Veranlassung zu dem gefürchteten Bruche mit Eurer Gebieterin, nicht wahr?«

»Du weißt ja, daß es so ist!« versetzte Leicester. »Wozu dient eine so unnütze Frage?«

»Verzeiht mir, Mylord,« sagte Varney, »der Nutzen ist folgender. Die Menschen wagen ihren Besitz und ihr Leben bei der Vertheidigung eines reichen Kleinods; wäre es aber nicht klug, vorher zuzusehen, ob dieses Kleinod auch einen Makel hat?«

»Was soll dies bedeuten?« fragte Leicester, indem er seine Augen fest auf seinen Dienstmann richtete, »von wem wagst Du so zu reden?«

»Nun, – von der Gräfin Emma muß ich unglücklicherweise reden; und ich will reden, sollte mich auch Ew. Herrlichkeit wegen meines Eifers tödten.«

»Es könnte sein, daß Du es von mir verdientest,« sagte der Graf; »aber rede weiter, ich will Dich anhören.«

»Dann werde ich frei heraus reden, Mylord. Mir gefällt nicht der geheime Umgang dieser Dame mit jenem Edmund Tressilian. Ihr kennt ihn, Mylord. Ihr wißt, daß sie früher einige Neigung zu ihm hegte, die Ihr nur mit Mühe überwandet. Ihr wißt, mit welcher Lebhaftigkeit er mir hinsichtlich dieser Dame zugesetzt hat, und sein Zweck war nur, Euch zu dem Geständniß dieser höchst unglücklichen Heirath, wie ich nicht umhin kann, sie zu nennen, mit Gewalt zu treiben, welche Absicht Mylady ebenfalls hat.«

Leicester lächelte erzwungen. »Du meinst es gut, Sir Richard, und würdest, glaube ich, Deine eigene Ehre, sowie auch die jeder andern Person opfern, um mich von dem zurückzuhalten, was Du einen schrecklichen Schritt nennst. Aber bedenke –« diese Worte sprach er mit finsterem Ausdrucke und großer Bestimmtheit, – »bedenke, daß Du von der Gräfin von Leicester redest.«

»Das thue ich, Mylord,« sagte Varney; »doch geschieht es zum Wohle des Grafen von Leicester. Meine Geschichte ist noch nicht zu Ende. Ich glaube fest, daß dieser Tressilian fortwährend mit Ihrer Herrlichkeit der Gräfin im Einverständnisse gewesen ist.«

»Du redest im Wahnsinn, Varney, und hast das nüchterne Gesicht eines Predigers. Wo, oder wie konnten sie mit einander zusammenkommen?«

»Mylord,« sagte Varney, »unglücklicherweise kann ich das nur zu deutlich beweisen. Kurz vorher, ehe die Bittschrift an die Königin eingereicht wurde, begegnete mir Tressilian zu meinem äußersten Erstaunen am Hinterthore von Cumnor Place.«

»Er begegnete Dir, Schurke? und warum schlugst Du ihn nicht zu Boden?« rief Leicester.

»Ich zog gegen ihn, Mylord, und er gegen mich; und wäre nicht mein Fuß ausgeglitten, so wäre er vielleicht kein Stein des Anstoßes mehr in Eurer Herrlichkeit Wege.«

Leicester verstummte vor Erstaunen und antwortete endlich: »Welche weiteren Beweise hast Du, Varney, außer Deiner eigenen Behauptung? – Denn so wie ich strenge bestrafen will, soll auch Alles kalt und bedächtig untersucht werden.« Er wiederholte diese Worte mehrmals für sich, als ob in dem Tone derselben etwas Beruhigendes läge. Dann drückte er die Lippen zusammen, als fürchte er einen neuen heftigen Ausbruch, und fragte nochmals: »Welchen weitern Beweis hast Du?«

»Genügenden Beweis, Mylord,« sagte Varney. »Ich wollte, ich wäre der einzige Zeuge, dann hätte ich die Sache vielleicht auf immer verschwiegen. Doch mein Diener Michael Lambourne war bei dem Ganzen zugegen, und hatte eigentlich Tressilian nach Cumnor Place geführt. Daher nahm ich ihn in meinen Dienst und behielt ihn bei mir, obgleich er ein ausschweifender Kerl ist, um seine Zunge immer unter meinem Commando zu haben.« – Dann sagte er dem Grafen von Leicester, wie leicht es sei, diesen Umstand durch Anton Fosters Zeugniß, sowie auch durch die Aussage verschiedener Personen zu Cumnor, als wahr zu erweisen, welche gehört hätten, wie die Wette gemacht worden, und gesehen, wie Lambourne und Tressilian mit einander fortgegangen. Bei der ganzen Erzählung wagte Varney nichts Unwahres hinzuzusetzen, mit Ausnahme der indirekten Behauptung, daß jene Unterredung zwischen Emma und Tressilian länger gewährt habe, als wenige Minuten.

»Und warum sagte man mir Alles dies nicht?« sagte Leicester finster. »Warum habt Ihr Alle, – und besonders Du, Varney, mir eine so wichtige Nachricht vorenthalten?«

»Weil die Gräfin gegen Foster und mich behauptete,« versetzte Varney, »daß Tressilian sich ihr aufgedrungen habe, und weil ich vermuthete, daß die Unterhaltung in allen Ehren vor sich gegangen, und daß sie Ew. Herrlichkeit zu gelegener Zeit davon sagen werde. Ihr wißt, wie ungern man schlimme Gerüchte von Denen anhört, die man liebt; und Gott sei Dank! ich bin kein Spion und Angeber, um zuerst davon zu reden.«

»Wie weißt Du aber, daß diese Unterredung nicht in allen Ehren vor sich ging?« entgegnete der Patron. »Mich dünkt, die Gattin des Grafen von Leicester könnte wohl eine kurze Zeit mit einem Manne wie Tressilian reden, ohne daß es ihr Verdacht zuzieht.«

»Gewiß,« antwortete Varney; »ich würde das Geheimniß nicht bewahrt haben, hätte ich anders gedacht. Aber Tressilian hat den Ort nicht verlassen, ohne eine Correspondenz mit einem armen Manne, einem Gastwirth zu Cumnor anzuknüpfen, zum Zweck der Entführung der Dame. Er schickte einen Boten hinunter, den ich bald in sicherem Gewahrsam haben werde. Der Wirth wurde für sein Schweigen mit einem Ringe belohnt – vielleicht haben Ew. Herrlichkeit ihn früher an Tressilians Hand bemerkt – hier ist er. Dieser Kerl geht als Hausirer nach Cumnor Place, führt eine Unterhaltung mit der Dame, und sie entfliehen zusammen in der Nacht – raubt einem armen Kerl sein Pferd, und endlich erreichen sie dieses Schloß, wo die Gräfin von Leicester Zuflucht findet – ich wage nicht zu sagen an welchem Orte.«

»Sprich, ich befehle es Dir, so lange ich noch Verstand genug habe, Dich anzuhören,« sagte Leicester.

»Wenn es denn sein muß,« antwortete Varney, – »die Dame ging sogleich auf Tressilians Zimmer, wo sie mehrere Stunden, theils in seiner Gesellschaft, theils allein blieb. Ich sagte Euch, Tressilian habe ein Mädchen auf seinem Zimmer – ich dachte damals noch nicht daran, was dies für ein Frauenzimmer sein könnte.«

»Emma willst Du sagen,« antwortete Leicester; »doch es ist falsch, falsch wie der Rauch der Hölle! Ehrgeizig mag sie sein – leichtsinnig und ungeduldig, – das ist ein weiblicher Fehler; aber falsch gegen mich? nimmermehr! – gib mir den Beweis davon.«

»Der Thürsteher Carrol führte sie gestern auf ihren eigenen Wunsch dorthin – Lambourne und der Gefangenwärter fanden sie diesen Morgen in aller Frühe noch dort.«

»War Tressilian bei ihr?« fragte Leicester hastig.

»Nein, Mylord. Ihr werdet Euch erinnern, daß er von Sir Nicolas Blount arretirt wurde.«

»Wußte Carrol und die andern Leute, wer sie sei?«

»Nein, Mylord; Carrol und der Gefangenwärter hatten die Gräfin nie gesehen, und Lambourne erkannte sie nicht in ihrer Verkleidung; doch als er sie zu verhindern suchte, ihre Zelle zu verlassen, blieb einer von ihren Handschuhen in seinem Besitz, den Ihr wahrscheinlich kennen werdet.«

Er reichte ihm den Handschuh, worauf des Grafen Wappen gestickt war.

»Ich erkenne ihn,« sagte Leicester; »ich habe ihr diese Handschuhe selber geschenkt. Der andere war noch heute an dem Arm, den sie um meinen Nacken schlang.«

»Ew. Herrlichkeit mögen sich bei der Dame selber nach der Wahrheit dieser Aussage erkundigen.«

»Es ist nicht nöthig,« sagte der Graf in großer Qual – »ich sehe ihre Schande zu klar – ich sehe nichts weiter; und – gütiger Himmel! – für dieses schändliche Weib war ich im Begriff, das Leben so vieler edlen Freunde in Gefahr zu bringen – die Grundlage eines gesetzlichen Thrones zu erschüttern – das Schwert und die Brandfackel durch ein friedliches Land zu tragen – der gnädigen Herrscherin Unrecht zu thun, die mich zu dem machte, was ich bin, und die mich zu dem Höchsten würde erhoben haben, was ein Mensch werden kann, wäre nicht diese in der Hölle geschlossene Heirath! Alles dieses wollte ich für ein Weib thun, die sich mit meinen ärgsten Feinden verbindet! – Und Du; Schurke, warum redetest Du nicht früher?«

»Mylord,« sagte Varney, »eine Thräne von Mylady würde Alles aufgewogen haben, was ich hätte sagen können. Ueberdies erhielt ich die vollständigen Beweise erst diesen Morgen, wo Anton Foster ankam.«

»Gott sei gepriesen für das Licht, welches er mir verliehen hat – so genügend, daß Niemand mein Verfahren übereilt, oder meine Rache ungerecht nennen wird. – Und doch, Varney, so jung, so schön, und so falsch? Daraus erklärt sich also ihr Haß gegen Dich, meinen treuen Diener, weil Du ihren Plänen entgegenstandest, und das Leben ihres Buhlen gefährdetest?«

»Nie gab ich ihr eine andere Veranlassung zum Mißfallen, Mylord,« versetzte Varney; »doch sie wußte, daß meine Rathschläge ihren Einfluß bei Ew. Herrlichkeit verringerten, und daß ich stets bereit gewesen, mein Leben gegen Eure Feinde in Gefahr zu setzen.«

»Es ist nur zu klar,« sagte Leicester; »doch mit welcher Würde ermahnte sie mich, mein Haupt der Gnade der Königin darzubieten, lieber als den Schleier der Falschheit noch einen Augenblick länger zu tragen! Mich dünkt, der Engel der Wahrheit selber könnte keine so erhabenen Töne haben. Kann es möglich sein, Varney? – kann die Lüge so kühn die Sprache der Wahrheit annehmen? Kann die Schande sich so in das Gewand der Reinheit kleiden? – Varney, Du bist von Kindheit an mein Diener gewesen – ich habe Dich hoch erhoben – ich kann Dich noch höher heben. Denke für mich! Dein Verstand ist scharfsinnig und verschlagen – sollte sie nicht vielleicht unschuldig sein? Beweise sie als unschuldig, und Alles, was ich bisher für Dich gethan, soll nichts sein im Vergleich mit der Belohnung, die Du dann erhalten sollst.«

Varney war wirklich von der tiefen Seelenqual seines Herrn etwas ergriffen und antwortete: »Aber wenn sie schuldig war, warum wagte sie sich hieher? Warum floh sie nicht lieber in das Haus ihres Vaters, oder anders wohin? Doch dafür kann man ihren Wunsch als Grund anführen, als Gräfin von Leicester erkannt zu werden.«

»Wahr, sehr wahr!« rief Leicester. »Du bist nicht im Stande, Varney, den Witz eines Weibes zu ergründen. Ich durchschaue Alles. Sie wollte den Rang und Titel des Thoren nicht aufgeben, der sie geheirathet. Ja, wenn ich in meinem Wahnsinn eine Empörung angestiftet, oder wenn die Königin mich in ihrem Zorne zum Tode verurtheilt hätte, wie sie mir diesen Morgen drohte, so würde die Erbschaft der verwittweten Gräfin von Leicester dem bettelhaften Tressilian nicht übel zu Statten gekommen sein. Sie soll den Tod der Verrätherin und Ehebrecherin sterben, den sie nach göttlichen und menschlichen Gesetzen verdient! – Und was ist dies für ein Kästchen?« sagte er, »welches mir soeben ein Knabe einhändigte, mit der Bitte, es an Herrn Tressilian abzugeben, da er es der Gräfin nicht selber überliefern könne? Beim Himmel, die Worte überraschten mich, als er sie aussprach, obgleich ich mit andern Dingen beschäftigt war; aber jetzt kehren sie mir mit doppelter Gewalt zurück. – Es ist ihr Juwelenkästchen! – brich es auf, Varney; zerbrich die Hängen mit Deinem Dolche«

»Sie verweigerte einst den Dienst meines Dolches,« dachte Varney, »um einen Brief zu öffnen, doch jetzt soll er mächtiger in ihr Schicksal eingreifen.« Hierauf wendete er die dreieckige Klinge seines Dolches dazu an, die schwachen silbernen Hängen des Kästchens zu erbrechen. Sobald der Graf das Kästchen geöffnet sah, riß er es Sir Richard aus der Hand, nahm den Deckel ab, warf den glänzenden Inhalt heraus und streute ihn in äußerster Wuth auf den Boden, während er begierig nach einem Briefe suchte, der die eingebildete Schuld der Gräfin noch mehr bestätigen sollte. Dann stampfte er wüthend auf die Edelsteine und rief: »So vernichte ich das elende Spielwerk, wofür Du Dich selber mit Leib und Seele verkauft hast! – Rede nicht von Vergebung, Varney, – sie ist verurtheilt!« Mit diesen Worten verließ er das Zimmer und eilte in das anstoßende Gemach, dessen Thüre er verriegelte.

Varney sah ihm nach, während sich ein etwas menschlicheres Gefühl in ihm zu regen schien. »Es thut mir leid um seine Schwachheit, doch die Liebe hat ihn zum Kinde gemacht. Er wirft diese kostbaren Spielsachen auf die Erde, und tritt mit den Füßen darauf – mit derselben Heftigkeit würde er das zerbrechlichste Spielzeug von allen, wofür er so heftig schwärmte, in Stücke zerschlagen. Aber diese Neigung wird auch vergessen werden, wenn der Gegenstand nicht mehr vorhanden ist. Er versteht nicht, die Dinge richtig zu schätzen, welche Anlage mir die Natur verliehen hat. Wenn Leicester erst König ist, so wird er eben so wenig an die Stürme der Leidenschaft denken, durch welche er den königlichen Hafen erreicht hat, wie der Seemann am sicheren Gestade an die Gefahr der Reise denkt. Doch diese Gegenstände dürfen nicht hier bleiben – sie sind zu kostbar um damit den Fußboden zu belegen.«

Während Varney beschäftigt war, die Edelsteine aufzulesen und sie in einen verborgenen Schubkasten zu legen, bemerkte er, daß die Thür zu dem Kabinete sich öffnete, der Vorhang auf die Seite geschoben wurde, und des Grafen Gesicht daraus hervorblickte, doch mit so starren Augen und so blassen Lippen und Wangen, daß er über die plötzliche Veränderung erschrak. Sobald seine Blicke denen des Grafen begegneten, zog der Letztere seinen Kopf zurück und verschloß die Thür. Leicester wiederholte dieses zwei Mal, ohne ein Wort zu reden, so daß Varney schon zu fürchten begann, sein Verstand möge gelitten haben. Zum dritten Mal winkte er, und Varney folgte ihm. Als er eintrat, fand er bald, daß die Verwirrung seines Herrn nicht durch Wahnsinn, sondern durch einen schrecklichen Vorsatz veranlaßt worden sei. Sie brachten eine volle Stunde in lebhafter Berathung zu, nach welcher der Graf von Leicester sich mit unglaublicher Anstrengung ankleidete und sich entfernte, um seinem königlichen Gaste aufzuwarten.



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