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Sechzehntes Kapitel.

Die Todtenglocke hört man drei Mal tönen,
Die hehre Stimme schallet durch die Luft;
Und drei Mal schlägt der Rabe seine Flügel
Um Cumnor Hall's ergraute Riesenthürme.

Mickle.

Wir kehren jetzt zu dem Theil unserer Geschichte zurück, wo wir erzählten, daß Varney, mit der Vollmacht des Grafen von Leicester und der Erlaubniß der Königin versehen, sich beeilt habe, um die Entdeckung seiner Treulosigkeit zu verhindern, die Gräfin aus dem Schlosse Kenilworth zu entfernen. Er hatte gesagt, er wolle früh am nächsten Morgen abreisen, doch da er fürchtete, der Graf möge in der Zwischenzeit auf andere Gedanken kommen, und sich noch ein Mal mit der Gräfin unterreden, so beschloß er durch unmittelbare Abreise eine Erklärung zu verhindern, die wahrscheinlich sein Verderben zur Folge gehabt haben würde. Zu diesem Zwecke ließ er Lambourne aufsuchen, und war sehr aufgebracht, als er hörte, daß sein zuverlässiger Diener sich in das benachbarte Dorf oder anderswohin begeben habe. Sir Richard befahl daher, daß er sich sogleich zur Reise rüsten und ihn begleiten, oder ihm folgen solle, wenn er erst nach seiner Abreise zurückkäme.

Inzwischen bediente sich Varney eines Mannes Namens Robin Tider, dem die Geheimnisse von Cumnor Place schon einigermaßen bekannt waren, da er den Grafen mehr als ein Mal dorthin begleitet hatte. Diesem Manne, dessen Charakter dem des Michael Lambourne glich, obgleich er nicht ganz so brauchbar und nicht so ausschweifend war, ertheilte Varney den Befehl, drei Pferde zu satteln, eine Sänfte anzuschaffen und vor dem Hinterthor in Bereitschaft zu halten. Der Wahnsinn seiner angeblichen Gattin, woran man jetzt allgemein glaubte, galt als hinreichender Grund, sie insgeheim aus dem Schlosse zu führen, und er rechnete auf dieselbe Entschuldigung, wenn die unglückliche Emma sich widersetzen oder schreien sollte. Anton Foster's Beistand war unerläßlich, und dessen mußte sich Varney vorher versichern.

Dieser von Natur ungesellige Mann, der überdies von seiner Reise, um die Nachricht von der Flucht der Gräfin zu überbringen, etwas ermüdet war, hatte sich früh von der muntern Gesellschaft losgemacht und sich auf sein Zimmer begeben, wo er im Schlafe lag, als Varney, vollständig zur Reise gerüstet, mit einer dunklen Laterne in der Hand in sein Zimmer trat. Er schwieg einen Augenblick, um zu hören, was sein Bundesgenosse im Schlafe murmelte, und konnte bald deutlich die Worte unterscheiden: » Ave Maria, ora pro nobis – nein, so heißt es nicht – erlöse uns von dem Bösen – ja, so heißt es.«

»Er betet im Schlaf,« sagte Varney, »und mengt seinen alten und neuen Glauben unter einander. Er wird des Gebetes noch mehr bedürfen, ehe er meinen Auftrag ausgeführt hat. – Heda, heiliger Mann! – demüthiger Büßender! erwache, erwache! – der Teufel hat Dich noch nicht aus seinem Dienst entlassen.«

Als Varney zu gleicher Zeit den Schläfer am Arm schüttelte, kam dieser auf andere Gedanken und brüllte: »Diebe! – Diebe! – Ich will mein Gold mit meinem Leben vertheidigen – mein mühsam erworbenes Gold, welches mir so theuer zu stehen gekommen ist. – Wo ist Jeannette? – Ist Jeannette in Sicherheit?«

»In gehöriger Sicherheit, Du Narr,« sagte Varney; »schämst Du Dich nicht, so zu schreien?«

Jetzt war Foster vollkommen wach, richtete sich in seinem Bette auf, fragte Varney nach der Bedeutung dieses ungelegenen Besuches und setzte hinzu: »Das bedeutet nichts Gutes.«

»Eine heilige Prophezeiung, mein heiliger Antonius,« versetzte Varney; »es bedeutet, daß die Stunde gekommen ist, Dein Pachtgut in ein Freigut zu verwandeln – was sagst Du dazu?«

»Hättest Du es mir am hellen Tage gesagt, so würde ich mich gefreut haben,« sagte Foster; »doch um Mitternacht, bei diesem trüben Lichte, und indem ich in Dein blasses Gesicht sehe, welches einen so gräßlichen Widerspruch zu Deinen leichtfertigen Worten bildet, kann ich nicht umhin, mehr an das Werk zu denken, welches gethan werden soll, als an die Belohnung, die ich dafür erhalte.«

»Ei, Du Thor, Du sollst nur Deine Schutzbefohlene nach Cumnor Place zurückgeleiten.«

»Ist das in der That Alles?« fragte Foster; »Du siehst todtenblaß aus, und läßt Dich sonst nicht durch Kleinigkeiten bewegen – ist das in der That Alles?«

»Ja, das – und vielleicht noch eine Kleinigkeit mehr,« sagte Varney.

»Ja, auf die Kleinigkeit wird es ankommen!« sagte Foster; »Du wirst immer blässer und blässer.«

»Achte nicht auf mein Gesicht,« sagte Varney, »es erscheint Dir nur so bei diesem elenden Licht. Steh auf, Mann, und geh' ans Werk – denk' an Cumnor Place – Dein eigenes Freigut. – Du kannst ja eine wöchentliche Betstunde halten und Jeannette wie eine Baronstochter aussteuern – siebzig Pfund und darüber –«

»Neunundsiebzig Pfund, fünf Schilling und fünf und einen halben Pfennig, außer dem Werth des Holzes,« sagte Foster; »und das Alles soll ich als Eigenthum erhalten?«

»Alles, Mann – Eichhörnchen und Alles – keine Zigeunerin soll soviel abschneiden dürfen, um einen Besen daraus zu binden – kein Knabe ein Vogelnest ausnehmen, ohne Dir Strafgeld zu bezahlen. – Ja, das ist richtig – lege Deine Kleider an, sobald als möglich – die Pferde sind bereit und alles Uebrige, außer jenem verdammten Schurken Lambourne, der noch irgendwo herumschweift, der Teufel mag wissen, wo.«

»Ja, Sir Richard,« sagte Foster, »Ihr wolltet meinen Rath nicht annehmen. Ich sagte Euch immer, jener Trunkenbold würde Euch im Stiche lassen, wenn Ihr seiner gerade am Nöthigsten bedürftet. Nun hätte ich Euch zu einem nüchternen jungen Manne verhelfen können.«

»Vielleicht zu einem langsam redenden Mitgliede Deiner Brüderschaft? – Nun, dergleichen Leute werdet Ihr auch gebrauchen können. – Der Himmel sei gelobt, wir bedürfen Arbeiter jeder Art. – Ja, das ist Recht – vergiß Deine Pistolen nicht – jetzt komm und laß und gehen.«

»Wohin?« fragte Anton Foster.

»In Mylady's Zimmer – und bedenke, daß sie nothwendig mit muß. Du pflegst ja über einen Schrei nicht zu erschrecken.«

»Nicht, wenn ein Grund aus der heiligen Schrift dafür angegeben werden kann, und es steht geschrieben: Weiber, gehorchet Euren Männern! Aber haben wir Mylords Befehl, Gewalt anzuwenden?«

»Still,« antwortete Varney, »hier ist sein Siegelring.« Nachdem er auf diese Weise seinen Kameraden zum Schweigen gebracht hatte, gingen sie zusammen in Lord Hunsdons Zimmer und machten die Schildwache mit ihrem Vorsatze bekannt, zeigten die Vollmacht von der Königin und dem Grafen von Leicester vor, und traten in das Gemach der unglücklichen Gräfin.

Man kann sich Emma's Entsetzen denken, als sie plötzlich aus ihrem Schlummer erweckt wurde, und Varney neben ihrem Bette erblickte – den Mann, welchen sie auf Erden am meisten fürchtete und haßte. Es war noch ein Trost für sie, daß er nicht allein war, obgleich sie Grund hatte, auch seinen finstern Gefährten zu fürchten.

»Madame,« sagte Varney, »es ist keine Zeit zur Ueberlegung. Mylord von Leicester sendet Euch in Erwägung der dringenden Nothwendigkeit seine Befehle, uns augenblicklich zu begleiten, und nach Cumnor Place zurückzukehren. Hier ist sein Siegelring als Zeichen seines dringenden Befehls.«

»Es ist falsch!« sagte die Gräfin; »Du hast den Ring gestohlen – Du, der Du zu jedem Schurkenstreiche fähig bist!«

»Es ist wahr, Madame,« versetzte Varney, »so wahr, daß wenn Ihr nicht sogleich aufsteht, und Euch bereit macht, uns zu begleiten, wir Euch zwingen müssen, uns Folge zu leisten.«

»Zwingen! – Du wirst nicht wagen, es bis dahin zu treiben, so niedrig Du auch bist,« rief die unglückliche Gräfin.

»Das steht noch zu beweisen, Madame,« sagte Varney, der sie in Furcht zu setzen versuchte, um ihren stolzen Geist zu beugen; »wenn Ihr mich dazu nöthigt, so sollt Ihr in mir einen rauhen Kammerdiener finden.«

Bei dieser Drohung schrie Emma so heftig auf, daß Lord Hunsdon und seine Diener ihr zu Hülfe gekommen sein würden, hätten sie sie nicht für wahnsinnig gehalten. Als sie bemerkte, daß ihr Schreien vergebens sei, wendete sie sich an Foster und beschwor ihn in den rührendsten Ausdrücken, wenn ihm die Ehre und Reinheit seiner Tochter Jeannette theuer sei, sie nicht auf so grausame Weise behandeln zu lassen.

»Nun, Madame, die Weiber müssen ihren Männern gehorchen, sagt die Schrift,« entgegnete Foster, »und wenn Ihr Euch ankleiden und uns ruhig folgen wollt, soll Niemand einen Finger an Euch legen, so lange ich noch eine Pistole abdrücken kann.«

Als keine Hülfe kam, beruhigte sich die Gräfin selbst bei Fosters mürrischen Worten, und versprach aufzustehen und sich anzukleiden, wenn sie sich aus dem Zimmer entfernen wollten. Varney versicherte ihr zugleich, daß sie eine ehrenvolle Behandlung von ihnen erfahren solle, und versprach, sich ihr nicht zu nähern, da seine Gegenwart ihr so unangenehm sei. Ihr Gemahl, setzte er hinzu, werde vierundzwanzig Stunden nach ihrer Ankunft in Cumnor Place eintreffen.

Etwas getröstet durch diese Versicherung, worauf sie sich freilich nicht sehr verlassen konnte, machte die unglückliche Emma bei der trüben Laterne ihre Toilette, die sie ihr zurückließen, als sie aus dem Zimmer gingen.

Weinend, zitternd und bebend kleidete sich die unglückliche Dame an – mit Empfindungen sehr verschieden von denen, womit sie sich früher in dem Stolze ihrer Schönheit zu schmücken pflegte. Sie brachte so lange als möglich bei ihrem Anzuge zu, bis sie, durch Varney's Zudringlichkeit erschreckt, sich bereit erklären mußte, ihnen zu folgen.

Als sie im Begriff waren, aufzubrechen, hing sich die Gräfin bei Varney's Annäherung mit solchem Entsetzen an Foster, daß der Erstere hoch und theuer schwur, er habe nicht die Absicht sich ihr zu nähern. »Wenn Ihr nur einwilligt, ruhig dem Befehl Eures Gemahls zu folgen,« sagte er, »so sollt Ihr mich so wenig als möglich sehen. Ich will Euch ungestört der Sorgfalt des Führers überlassen, den Euer Geschmack vorzieht.«

»Der Befehl meines Gemahls!« rief sie. »Aber es ist Gottes Wille, und das muß mir genug sein. – Ich will so unbedenklich mit Herrn Foster gehen, wie nur je ein Opfer es that. Er ist Vater und wird wenigstens Gefühl für Schicklichkeit, wenn auch nicht Menschlichkeit besitzen. Dir, Varney, sind beide gleich fremd.«

Varney erwiderte nur, sie habe freie Wahl, und ging ihnen einige Schritte voran, während die Gräfin, sich halb auf Foster stützend, halb von ihm getragen, vom Saintlowe-Thurme zu dem Hinterthore geführt wurde, wo Tider mit der Sänfte und den Pferden wartete.

Die Gräfin wurde ohne Widerstand in die erstere gesetzt. Sie sah mit einiger Beruhigung, daß während Foster und Tider dicht neben der Sänfte ritten, welche der Letztere führte, der gefürchtete Varney zurückblieb, und sich bald in der Dunkelheit verlor. Eine Zeit lang war sie bemüht, als der Weg sie um den See führte, die stolzen Thürme im Auge zu behalten, deren Besitzer ihr Gemahl war, und die an einigen Stellen noch von Lichtern schimmerten, wo muntere Zecher ihre Gelage hielten. Doch als die Richtung des Weges es nicht mehr möglich machte, zog sie ihren Kopf zurück, legte sich in der Sänfte nieder und empfahl sich der Obhut der Vorsehung.

Außer dem Wunsche, die Gräfin zu bewegen, ihre Reise ruhig fortzusetzen, beabsichtigte Varney noch eine Unterredung ohne Zeugen mit Lambourne, den er jeden Augenblick erwartete. Er kannte den entschlossenen, blutgierigen und habsüchtigen Charakter dieses Mannes, und hielt ihn für das beste Werkzeug, welches er zu seinen weiteren Plänen anwenden könne. Doch hatten sie schon zehn Meilen von ihrer Reise zurückgelegt, als er erst den eiligen Hufschlag eines Pferdes hinter sich hörte und von Michael Lambourne eingeholt wurde.

Aufgebracht über seine Abwesenheit, empfing Varney den ausschweifenden Diener mit einem bitteren Vorwurfe. »Betrunkener Schurke!« sagte er, »Deine Nachlässigkeit und ausschweifende Tollheit werden Dich bald an den Galgen bringen, und mir liegt nichts daran, wie bald es geschieht.«

Lambourne war nicht bloß durch den Wein, sondern auch durch die vertraute Unterredung mit dem Grafen und durch das Geheimniß, in dessen Besitz er sich gesetzt, zu sehr aufgeregt, um diesen Vorwurf mit seiner gewohnten Demuth ertragen zu können. Er würde keine Scheltworte von dem besten Ritter hinnehmen, der je Sporen getragen, sagte er. Graf Leicester habe ihn in wichtigen Angelegenheiten zurückgehalten, und das sei genug für Varney, der selber nur ein Diener sei, wie er.

Varney war nicht wenig erstaunt über diese ungewohnte Frechheit, schrieb sie aber seiner Betrunkenheit zu, that, als achte er nicht darauf, und begann Lambourne auszuforschen, ob er wohl bereit sei, dem Grafen von Leicester ein Hinderniß aus dem Wege zu räumen, welches ihn in den Stand setzen würde, seinen treuen Diener auf's höchste zu belohnen. Als Michael Lambourne nicht zu verstehen schien, was er meinte, bezeichnete er die Ladung der Sänfte als das Hinderniß, von dem er befreit zu sein wünsche.

»Seht, Sir Richard,« sagte Michael, »Einige sind klüger, als Andere, das ist ein Punkt, und Einige sind schlechter als Andere, das ist der andere. Ich kenne Mylords Absicht in dieser Sache besser als Du, denn er hat mir Alles anvertraut. Hier ist meine Instruction, und seine letzten Worte waren: Michael Lambourne – denn seine Herrlichkeit redete mit mir, wie mit einem Cavalier, und gebrauchte keine Worte, wie betrunkener Schurke oder dergleichen Ausdrücke, wie Leute, die nicht wissen, wie sie sich bei ihren neuen Würden betragen sollen – Varney, sagte er, muß meiner Gräfin die äußerste Rücksicht erweisen – ich verlasse mich auf Euch, Lambourne, daß Ihr darauf seht, sagte seine Herrlichkeit, und Ihr müßt mir unverzüglich meinen Siegelring zurückbringen.«

»Ei, sagte er das wirklich?« versetzte Varney, »und so wißt Ihr denn Alles?«

»Alles – Alles – und es wäre klug von Euch, wenn Ihr mich zum Freunde behieltet, so lange noch gut Wetter ist.«

»Und war Niemand gegenwärtig, als Mylord so sprach?« sagte Varney.

»Kein lebendes Wesen,« versetzte Lambourne; »glaubt Ihr, Mylord würde Jemand anders solche Dinge anvertrauen, als einem geprüften Manne, wie ich?«

»Sehr wahr,« sagte Varney, und schwieg, indem er vor sich hin auf den mondhellen Weg blickte. Sie ritten über eine weite und offene Haide. Die Sänfte war wenigstens eine Meile voraus, und weder zu sehen, noch zu hören. Er blickte sich um, und sah nichts weiter, als eine vom Monde beschienene Fläche, ohne ein menschliches Wesen. Dann setzte er seine Unterredung mit Lambourne fort: »Und Du willst Dich gegen Deinen Herrn auflehnen, der Dich in diese Laufbahn der Hofgunst eingeführt hat, – dessen Lehrling Du gewesen bist, Michel, – der Dich die Tiefen und Klippen der Hofintrigue kennen gelehrt hat?«

»Nennt mich nicht Michel,« sagte Lambourne; »ich habe einen Namen, dem Ihr eben so gut Herr vorsetzen könnt, wie irgend einem andern; und was das Uebrige betrifft, wenn ich ein Lehrling gewesen bin, so ist jetzt meine Lehrzeit aus, und ich bin entschlossen, nach eigener Willkür zu handeln.«

»So nimm wenigstens erst Deinen Lohn für Deine Dienste, Du Thor!« sagte Varney, und schoß Lambourne mit einer Pistole durch den Leib, die er schon seit einiger Zeit in der Hand gehalten hatte.

Der Unglückliche fiel vom Pferde, ohne einen Schrei auszustoßen, worauf Varney vom Pferde stieg, seine Taschen leerte, und herauskehrte, damit es das Ansehen habe, als sei er von Räubern getödtet worden. Zuerst brachte er den Brief des Grafen in Sicherheit, nahm aber auch Lambourne's Börse, welche einige Goldstücke enthielt, die seine Ausschweifung ihm noch übrig gelassen, und vermöge einer seltsamen Mischung der Gefühle behielt er sie nur so lange in der Hand, bis er zu einem kleinen Bache kam, der quer über den Weg floß, und warf sie hinein, so weit er nur werfen konnte. So bleibt noch Etwas vom Gewissen zurück, nachdem es gänzlich zerstört zu sein scheint, und dieser grausame und reuelose Mann würde sich entehrt gefühlt haben, hätte er die wenigen Goldstücke eingesteckt, die einem Unglücklichen gehörten, den er ohne Bedenken ermordet hatte.

Der Mörder lud seine Pistole wieder, nachdem er das Schloß und den Lauf gereinigt hatte, und ritt ruhig der Sänfte nach, indem er sich Glück wünschte, eines lästigen Zeugen so mancher seiner Ränke los zu sein, der ihm eine Instruction überbrachte, welcher er nicht zu gehorchen beabsichtigte, da er sich jetzt stellen konnte, als habe er dieselbe nicht erhalten.

Der übrige Theil der Reise wurde mit einer Eile zurückgelegt, welche deutlich bewies, wie wenig Sorge man für die Gesundheit der unglücklichen Gräfin trug. Sie hielten nur an solchen Orten an, wo sie sicher zu sein glaubten, und erwarten konnten, daß die Erzählung von der wahnsinnigen Lady Varney leicht Glauben finden werde, hätte sie den Versuch gemacht, das Mitleid der wenigen Personen zu erregen, welche zu ihr gelassen wurden. Doch Emma sah keine Möglichkeit, bei Denen Gehör zu erhalten, an die sie Gelegenheit hatte sich zu wenden, und fürchtete überdies Varney's Gegenwart zu sehr, um die Bedingung zu verletzen, unter welcher sie ohne seine Gesellschaft reisen durfte.

Jetzt näherte sich Varney der Sänfte, wie er mehrmals während der Reise gethan, und fragte: »Was macht sie?«

»Sie schläft,« sagte Foster; »ich wollte, wir wären zu Hause, – ihre Kraft ist erschöpft.«

»Ruhe wird sie wieder herstellen,« antwortete Varney. »Sie wird bald lange und fest schlafen. Wir müssen überlegen, wo wir sie am sichersten unterbringen können.«

»Doch wohl in ihren eigenen Zimmern,« sagte Foster. »Ich habe Jeannette mit einem derben Verweise zu ihrer Tante geschickt, und die alten Weiber sind zuverlässig, denn sie hassen diese Dame von Grund ihres Herzens.«

»Wir wollen uns indeß nicht auf sie verlassen, Freund Anton,« sagte Varney; »wir müssen sie in dem Theile des Schlosses unterbringen, wo Ihr Euer Gold aufbewahrt.«

»Mein Gold?« sagte Foster sehr beunruhigt; »was habe ich denn für Gold? – Gott helfe mir, ich habe kein Gold, – ich wollte, ich hätte welches.«

»Zum Henker mit Dir, Du dummes Vieh, – wer denkt denn an Dein Gold? – Wenn ich daran dächte, könnte ich nicht hundert bessere Wege finden, dazu zu gelangen? – Kurz, Dein Schlafzimmer, welches Du so künstlich gesichert hast, muß ihr Aufenthaltsort sein; und Du, alter Schuft, sollst auf ihren Daunenkissen liegen. – Ich denke, der Graf wird nicht nach den reichen Mobilien jener vier Zimmer fragen.«

Die letztere Bemerkung machte Foster fügsam, und er bat nur um die Erlaubniß, voranzureiten, um Vorbereitungen zu treffen. Er spornte daher sein Pferd an und ritt voran, während Varney einige fünfzig Schritte zurückblieb, und Tider allein die Sänfte begleitete.

Als sie in Cumnor Place ankamen, fragte die Gräfin lebhaft nach Jeannette und zeigte große Unruhe, als man ihr sagte, daß dieses liebenswürdige Mädchen ihr nicht mehr aufwarten solle.

»Meine Tochter ist mir theuer, Madame,« sagte Foster mürrisch, »und ich wünsche nicht, daß sie mit den Hofintriguen bekannt werde, wovon sie bereits etwas zu viel gelernt hat.«

Die Gräfin war zu ermüdet und niedergeschlagen, um auf diese Unverschämtheit zu antworten, und sprach nur den Wunsch aus, sich auf ihr Zimmer zu begeben.

»Ja, ja!« murmelte Foster; »das ist natürlich; aber mit Gunst, Ihr geht nicht in Eure Prunkgemächer, Ihr werdet heute Nacht in festerem Gewahrsam schlafen.«

»Ich wollte, ich wäre im Grabe,« sagte die Gräfin, – »nur schaudert mich bei dem Gedanken der Trennung der Seele von dem Leibe.«

»Ihr habt keine Ursache, davor zu erbeben,« versetzte Foster. »Mylord kommt morgen hieher, und Ihr werdet Euch ohne Zweifel bei ihm zu rechtfertigen wissen.«

»Aber kommt er hieher? – Kommt er wirklich, guter Foster?«

»O ja, guter Foster!« versetzte der Andere. »Aber wie werdet Ihr mich morgen nennen, wenn Ihr mit Mylord von mir redet? – obgleich ich Alles auf seinen Befehl gethan habe.«

»Ihr sollt mein Beschützer sein – obgleich ein rauher, in der That – aber doch immer ein Beschützer,« antwortete die Gräfin. »O, wäre doch Jeannette hier!«

»Sie ist besser aufgehoben, wo sie sich jetzt befindet,« antwortete Foster. – »Eine von Euch ist hinreichend, einen ehrlichen Mann in Verwirrung zu setzen. Aber wollt Ihr einige Erfrischungen?«

»O nein – nein – nur auf mein Zimmer. Hoffentlich kann ich es doch von Innen verschließen?«

»Von ganzem Herzen,« antwortete Foster, »da kann ich es von Außen verschließen.«

Darauf nahm er ein Licht und führte sie zu einem Theile des Gebäudes, wo Emma noch nie gewesen war, und eine von den alten Weibern ging mit einer Lampe zu einer sehr hohen Treppe voran. Oben an der Treppe, welche von unermeßlicher Höhe zu sein schien, gingen sie über eine Gallerie von schwarzem Eichenholz, die sehr schmal war, und an deren Ende sich eine starke eichene Thür befand, die sie in das Zimmer des Geizhalses führte, welches sehr ärmlich eingerichtet und nur durch den Namen von einem Gefängnisse verschieden war.

Foster blieb an der Thür stehen und übergab der Gräfin die Lampe, ohne ihr die Aufwartung des alten Weibes, die sie getragen, anzubieten oder zu gestatten. Die Dame nahm sie hastig und verschloß die Thür von Innen, welche zu diesem Zwecke mit Vorrichtungen reichlich versehen war.

Varney war auf der Treppe zurückgeblieben und kam leise nachgeschlichen, als er die Thür verschließen hörte, worauf Foster ihm zuwinkte und ihn auf eine Maschinerie in der Wand aufmerksam machte, vermöge welcher ein Theil der Gallerie wie eine Zugbrücke konnte niedergelassen werden, so daß der Zugang zu der Thür des Schlafzimmers von der Treppe aus abgeschnitten war. Der Strick, welcher diese Maschinerie in Bewegung setzte, befand sich gewöhnlich im Zimmer, weil Foster sich vor einem Einbruche von Außen schützen wollte; jetzt aber, da die Gefangene drinnen war, hatte Foster denselben an das Treppengeländer befestigt, und vermöge desselben die unbeachtete Fallthür niedergelassen.

Varney betrachtete die Maschinerie mit großer Aufmerksamkeit und blickte mehr als ein Mal in den Abgrund, der sich beim Niederlassen der Fallthüre geöffnet hatte. Der Abgrund war so tief, daß man bei dem matten Lichte den Boden nicht sehen konnte, und ging, wie Foster seinem Verbündeten leise versicherte, bis zu dem tiefsten Gewölbe des Schlosses hinab. Varney warf noch einen Blick in die finstere Tiefe hinunter und folgte dann Foster in den gewöhnlich bewohnten Theil des Hauses.

Als sie in dem früher erwähnten Sprachzimmer ankamen, bat Varney Foster, ihm ein Abendessen und guten Wein vorzusetzen. »Ich will Alasco aufsuchen,« setzte er hinzu; »wir haben Arbeit für ihn und müssen ihn in gute Laune bringen.«

Foster murrte bei diesem Befehle, machte aber keine Gegenvorstellung. Das alte Weib versicherte Varney, daß Alasco seit der Abwesenheit ihres Herrn kaum gegessen und getrunken, daß er sich beständig in seinem Laboratorium eingeschlossen, und sich gestellt habe, als hänge das Fortbestehen der Welt von seiner Arbeit ab.

»Ich will ihn lehren, daß die Welt andere Ansprüche an ihn hat,« sagte Varney, indem er ein Licht nahm, um den Alchymisten aufzusuchen. Nach ziemlich langer Abwesenheit kehrte er sehr blaß zurück, doch war sein gewöhnlicher spöttischer Zug in seinem Gesichte zu bemerken, während er sagte: »Unser Freund ist dahin.«

»Wie! was meint Ihr damit?« fragte Foster, – »fortgelaufen, – entflohen mit meinen vierzig Pfund, die er mir tausendfach vervielfältigen wollte? Ich will ihn sogleich von Gerichtsdienern verfolgen lassen!«

»Ich will Dir einen sicherern Weg sagen,« entgegnete Varney.

»Wie! welchen Weg?« rief Foster; »ich will meine vierzig Pfund zurück haben, – ich hielt es schon für gewiß, daß er sie mir tausendfach vermehrt zurückgeben würde, ich will wenigstens meinen Einsatz zurück haben.«

»So hänge Dich denn und verklage Alasco beim Wechselgerichte des Teufels, denn dort mußt Du Deine Sache anhängig machen.«

»Wie! – Was meinst Du? – ist er todt?«

»Gewiß, das ist er,« sagte Varney; »Gesicht und Leib sind schon gehörig angeschwollen. Er hat eine von seinen Teufelsarzneien gemischt, und die Glasmaske, die er anzuwenden pflegte, ist ihm vom Gesicht gefallen, so daß das feine Gift ihm in's Gehirn drang und seinen Tod veranlaßte.«

» Sancta Maria!« sagte Foster, »– ich meine, Gott schütze uns in Gnaden vor Habsucht und Todsünde! – Sollte er nicht das Goldpulver gefunden haben? – Sahet Ihr keine Goldklumpen in den Schmelztiegeln?«

»Nun, ich sah nur nach dem todten Aase,« antwortete Varney; »ein gräßlicher Anblick, – er war geschwollen, wie ein Körper, der drei Tage auf dem Rade gelegen hat, pah! gib mir einen Becher Wein.«

»Ich will gehen und selber zusehen,« sagte Foster, nahm eine Lampe und eilte zur Thür; dann aber stand er still und sagte zu Varney: »Wollt Ihr nicht mit mir gehen?«

»Zu welchem Zwecke?« sagte Varney; »ich habe genug gesehen und gerochen, um mir den Appetit zu verderben. Ich zerbrach indeß das Fenster, um frische Luft hereinzulassen, – es roch nach Schwefel und dergleichen erstickendem Zeuge, als ob der Teufel selber dagewesen wäre.«

»Und sollte es nicht das Werk des Bösen sein?« sagte Foster noch zögernd; »ich habe gehört, daß er mächtig ist zu solchen Zeiten und bei solchen Leuten.«

»Auch wenn es der Satan wäre, der Deine Einbildungskraft so sehr quält, so würdest Du in Sicherheit sein, es müßte denn ein sehr gewissenloser Teufel sein, da er erst kürzlich zwei so gute Bissen erhalten hat.«

» Zwei gute Bissen? – Was meinst Du damit?« sagte Foster; – »was meinst Du damit?«

»Du wirst es zu seiner Zeit erfahren,« sagte Varney; – »und dann diesen andern Leckerbissen, doch wirst Du sie für einen zu kostbaren Bissen für die Zähne des Teufels halten, – sie muß ihre Psalmen, Harfen und Seraphim haben.«

Als Anton Foster das hörte, kam er langsam zu dem Tische zurück und sagte: »Guter Gott! Sir Richard, und muß denn das geschehen?«

»Ja, in Wahrheit, Anton, oder es wird Dir kein Freigut zu Theil werden.«

»Ich habe schon längst vorausgesehen, daß es dahin kommen würde,« sagte Foster; »aber wie, Sir Richard, wie? – denn nicht um die Welt zu gewinnen möchte ich Hand an sie legen.«

»Ich kann Dich nicht tadeln,« sagte Varney; »ich selber würde Bedenken tragen, es zu thun, – Alasco und sein Manna fehlen uns sehr zur ungelegenen Zeit – ja, und auch jener Lambourne.«

»Und wo bleibt Lambourne?« fragte Foster.

»Frage mich nicht,« sagte Varney; »Du wirst ihn eines Tages sehen, wenn Dein Glaube wahr ist. – Doch zu unserm ernsteren Geschäfte. – Ich will Dich lehren, Tony, einen Sprenkel aufzustellen, um ein Rothkehlchen zu fangen, – jene Fallthüre dort wird dem Anscheine nach sicher sein, wenn auch die Stützen weggezogen sind, nicht wahr?«

»Ja, gewiß,« sagte Foster, »so lange man nicht darauf tritt.«

»Doch wenn die Dame versuchen sollte zu entfliehen,« sagte Varney, »so würde ihre Last die Fallthüre niederdrücken?«

»Das Gewicht einer Maus würde dazu hinreichen,« sagte Foster.

»Dann stirbt sie, wenn sie zu entfliehen versucht, und was können wir dafür, ehrlicher Tony? Laß uns zu Bette gehen und morgen weiter von unserm Plane reden.«

Am Abend des folgenden Tages forderte Varney Foster zur Ausführung seines Planes auf. Tider und Fosters alter Diener wurden unter einem Vorwande in's Dorf geschickt, und Anton selber, als wollte er sehen, daß die Gräfin keinen Mangel leide, besuchte sie auf ihrem Zimmer. Er war so ergriffen von der Milde und Geduld, womit sie ihre Gefangenschaft zu ertragen schien, daß er nicht umhin konnte, ihr ernstlich anzurathen, ja nicht die Schwelle ihres Zimmers zu überschreiten, bis Lord Leicester komme, was hoffentlich bald geschehen werde. Emma versprach ihm, sich geduldig in ihr Schicksal zu ergeben, und Foster kehrte mit halb beruhigtem Gewissen zu seinem hartherzigen Kameraden zurück. »Ich habe sie gewarnt,« dachte er; »und die Schlinge ist gewiß vergebens aufgestellt, wenn der Vogel sie sieht.«

Er ließ daher die Thüre der Gräfin von Außen unverriegelt und zog in Varney's Gegenwart die Stützen unter der Fallthüre weg, die nur vermöge eines unbedeutenden Haltpunktes ihre horizontale Lage behielt. Sie gingen hierauf die Treppe hinunter, um unten den Ausgang abzuwarten; doch harrten sie vergebens. Nachdem Varney lange mit verhülltem Gesichte auf und ab gegangen war, zog er plötzlich seinen Mantel zurück und sagte: »Gewiß, nie war ein Weib thöricht genug, eine so günstige Gelegenheit zur Flucht zu versäumen!«

»Vielleicht ist sie entschlossen, die Rückkehr ihres Gemahls abzuwarten,« sagte Foster.

»Wahr, sehr wahr!« sagte Varney, indem er hinauseilte, »daran habe ich noch nicht gedacht.«

Foster, welcher zurückblieb, hörte in weniger als zwei Minuten den Hufschlag eines Pferdes auf dem Hofplatze und dann ein Pfeifen, ähnlich dem gewöhnlichen Signal des Grafen. Im nächsten Augenblicke öffnete die Gräfin ihre Thür, und die Fallthüre gab nach. Ein Rauschen – ein schwerer Fall – ein leises Gestöhn – und Alles war wieder still.

In demselben Augenblicke rief Varney in einem Tone zum Fenster herein, der zwischen Entsetzen und teuflischem Hohne die Mitte hielt: »Ist der Vogel gefangen? – Ist die That geschehen?«

»Gott vergebe uns!« versetzte Anton Foster.

»Warum, Du Thor?« sagte Varney; »Deine Arbeit ist gethan und Deine Belohnung gesichert. Sieh in's Gewölbe hinab, – was erblickst Du?«

»Ich sehe nur einen Haufen weißer Kleider,« sagte Foster. »O Gott! sie bewegt ihren Arm.«

»Rolle Etwas auf sie nieder. – Deinen Goldkasten, Tony, der ist schwer genug.«

»Varney, Du bist ein eingefleischter Teufel!« versetzte Foster. »Es ist nichts weiter nöthig, – sie ist dahin!«

»So ist denn unsere Besorgniß zu Ende,« sagte Varney in's Zimmer tretend; »ich glaubte nicht, daß ich des Grafen Signal so gut hätte nachahmen können.«

»O, wenn Gerechtigkeit im Himmel ist, so hast Du sie verdient,« sagte Foster, »und sie wird Dir zu Theil werden! – Du hast sie vermöge ihrer innigsten Zuneigung zu Grunde gerichtet – als ob man ein Kind in der Muttermilch siedete.«

»Du bist ein phantastischer Esel,« versetzte Varney; »laß uns jetzt daran denken, wie wir zuerst die Kunde verbreiten, – der Körper muß bleiben, wo er ist.«

Doch war ihrer Bosheit keine längere Zeit gestattet, denn während sie sich darüber beriethen, stürzten Tressilian und Raleigh herein, die durch Tider und Fosters Diener Einlaß erhalten hatten, welche ihnen im Dorfe begegnet waren.

Anton Foster entfloh bei ihrem Eintritte, und da er jeden Winkel und Gang des alten Schlosses kannte, war er nirgends zu finden. Aber Varney wurde auf der Stelle gefangen genommen, und anstatt Reue über seine That zu empfinden, schien es ihm ein teuflisches Vergnügen zu gewähren, ihnen die Ueberbleibsel der gemordeten Gräfin zu zeigen, während er sie zu gleicher Zeit trotzig aufforderte, ihm zu beweisen, daß er irgend einen Antheil an ihrem Tode gehabt habe. Tressilians Verzweiflung beim Anblicke der verstümmelten und noch warmen Ueberreste eines noch vor Kurzem so liebenswürdigen Wesens war so groß, daß Raleigh genöthigt war, ihn mit Gewalt von dem Orte wegbringen zu lassen, während er selber die Anordnung dessen übernahm, was geschehen sollte.

Beim zweiten Verhör machte Varney kein Geheimniß aus seinem Verbrechen, noch auch aus dem Beweggrunde, indem er als Veranlassung zu seiner Offenheit angab, daß, wenn auch Vieles von dem, was er bekannte, nur auf Verdacht beruhe, doch dieser Verdacht schon hinreichend sei, ihm Leicesters Vertrauen zu rauben, und alle kühne Pläne seines Ehrgeizes zu zerstören. »Ich bin nicht geboren,« sagte er, »mein übriges Leben als ein Ausgestoßener hinzuschleppen, – auch will ich nicht so sterben, daß mein Schicksal dem Pöbel einen Festtag gewähre.«

Aus diesen Worten schloß man, daß er Hand an sich legen wolle, und beraubte ihn sorgfältig aller Mittel, wodurch er diesen Vorsatz hätte ausführen können. Doch gleich einigen Helden des Alterthums führte er eine kleine Quantität starken Giftes bei sich, welches wahrscheinlich der berühmte Demetrius Alasco zubereitet hatte. Als er dieses in der Nacht zu sich genommen, fand man ihn am Morgen todt in seinem Gefängnisse. Auch schien er keine große Todesqual erlitten zu haben, denn seine Züge zeigten noch im Tode den gewöhnlichen Ausdruck des Sarkasmus, welcher bei seinem Leben vorherrschend gewesen war.

Das Schicksal des Theilnehmers seiner Schandthat blieb lange unbekannt. Cumnor Place war gleich nach dem Morde unbewohnt; denn die Diener behaupteten, in der Nähe des Gemaches, welches man Lady Dudley's Zimmer nannte, Gestöhn, Geschrei und andere übernatürliche Töne zu hören. Als Jeannette bis zu einer bestimmten Zeit keine Nachricht von dem Schicksal ihres Vaters erhielt, wurde sie die unbestrittene Erbin seines Vermögens, welches sie nebst ihrer Hand an Wayland übertrug, der nun ein gemachter Mann war und eine Stelle in Elisabeths Haushalt begleitete. Als Beide bereits einige Jahre todt waren, ließ ihr ältester Sohn und Erbe einige Reparaturen in Cumnor Place vornehmen, und entdeckte bei dieser Gelegenheit einen geheimen Gang, von einer eisernen Thüre verschlossen, welche sich hinter dem Bette in Lady Dudley's Zimmer befand, von wo er in eine Art von Gewölbe hinabstieg, worin sich ein eiserner Kasten mit einer großen Masse Gold befand, und auf welchem ein menschliches Skelett ausgestreckt lag. Auf diese Weise war Anton Fosters Schicksal erklärt. Er war zu diesem Versteck geflohen, und hatte den Schlüssel zu dem Springschlosse vergessen. So war ihm die Flucht vermöge desselben Mittels unmöglich gemacht, welches er zur sichern Verwahrung seines Goldes angebracht hatte, wofür er sein Seelenheil verkauft, und so war er auf jämmerliche Weise umgekommen. Ohne Zweifel war das Gestöhn und Geschrei, welches die Diener gehört, nicht ganz eingebildet, sondern dieser Elende hatte es ausgestoßen, der in seiner Todesangst um Hülfe und Beistand gerufen.

Die Nachricht von dem schrecklichen Geschick der Gräfin machte den Lustbarkeiten zu Kenilworth plötzlich ein Ende. Leicester zog sich vom Hofe zurück und überließ sich lange Zeit der Reue. Doch da Varney in seiner letzten Aussage bemüht gewesen, den Ruf seines Patrons zu schonen, so war der Graf mehr ein Gegenstand des Mitleids, als des Tadels. Endlich rief ihn die Königin an den Hof zurück; er war noch ein Mal als Staatsmann und Günstling ausgezeichnet, und der letzte Theil seiner Laufbahn ist uns in der Geschichte Englands aufbehalten. Sein Tod war eine Wiedervergeltung des Schicksals, denn der allgemeinen Sage nach trank er Gift, welches er für eine andere Person bestimmt hatte.

Sir Hugh Robsart starb bald nach seiner Tochter, nachdem er Tressilian zu seinem Erben eingesetzt. Doch weder die Aussicht auf ländliche Unabhängigkeit, noch die Gunst, welche Elisabeth ihm verhieß, um ihn zu bewegen, sich dem Hofe anzuschließen, konnten seine tiefe Schwermuth zerstreuen. Ueberall glaubte er die entstellte Leiche des frühen und einzigen Gegenstandes seiner Zärtlichkeit vor sich zu sehen. Endlich, nachdem er für die alten Freunde und Diener zu Lidcote Hall gesorgt hatte, schiffte er sich mit seinem Freunde Raleigh nach Virginien ein, und starb, jung an Jahren, aber alt an Kummer, vor der Zeit in fremdem Lande.

Von den Nebenpersonen haben wir nur noch zu sagen, daß Blounts Witz zunahm, so wie seine gelben Rosen verblichen, und daß er als Anführer im Kriege mehr in seinem Elemente war, als während der kurzen Zeit seines Hoflebens, und daß Flibbertigibbets ausgezeichneter Geist ihn in den Fächern Burleighs und Cecils zu hoher Gunst und Auszeichnung erhob.

 

Ende.

 



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