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An Mme. de Grignan
Paris, 2. August 1675
Ich stelle mir immer, mein Kind, das Erstaunen und den Schmerz vor, in die Euch Turennes Tod versetzt haben wird. Der Kardinal von BouillonEin Neffe Turennes. ist untröstlich. Er erfuhr die Nachricht durch einen der Edelleute LouvignysGraf de Louvigny, Sohn des Herzogs von Gramont., der der erste sein wollte, ihm sein Beileid auszusprechen. Er hielt seinen Wagen an, als er von Pontoise nach Versailles zurückfuhr, der Kardinal verstand aber nichts von seiner Rede. Als der Edelmann seine Unkenntnis sah, lief er weg, der Kardinal schickte ihm jemand nach und erfuhr so den schrecklichen Tod. Er fiel in Ohnmacht, man brachte ihn nach Pontoise zurück, wo er zwei Tage lang nichts aß und immerfort weinte und jammerte. Ich habe ihm gerade jetzt ein Briefchen geschrieben, das mir gut vorkam. Ich sprach ihm im voraus von Deiner Trauer, Deinem Mitgefühl für ihn und Deiner Bewunderung für den Helden. Vergiß nicht, ihm zu schreiben. Ich glaube, Du verstehst über alles Mögliche gut zu schreiben; in diesem Fall brauchst Du nur der Feder freien Lauf zu lassen. Man scheint in Paris von dem großen Todesfall sehr berührt zu sein. Wir erwarten mit Besorgnis den Kurier aus Deutschland. Montecuculi, der sich zurückzog, wird wohl zurückgekommen sein und wird sicherlich aus dem Vorfall Nutzen ziehen wollen. Man sagt, die Soldaten hätten gejammert, daß man es auf zwei Meilen hörte. Keine Rücksicht konnte sie zurückhalten; sie schrien, man solle sie in den Kampf führen, sie wollten den Tod ihres Vaters, ihres Generals, ihres Beschützers, ihres Verteidigers rächen. Mit ihm hätten sie nichts gefürchtet, jetzt aber würden sie seinen Tod rächen, man solle sie nur lassen, sie wären wütend, man solle sie zum Kampf führen. Das hörte ich von einem Offizier, der zum Gefolge Turennes gehört hatte und der kam, um dem König Bericht zu erstatten. Er war immer in Tränen gebadet, während er erzählte, was ich oben geschrieben habe. Turenne bekam 65 den Schuß mitten durch den Körper; Du kannst Dir denken, daß er gleich sterbend fiel. Doch erlaubte ihm ein Funke von Leben, daß er sich noch einen Schritt weit schleppte, und daß er sogar konvulsivisch die Hand preßte. Dann warf man einen Mantel über seinen Körper. Le Bois-Guyot (so heißt der Edelmann) verließ ihn erst, als man ihn in aller Stille in das nächste Haus gebracht hatte. De Lorges war eine halbe Meile davon entfernt; stelle Dir seine Verzweiflung vor. Er verliert alles, und er ist für die Armee und für alle Ereignisse bis zur Ankunft des Prinzen verantwortlich, und der hat zweiundzwanzig Tagereisen vor sich. Ich denke tausendmal am Tag an den Chevalier de GrignanEin jüngerer Bruder des Grafen Grignan, Oberst des Regiments Grignan. und kann mir nicht vorstellen, wie er den Verlust ertragen kann, ohne den Verstand zu verlieren. Alle Freunde Turennes sind sehr zu beklagen.
Turenne hatte beim Abschied zu Kardinal Retz gesagt (und d'Hacqueville hat es erst vor zwei Tagen erzählt): »Ich bin kein Phrasenmacher, aber Sie können mir im Ernst glauben, daß ich mich ohne die Ereignisse, bei denen ich vielleicht nötig bin, zurückzöge wie Sie, und ich gebe Ihnen mein Wort, wenn ich wieder zurückkehre, will ich nicht bei Hofe bleiben und werde nach Ihrem Beispiel eine gewisse Zeit zwischen das Leben und den Tod bringen.« Unser Kardinal wird empfindlich von dem Verlust berührt sein. Ich stelle mir vor, meine Tochter, daß Du nicht müde wirst, davon reden zu hören; wir sind ja einig darüber, daß es Dinge gibt, über die man nicht genug Einzelheiten haben kann. 66
An den Grafen Bussy-RabutinGraf Roger de Bussy-Rabutin, das Haupt der jüngeren Linie der Rabutin. Mme. de Sévigné war die letzte der Rabutin
Paris, 6. August 1675
Über die Abreise meiner Tochter schreibe ich Ihnen nichts mehr, obgleich ich immer daran denke und ich mich niemals ganz daran gewöhnen kann, ohne sie zu leben; doch der Kummer gehört mir allein.
Sie fragen mich, wo ich bin, wie mir's geht und womit ich mich unterhalte. Ich bin in Paris, bin gesund und unterhalte mich mit Kleinigkeiten. Aber mein Stil ist etwas lakonisch, ich will ausführlicher reden. Ich wäre schon in der Bretagne, wo ich tausend Geschäfte habe, wenn der Aufstand das Land nicht unsicher machte. Unter dem Befehl des Hrn. de Forbin gehen viertausend Mann hin. Man muß nur erst wissen, welchen Erfolg die Strafe hat. Ich warte es ab, und wenn die Hartköpfe von Reue gefaßt werden und wieder zu ihrer Pflicht zurückkehren, werde ich meine beabsichtigte Reise ausführen und einen Teil des Winters dort verbringen.
Ich habe allerlei Nervenzustände gehabt, und die gute Gesundheit, die Sie so siegreich sahen, hat einige Angriffe aushalten müssen, von denen ich mich so gedemütigt fühle, als wäre mir ein Schimpf angetan worden.
Was mein Leben betrifft, so kennen Sie es auch. Man verbringt es mit fünf oder sechs Freunden, deren Gesellschaft angenehm ist, und mit tausend Pflichten, zu denen man gezwungen ist, und das ist keine Kleinigkeit. Ich ärgere mich nur, daß bei dem Nichtstun die Tage vergehen und unser armes Leben besteht doch aus Tagen, und man altert und stirbt. Ich finde das recht schlecht. Überhaupt ist das Leben zu kurz; kaum haben wir die Jugend hinter uns, sind wir schon im Alter drin. Ich möchte, daß man hundert Jahre sicher hätte und das übrige in Ungewißheit. Möchten Sie es nicht auch so? Aber was könnten wir tun? Meine Nichte wird meiner Ansicht sein, je nach dem Glück oder Unglück, das sie in der Ehe findet. Sie wird uns Auskunft 67 darüber geben, oder vielleicht auch nicht. Wie dem auch sei, so weiß ich doch, daß es nichts Gutes, Behagliches und Angenehmes gibt, das ich ihr nicht bei dem Wechsel ihres Standes wünscheDie zwei ältesten Töchter Bussys waren ins Kloster getreten, die dritte heiratete den Marquis de Coligny.. Ich spreche manchmal darüber mit meiner Nichte, der Ordensschwester; ich finde sie sehr angenehm, und ihr Verstand erinnert mich sehr an den Ihren. Für mich gibt es kein größeres Lob.
Übrigens sind Sie ein guter Prophet; Sie haben als Mann vom Fach alles vorausgesehen, was an der deutschen Grenze geschehen ist. Aber Sie konnten Turennes Tod nicht voraussehen, und den ins Blinde abgegebenen Kanonenschuß, der ihn allein unter zehn oder zwölfen trifft. Ich, die ich in allem die Vorsehung erblicke, ich sehe die Kanone schon von Ewigkeit her geladen, sehe, daß Turenne dahin kommen mußte und finde für ihn nichts Fürchterliches darin, vorausgesetzt, daß er nichts auf dem Gewissen hatte. Was fehlt ihm? Er stirbt auf der Höhe seines Ruhms. Sein Ruf konnte nicht mehr steigen. Er hatte in dem Augenblick sogar die Freude, seine Feinde zurückweichen zu sehen, und genoß die Früchte seiner dreimonatlichen Arbeit. Manchmal erbleicht der Stern bei längerem Leben. Ein rascher Schnitt ist manchmal sicherer, besonders bei den Helden, deren Taten so genau beobachtet werden. Wenn der Graf d'Harcourt nach der Einnahme der Sankt-Margareteninseln, oder nach der Rettung von Casale, und der Marschall du Plessis-Praslin nach der Schlacht von Rethel gestorben wären, stünden sie nicht berühmter da? Turenne hat zudem den Tod nicht gefühlt, rechnen Sie das auch für nichts?
Vaubrun wurde im letzten Gefecht, in dem sich de Lorges mit Ruhm bedeckte, getötet. Man muß das Ende abwarten, wir sind noch immer voll Angst, bis wir wissen, ob unsre Truppen wieder über den Rhein zurück sind.
Die arme MadelonneMme. de Grignan. ist in ihrem Schloß in der Provence. Welches Geschick! Vorsehung! Vorsehung!
Leben Sie wohl, mein lieber Graf, leben Sie wohl, teure Nichte. Tausend Grüße an Herrn und Frau 68 de ToulongeonMme. de Toulongeon war eine Tante der Mme. de Sévigné und wohnte im Schloß Monthelon bei Autun., ich habe die kleine Gräfin sehr gern. Ich war noch nicht eine Viertelstunde in Monthelon, so war es schon, als hätten wir uns unser Leben lang gekannt; sie ist lebendigen Geistes, und wir hatten keine Zeit zu verlieren. Mein Sohn ist bei der Armee in Flandern geblieben und geht nicht nach Deutschland. Ich habe seit all dem tausendmal an Sie gedacht. Leben Sie wohl!
An Mme. de Grignan
Paris, 7. August 1675
Wie! Ich habe Dir nichts vom heiligen Marceau gesagt, als ich Dir von der heiligen Genoveva erzählte? Ich weiß wirklich nicht, wo ich dann meinen Kopf hatte. Der heilige Marceau kam bis zur heiligen Genoveva, um sie abzuholen, sonst wäre sie nicht fortzubringen gewesen. Die Goldarbeiter trugen den Schrein des Heiligen; es waren für zwei Millionen Edelsteine daran, das Schönste, was man auf der Welt sehen kann. Die Heilige kam hinterher, ihre Söhne trugen sie barfuß und mit höchster Verehrung. Beim Ausgang von Notre-Dame begleitete der gute Heilige die gute Heilige bis zu einem bestimmten Punkt, wo sie sich immer trennen, aber weißt du, mit welcher Mühe? Man braucht zehn Männer mehr, um sie zu tragen, weil sie solche Anstrengungen machen sich zu vereinigen, und wenn sie zufällig einander berührten, könnte weder menschliche Macht, noch menschliche Gewalt sie je wieder trennen. Frage nur die vernünftigsten Bürger und das Volk. Aber man verhindert sie daran, sie machen einander nur eine kleine Verneigung, und dann kehrt jedes wieder heim. An was habe ich auch gedacht, daß ich Dir alle diese Wunder nicht erzählte?
Ich rate Dir, unsrem guten Kardinal über den Tod Turennes zu schreiben, es wird ihn rühren. Man sagte neulich an kompetentem Ort, man kenne keinen Menschen, 69 der so über die andern hervorrage, wie er und Turenne; nun ist er allein auf dieser Höhe. Wenn Du den ersten Brief geschrieben hast, brauchst Du Dich nicht zurückzuhalten, wenn Dir ein kleiner Scherz aus der Feder schlüpfen will. Er ist entzückt davon. Der hohe Rang und die Religion hindern keineswegs kleine Sticheleien, er schickt die Epigramme immer dem dicken Abbé . . .
Neulich schoß der Dauphin nach der Scheibe; wie Dein Sohn, schoß auch er sehr weit vom Ziel. M. de MontausierDer Herzog von Montausier, der Gouverneur des Dauphin, war seiner groben Offenheit halber bekannt. spottete über ihn und sagte gleich zum Marquis de Créquy, der ein guter Schütz ist, er möge schießen. Dann wandte er sich zum Dauphin: »Geben Sie acht, wie trefflich der schießt.« Der kleine Galgenstrick aber schießt einen Fuß weiter vom Ziel ab, als der Dauphin. »Oh, du verderbter Junge!« rief Montausier, »man sollte dich erdrosseln.« Herr von Grignan erinnert sich gewiß des kleinen Höflings, er hat uns ähnliche Geschichten von ihm erzählt . . .
Ich bin inzwischen wieder in Versailles gewesen, mit Mme. de VerneuilDie Herzogin de Verneuil-Sully, eine Tochter des Kanzlers Sully., um, wie man zu sagen pflegt, unsre Cour zu machen. M. de CondomBossuet. ist noch nicht über Turennes Tod getröstet. Der Kardinal de Bouillon ist nicht zu erkennen; er sah mich an, und da er fürchtete weinen zu müssen, kehrte er sich ab; ich tat das gleiche, denn ich fühlte mich sehr bewegt. Die Damen der Königin sind dieselben, die Frau von Montespan Gesellschaft leisten. Man spielt und speist dort, und hat jeden Abend Konzert. Nichts ist verborgen, nichts ist geheim, die Spazierfahrten sind Triumphzüge. Diese Art mißfiele einer Frau, die ein bißchen eifersüchtig wäre, noch mehr, aber jedermann ist zufriedenMme. de Sévigné gibt nur Andeutungen, sie fürchtet die Indiskretion der Post. Ihre Worte beziehen sich auf den König, die Königin und Mme. de Montespan.. Wir waren in ClagnySchloß Clagny mit prachtvollen Gartenanlagen stand in Versailles, ist aber heute ganz verschwunden., was soll ich Dir darüber sagen? Es ist der Palast Armidas, das Gebäude 70 wächst sichtlich, die Gärten sind fertig. Du kennst die Art Le NôtresLe Nôtre war der berühmte Gärtner des Königs.. Er hat ein kleines düsteres Wäldchen gelassen, das sich sehr gut ausnimmt, dann findet sich ein kleiner Wald von Orangenbäumen in großen Kübeln. Sie bilden schattige Alleen, in denen man sich ergehen kann, und um die Kübel zu verbergen, sind zu beiden Seiten Palisaden angebracht, die ganz von blühenden Rosen, Jasmin und Nelken bedeckt sind. Es ist sicherlich die schönste, erstaunlichste, bezauberndste Neuerung, die man sich denken kann.
Ich will Dir Deinen Brief vom letzten Juli beantworten. Meine Gute, der Verkehr mit Dir ist himmlisch, unsre Briefe sind wie eine Konversation; ich spreche mit Dir, und Du antwortest mir, ich bewundere Deine Sorgfalt und Pünktlichkeit. Aber meine Beste, Du sollst keinem Zwang unterworfen sein, denn wenn es Dir die geringste Unbequemlichkeit oder gar Kopfweh macht, so tust Du mir einen Gefallen, wenn Du Dir's leichter machst. Ohne Übertreibung, Dein Interesse, Dein Vergnügen, Deine Gesundheit, die Abwendung jeder Sorge liegen mir vor allem am Herzen.
Ich will nun von meiner Gesundheit sprechen, meine Gute. Sei ohne Sorge, ich sehe de l'Orme sehr oft bei Mme. de Montmor, die er herstelltDe l'Orme war der Arzt der Frau von Sévigné.. Wenn Du ihn gesprochen hättest, wärst Du über mich bis ans Ende Deiner und meiner Lebenstage beruhigt. Verlaß Dich also auf ihn und verbanne diese Sorge aus Deinem Gemüt, es bleiben Dir noch genug. Dein Gedanke, ich solle nach Grignan anstatt in die Bretagne gehen, war mir auch schon durch den Kopf gegangen, und wenn ich angenehm träumen will, so denke ich an das schöne Schloß, und wenn man es ein wenig verschiebt, ist's kein Luftschloß. Die Reise, die Du mir vorschlägst, ist schön und ausführbar, so daß ich diese Idee mit mir in die Bretagne nehmen werde, um mir das Leben in meinen Wäldern zu versüßen; aber für dieses Jahr, mein Kind, schreit der Abbé laut auf bei dem Vorschlag. Ich habe den guten Abbé, den ich nicht immer haben werde; ich habe meinen Sohn, der bei seiner Rückkehr 71 sehr erstaunt wäre, wenn er hörte, ich sei in LambeseStädtchen in der Provence, wo in jenem Jahr die Stände zusammenkamen, wohin also auch Graf und Gräfin Grignan gingen.. Ich möchte ihn gern verheiraten. Aber sei versichert, der Wunsch und die Hoffnung Dich wiederzusehen, verlassen mich nie und erhalten nur die Gesundheit und den Rest von Freude, den ich noch im Herzen habe. Man muß also all diese Vorschläge einsalzen.
Ich weiß nicht, was Du sagen willst, wenn Du glaubst, der Abbé verrechne sich zu Deinen Gunsten. Meine Gute, rechne besser, wenn Du kannst. Es schmerzt mich, daß Du mir sagst, Du würdest in Zukunft bessere Maßregeln treffen, um mich zu bezahlen. Wie hart ist das, meine Gute! Was findest Du denn so Außerordentliches daran, daß ich das Geld erst nächstes Jahr einnehmen will, da ich doch in die Bretagne gehe und kein Geld brauche? Es wäre schlimm, wenn ich eine so lächerliche Schuld einfordern müßte. Ich habe das Geld nicht nötig und verspreche es ein andermal zu nehmen. Wenn wir Schiedsrichter befragten, würdest Du gleich verurteilt, und wenn Du in Deiner Freundschaft etwas mehr Vertrauen hättest, würdest Du den Kummer verstehen, den Du mir damit machst. Glaube mir, meine Gute, lasse uns nur machen; wenn der »Herzensgute« sich damit abgibt, hast Du nichts zu fürchten»Der Herzensgute«, »le bien bon«, so nannte sie den Abbé de Coulanges, der ihr in der Verwaltung ihres Vermögens zur Seite stand..
Du scheinst über die arme Vase zu zürnen, das ist nicht recht. Bedenke nur, daß der Geber sie für sehr schön und kostbar hielt und in diesem Sinn wollte er Dir ein Freundschaftsgeschenk machen, was man ein Andenken nennt. Man muß immer die Absicht vor Augen haben und danach seine Dankbarkeit bemessen. Übrigens würde sie sehr gut nach Grignan passen, denn die Zeichnung ist wunderbar und eine Imitation einer römischen Antike. Aber der Arbeiter war nicht so geschickt, wie die in Paris sind, und Du begreifst doch, daß man in Eurem Schloß die Sache nicht so genau nimmt. Es wäre zu unhöflich gewesen, sie zurückzuweisen. 72
Es macht mir Freude, sozusagen täglich mit Dir zu plaudern; da es Dir nicht unangenehm ist und mir Vergnügen macht, was für ein Unrecht wäre dabei? Lebe wohl, meine teure Schöne, glaube mir, daß ich einzig und allein Dir gehöre. Ich umarme und küsse Herrn von Grignan, für ihn schicke ich die Oper.
An Mme. de Grignan
Paris, 9. August 1675
Da ich Dir am Mittwoch nur ein kleines Billettchen schrieb, vergaß ich Dir mancherlei zu sagen. BoucheratKöniglicher Kommissar bei dem Landtag der Bretagne, dann Kanzler von Frankreich. erzählte mir Montag abend, daß der Koadjutor bei einer Konferenz in Saint-Germain Wunder getan habe. Die Bischöfe von Condom und Agen sagten mir in Versailles das nämliche. Ich bin fest überzeugt, er wird seine Rede an den König gerade so gut halten; so muß man ihn immer nur lobenDie Konferenz einiger Minister mit einigen geistlichen Würdenträgern verhandelte über den Streit, der zwischen dem König und der Kirche ausgebrochen war und durch die Erklärung von 1682 über die Freiheiten der gallikanischen Kirche gegenüber dem Papst sein Ende fand..
Also, meine teure Gute, unsre armen Freunde sind glücklich wieder über den Rhein zurück und sogar ganz gemütlich, nachdem sie den Feind geschlagen haben. M. de Lorges hat sich mit Ruhm bedeckt. Wir hätten alle gewünscht, der König möge ihm nach einem so großen und nützlichen Sieg, der ihm allein zu verdanken ist, den Marschallstab schicken. Sein Pferd bekam einen Kanonenschuß in den Bauch; die Kugel ging zwischen seinen Beinen durch, er ritt also auf einer Kanonenkugel. Die Vorsehung hatte also auch dieser ihren Auftrag gegeben, so gut wie den andern. Wir haben bei diesem Kampfe Vaubrun und vielleicht de Montlaur verloren, den Bruder des Prinzen d'Harcourt, Euern Verwandten. Man spricht kaum mehr von ihm als von einem Hund. Der Verlust der Feinde war groß, nach ihrem 73 eigenen Geständnis haben sie viertausend Mann Tote; wir haben nur sechs- oder siebenhundert verloren. Der Herzog de Sault und der Chevalier de Grignan haben sich an der Spitze ihrer Kavallerie ausgezeichnet, und besonders die Engländer haben fabelhafte Taten vollbracht; kurz, es war ein rechter Erfolg. Man erzählt, MontecuculiOberbefehlshaber der kaiserlichen Truppen. habe M. de Lorges seine Trauer über den Verlust eines so großen Anführers ausdrücken lassen und dann zugefügt, daß er ihn über den Rhein zurückgehen lassen werde; er wolle gegen die Wut der französischen Armee und die Tapferkeit der jungen Franzosen, deren erstem Ansturm nichts widerstehen könne, seinen Ruf nicht aufs Spiel setzen. Wirklich war auch der Kampf nicht allgemein, und die Truppen, die uns angriffen, wurden geschlagen. Mehrere Edelleute vom Hof, die ich aus Vorsicht nicht zu nennen wage, haben sich hervorgetan, indem sie dem König auseinandersetzten, warum M. de Lorges sogleich zum Marschall von Frankreich ernannt werden müsse. Aber es half nichts. Er bekommt nur den Oberbefehl im Elsaß und die fünfundzwanzigtausend Franken Gehalt, die Vaubrun bezogen hat. Ach! das war's nicht, was er sich wünschte!
Ich will ein wenig über Turenne mit Dir sprechen, es ist doch lange her, daß wir nicht von ihm redeten. Bewunderst Du nicht, daß wir uns jetzt glücklich preisen, wieder über den Rhein zurück zu sein? und daß das, was zu seinen Lebzeiten jedermann entsetzt hätte, uns nun wie ein Glück erscheint, weil wir ihn nicht mehr haben? Da sieht man, was der Verlust eines einzigen Mannes bedeutet. Nun mußt Du, meine Beste, noch etwas hören, was mir schön erscheint; es ist mir, als läse ich die römische Geschichte. Saint-Hilaire, Generalleutnant der Artillerie, bat Turenne, der immer galoppierte, stille zu halten, weil er ihm eine Batterie zeigen wollte. Es war gerade, als hätte er gesagt: »Ich bitte, halten Sie ein bißchen still, denn hier sollen Sie getötet werden.« Die Kugel kam also, riß Saint-Hilaires Arm weg, mit dem er die Batterie gezeigt hatte, und tötete Turenne. Saint-Hilaires Sohn eilte zu seinem Vater und klagte und weinte: »Schweige, mein Sohn,« 74 sagte ihm dieser, und zeigte auf den toten Turenne. »Sieh dorthin, den muß man ewig beweinen, der ist unersetzlich.« Und ohne sich selbst die geringste Aufmerksamkeit zu schenken, beklagte und beweinte er den großen Verlust.
Turennes EdelmannSiehe den Brief Nr. 39., der zur Armee zurückgekehrt war und wiedergekommen ist, erzählt, daß er den Chevalier de Grignan wahre Heldentaten vollbringen sah. Er hat fünfmal angegriffen und seine Kavallerie hat den Feind so kräftig zurückgeschlagen, daß sie den Kampf entschied. M. de Boufflers hat sich auch hervorgetan, ebenso der Herzog de Sault und besonders de Lorges, der bei dieser Gelegenheit sich als Neffen des Helden zeigte. Aber der Edelmann hatte nur den Chevalier de Grignan im Kopf und konnte nicht genug von ihm reden. Bewunderst Du nicht, daß er nicht verwundet worden ist, da er so im Getümmel und so vielmal dem feindlichen Feuer ausgesetzt war?
Turenne hatte auf seine Kosten ein ganzes englisches Regiment neu uniformiert, und man hat in seiner Kasse nur neunhundert Franken gefunden. Seine Leiche wurde nach Turenne gebracht, mehrere seiner Leute und selbst seiner Freunde folgten ihmDer König verfügte anders und ließ die Leiche in Saint-Denis beisetzen.. Der Herzog von Bouillon ist zurückgekommen; ebenso der Chevalier de Coislin, weil er krank ist; aber der Chevalier de Vendôme kam am Vorabend der Schlacht. Darüber schreit man, und alle Schönheit der Frau von Ludres entschuldigt ihn nicht.
An Mme. de Grignan
Paris, 12. August 1673
Ich schicke Dir den schönsten und besten Bericht, den man bisher über Turennes Tod hier erhalten hat. Der junge Marquis de Feuquières hat ihn an Mme. de Vins für M de Pomponne geschickt. Der Minister sagte mir, er sei besser und genauer als der Bericht für den König. Freilich 75 hat der junge Feuquières ein Stückchen Arnauld in sich, deshalb schreibt er besser als die andern HöflingeFeuquiéres war ein Verwandter Arnaulds, des bekannten Jansenisten..
Ich habe eben den Kardinal von Bouillon gesehen, er ist bis zur Unkenntlichkeit verändert. Er hat viel von Dir gesprochen und zweifelt nicht an Deiner Teilnahme. Er hat mir tausend Dinge von Turenne erzählt, die mich zu Tränen rührten. Sicherlich war seine Seele bereit, vor Gott zu erscheinen, denn sein Leben war vollkommen rein. Er fragte zu Pfingsten seinen Neffen, ob er nicht kommunizieren könne, ohne vorher zu beichten. Dieser antwortete ihm, das ginge nicht, denn er könne doch nicht wissen, ob er nicht seit Ostern Gott beleidigt habe. Darauf erzählte er ihm von dem Zustand seiner Seele; er war tausend Meilen von einer Todsünde entfernt. Trotzdem ging er zur Beichte, weil es das Herkommen so will, und fragte nur: »Muß ich zu dem Franziskaner reden, wie zum Pfarrer von Saint-Gervais? Ist das einerlei?« In der Tat, eine solche Seele ist wert in den Himmel zu kommen; sie kam zu direkt von Gott, um nicht zu ihm zurückzukehren, da sie so wenig von der Schlechtigkeit der Welt berührt war. Zärtlich liebte er d'Elbeufs Sohn, der mit vierzehn Jahren ein Wunder von Tapferkeit istHenri de Lorraine, später Herzog d'Elbeuf.. Vergangenes Jahr schickte er ihn zur Begrüßung des Herzogs von Lothringen, der ihm sagte: »Mein kleiner Vetter, Ihr seid glücklich, denn Ihr könnt Turenne täglich sehen und hören. Er behandelt Euch wie ein Vater, küsset den Boden, den er betreten, und laßt Euch zu seinen Füßen töten.« Das arme Kind verzehrt sich in Schmerz. Der Graf d'Auvergne hat ihn zu sich genommen, denn von seinem Vater hat er nichts zu erwarten. Cavoye stellt sich nur bekümmert. Der Herzog von Villeroi hat in seinem Schmerz Briefe geschrieben, die so heftig sind, daß man sie verbergen muß. Er erachtet es als sein größtes Glück, daß er von dem Helden geliebt worden ist, und erklärt, daß er jede andre Wertschätzung verachte: rette sich wer kann!
Man weckte den Erzbischof von Reims um fünf Uhr früh, um ihm den Tod Turennes zu melden. Er fragte, 76 ob die Armee geschlagen wäre, und als man ihm sagte, daß dies nicht der Fall sei, zankte er, daß man ihn geweckt habe, nannte seinen Bedienten einen Schuft, ließ seine Vorhänge zuziehen und schlief wieder ein. Lebe wohl, mein Kind, was soll ich Dir sagen?
Ich schicke Dir diesen Bericht um fünf Uhr abends, ich mache mein Paket ganz allein. Wenn M. de Coulanges heute abend käme, würde er alles abschreiben wollen, und das kann ich in den Tod nicht leiden. Ich habe Deine Grüße an M. de Pomponne und Mme. de Vins ausgerichtet, und sie wurden sehr gut aufgenommen. Ich sagte jenem, wie froh Ihr wärt, nichts mehr mit dem dummen Gezänk der Provence zu tun zu haben. Er lachte darüber, und auch über den Grund Eurer Klugheit. Er wünschte, die Bretonen unterhielten sich damit, einander zu hassen, statt sich zu empören. Ich war bei Mme. de Rouillé, ich finde sie immer liebenswürdig, und glaubte mich nach Aix versetztMme. de Rouillé war die Frau des Intendanten der Provence.. Ich möchte gern ihre Tochter habenFür Charles de Sévigné, ihren Sohn., aber sie hat größere Pläne. Lebe wohl, meine Teure, meine Geliebte. Mme. de Verneuil und die Marschallin de Castelnau kommen, um Dein Bild zu bewundern. Es gefällt außerordentlich und ist doch nicht so schön wie Du. Ich schicke den Bericht sowohl an M. de Grignan, den ich umarme, als an Dich.
An Mme. de Grignan
Livry, 2. August 1675
Bewundre, wie wenig ich für die Einsamkeit gemacht bin. Ich habe diesen Morgen sehr brav meine zwei Gläser Sennestee getrunken; habe mich nicht frisieren lassen und bin bis zum Mittag in vollständiger Ruhe geblieben, aus Besorgnis, den Erfolg zu schädigen. Kaum bin ich fertig, siehe, da kommt ein sechsspänniger Wagen. Ich hatte nichts als eine Taube zum Mittagessen. Es ist M. und Mme. de Villars, Mme. de Saint-Geran und die kleine Gesandtin, 77 die sich ein Vergnügen daraus machten, mich in der Einsamkeit, bei dem schönsten Wetter der Welt, zu überraschen und M. de Villars die Gärten zu zeigen. Du kannst Dir denken, von was gesprochen wurde. Schluß: Mein Koch macht sich daran, Hühner und Tauben zu frikassieren, und wir haben sehr gut gespeist. Bis sechs Uhr gingen wir spazieren, dann kam der Abbé, der Coulanges und Mlle. Martel in seinem Wagen mitbrachte, und außerdem Rebhühner. Und das war meine arme Einsamkeit, in der ich mich so wohl befand!
An Mme. de Grignan
Paris, Mittwoch, den 28. August 1675
Wenn man jeden Tag schreiben könnte, fände ich es sehr angenehm, und sehr oft tue ich es, wenn auch die Briefe nicht abgehen können. Nur an Dich macht es mir Freude zu schreiben, denn an alle übrigen Leute möchte man schon geschrieben haben; das kommt daher, daß man es tun muß. Jetzt aber, mein Kind, erzähle ich Dir wahrhaftig noch einmal von Turenne. Mme. d'Elbeuf, die für einige Tage beim Kardinal von Bouillon wohnt, bat mich gestern, mit ihnen beiden zu speisen, um von ihrem Kummer zu sprechen. Mme. de La Fayette war auch da. Wir führten genau aus, was wir uns vorgenommen hatten, die Augen wurden uns nicht trocken. Sie hatte ein außerordentlich wohlgetroffenes Bild des Helden, sein ganzes Gefolge war um elf Uhr angekommen. Die armen Leute schwammen in Tränen und waren schon alle in Trauerkleidern. Drei Edelleute waren darunter, die vor Schmerz vergehen wollten, als sie das Bild sahen; sie jammerten, daß es einem das Herz zerriß, und konnten kein Wort hervorbringen. Seine Kammerdiener, seine Lakaien, seine Pagen, seine Trompeter, alle schwammen in Tränen, so daß alle Umstehenden gerührt waren. Der erste, der ein Wort sprechen konnte, antwortete auf unsere traurigen Fragen. Wir ließen uns über seinen Tod berichten. Er wollte den Abend beichten und hatte in der Stille alles dafür angeordnet, den folgenden Tag, einen Sonntag, wollte er zur 78 Kommunion gehen. Er dachte eine Schlacht zu liefern, und bestieg den Samstag um zwei Uhr, nachdem er zu Mittag gegessen hatte, sein Pferd. Er hatte viele Leute mit sich, doch ließ er sie dreißig Schritte vor der Anhöhe, die er besteigen wollte, halten. Zum jungen d'Elbeuf sagte er: »Bleibe hier, Neffe, Du treibst Dich immer um mich herum, und dadurch werde ich erkannt.« Er fand M. d'Hamilton in der Nähe, der ihm sagte: »Kommen Sie hierher, dort wird man schießen.« – »Ich komme,« antwortete Turenne, »denn ich will heute nicht erschossen werden, heute muß es gut gehen.« Er wendete sein Pferd und bemerkte Saint-Hilaire, der den Hut abnahm und sagte: »Werfen Sie einen Blick auf die Batterie, die ich dort errichten ließ.« Er kehrte zwei Schritte zurück, da traf ihn der Schuß, der den Arm Saint-Hilaires fortriß mitsamt der Hand, die noch den Hut hielt; die Kugel durchbohrte den Körper des Helden, nachdem sie ihm den Arm zerschmettert hatte. Der Edelmann hatte gerade den Blick auf ihn gerichtet; aber er sah ihn nicht stürzen, das Pferd trug ihn an den Platz, wo er den kleinen d'Elbeuf gelassen hatte; er war noch immer nicht gefallen, nur war das Gesicht nach dem Steigbügel geneigt. In dem Augenblick steht das Pferd still, er fällt seinen Leuten in die Arme, öffnete Augen und Mund noch zweimal, und dann blieb er still für immer. Denke Dir, ein Stück seines Herzens war weggerissen!
Man klagte, man weinte. Hamilton ließ den kleinen d'Elbeuf wegbringen, der sich auf den Leichnam geworfen hatte, ihn nicht verlassen wollte und sich vor Schmerz bäumte. Man warf einen Mantel über die Leiche und trug sie zu einer Hecke, wo man sie bewachte, bis ein Wagen kam, in dem man sie in das Zelt brachte. Dort waren de Lorges, de Roye und viele andere ganz in Schmerz aufgelöst, aber man mußte sich Gewalt antun und an die wichtigen Geschäfte denken, die auf seinen Schultern gelegen hatten. Man hat im Lager ein militärisches Totenamt abgehalten, wo die Tränen und das Schluchzen zeigten, wie tief die Trauer war. Alle Offiziere hatten Trauerschärpen, alle Trommeln waren mit Krepp bedeckt, die Piken schleiften nach und die Gewehre waren umgekehrt. Man kann sich die Klagen einer ganzen Armee nicht ohne Rührung 79 vorstellen. Du kannst Dir denken, in welchem Zustand seine beiden NeffenGraf de Lorges und Graf de Roye. während der Leichenfeier waren. De Roye ließ sich trotz seiner Verwundung hintragen.
An Mme. de Grignan
Paris, 6. September 1675
. . . Ich war vorgestern ganz allein in Livry, wo ich köstlich im Mondenschein spazieren ging. Ich war von sechs Uhr abends bis um Mitternacht dort; kein Abendtau fiel. Der kleine Ausflug ist mir sehr gut bekommen, ich war der schönen Diana und der liebenswürdigen Abtei diesen Abschied schuldig. Ich hätte in guter Gesellschaft nach Chantilly gehen können, aber ich fühlte mich nicht wohl genug, um eine so köstliche Reise zu machen; es bleibt mir für den nächsten Frühling.
Ich war gerade vorhin bei Mignard um Louvignys Porträt zu sehen, es ist sprechend ähnlich, aber Mignard selbst habe ich nicht gesehen. Er malte gerade Mme. de Fontevrault, die ich durch das Schlüsselloch betrachtete; ich habe sie nicht hübsch gefunden, Abbé Têtu war bei ihr und plauderte ihr köstlich vor, die Villars waren mit mir an der Türritze; wir waren sehr lustig.
An Mme. de Grignan
Paris, Montag, 9. September 1675
Lebe wohl, meine Geliebte, ich steige in den Wagen. Ich verlasse Paris für einige Zeit mit dem Bedauern, daß ich Deine Briefe nicht mehr so regelmäßig erhalten werde, so wenig wie die meines Sohnes, über den ich in großer Sorge bin. Nicht wegen des Prinzen von Oranien, sondern im Gedanken an M. de Luxembourg, der in der Armee meines Sohnes ist und dem die Finger fürchterlich jucken. Ach! erinnerst Du Dich noch an unsern Scherz, daß 80 Turenne in Deines Bruders Armee wäre? Kurz, nun sind alle meine Verbindungen unterbrochen, ich bin nicht einmal mehr zu Deiner Unterhaltung nütze; all das Geplauder über Kleinigkeiten wird nun auf ein Nichts zusammenschrumpfen, und wenn Du mich nicht lieb hättest, tätest Du gut daran, meine Briefe gar nicht zu öffnen. Ich reise also, meine Teure, mit dem guten Abbé und Marie und zwei Männern zu Pferd. Ich habe sechs Pferde, gehe über Orleans und Nantes, und werde Dir unterwegs schreiben.
Ich habe nie einen so prächtigen Menschen gesehen wie d'Hacqueville; ich weiß nicht, wie die andern sind, aber unter denen, die wir kennen, hat er, glaube ich, nicht seinesgleichenD'Hacqueville war Abbé und königlicher Rat.. Ich habe ihm eine Angelegenheit des Seneschall von Rennes empfohlen (kennt man ihn nicht in Eurer Nachbarschaft?). Er hatte eine heikle Geschichte, die einen gewandten Mann verlangte. Ich bat d'Hacqueville, die Sache zu übernehmen; er hat sie ganz geführt, als wäre sie seine eigene, hat gearbeitet und gegen Parère gestritten, der dagegen warParère, ein oberer Beamter des Ministers Pomponne.. Er hat mit M. de Pomponne darüber gesprochen, um jedes Mißverständnis zu verhindern. Kurz, man kann nur den Boden küssen, den sein Fuß betritt. Der Seneschall ist so erstaunt, ein solches Herz zu finden und seine Sache gewonnen zu haben, daß er mich für die reichste Frau Frankreichs hält, weil ich einen solchen Freund besitze; er hat recht. Benutze ihn also, wenn Du ein Anliegen hast, denn man muß die Talente kennen.
Du wirst nicht ohne Nachrichten bleiben; die gute TrocheDie Marquise de La Troche war eine Freundin der Sévigné. wird Dir die großen melden; aber es geht alles gut, der Rest des Jahres wird uns Stille und Annehmlichkeit bringen. Stelle Dir vor, der große Prinz Condé zieht sich zurück, verschanzt sich und hat den Monat Oktober und die Gicht in AussichtDer Feldzug des Jahres 1675 war der letzte Feldzug Condés und gilt als einer seiner schönsten..
Der Herzog von Lothringen wollte nicht leiden, daß man sich mit der Belagerung von Trier abgebe, und sagte: »Sie werden dabei zugrunde gehen, meine Herren, denken 81 Sie, daß die Stadt von viertausend Mann und einem zornigen Marschall von Frankreich besetzt ist.« In der Tat, der Marschall tut Wunder, er säubert alle zwei oder drei Tage die Laufgräben mit einer außerordentlichen Reinlichkeit. Aber, meine Schönen, nichts ist auf die Dauer uneinnehmbar, man wird sich ergeben müssen. Die Marschallin de Créquy sagt immer, SanzeiGraf Sanzei, ein Schwager Emanuels de Coulanges, wurde seit dem Gefecht bei Saarbrücken vermißt. sei in Trier, ich glaube es nicht, das wäre eine schöne Geschichte, wenn ihn seine Frau beweinte und die Hoffnung, ihn in der belagerten Stadt zu finden, zurückwiese, und dann erführe, daß er dort getötet worden!
Ich nahm gestern von M. de la Garde Abschied. Wenn er Dich küßt, so lasse ihn gewähren, mir zuliebe; ich mag ihn leiden und schätze ihn sehr, erfreue Dich an seinem klaren Verstand. Erhalte Deine Gesundheit, mein teures Kind, wenn Du mich lieb hast. Ich denke, Du sagst mir dasselbe, und ich versichre Dich, daß ich es tun werde, um Dir zu gefallen. Mache Dir keine Sorgen ins Blaue hinein, das paßt nicht zu Deinem Verstand. Erhalte Dir Deinen Mut und schicke mir ein bißchen davon in Deinen Briefen als guten Vorrat für dieses Leben. Erzähle mir viel von Dir; alle Einzelheiten sind erwünscht, wenn die Freundschaft auf eine gewisse Höhe gestiegen ist.
Schreibe unserm lieben Kardinal. Du hast nicht recht mit der Vase gehabt, und er war über den Stolz beleidigt, mit dem Du dieses letzte Zeichen seiner Freundschaft aufnahmst. Du hast sicherlich das Zartgefühl zu weit getrieben, in diesem Fall brauchtest Du vor einem Geschenk aus Silber nicht zu erschrecken. Du wirst keinen Menschen finden, der Deiner Ansicht wäre, und Du solltest Dir mißtrauen, wenn Du mit Deiner Meinung allein stehst.
Ich nahm gestern abend vom schönsten aller Prälaten AbschiedKardinal Retz (nach andern Vermutungen Abbé de Grignan).. Er bat mich, ihm mein Bild, das heißt das Deinige, zu leihen, um es zu Frau von Fontevrault zu bringen. Ich verweigerte es mit Rabutinscher 82 Hartnäckigkeit, und sagte ihm, daß ich es auch MademoiselleMlle. de Montpensier. abgeschlagen hätte. Gleich danach trug ich es selbst in ein kleines Zimmer; dort wurde es mit Herzlichkeit und dem Wunsch mir zu gefallen aufgenommen und untergebracht. Ich bin sicher, daß man es von da nicht nehmen wird, man weiß zu gut, was mir das köstliche Gemälde ist; wenn man hier nach ihm fragen sollte, wird man sagen, daß ich es mitgenommen habe. M. de Coulanges wird Dir mitteilen, wo es ist. M. de Pomponne wollte es gestern sehen, er redete es an und meinte, Du müßtest antworten, und wärst nur zu stolz dazu. Deine Abwesenheit hat die Ähnlichkeit vergrößert; das Bild zu verlassen, fiel mir mit am schwersten.
Wir haben Tränen gelacht über Deine Mme. de la Charce und Philis, ihre älteste Tochter von neununddreißig Jahren; ich sehe sie im Geist vor mir. Warum sagst Du, Du könntest nicht gut erzählen? Nichts in der Welt könnte unterhaltender erzählt sein, und niemand schreibt so angenehm; aber es ist ein Jammer, daß Du in einem Land bist, wo man so lächerlich trauert. Ich danke Dir, daß Du Dir die Mühe gemacht hast, mir die närrische Geschichte zu erzählen, Du hast diese Art nicht gern, aber mich hat sie sehr ergötzt. M. de Coulanges wird Dir schreiben, er hat die Stelle unübertrefflich vorgelesen. Doch es scheint mir
Nichts hab' ich mehr zu sagen noch zu schreiben.
Man führe schleunigst mich nach Les Rochers,
Wohlan, Abbé, es ist getanParodie der Verse Corneilles aus Polyeucte IV, 4..
Ich reise, schöne Gräfin:
Ich muß nun scheiden, schöne Hermione,
Was der Abbé befiehlt, muß ich vollführen,
Trotz der Gefahr, die mich bedrohtZitat aus »Kadmus und Hermione«, einer Tragödie von Quinault, mit der Änderung, daß es statt »Abbé« dort »Liebe« heißt..
Das sage ich nur zum Scherz, denn unsere Provinz ist ruhiger als die Saône. 83
An Mme. de Grignan
Orleans, 11. September 1675
Endlich, meine Gute, bin ich bereit, mich auf unserer Loire einzuschiffen; erinnerst Du Dich noch der schönen Reise, die wir auf ihr machten? Ich werde oft daran denken. Obgleich Eure Rhone schrecklich ist, wollte ich doch, ich wäre nahe daran, mich ihrer Biederkeit anzuvertrauen. Ich kann nicht behaupten, daß ich ohne Dich angenehm lebe; ich werde Dir von allen Orten, wo es mir möglich ist, schreiben. Ich erwarte morgen in aller Frühe einen Brief von Dir, den ich mir hierher nachzuschicken befahl. Du sagst, die Hoffnung sei so schön! Ach! sie muß noch viel schöner sein, als Du sagst, sonst könnten ja die meisten Menschen sich nicht von ihr stärken lassen. Ich bin eine ihrer größten Anhängerinnen.
Ich trage Sorge um meinen Sohn, und verzichte nur ungern auf die Nachrichten von der Armee. Ich schrieb ihm neulich, es käme mir vor, als sollte ich meinen Kopf in einen Sack stecken, in dem ich weder sehe, noch höre, was in der Welt vorgeht.
Ich will von Orleans aus Ausverkauf halten, und Dir noch Neuigkeiten erzählen, Du weißt von wem. Es ist sicher, daß der Freund und QuantoDer König und Mme. de Montespan. sich wirklich getrennt haben, aber die Dame muß sehr oft zu ihrem Schmerz sehen, wie wenig sie der Freund vermißt, und darüber weint sie sehr oft. Er bedauerte nur seine Freiheit und den Zufluchtsort, wo er vor der Herrin des Schlosses sicher war; das übrige lag ihm nicht mehr am Herzen. Er hat die Gesellschaft wiedergefunden, die ihm gefällt; er ist heiter und zufrieden darüber, daß er sich nicht mehr so aufzuregen braucht. Darum weint man und befürchtet eine Ungnade, und wäre es anders, würde man doch weinen und fürchten. So ist der Friede aus jener Stätte verbannt. Du kannst Deine Betrachtungen darüber machen, wie über eine Tatsache; ich glaube, Du verstehst mich.
. . . Der Kardinal CommendonDas Leben des Kardinals Commendon von Gratiani, übersetzt von Fléchier. leistet mir sehr gute 84 Gesellschaft. Das Wetter und die Wege sind prachtvoll. Es sind kristallreine Tage, an denen man nicht friert und nicht zu heiß hat. Unsre Equipage würde uns ganz gut zu Land befördern, wir gehen nur zu unsrer Unterhaltung aufs Wasser. Habe keine Sorge wegen Marie, sie macht alles so gut wie Helene. Ich komme Deiner Sorge zuvor: ich bin ganz gesund, ich pflege mich Dir zuliebe. Ich liebe Dich, meine Teuerste, Gute; diese Zärtlichkeit ist meine süßeste und angenehmste Beschäftigung. Ich umarme Dich tausendmal von ganzem Herzen.