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An Mme. de Grignan
Les Rochers, 4. August 1680
Ich wage M. de Grignan nicht zu gestehen, was ich über den Hauptaltar in meiner Kapelle habe schreiben lassen; er würde am Ende gar glauben, daß ich die Anrufung der Heiligen bestreite. Doch um alle Eifersucht zu 169 vermeiden, mag er es wissen. In goldnen Buchstaben heißt es dort:
Soli Deo Honor et GloriaGott allein Ehre und Ruhm. Siehe 1. Brief Pauli an Timotheus, Kap. 1, 17..
Ich habe Lust mich beim Pater Malebranche über die Mäuse zu beschweren, die hier alles fressen. Ist das in der Ordnung? Was? den guten Zucker, Eingesottenes! Und war es vergangnes Jahr in der Ordnung, daß die häßlichen Raupen alle Blätter in unsern Wäldern und Gärten und alle Feldfrüchte abfraßen? Und der P. Païen, dem man den Schädel einschlug, als er ganz friedlich heimwärts ging, ist das in der Ordnung? Ja, mein Vater, alles das ist gut, und wenn man den Willen Gottes nicht als einzige Regel und Ordnung aufstellt, so wird man in große Verlegenheit kommen. Ich bitte M. de Grignan, die Anrede an den guten Pater zu verzeihn, von dem ich überzeugt bin, daß er sich über uns lustig macht, wenn er diese Dinge sagt, besonders da er in mehreren Stellen seiner Bücher das gerade Gegenteil behauptet.
Wenn Du den Arianismus liest, wirst Du staunenMme. de Sévigné meint »Die Geschichte des Arianismus« von Maimbourg.. Du wirst vieles gegen die Ordnung darin finden. Du wirst sehen, wie der Arianismus triumphiert und die Diener Gottes in Stücke zerrissen werden. Du wirst darin sehen, daß die Absicht Gottes, der von jedermann geliebt werden will, ganz unbeachtet bleibt. Du wirst das Laster gekrönt und die Verteidiger Jesu Christi beschimpft sehen. Eine schöne Unordnung! Und ich arme Frau nehme das alles für den Willen Gottes, zu dessen Ruhm es geschieht, und bewundere seine Wege, wie sonderbar sie mir auch erscheinen. Aber ich hüte mich wohl zu glauben, daß, wenn Gott es anders gewollt hätte, es nicht hätte sein können.
An Mme. de Grignan
Rennes, 6. August 1680
Ich habe unrecht, mein Kind; ich bin die Ketzerin, ich beleidige die Jesuiten und Du greifst doch nur die Taufe 170 an, das ist gar nicht zu vergleichen. Erinnerst Du Dich, wie man Tartüffe verbot und öffentlich Le Festin de Pierre spielte, und was der Prinz sagteAm Schluß seiner Vorrede zu »Tartüffe« erzählt Molière, daß man acht Tage nach dem Verbot seines Schauspiels eine Posse »Scaramouche ermite« vor dem Hof aufgeführt habe. Das Stück ist im höchsten Grade gemein. Der König wunderte sich, daß man an demselben keinen Anstoß nehme und über Tartuffe zetere, worauf ihm Condé bemerkte: »Scaramouche greift nur den Himmel und die Religion an, das kümmert die Herren nicht; aber Molières Stück bringt sie selbst auf die Bühne, das können sie nicht dulden«. – Mme. de Sévigné verwechselt hier die Posse »Le Festin de Pierre« mit »Scaramouche ermite«.? Das letztere Stück wollte nur die Religion umstürzen, während das erstere die Frömmler beleidigte. A l'applicazione, Signora Aber ich habe Dir wahrhaftig ganz andere Dinge zu erzählen, statt Stellen aus dem hl. Paulus anzuführen. Ich muß Dir den Empfang schildern, den man gestern der Prinzessin von Tarente hier bereitete.
Der Herzog de Chaulnes schickte ihr zuerst vierzig berittene Garden mit dem Hauptmann an der Spitze eine Meile weit entgegen, um sie zu begrüßen. Etwas später fuhren Mme. de Marbeuf, zwei Präsidenten, Freunde der Prinzessin und dann M. de Chaulnes, der Bischof von Rennes, M. de Coëtlogon, Tonquedec, de Kercado, de Crapodo, de Kenpart, de Keriquimini; wirklich ein drapello elettoEine auserlesene Truppe.. Man hält an, man küßt sich, man schwitzt, man weiß nicht, was man spricht. Man fährt weiter, man hört Trompeten und Trommelwirbel, das Volk hätte für sein Leben gern geschrien. Ich will mich nicht loben, aber ich riet, Mme. de Chaulnes einen kurzen Besuch zu machen. Wir fanden sie von mindestens vierzig vornehmen Frauen und Fräuleins umgeben, nur Namen von gutem Klang, die Mehrzahl waren die Weibchen von denen, die uns entgegengekommen waren. Ich vergaß zu sagen, daß sechs sechsspännige Wagen und mehr als sechs vierspännige mitfuhren. Ich kehre zu den Damen zurück. Zuerst finde ich drei oder vier meiner Schwiegertöchter, die feuerrot wurden, weil sie sich vor mir fürchten. Sie waren derart, daß ich ihnen nur einen andern Mann wünschen mußte als Deinen Herrn 171 Bruder. Wir küßten alle, die Männer und die Frauen; es war ein sonderbares Treiben, die Prinzessin zeigte mir den Weg, und ich folgte ihr ganz prächtig im Takt. Zuletzt trennte man sich gar nicht mehr von der Wange, der man sich genähert hatte; es war eine vollkommene Verbrüderung, der Schweiß brach uns dabei aus allen Poren. Endlich stiegen wir wieder in den Wagen, waren aber ganz unkenntlich, und fuhren zu Mme. de Marbeuf, die ihr Haus sehr schön hat herrichten und möblieren lassen. Wir begaben uns in unsere Zimmer, und Du kannst Dir ungefähr denken, was wir taten. Ich wechselte mein Hemd und meine Kleider, und ich darf ohne Eitelkeit sagen, ich machte mich so schön, daß ich alle meine Schwiegertöchter vollkommen in den Schatten stellte. Dann kehrten wir zu Mme. de Chaulnes zurück, sie hatte uns hier mit ihrem ganzen Hofstaat abgeholt. Dort war wieder dasselbe Arrangement, mit einer Menge Lichter, zwei große gedeckte Tafeln, jede für sechzehn Personen. Es ist jeden Abend dieselbe Geschichte. Nach dem Souper spielte und plauderte man. Ich ärgerte mich, als ich sah, daß eine junge, hübsche Frau, die sicherlich nicht mehr Verstand hat als ich, M. de Chaulnes zweimal Schach und Matt machte, und zwar mit einem Verständnis, daß ich vor Neid verging. Wir kamen dann hierher zurück und schliefen köstlich; ich bin früh aufgewacht und schreibe Dir, obgleich mein Brief erst morgen abgeht. Wenn ich auch vom größten Diner, vom größten Souper erzählen muß, immer habe ich dasselbe zu melden, Lärmen, Trompeten, Musik und königliches Wesen; Du kannst daraus schließen, daß die Bretagne ein schönes Gouvernement bildet. Indessen sah ich Dich in Deiner kleinen Provence von ebensoviel Damen umgeben, und M. de Grignan hatte ein Gefolge von ebensoviel vornehmen Herren. Ihr wurdet in Lambese ebenso glänzend empfangen, wie hier M. de Chaulnes. – Ist es nicht merkwürdig, daß man Euch dort die Cour macht und daß ich hier bin, um sie zu machen? Die Vorsehung hat es so gewollt.
Ich rate Dir, das Bild nicht einrahmen zu lassen; es kommt mir vor, als wäre es nichts wert. Ich kenne seinen Wert nur durch Dich. Man kann von ihm sagen wie von den Rubensschen Bildern: »Es ist viel Wahrheit darin.« 172 Übrigens, wenn wir von Bildern reden wollen, ist mein Kabinett unvergleichlich schöner als das Deine. Ich schmiere nur elende Erzählungen hin, und Du gibst Urteile und Betrachtungen mit vollendeter Kunst.
Mittwoch früh, 7. August
Diner, Souper und Gesellschaft bei M. und Mme. de Chaulnes, tausend Besuche, kommen, gehen, begrüßen, sich erschöpfen, ganz einfältig werden, wie eine gewisse Hofdame – das taten wir gestern. Ich wünsche sehnlichst von hier fortzukommen, wo man mich zuviel ehrt; mich hungert nach Fasten und Stille. Ich habe nicht viel Geist, aber es kommt mir vor, als gäbe ich hier aus, was ich in vier Sousstücken davon besitze; die werfe ich weg und verschwende sie in Dummheiten, und bin am Ende ruiniert. Ich sah gestern Herren und Damen sehr schön tanzen, man kann Menuett und Passepied gar nicht schöner tanzen. Als ich dabei Deiner gedenke, höre ich, wie ein Herr ganz laut hinter mir sagt: »Ich habe nie jemand so schön tanzen sehen wie Mme. de Grignan.« Ich drehe mich um, und sehe ein fremdes Gesicht. Ich frage ihn, wo er denn Mme. de Grignan gesehen habe? Es ist ein Chevalier de Cissé, der Bruder von Mme. Martel, der Dich in Toulon gesehen hat. M. Martel gab Euch auf seinem Schiff ein Fest, Du tanztest und warst schön wie ein Engel. Ich war glücklich, daß ich den Menschen getroffen hatte. Du kannst Dir nicht vorstellen, in welche Aufregung ich geriet, als man Deinen Namen nannte, den man in den geheimsten Falten meines Herzens entdeckt hatte, als ich es am wenigsten erwartete.
An Mme. de Grignan
Les Rochers, 25. September 1680
Wir haben immer schönes Wetter; wir lesen viel und ich fühle, wie angenehm es ist, kein Gedächtnis zu haben, denn die Corneilleschen Schauspiele, die Werke von Despréaux, Sarrasin und Voiture sind mir immer wieder neu und langweilen mich ganz und gar nicht. Manchmal 173 machen wir uns an die Moral von Plutarch, die ganz prächtig ist, oder wir lesen im Koran. Kurz, wir durchstreifen alle möglichen Gebiete, und das bißchen Zeit, das noch vor uns ist, wird bald um sein. Möge Gott Dir nur Gesundheit schenken, das ist alles, was ich wünsche und was mein Herz bewegt. Mein Sohn läßt Dir alles Schöne sagen. Grüße die ganze große Gesellschaft, die Dich umgibt. Mme. de Coulanges hat mir geschrieben, daß Ihr nach Paris zurückkämt und daß sie sehr glücklich darüber ist. Ihr Brief ist sehr hübsch. Mlle. de Scudéry hat mir zwei kleine Bände »Conversations« geschickt; sie sind sicherlich gut, da sie nicht in ihrem großen Roman ersäuft sind.
M. d'Hautefort ist tot; noch ein Cordon bleu, der einem andern Platz machtDer Orden vom heiligen Geist wurde an einem breiten blauen Band getragen.. Er hat durchaus das englische Mittel nicht nehmen wollen, weil es zu teuer wäre. Man antwortete ihm: »Monsieur, es kostet nur vierzig Pistolen.« Aber sterbend hauchte er: »Es ist zu teuer.« Monseigneur ist durch Philipps Medizin kuriert worden, die Fakultät sollte ihn hängenPhilippes Medizin war das Chinin, dasselbe Mittel, das man auch das »englische« nannte. S. den Brief Nr. 100. Philippe war ein Arzt, der das Geheimnis zuerst dem Leibarzt des Königs mitteilte. – Mme. de Sévigné spottet, wo sie kann, über die medizinische Fakultät, die von den neuen Mitteln nichts wissen wollte..
Vom Grafen Bussy-Rabutin an Mme. de Sévigné.
Autun, 28. Dez. 1680
Meine Tochter von der heiligen Maria hat ihrer Schwester geschrieben, daß Sie in Paris sind und daß Mme. de Grignan bei Ihnen ist. Ich freue mich darüber, denn unser Verkehr wird um so lebhafter sein, und es gibt kaum etwas in der Welt, das mir lieber wäre. Darüber fällt mir ein, daß ich den König an unserer Korrespondenz teilnehmen lassen will (mit Ihrer Erlaubnis den König). Sie wissen, daß ich ihm im letzten Juni ein Manuskript geschickt habe. Es hat ihm so gut 174 gefallen, daß er es behalten hat, und nun verlangt er ein weiteres. Das nun, das ich ihm am nächsten Neujahrstag schicken will, stammt aus den Jahren 1673 bis Ende 1675; es sind die drei Jahre unseres Lebens, in denen Sie mir die meisten und auch die schönsten Briefe geschrieben haben.
Da der König geistvoll ist, wird er sich an Ihren Briefen sehr erfreuen. Er wird auch einige von Mme. de Grignan darunter finden, die ihm nicht mißfallen werden. Bei meiner nächsten Reise nach Paris werde ich Ihnen das alles zeigen, und Sie werden mit Erstaunen sehen, daß ich armer Verbannter so kühn mit dem König spreche, als wenn ich sein Günstling wäre.
An den Grafen Bussy-Rabutin
Paris, 2. Januar 1681
Guten Tag und gutes Jahr, mein lieber Vetter! Verzeihen Sie mir, daß ich Ihnen so lange nicht geschrieben habe. Ich habe stets Ihrer gedacht und tausendmal gesagt: »Mein Gott! ich möchte gern meinem Vetter Bussy schreiben,« und bin doch nie dazu gekommen. Ich glaube, es gibt kleine Teufel, die uns verhindern, das zu tun, was wir möchten, nur um unser zu spotten und uns unsere Schwäche fühlen zu lassen. Sie können zufrieden sein, ich habe ihre ganze Macht empfunden.
Wir haben hier einen großen Kometen mit dem denkbar schönsten Schweif. Alle hohen Persönlichkeiten sind in Aufregung und glauben fest, daß der Himmel an ihren Untergang denkt und durch den Kometen eine Warnung an sie richtet. Als Kardinal Mazarin von den Ärzten aufgegeben war, glaubten seine schmeichlerischen Höflinge, seinen Todeskampf durch ein Wunder verherrlichen zu müssen und sagten ihm, es sei ein großer Komet erschienen, der ihnen Angst mache. Er hatte die Kraft, ihrer zu spotten, und bemerkte ihnen scherzend, der Komet tue ihm zuviel Ehre an. Man sollte wirklich so wie er sprechen; der Mensch in seinem Hochmut bildet sich zu viel ein, wenn er glaubt, daß sich die Sterne darum kümmern, wann er sterben muß. 175
An den Grafen Bussy-Rabutin
Paris, 12. Januar 1681
Es ist merkwürdig, daß wir uns zu gleicher Zeit aufgerafft haben; ich glaube, es war an demselben Tag, und unsre Briefe haben sich gekreuzt. Das kommt sehr oft vor. Aber, mein Vetter, Sie schreiben mir sonderbare Dinge; ich hätte niemals den dritten erraten, der zwischen uns steht. Glauben Sie, daß die Briefe gefallen werden, welche Sie mit dem Manuskript geschickt haben? Ich setze meine ganze Hoffnung darauf, daß Sie sie verbessert haben. Denken Sie, daß meine Worte, die immer sehr freundschaftlich sind, nicht falsch gedeutet werden können? Ich habe niemals derartige Briefe in Händen dritter gesehen, denen man nicht eine häßliche Auslegung hätte geben können, und das wäre doch eine Versündigung an der Wahrheit und an der Unschuld unsrer alten Freundschaft.
Ich möchte das alles sehr gerne sehen. Ich bin sicher, daß Sie alles recht gemacht haben, und es ist doch eine große Sache, einen solchen Mann unterhalten zu können und mit ihm in Verbindung zu stehen. Ich glaube, daß eine meiner ersten FreundinnenMme. de Maintenon., die regelmäßig täglich zwei Stunden in seinem Kabinett verbringt, möglicherweise Ihre Memoiren mit ihm liest, und dann wären sie in sehr guten Händen.
Vom Grafen Bussy-Rabutin an Mme. de Sévigné
Autun, 17. Januar 1681
Con licentia, Signora, wir haben uns über Ihre Furcht sehr lustig gemacht. Ihre Nichte und ich nämlich. Der König wird Ihre Briefe sehr bewundern, meine liebe Kusine, und wird aus allem, was er von unsrem Verkehr sieht, erkennen, daß der Name Rabutin, den wir beide tragen, und die Vorzüge unsres Geistes die einzigen Gründe unsres Verhältnisses sind. Wenn wir uns wiedersehen, 176 werde ich es Ihnen beweisen, und Sie werden mit Vergnügen sehen, daß, als Sie mit Ihren Briefen nur Ihrem Verwandten und Freund Freude zu machen glaubten, Sie zugleich den edelsten Mann und größten König der Welt unterhielten.
Ich habe Ihre Briefe nicht korrigiert. Le Brun würde ein Werk Titians auch nicht verbessern wollen, wenn der große Mann sich vielleicht eine kleine Nachlässigkeit erlaubt hätte. Durchgesehen und korrigiert zu werden ist gut für die mittelmäßigen Genies. Ich habe nur gewisse Dinge unterdrückt, die, wenn auch schön, doch vielleicht nicht nach dem Geschmack des Herrn gewesen wären. Kurz, meine liebe Kusine, seien Sie überzeugt, daß ich Ihnen nichts Schlimmes bei Hof angerichtet habe, und wenn ich Ihren Geist noch mehr schätzen lehrte, als er schon geschätzt wurde, so habe ich doch dabei Ihre Tugend nicht herabgesetzt. Wenn ich übrigens bei der Gelegenheit an der Stelle des Königs wäre, möchte ich wenigstens Ihr Freund sein und in brieflichem Verkehr mit Ihnen stehen, und Ihre ganze Familie müßte die Achtung und Freundschaft, die ich für Sie hege, empfinden.
Sie glauben, eine Ihrer ersten Freundinnen werde meine Memoiren mit dem König lesen? Ich glaube es auch und wünsche es, denn ich stelle sie sehr hoch.
An den Grafen Guitaut
Paris, 12. Februar 1683
Ich komme von Versailles zurück, habe die herrlichen Räume gesehen und bin ganz entzückt davon. Wenn ich das in einem Roman geschildert gelesen hätte, wäre es eines meiner Luftschlösser, so etwas in Wirklichkeit zu sehen. Nun habe ich es mit eignen Augen erblickt; es ist zauberhaft; man bewegt sich in völliger Ungezwungenheit, und es ist keine Illusion, wie ich dachte. Alles ist groß und prächtig, Musik und Tanz in höchster Vollkommenheit. Die beiden letzteren fesselten mich besonders. Aber am meisten gefällt es, daß man vier volle 177 Stunden mit dem Herrscher verbringt, daß man seine Vergnügungen teilt und er die unsern. Das ist genug, um ein ganzes Königreich zufriedenzustellen, das eine wahre Leidenschaft hat, seinen Herrn zu sehenDas »ganze Königreich« ist für Mme. de Sévigné die hoffähige Gesellschaft, die sie ein andermal auch die »ganze Welt« nennt.. Ich weiß nicht, wer den Gedanken zuerst hatte, aber Gott segne ihn, diesen Menschen. Ich wünschte Sie zu mir; ich war zum erstenmal dort, und man machte sich ein Vergnügen daraus, mir alle Seltenheiten zu zeigen und mich überall herumzuführen. Ich habe die kleine Reise nicht bereut.
An den Grafen Bussy-Rabutin
Paris, 4. Dezember 1683
Wenn Sie wüßten, mein armer Vetter, was es heißt, seinen Sohn verheiraten, so würden Sie mich entschuldigen, daß ich Ihnen so lange nicht geschrieben. Ich stehe in lebhafter Verbindung mit meinem Sohne, der in der Bretagne ist und im Begriffe steht, eine Tochter aus gutem Hause zu heiraten. Ihr Vater ist Parlamentsrat und hat mehr als 60 000 Franken Rente. Er gibt seiner Tochter 200 000 Franken: das ist in der jetzigen Zeit eine große Heirat. Es gab viel zu regeln, bis wir die Artikel unterzeichnen konnten, wie wir es vor vier Tagen taten. Ich wünsche Ihnen, mein lieber Vetter, dieselbe Schererei, und verspreche Ihnen, in diesem Falle Ihre Entschuldigung für Ihr langes Schweigen gelten zu lassen, sowie ich Sie bitte, die meinige entgegenzunehmen.
An den Grafen Bussy-Rabutin
Paris, 16. Dezember 1683
Endlich, nach so vieler Mühe, werde ich meinen armen Jungen verheiraten. Ich bitte Sie um Ihre Vollmacht, um seinen Ehevertrag zu unterzeichnen. Man soll nie an 178 seinem Glück verzweifeln. Ich glaubte schon, mein Sohn könne nicht mehr auf eine gute Partie rechnen, nachdem er so viel Mißgeschick hatte und so oft Schiffbruch gelitten, kein Amt und keine Aussicht auf Vermögen hatte, und während ich diese trüben Gedanken hegte, hatte die Vorsehung uns zu einer so vorteilhaften Heirat bestimmt, wie ich selbst in der Zeit, wo mein Sohn noch die beste Hoffnung haben konnte, ihm keine bessere gewünscht hätte. So gehen wir blind einher, ohne zu wissen wohin, und sehen das Gute als schlecht, das Schlechte als gut anDer junge de Sévigné heiratete am 8. Februar 1684 Frl. Jeanne-Marguerite, Tochter von Maurille de Bréhant, Baron de Mauron, Rat am Bretagner Parlament..