Marquise de Sévigné
Ausgewählte Briefe
Marquise de Sévigné

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Von Mme. de Grignan an den Grafen GrignanMme. de Grignan lebte vom Herbst 1680 bis zum Jahr 1688 in Paris, während ihr Gemahl nur zeitweise zu kurzem Aufenthalt in die Hauptstadt kommen konnte. Es galt, neben andern wichtigen Angelegenheiten, die Zukunft der Kinder, besonders des Sohnes, zu sichern, was durch persönlichen Verkehr am Hof am leichtesten zu erreichen schien.

Paris, 5. Januar 1688

Ihre Tochter ist immer in Versailles und auf allen Bällen; ich habe sie gesehen, ohne jedoch mit ihr zu sprechen. Madame d'Uzès machte eine Bemerkung über mein Kleid, für das ich Ihnen bei dieser Gelegenheit danke. Es ist das prachtvollste Kleid in Versailles, und von solcher Schönheit, daß mir Monsieur sagte: »Madame, Sie haben den Stoff gewiß nicht selbst gekauft, Sie sind eine zu gute Hausfrau.« Ich gestand ihm, daß es ein Geschenk von Ihnen wäre, und habe Ihnen alles Verdienst daran überlassen.

Sie schreiben, daß ich immer glaube, mein Sohn habe nicht Kleider genug; ich lasse ihm doch nur das Nötigste machen. Ich gestehe, daß ich es sehr gern sähe, wenn er auf dem Ball tanzte; er ist hübsch, hat gute Manieren und tanzt gut; er wird sich niemals besser präsentieren und einen so guten Eindruck machen. Ich wäre deshalb froh, wenn ich ihn in einem würdigen Ballanzug erscheinen lassen könnte. Ich glaube, ich mache die Ausgabe. Wenn M. de CarcassonneLouis Joseph de Grignan, Bischof von Carcassonne. Die Finanzen der gräflichen Familie waren längst so zerrüttet, daß alle Verwandte und Freunde helfen mußten, ohne freilich eine Besserung herbeizuführen. daran denken möchte, würde er mir große Freude bereiten. Wäre er hier, würde er ihm gewiß sieben Ellen Stoff schenken.

Sie sehen, mein lieber Graf, daß ich bei so eiteln Gedanken schwer auf Ihre Predigt antworten kann. Alles, was ich mit Bestimmtheit sagen kann, ist, daß ich das sehnlichste Verlangen habe, auch eine Zelle in Grignan zu bewohnen und auf alles hier zu verzichten. Ach! Ohne 189 unsern Prozeß lebten wir zusammen in unserm Schloß verborgen, ich ließe Sie nur selten weggehen und wir würden Ersparnisse machen, damit unsere Kinder leben und etwas vorstellen können. Das ist mein ganzes Streben.

 

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An Mme. de Grignan

Paris, 18. Oktober 1688

Wir haben Deine Briefe aus Chalons erhalten, mein Kind, einen Tag, als wir uns gerade beklagten, acht Tage ohne Nachricht zu sein. Es ist eine lange Zeit und man leidet in der Ungewißheit; deshalb fühlen wir auch mit Dir die Sorge, die Dir durch das Fehlen aller Nachrichten aus Philippsburg erwachsenDer Sohn des Grafen Grignan, der Marquis de Grignan, war als Freiwilliger in die Armee eingetreten und nahm an der Belagerung von Philippsburg teil.. Bis jetzt geht es Deinem Sohn recht gut, er benimmt sich vorzüglich, und sieht und hört die Kanonenschüsse um sich herum ohne Angst. Er ist auf der Wache in den Laufgräben gewesen und hat seinem Onkel über die Belagerung Bericht erstattet wie ein alter Offizier. Jedermann hat ihn gern, und oft hat er die Ehre, mit MonseigneurDer Dauphin, der ebenfalls beim Belagerungsheer weilte. zu speisen, der mit ihm spricht und ihm den Leuchter reichen läßtWenn sich der König oder der Dauphin zum Schlafen begab, trug ihm ein Kammerdiener einen goldnen Leuchter vor. Wollte der König einen Herrn vom Hof auszeichnen, ließ er ihm den Leuchter übergeben.. Beauvilliers und Saint-Pouanges behandeln ihn wie ihr KindDer Herzog de Beauvilliers und der Marquis Colbert de Saint-Pouanges, ein Vetter des Ministers Colbert, waren im Gefolge des Dauphins.. Du wirst das alles ausführlich in den Briefen lesen, die der ChevalierDer Chevalier de Grignan, Bruder des Grafen. Dir schickt. Ich sage es nur einstweilen, um den meinen dadurch wertvoll zu machen, daß ich Dich von dem unterhalte, was Dir am meisten am Herzen liegt. 190

 

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An Mme. de Grignan

Paris, 15. November 1688

Der Chevalier ist gestern nach Versailles gefahren und hat mir diesen Morgen zwei Deiner Briefe nach Brevannes geschicktFrau de Sévigné war den Tag zuvor in Brevannes in der Nähe von Paris gewesen, um Mme. de Coulanges zu besuchen, die dort wohnte. Sie war früher zurückgekehrt, als der Chevalier es erwartete.. Ich bin sicher, daß Du in dem einen Deine Freude über die Einnahme von Philippsburg aussprichst. Du kannst über die Einnahme von Mannheim nicht weniger froh sein, bei der unser Kind viel größere Gefahr lief. Sei auch nur recht zufrieden damit, daß er eine leichte Quetschung am Schenkel hat, nach der er mir beiliegenden Brief schrieb. Du siehst daraus, daß er glücklich ist, so leichten Kaufs davongekommen zu sein. Monseigneur hat dem König von der Quetschung geschrieben, und Dangeau hat's dem Chevalier erzählt, um sich mit ihm darüber zu freuen. Der Chevalier war gerade auf dem Weg nach Versailles; ich bin fest überzeugt, daß er heute abend zurückkommt und Dir schreibt, was er bei Hof ausgerichtet. Mache Dir also keine Sorgen mehr um Dein Kind, denn Du siehst, daß es ihm gut geht und er zufrieden ist. Man muß die Quetschung noch zu den Glücksfällen rechnen, die ihm seine Laufbahn noch vor seinem siebzehnten Jahr erleichtert, denn er wird erst übermorgen siebzehn Jahre alt. Also, Geliebte, danke Gott, und auch Sie, lieber Graf; Ihr habt beide Ursache dazu. Mme. de Montchevreuil, die ihren Sohn verloren hat und Mme. de Nesle, die ihren Mann verlieren wird, können Dich beneiden.

 

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An Mme. de Grignan

Paris, 8. Dezember 1688

Der kleine Spitzbube hatte uns gemeldet, er käme erst gestern, am Dienstag, und überraschte uns vorgestern, um sieben Uhr abends, als ich noch nicht aus der Stadt zurück 191 war. Sein Onkel empfing ihn und war glücklich, ihn zu sehen. Ich fand ihn bei meiner Rückkehr sehr heiter und hübsch, und er küßte mich fünf- oder sechsmal. Er wollte mir die Hände küssen, und ich wollte seine Wangen küssen; das gab einen Wettstreit, bis ich schließlich seinen Kopf faßte und ihn nach Herzenslust küßte. Ich wollte auch seine Quetschung sehen, aber da sie, mit Respekt zu melden, am linken Schenkel ist, wollte ich ihn doch nicht nötigen, sich zu entkleiden.

Wir plauderten den Abend mit dem kleinen Mann, er erfreut sich an Deinem Bild; er möchte gar gern seine liebe Mutter sehen, aber der Stand eines Kriegers hat solche Pflichten, daß man nicht wagt, etwas vorzuschlagen.

 

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An Mme. de Grignan

Paris, 28. Januar 1689

Man hat in Saint-Cyr die Komödie oder Tragödie »Esther« aufgeführt. Der König hat sie sehr bewundert, Prinz Condé hat geweint. Racine hat nichts geschrieben, das so schön und rührend wäre. Es enthält ein Gebet der Esther für Ahasverus, das hinreißend ist. Ich war besorgt, weil ein Fräulein den König darstellt, aber man sagt, daß es sich sehr gut macht. Mme. de Caylus spielt die Esther, und besser als die Champmeslé. Sobald das Stück im Druck erscheint, werde ich Dir's schickenRacine hatte sich seit Jahren ganz vom Theater zurückgezogen, als ihn Mme. de Maintenon um ein Stück für ihre Schülerinnen zu Saint-Cyr bat. Es war das eine Stiftung für adlige Fräulein. Mme. de Maintenon hatte sie gegründet, interessierte sich lebhaft für ihr Gedeihen und sorgte auch später für die Mädchen. Theatralische Vorstellungen gehörten mit zu dem Programm der Anstalt. Aber die Wahl der Stücke war schwierig. Die Mädchen hatten eines Tags Racines »Andromaque« aufgeführt, dabei aber in den Liebesszenen so viel Feuer gezeigt, daß Mme. de Maintenon daran Anstoß nahm. Die Vorsteherin der Schule schrieb nun selbst kleine Stücke für den Hausbedarf. Da diese aber entsetzlich langweilig waren, wandte sich Mme. de Maintenon an Racine mit der Bitte, ein für Saint-Cyr passendes Stück zu dichten. So entstand »Esther«, die mehrmals vor dem König und einem kleinen geladenen Kreis aufgeführt wurde. Nach Saint-Cyr dazu eingeladen zu werden, galt als große Ehre. Das zweite Stück, das Racine für Saint-Cyr schrieb, seine »Athalie«, durfte schon nicht mehr auf der Bühne dargestellt werden, sondern wurde von den Schülerinnen einfach vor dem König in einem Salon rezitiert.. 192

 

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An Mme. de Grignan

Paris, 21. Februar 1689

Ich war neulich auch in Saint-Cyr. Wir fuhren Samstag hin, Mme. de Coulanges, Mme. de Bagnols, der Abbé Têtu und ich. Unsere Plätze waren reserviert. Ein Offizier sagte zu Mme. de Coulanges, Mme. de Maintenon habe einen Platz für sie neben sich aufheben lassen; Du siehst, wie man sie ehrt. »Sie, Madame, können wählen,« sagte er mir. Ich setzte mich zu Mme. de Bagnols in die zweite Bank hinter die Herzoginnen. Der Marschall de Bellefonds wählte den Platz zu meiner Rechten, und vor mir saßen Mme. d'Auvergne, Mme. de Coislin und Mme. de Sully. Die Aufmerksamkeit, mit welcher der Marschall und ich die Tragödie anhörten, wurde bemerkt, ebenso unsere leise und am rechten Ort gespendeten Lobsprüche und Bemerkungen, wie sie vielleicht nicht alle Damen zu machen verstanden. Ich kann Dir gar nicht sagen, wie wunderbar schön das Stück ist. Es ist nicht leicht darzustellen, und man wird es nie nachahmen können. Es bietet eine so volle Übereinstimmung der Musik, der Verse, des Gesangs und der Charaktere, daß nichts zu wünschen übrig bleibt. Die Mädchen, welche die Könige und die andern Personen spielen, sind wie dazu geschaffen. Man ist ganz gefesselt und hat nur den einen Kummer, daß ein so schönes Stück auch ein Ende findet. Alles ist einfach und unschuldig, erhaben und rührend. Die Treue, mit der sich das Stück an die biblische Geschichte hält, stimmt andächtig; die Musik paßt zu dem Text der Gesänge, die den Psalmen und dem Buch der Weisheit entnommen sind. Sie sind so schön, daß sie einem Tränen entlocken. Wie viel Geschmack jemand hat, kann man an dem Beifall erkennen, den er dem Stück zollt. Ich war entzückt davon und der Marschall auch, der aufstand und zum König ging, um ihm 193 seine Bewunderung auszudrücken. Dabei sagte er ihm, daß er neben einer Dame säße, die würdig wäre, »Esther« gesehen zu haben. Der König kam in unsere Nähe, drehte sich um und redete mich an: »Ich bin sicher, Madame, daß es Ihnen gefallen hat.« Und ich antwortete ihm ganz mutig: »Sire, ich bin entzückt, ich kann meine Gefühle gar nicht in Worte kleiden.« Der König sagte mir: »Racine ist sehr geistvoll.« Ich entgegnete: »Ja, Sire, er ist sehr geistvoll, aber die jungen Damen sind es auch, sie haben sich in das Stück hineingelebt, als wenn sie nie etwas anderes getan hätten.« Er sagte mir: »Das ist sehr richtig.« Und dann ging Se. Majestät weg und ließ mich als Gegenstand des Neids zurück. Da ich fast die einzige Neueingeladene war, freute es ihn, meine aufrichtige diskrete Bewunderung zu sehen. Der Prinz und die Prinzessin Condé kamen auch, um ein paar Worte mit mir zu wechseln. Mme. de Maintenon war wie ein Blitz, sie ging mit dem König weg. Ich antwortete allen, denn ich war gut aufgelegt. Abends kehrten wir bei Fackelschein zurück, und ich speiste bei Mme. de Coulanges, mit der der König auch sehr freundlich gesprochen hatte. Ich sah den Chevalier noch am Abend. Ich erzählte ihm ganz naiv meine kleinen Erfolge, denn ich wollte keine Geheimniskrämerei damit treiben, wie gewisse Leute. Er freute sich auch, und nun ist's vorbei. Ich bin sicher, daß er bei uns weder dumme Eitelkeit, noch philiströses Entzücken gefunden hat; frage ihn darüber. Der Bischof von MeauxBossuet. sprach viel mit mir über Dich, der Prinz auch. Ich bedauerte, daß Du nicht da warst, aber wie wäre es möglich? Man kann nicht überall sein. Ihr wart in Eurer Oper in Marseille, und da »Atys« nicht allein »zu glücklich« istAnspielung auf einen Vers in der Oper., sondern auch zu liebenswürdig, so könnt Ihr Euch unmöglich dort gelangweilt haben. Pauline muß von dem Schauspiel überrascht gewesen sein, sie kann sich nichts Besseres wünschen. Ich habe von Marseille eine so angenehme Erinnerung, daß ich gewiß bin, Ihr habt Euch dort nicht langweilen können.

An demselben Samstag nach der schönen »Esther« 194 erfuhr der König die Nachricht von dem Tod der jungen Königin von Spanien; sie starb in zwei Tagen an heftigem Erbrechen. Das ist verdächtig. Der König sagte es Monsieur am folgenden Tag, nämlich gestern. Die Trauer war groß, Madame jammerte laut, der König war selbst in Tränen, als er von ihnen wegging.

Man meldet gute Nachrichten aus England, nicht allein daß der Prinz von Oranien nicht gewählt ist, weder zum König noch zum Protektor, man gibt ihm auch zu verstehen, daß er und sein Heer nur zurückkehren sollen; das vertreibt manche SorgeDie Stelle bezieht sich auf die Revolution in England, wo Jakob II. vertrieben worden war. Jakob hatte ganz unter französischem Einfluß gestanden, und so erklärt es sich, warum man seinen Sturz bedauerte. Übrigens waren die Nachrichten, die Frau von Sévigné hatte, falsch. Am 16. Februar hatte das Parlament Wilhelm von Oranien als König anerkannt. Der entschiedenste Gegner der französischen Politik bestieg somit den Thron von England.. Wenn sich die Nachricht bestätigt, wird unsre Bretagne weniger aufgeregt sein und mein Sohn wird nicht das leidige Kommando über die Edelleute aus der Grafschaft Rennes und der Baronie Vitré übernehmen müssen. Sie haben ihn gegen seinen Willen zu ihrem Führer gewählt. Ein andrer wäre glücklich über diese Ehre, aber er ist böse darüber.

Dein Kind ist nach Versailles, um sich während der Faschingstage zu unterhalten, aber er hat die Trauer um die Königin von Spanien gefunden. Das ist ein trauriger Karneval.

Man berichtet merkwürdige Dinge aus England. Nach vielem Widerspruch haben sie den tollen Prinzen von Oranien zum König gewählt und gekrönt. Vor acht Tagen glaubte man das Gegenteil, aber es sind Engländer.

Mme. de Vieuville ist gestorben, sie war gewiß sehr erstaunt, so bald zu ihrem Schwiegervater in die Gruft zu kommen.

Lebe wohl, mein liebes Kind!

 

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An Mme. de Grignan

Paris. Montag, 28. Februar 1689

Der Chevalier fuhr gestern nachmittag nach Versailles, um sein Schicksal zu erfahren; denn da er sich nicht auf den Listen fand, die erschienen sind, will er hören, ob man 195 ihn für den Dienst in der Armee des Dauphin reserviert. Da er sagte, er sei imstande zu dienen, glaubt er mit Recht, daß man ihn nicht vergessen hat; es wäre gewiß nicht seine Schuld, er ist sicher einer der Besten.

Dein Sohn ist mir geblieben, ich bin immer bei ihm und er ist es zufrieden. Er wird von den Fräulein Castelnau Abschied nehmen; sein Herz ist noch frei, er ist ganz von seiner Pflicht, seiner Ausrüstung und seinen Rechnungen erfüllt. Er ist ganz glücklich, daß er fort kann und den andern den Weg zeigt, und daß er in Philippeville ausgeruht sein wird, wenn der Marschbefehl kommt, so daß er seine Truppe nicht ermüden muß, wie die andern. Man weiß noch von nichts; wir werden nicht angreifen, wir wollen keine Schlacht, wir sind auf der Defensive; dabei aber so mächtig, daß man vor uns zittert. Noch nie hat ein König von Frankreich dreihunderttausend Mann unter Waffen gehabt, nur die Könige von Persien konnten soviel aufweisen. Alles ist neu, alles ist staunenswert.

 

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An Mme. de Grignan

Paris, 2. März 1689

Der Chevalier kam gestern zurück; es geht ihm gut, er wird verwendet, doch weiß er noch nicht, in welchem Land. Ich bewundere seinen Mut. Dein Sohn ist sehr liebenswürdig und hübsch. Er bekümmert sich schon um alle seine Angelegenheiten, er bestellt, handelt und berechnet; es ist schade, daß sein Vater es nicht ebenso gemacht hat.

Der Chevalier wird Dir sagen, was der König zum König von England sagte, als er von ihm Abschied nahm: »Ich sehe Sie ungern von mir scheiden, und doch wünsche ich, Sie nie wiederzusehen. Sollten Sie aber dennoch 196 wiederkommen, so seien Sie überzeugt, daß Sie mich so finden werden, wie Sie mich verlassen haben.« Kann man schöner sprechen? Er hat ihn mit allem ausgestattet, mit großen und kleinen Dingen, mit zwei Millionen, Schiffen, Fregatten, Truppen und Offizieren. Von den Kleinigkeiten nenne ich Toiletten, Feldbetten, vergoldetes Tafelservice aus Silber, die eignen Waffen für des Königs Gebrauch, Waffen für die Armee in Irland. Mit einem Wort, die Großmut, Freigebigkeit und Großherzigkeit haben sich nie so deutlich gezeigt, wie bei dieser Gelegenheit.

Hab' ich Dir gemeldet, daß der Präsident Barentin vor zwei Tagen auf seinem Platz im großen Rat gestorben ist? Er fiel plötzlich tot hin. Seine Frau lacht immer, wird sie bei diesem Schicksal auch lachen?

Ich danke Dir, daß Du daran gedacht hast, mir einen indischen Schlafrock auszusuchen. Rosenrot steht mir nicht, ich habe keinen gesteppten Rock nötig, ich habe einen, darum behalte Dein Geld.

Ich habe mit Deinem Sohn bei Mme. de Chaulnes gespeist, die Dich tausendmal grüßen läßt. Wir werden erst nach Ostern reisen. Du weißt, mein liebes Kind, daß mich nur einzig und allein meine Geschäfte nach der Bretagne ziehen. Weder mein Sohn noch seine Frau sind in Les Rochers, sie sind an Rennes gefesselt, bei ihrer Mutter. Mein Sohn ist vielleicht bei dem Adel. Es gibt in Les Rochers keine Zurückgezogenheit und keine angenehme Einsamkeit mehr. Sie werden aus Rücksicht hinkommen, und ich werde ihnen im Oktober ihre volle Freiheit wiedergeben. Ich zweifle gar nicht, daß Du diesen Winter mit M. de Grignan wieder nach Paris kommst. Übrigens kann ich dann für immer bei Euch sein, an welchem Ort es auch sei. Ich halte La Rochefoucaulds Maxime für sehr wahr: »Die Sorgen sind in allen Ständen ziemlich gleich verteilt.« Doch gibt es welche, die sehr schwer scheinen. Lebe wohl, mein liebes Kind; ich muß lachen, wenn Du sagst, Du hättest keinen Verstand mehr. Schmäle Deine Briefe nicht. Sie sind voll schöner Wendungen und voll Geist. Ich küsse Dich tausendmal. 197

 

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An den Grafen Bussy-Rabutin

Paris, 16. März 1689

M. und Mme. de Grignan sind auf ihrem Posten. M. de Grignan hat eine äußerst ermüdende Expedition in die Berge der Dauphiné gemacht, um die elenden Hugenotten auseinanderzutreiben und zu strafen. Sie kommen aus ihren Löchern hervor, um zu Gott zu beten, und verschwinden wie die Geister, sobald sie sehen, daß man sie sucht und vernichten will. Derartige fliegende oder unsichtbare Feinde machen unendliche Mühe, und das Ende ist buchstäblich nicht abzusehenVon einer Frau wie Mme. de Sévigné einen solchen Brief zu lesen, erstaunt uns. Doch vergessen wir nicht, daß uns mehr als zwei Jahrhunderte von jener Zeit trennen, und daß erst nach langen Kämpfen Toleranz und Gewissensfreiheit errungen wurden. Mme. de Sévigné sprach hier, wie fast alle ihre Standesgenossen, welche die Aufhebung des Edikts von Nantes als eine große Tat priesen. Auch La Fontaine pries in einem Brief an den Herzog von Vendôme den König, daß er die »ketzerische dumme Hugenottenbrut« vertrieben hätte.. Es kommt mir vor, als wäre in Ihrem Burgund nichts Ähnliches. Ich habe vor, mit der Herzogin de Chaulnes in die Bretagne zu reisen; sie geht zu ihrem Mann, der dort seit sechs oder sieben Monaten Wunder tut.

 

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An Mme. de Grignan

Paris, 23. März 1689

Ich wiederhole Dir nicht mehr alle Lobsprüche, die ich »Esther« gespendet habe. Mein ganzes Leben lang werde ich mich der Schönheit und Eigenartigkeit des Schauspiels erinnern. Ich bin ganz begeistert davon. Ich finde eine Menge Stellen so richtig, so gut angebracht, so wichtig für das Ohr eines Königs, daß ich mit besonderer Freude hörte, wie Schauspiel und Gesang so tiefe Wahrheiten lehren können. Ich bin also weit entfernt, meine Meinung zu ändern. Aber ich sagte Dir schon, daß der 198 Druck seine gewöhnliche Wirkung gehabt hat. Doch habe ich das Stück auch mit Vergnügen gelesen.

Der Brief Deines Sohnes wird Dir Freude machen, er ist von einem befriedigten Menschen geschrieben, der mit ganzer Seele seinen Dienst ausübt.

 


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