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X

Noch an demselben Tage nahm Basia den Tataren »ins Gebet«, aber dem Rate ihres Gatten folgend, und von einer gewissen Besorgnis in betreff Azyas scheuem Wesen erfüllt, beschloß sie, nicht allzu sehr in ihn zu dringen.

Dessen ungeachtet begann sie, als er vor ihr stand, sofort ohne Umschweife:

»Herr Bogusz sagt, daß Euer Gnaden ein Mensch von hoher Bedeutung ist, aber meiner Ansicht nach vermag auch der bedeutendste der Liebe nicht zu entgehen.«

Azya drückte die Augen zu und neigte sein Haupt.

»Ihr habt recht, wohledle Frau!« sagte er.

»Denn seht, Euer Liebden, bei Herzensangelegenheiten geht's so schnell wie der Blitz. Da kann man sich nicht wehren!«

Bei diesen Worten schüttelte Basia ihr helles Gelock und blinzelte mit den Augen, als ob sie damit andeuten wolle, daß sie selbst sich vortrefflich auf derartige Angelegenheiten verstehe, und daß sie die Hoffnung hege, es mit keinem Unerfahrenen zu thun zu haben. Azya aber erhob das Haupt und umfaßte mit einem Blick ihre liebliche Gestalt. Niemals noch war sie ihm so schön erschienen wie jetzt, da sie ihre Augen voll Neugierde und sprühendem Lebensmut auf ihn richtete, da sie ihr gerötetes, lächelndes Kindergesicht zu ihm erhob. Aber gerade weil sich soviel Unschuld darin ausdrückte, ward die Versuchung für Azya so groß, gerade deshalb wuchs sein Verlangen, erfaßte ihn die Leidenschaft mit aller Macht, machte ihn trunken und erstickte alle andern Wünsche in ihm außer dem einen, sie ihrem Gatten zu entreißen, sie zu entführen, sie für alle Ewigkeit festzuhalten, seine Lippen auf die ihren zu drücken, sich von ihren Armen umschlungen zu fühlen, sich nur dieser Liebe hinzugeben, sich selbst zu vergessen und entweder allein oder vereint mit der Heißgeliebten zu Grunde zu gehen.

Bei diesem Gedanken schien der Boden unter ihm zu schwanken, immer heißere Wünsche gewannen die Oberhand in seiner Seele, sie krochen hervor wie Schlangen aus einer Felsenspalte. Aber er war ein Mensch, der zugleich auch große Selbstbeherrschung besaß, daher sagte er sich: »Noch ist es nicht an der Zeit« und hielt sein wildes Herz im Zaume, wie man ein wildes Pferd mit der Schlinge festhält.

So stand er denn scheinbar kühl und ruhig vor ihr, obwohl seine Lippen brannten, eine wahre Glut in seinen Blicken loderte und seine wildblickenden Augen all das ausdrückten, was seine zusammengepreßten Lippen nicht zu sagen wagten.

Doch Basia, deren Seele so rein wie Kristall und deren Geist mit ganz andern Dingen beschäftigt war, verstand diese stumme Sprache nicht, sie überlegte gerade in diesem Augenblicke, was sie dem Tataren mitteilen, wie sie sich ihm gegenüber äußern könne, und schließlich sagte sie, den Finger erhebend:

»Gar mancher hegt eine geheime Liebe im Herzen und wagt es nicht, mit jemand davon zu sprechen. Vielleicht würde er aber etwas Günstiges erfahren, wenn er sie offen eingestünde.«

Azyas Gesicht nahm einen eigentümlichen Ausdruck an, ein wahnwitziger Hoffnungsschimmer tauchte vor ihm auf, aber er beherrschte sich und fragte:

»Wovon beliebt Ihr, wohledle Frau, zu sprechen?«

Und Basia entgegnete:

»Eine andere würde es Euer Gnaden geradezu heraussagen, denn die meisten Frauenzimmer sind recht ungeduldig und unüberlegt, aber ich gehöre nicht zu diesen. Euch hilfreich beizustehen, dazu wäre ich gerne bereit, aber in Euer Vertrauen will ich mich nicht eindrängen. Ich sage Euch nur dies: Zieht Euch nicht zurück, sondern kommt zu mir, kommt täglich, kommt sobald Ihr mir etwas zu sagen habt. Mit meinem Gatten habe ich schon gesprochen, allmählich werden Euer Gnaden Vertrauen gewinnen, an mein Wohlwollen glauben und sehen, daß ich nicht aus leerer Neugierde frage, sondern aus aufrichtigem Mitgefühl und deshalb, weil ich von Eurer Neigung überzeugt sein muß, wenn ich hilfreiche Hand bieten soll. Es ziemt sich doch, daß Ihr, wohledler Herr, Eure Liebe zuerst bekennt, und dann, wenn Ihr sie mir gegenüber eingesteht, werde auch ich Euch vielleicht etwas mitteilen.«

Jetzt begriff der Sohn von Tuhay-Bey, wie vergeblich jener Hoffnungsschimmer war, der sich ihm kurz zuvor gezeigt hatte, auch er erriet sofort, daß es sich um Ewa Nowowiejski handelte, und all der Groll, der sich mit der Zeit gegen die ganze Familie in seiner rachsüchtigen Seele angesammelt hatte, drohte jetzt hervorzubrechen und sich in Verwünschungen Luft zu machen. Sein glühender Haß ward jetzt um so größer, als vor einer Weile noch ganz andere Gefühle seine Seele bewegt hatten. Gleichwohl bezwang er sich. Nicht nur große Selbstbeherrschung, sondern auch die Schlauheit des Orientalen war ihm eigen. In einem Augenblick ward ihm klar, daß er seiner Wut gegen die Familie Nowowiejski nicht Ausdruck verleihen dürfe, wenn er sich nicht der Gunst Basias und damit auch der Möglichkeit, sie täglich zu sehen, berauben wolle, andererseits fühlte er aber auch die Unmöglichkeit, sich wenigstens jetzt in dem Grade zu bezwingen, daß er sein eigenes Herz Lügen strafen und der Heißgeliebten sagen konnte, er sei einer andern zugethan.

Durch diesen inneren Zwiespalt wahrhaft Qualen leidend, warf er sich plötzlich vor Basia nieder, und, ihre Füße küssend, rief er:

»Wohledle Frau, Ihr mögt über mich bestimmen, in Eure Hände lege ich mein Geschick! Ich will nichts thun als das, was Ihr befehlet, ich will keinen andern Willen kennen als den Euern. Verfahrt mit mir wie Ihr wollt! In Qualen und Leiden muß ich leben, ich Unglückseliger! Wohledle Frau, erbarmt Euch meiner! Sonst können Tod und Verderben über mich kommen.«

Bei diesen Worten stöhnte er laut, da er unendliche Pein fühlte und die unterdrückte Leidenschaft ihn bis ins innerste Mark erschütterte. Basia betrachtete diese Worte als den Ausdruck einer langen und unter Schmerzen verheimlichten Liebe zu Ewa, daher ergriff sie tiefes Mitleid für den jungen Krieger und in ihren Augen glänzten Thränen.

»Erhebet Euch, Azya!« sagte sie zu dem knieenden Tataren. »Ich bin Euer Gnaden stets gewogen gewesen und will Euch herzlich gerne helfen. Ihr stammt ja aus edlem Blute und Eurer Verdienste wegen wird man Euch sicherlich das Indigenat nicht vorenthalten, Herr Nowowiejski wird sich erbitten lassen, denn er blickt Euch jetzt schon mit andern Augen an, und Ewa ...«

Hier stand Basia von der Bank auf, hob ihr rosiges, lächelndes Gesichtchen empor, und sich auf die Fußspitzen stellend, flüsterte sie Azya ins Ohr:

»Ewa liebt Euch!«

Doch Azyas Gesicht verzerrte sich förmlich vor Wut, er griff sich mit beiden Händen an seinen Haarzopf, und vollständig vergessend, welches Staunen sein Aufschrei hervorrufen mußte, rief er einige Male mit heiserer Stimme:

»Allah! Allah! Allah!«

Dann stürzte er aus der Stube.

Basia schaute ihm eine Weile nach. Sein Aufschrei überraschte sie nicht allzusehr, da sie ähnliche auch schon häufig von polnischen Soldaten gehört hatte, aber die Unbändigkeit des jungen Tataren wahrnehmend, sagte sie sich im Innern:

»Das ist wirkliche Leidenschaft. Er liebt sie wahnsinnig!«

Dann stürmte sie davon wie ein Wirbelwind, um so rasch wie möglich ihrem Ehegemahl, Herrn Zagloba und Ewa Bericht zu erstatten. Sie traf Wolodyjowski in der Kanzlei mit den Registern der in dem Fort zu Chreptiow stehenden Schwadronen beschäftigt. Er saß da und schrieb, sie aber eilte auf ihn zu, indem sie rief:

»Weißt Du schon? Ich habe mit ihm gesprochen! Er fiel mir zu Füßen! Er liebt sie wahnsinnig!«

Der kleine Ritter legte die Feder weg und schaute seine Gattin an. Sie sah so reizend aus in ihrer Lebhaftigkeit, daß seine Augen strahlten, und er lächelnd die Arme nach ihr ausbreitete. Sie aber sträubte sich ein wenig und sagte abermals:

»Azya liebt Ewa wahnsinnig!«

»Gerade so wie ich Dich!« antwortete der kleine Ritter, sie noch fester an sich ziehend.

Noch an demselben Tage wurden sowohl Herr Zagloba als auch Ewa Nowowiejski auf das Genaueste von der ganzen Unterredung mit Azya unterrichtet. Das Herz des jungen Mädchens gab sich nun vollständig dem süßen Gefühle hin und schlug wie ein Hammer bei dem Gedanken an das erste Zusammentreffen, noch stärker aber bei dem Gedanken an ihr erstes Zwiegespräch. Schon sah sie Azyas dunkles Antlitz zu ihren Füßen, schon fühlte sie dessen Küsse auf ihren Händen, schon sah sie sich von jener ohnmächtigen Schwäche überwältigt, in der das Haupt eines Mädchens an die Schulter des Erwählten sinkt und ihre Lippen flüstern: »Ich liebe Dich!«

In ihrer Erregung und Unruhe küßte sie jetzt Basias Hand leidenschaftlich und schaute jeden Augenblick nach der Thüre, in der Erwartung, die düstere, aber schöne Gestalt von Tuhay-Beys Sohn zu erblicken.

Allein Azya ließ sich nicht im Fort sehen, da Halim, der ehemalige Diener seines Vaters, jetzt ein angesehener Murse bei den Dobruczer Tataren, sich bei ihm eingestellt hatte.

Es war Halim nicht darum zu thun, ein Hehl aus seinem Kommen zu machen, da man ihn in Chreptiow schon als Vermittler zwischen Azya und jenen Rittmeistern der Lipker und Czeremisen kannte, welche in den Dienst des Sultans getreten waren. Beide hatten sich in Azyas Quartier sofort eingeschlossen, und nachdem Halim durch Kniebeugungen dem Sohne des Tuhay-Beys die nötige Ehrfurcht erwiesen hatte, faltete er die Hände über der Brust und wartete mit gesenktem Haupte auf dessen Fragen.

»Hast Du Briefe für mich?« begann Azya.

»Ich habe keine, Effendi. Man befahl mir, alles mündlich zu berichten.«

»Also sprich!«

»Der Krieg ist gewiß! Im Frühjahr sollen wir alle nach Adrianopel ziehen. Die Bulgaren haben dort bereits Befehl, Heu und Gerste zuzuführen.«

»Und wohin wird sich der Khan begeben?«

»Durch die Wilden Felder wird er zu Doroszenko nach der Ukraine ziehen.«

»Was hast Du von den Tatarenlagern gehört?«

»Dort wünscht man sich den Krieg und wünscht sich das Frühjahr herbei, denn jetzt herrscht Elend in den Lagern, wiewohl der Winter erst begonnen hat.«

»Ist denn das Elend in der That so groß?«

»Gar viele Pferde sind gefallen. In Bialogrod sind schon manche Leute freiwillig Sklaven geworden, um nur ihr Leben bis zum Frühjahr fristen zu können. Gar viele Pferde sind gefallen, Effendi, denn im Herbste gab es wenig Gras auf den Steppen ... Die Sonne hat es versengt.«

»Und weiß mau dort etwas von dem Sohne Tuhay-Beys?«

»Soviel Du mir erlaubt hast, zu berichten, habe ich berichtet. Bei den Lipkern und Czeremisen haben sich auch allerlei Gerüchte verbreitet, doch niemand weiß etwas Gewisses zu sagen. Man spricht auch davon, die Republik wolle ihnen Freiheit und Grundbesitz geben und zum Kriegsdienst unter Tuhay-Beys Sohn auffordern. Bei der Kunde allein schon brach in den ärmeren Ansiedelungen der Aufstand aus. Sie wollen Kriegsdienste leisten, Effendi, sie sind bereit dazu, doch erklären ihnen dann wieder andere, all dies sei unwahr, die Republik werde Truppen gegen sie aussenden und von jenem Sohne Tuhay-Beys wisse man gar nichts. Bei uns sind Kaufleute aus der Krim gewesen, welche erzählten, daß manche dort behaupten: ›Es giebt einen Sohn Tuhay-Beys!‹ und sich deshalb aufrührerisch geberden, und daß hingegen wieder andere behaupten: ›Es giebt keinen!‹ und jene zurückzuhalten suchen. Aber wenn es verlautete, daß Du, mein Gebieter und Herr, zu freier Rückkehr bei Schenkung von Grund und Boden und zum Kriegsdienste aufforderst, so würden sich ganze Scharen in Bewegung setzen ... Möge mir daher nur vergönnt sein, unverhohlen reden zu dürfen ...«

Azyas Gesicht strahlte vor innerer Befriedigung. Er begann mit großen Schritten in der Stube auf und ab zu gehen und sagte schließlich:

»Sei willkommen, Halim, unter meinem Dache. Setze Dich nieder und iß!«

»Dein Hund und Diener bin ich, Effendi!« sagte der alte Tatar.

Nun klatschte der Sohn Tuhay-Beys in die Hände, worauf ein Lipker, die Ordonnanz, eintrat und nach erhaltenem Befehl allerlei Erfrischungen brachte, wie Branntwein, geräuchertes Fleisch, Brot, einige Leckereien, sowie ein paar Handvoll gedörrter Körner von Wassermelonen – eine gleich den Körnern von Sonnenblumen sehr beliebte Speise bei den Tataren.

»Ein Freund, nicht Diener bist Du mir,« sagte Azya, nachdem der Lipker sich wieder entfernt hatte, »sei willkommen, denn gute Botschaft bringst Du mir, setze Dich nieder und iß!«

Halim begann zu essen, und bevor er zu Ende war, sprachen sie nichts miteinander, aber er hatte sich bald gestärkt und verfolgte nun Azya mit den Blicken, in der Erwartung, daß dieser ihn anrede.

»Sie wissen jetzt hier, wer ich bin,« begann schließlich Tuhay-Beys Sohn.

»Und was ist darauf erfolgt, Effendi?«

»Nichts anderes, als daß man nur jetzt mehr Achtung entgegenbringt. Wenn mein Plan sich verwirklichen würde, hätte ich es ja über kurz oder lang doch sagen müssen. Ich verschob es anfangs, weil ich Kunde von den Horden erwartete, und weil ich wünschte, daß der Hetman es zuerst erfahre, aber da kam Nowowiejski und erkannte mich.«

»Der Junge?« fragte Halim erschreckt.

»Der Alte, nicht der Junge. Allah hat sie mir alle hierhergesandt, denn auch das Mädchen ist hier. Daß doch der böse Geist in alle hineinführe! Aber laßt mich nur erst Hetman werden, dann will ich ihnen schon aufspielen. Das Mädchen will man mir anhängen, wohlan! Im Harem sind auch Sklavinnen zu brauchen.«

»Will der Alte sie mit Dir verheiraten?«

»Nein! ... Sie! ... Sie meint, daß ich nicht sie, sondern jene andere liebe.«

»Effendi,« sprach Halim, indem er sich verneigte, »ich bin nur ein Knecht Deines Hauses und mir steht kein Recht zu, mich in Deine Angelegenheiten einzumengen, aber ich habe Dich unter den Lipkern erkannt, bei Braclaw habe ich Dir Aufklärung über Deine Abstammung gegeben und seit dieser Zeit diene ich Dir treu. Andern habe ich auch schon gesagt, daß sie Dich als ihren Herrn betrachten müßten, und wennschon sie Dir zugethan sind, liebt Dich doch keiner, wie ich Dich liebe. Darf ich offen reden?«

»Sprich!«

»Vor dem kleinen Ritter sei auf Deiner Hut! Furchtbar kann er sein, und berühmt ist er in der Krim und in der Dobrucza.«

»Hast Du, Halim, schon von Chmielnicki gehört?«

»Ich hörte von ihm und stand in Diensten bei Tuhay-Bey, welcher mit Chmielnicki zusammen in den Krieg gegen die Polen zog, Burgen zerstörte und Güter in Besitz nahm.«

»Und weißt Du, daß Chmielnicki die Gattin Czaplinskis entführte, sich selbst mit ihr verheiratete und Kinder von ihr hatte? Nun? Es war im Kriege und alle Heere des Hetmans und des Königs und der Republik vermochten sie ihm nicht wieder zu entreißen. Er schlug die Hetmans und den König und die Republik, denn mein Vater half ihm dabei. Ueberdies war er auch Hetman der Kosaken. Und was werde ich werden? – Hetman der Tataren! Dann müssen sie mir viel Land zuweisen und eine Stadt als Residenz, und rings um diese Stadt werden auf fruchtbarem Boden Alusen entstehen, und diese Alusen sollen von tüchtigen, wohlbewaffneten Tataren besiedelt werden – mit Tataren, die viele Bogen und viele Säbel bei sich führen. Und wenn ich sie dann nach meiner Residenz bringe und sie, die Herrliche, zu meinem Weibe nehme und zur Frau des Hetmans mache, auf wessen Seite wird alsdann die Macht sein? Auf meiner Seite! Wer wird sie mir aber wieder streitig machen wollen? Der kleine Ritter! ... Falls er dann noch am Leben ist! ... Und wäre er auch noch am Leben, und würde er auch heulen wie ein Wolf und vor dem König, Klage erhebend, einen Fußfall thun, glaubst Du, sie könnten sich dazu verstehen, um eines hellen Haarzopfes willen Krieg mit mir anzufangen? Solch einen Krieg gab es schon einmal, und dabei ist die halbe Republik in Flammen aufgegangen. Und wer wird mir standhalten? Der Hetman vielleicht? Dann würde ich mich mit den Kosaken verbinden, den Bruderbund mit Doroszenko schließen und dem Sultan das Land abtreten. Ich bin ein zweiter Chmielnicki, ja, ich bin besser als Chmielnicki, ich bin ein wahrer Löwe. Mögen sie mir das Weib überlassen, dann werde ich ihnen Dienste leisten, die Kosaken schlagen, den Khan schlagen und den Sultan schlagen, wird es mir aber nicht überlassen, dann sollen Pferdehufe ganz Polen zerstampfen, dann sollen die Hetmans in Fesseln geschmiedet werden, ganze Heere will ich vernichten, Städte niederbrennen, die Bewohner ausrotten, ich, der Sohn Tuhay-Beys, ich, der Löwe!«

Hier glühten Azyas Augen förmlich, seine weißen Zähne blitzten wie einst jene Tuhay-Beys, er hob die Hand in die Höhe und schüttelte drohend die Faust gegen Norden, und dabei sah er so gewaltig, so furchtbar und schön aus, daß Halim sich vor ihm auf die Erde niederwarf und mit leiser Stimme rief:

»Allah kerim! Allah kerim!«

Ein langes Schweigen folgte.

Allmählich beruhigte sich Azya wieder und schließlich sprach er:

»Bogusz ist hier gewesen. Ihm habe ich die Macht meines Einflusses entdeckt und den Rat erteilt, in der Ukraine noch zu den Kosaken auch Tataren anzusiedeln und auch den Tataren einen Hetman gleich dem Hetman der Kosaken zu geben.«

»Und was wußte er darauf zu sagen?«

»Er faßte sich am Kopfe und verneigte sich fast bis zur Erde vor mir, am folgenden Tage aber befand er sich mit der frohen Kunde schon auf dem Wege zum Hetman.«

»Effendi,« bemerkte Halim in schüchternem Tone, »und wenn der ›Große Löwe‹ den Plan nicht billigt?«

»Sobieski?«

Und wieder glühten Azyas Augen förmlich, aber dies währte nur einen Augenblick. Sein Antlitz ward sofort wieder ruhig. Er setzte sich auf die Bank nieder und den Kopf in die Hände stützend, versank er in tiefes Sinnen.

»Ich habe es wohl erwogen,« sagte er schließlich, »was der Groß-Hetman sagen mag, wenn Bogusz ihm die günstige Botschaft mitteilt. Der Hetman ist weise und wird einverstanden sein. Der Hetman weiß, daß es im Frühjahr mit dem Sultan zum Kriege kommen wird, für welchen es in der Republik an Leuten sowohl wie an Geld fehlt, und wenn sich Doroszenko mit den Kosaken auf die Seite des Sultans stellt, dann kann völliges Verderben über ganz Polen hereinbrechen, besonders da weder der König noch die Stände an den Krieg glauben und sich mit den Vorbereitungen nicht beeilen. Ich habe für alles hier ein wachsames Auge, und Bogusz macht aus dem, was an des Hetmans Hofe gesprochen wird, kein Geheimnis vor mir. Herr Sobieski ist ein großer Mann, er wird einwilligen, denn er weiß, falls die Tataren hier ihre Freiheit erlangen und Grundbesitz zugesichert bekommen, wird in der Krim und in den Steppen der Dobrucza vielleicht ein Bürgerkrieg ausbrechen, die Macht der Tatarenhorden geschwächt werden und der Sultan zuerst daran denken müssen, diese Unruhen zu unterdrücken ... Mittlerweile wird der Hetman Zeit gewinnen, sich besser für den Krieg vorzubereiten, mittlerweile werden die Kosaken und Doroszenko in ihrer Treue für den Sultan schwankend werden. Das ist die einzige Rettung für die Republik, welche so schwach ist, daß schon die Rückkehr einiger tausend Lipker von großer Wichtigkeit für sie ist. Der Hetman weiß dies, der Hetman ist weise, der Hetman wird einverstanden sein ...«

»Ich beuge mich in Demut vor Deiner Klugheit, Effendi,« erwiderte Halim, »aber was geschieht, wenn Allah den großen Löwen der Einsicht beraubt, oder wenn ihn der Hochmutsteufel dermaßen blendet, daß er Deine Pläne vollständig verwirft?«

Azya näherte sein Gesicht, in dem sich wilde Leidenschaft ausdrückte, dem Ohre Halims und flüsterte ihm zu:

»Du bleibst jetzt hier, bis die Antwort des Hetmans eintrifft, und auch ich werde mich nicht zuvor nach Raszkow begeben. Sollte er meine Pläne verwerfen, so will ich Dich zu Kryczynski und zu den andern senden. Du überbringst ihnen den Befehl, von der andern Seite des Flusses bis Chreptiow vorzurücken und sich bereit zu halten, und ich werde hier mit meinen Lipkern in einer mir geeignet scheinenden Nacht das Kommando überfallen, um also mit den Leuten zu verfahren ...«

Dabei legte Azya seine Finger um seinen Hals und nach einer Weile fügte er hinzu:

»Kesim! Kesim! Kesim!«

Halim zog den Kopf zwischen die Schultern und auf seinem tierähnlichen Gesichte zeigte sich ein unheilverkündendes Lächeln.

»Allah! Und mit dem kleinen Falken? Ebenso?«

»Ebenso! Mit ihm zuerst!«

»Und dann fort auf türkischen Boden?«

»Auf türkischen Boden! ... Mit ihr! ...«


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