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Die Kunde von Basias Rückkehr verbreitete sich blitzschnell in Chreptiow; aber niemand mit Ausnahme des kleinen Ritters, des Herrn Zagloba und des weiblichen Dienstpersonales bekam sie an diesem Abend oder an den folgenden Tagen zu Gesicht. Nach jenem Ohnmachtsanfall an der Eingangsthüre kam sie so weit wieder zum Bewußtsein, daß sie in kurzen Worten erzählen konnte, was geschehen war und wie es geschehen war; aber plötzlich kamen neue Ohnmachtsanfälle, und eine Stunde später erkannte sie, trotz aller Mittel, sie wieder zu beleben, trotz der Versuche, sie zu erwärmen, ihr Wein und Nahrungsmittel einzuflößen, selbst den Gatten nicht mehr, und es war zweifellos, daß eine lange, schwere Krankheit sie befallen hatte.
Mittlerweile geriet ganz Chreptiow in Aufregung. Die Soldaten liefen auf dem Waffenplatz zusammen, einem Bienenschwarm gleich, als sie erfahren hatten, die »Herrin« sei halb tot zurückgekehrt. Die in dem Gastzimmer versammelten Offiziere flüsterten leise miteinander, voll Ungeduld auf Nachrichten aus Basias Krankenzimmer wartend.
Lange Zeit aber war nichts zu erfahren. Hie und da eilten wohl weibliche Dienstboten herbei, bald in die Küche, um Wasser, bald in die Apotheke, um Pflaster, Salben oder Arzeneien zu holen; aber sie ließen sich nicht aufhalten.
Die Ungewißheit lastete wie Blei auf aller Herzen. Immer mehr Menschen, ja, sogar Dorfbewohner versammelten sich auf dem Waffenplatz. Erkundigungen gingen von Mund zu Mund; es verbreitete sich das Gerücht von Azyas Verrat, und man erzählte, daß die »Herrin« sich durch die Flucht gerettet habe und eine ganze Woche hindurch, ohne zu essen und zu schlafen, unterwegs gewesen sei. Bei diesen Nachrichten schäumten die Leute vor Wut. Unter den versammelten Soldaten entstand eine furchtbare Gährung, deren laute Ausbrüche nur durch die Befürchtung zurückgehalten wurden, das Leben der Kranken könne dadurch gefährdet werden.
Endlich erschien nach langem Harren Herr Zagloba, dessen Augen rotgeweint waren und dessen wenige Kopfhaare sich sträubten, in der Mitte der Offiziere, und alle umdrängten ihn sofort und überschütteten ihn in fieberhafter Erregung mit den leise geflüsterten Fragen: »Lebt sie noch? Lebt sie noch?«
»Sie lebt noch,« sagte der Greis ... »allein Gott allein weiß, ob in einer Stunde ...«
Die Stimme versagte ihm, seine Unterlippe begann zu zittern. Seinen Kopf mit beiden Händen fassend, sank er schwer auf die Bank nieder.
Und seine Brust wogte von gewaltsam unterdrücktem Schluchzen.
Bei diesem Anblick umarmte Herr Muszalski Herrn Nienaszyniec, obwohl er ihm sonst nicht eben sehr zugethan war, und weinte leise, und Herr Nienaszyniec folgte seinem Beispiel. Herr Motowidlo machte Augen, als ob er etwas schlucke, woran er ersticken müsse, Herr Snitko begann mit zitternden Fingern seinen Oberrock aufzuknöpfen, und Herr Hromyka lief mit hocherhobenen Armen verzweifelt im Zimmer hin und her.
Als die Soldaten durch die Fenster diese Zeichen von Verzweiflung wahrnahmen, dachten sie, die »Herrin« sei gestorben und brachen in lärmende Klagen aus.
Herr Zagloba wurde von Zorn ergriffen und stürzte wütend, wie aus der Schleuder geworfen, auf den Waffenplatz hinaus.
»Ruhig! Ihr Halunken! Daß Euch das Donnerwetter hole!« rief er mit gedämpfter Stimme.
Die Leute begriffen, daß die Zeit zur Klage noch nicht gekommen sei und schwiegen sofort; aber sie entfernten sich nicht. Zagloba kehrte in das Zimmer zurück, etwas beruhigter, und setzte sich wieder auf die Bank.
In diesem Augenblick erschien wieder eine Dienstmagd an der Thüre des Krankenzimmers.
Herr Zagloba eilte auf sie zu.
»Wie steht's?«
»Sie schläft.«
«Sie schläft? Gott sei Dank!«
»Vielleicht wird Gott ...«
»Was macht der Herr Kommandant?«
»Der Herr Kommandant ist an ihrem Bette.«
»Gut so! Gehe jetzt rasch, wohin man Dich geschickt.«
Herr Zagloba wandte sich nun an die Offiziere, und die Worte der Dienstmagd wiederholend, sprach er: »Vielleicht wird Gott sich erbarmen! ... Sie schläft! Ich fange wieder an, Hoffnung zu schöpfen ... Uf!«
Und auch die andern seufzten tief auf. Dann schlossen sie um Herrn Zagloba einen dichten Kreis und begannen ihn auszufragen:
»Ums Himmelswillen, wie konnte dies geschehen? Wie hat sich alles zugetragen? Wieso ist sie zu Fuß entflohen?«
»Zu Anfang entfloh sie nicht zu Fuß, sondern mit zwei Pferden, denn sie schleuderte jenen Hund, – den die Pest treffen möge – aus dem Sattel.«
»Ich traue meinen Ohren nicht!«
»Mit dem Griff der Pistole versetzte sie ihm einen Schlag zwischen die Augen, und da sie weit zurückgeblieben waren, sah dies niemand, und so ward sie auch nicht verfolgt ... Das eine Pferd zerrissen ihr die Wölfe, das andere versank im Eis. O Du barmherziger Christ! So wanderte das arme Ding ganz allein durch die Wälder, ohne Speise, ohne Trank!«
Hier brach Herr Zagloba abermals in Thränen aus und unterbrach für eine Weile seine Erzählung; die Offiziere aber, die fast auf die Bänke niedergefallen waren, hatte Verwunderung, Entsetzen und schmerzliches Mitleid mit der von allen geliebten Frau erfaßt.
»Als sie schon ganz nahe bei Chreptiow war,« fuhr Herr Zagloba nach einiger Zeit fort, »erkannte sie die Gegend nicht mehr und bereitete sich zum Sterben; und gerade in diesem Augenblick hörte sie das Knarren der Ziehbrunnen, erkannte, daß sie uns nahe sei und schleppte sich mit ihren letzten Kräften hierher.«
»Gott wachte über sie in all diesen Gefahren,« sagte Herr Motowidlo, seinen feuchten Schnurrbart abwischend. »Er wird auch ferner über sie wachen.«
»So ist es! Ihr habt das Richtige getroffen!« flüsterten mehrere Stimmen.
In diesem Augenblick drang vom Waffenplatz ein noch stärkerer Lärm als früher herein, und Zagloba sprang abermals wütend auf und stürzte zur Thüre hinaus.
Kopf an Kopf gedrängt standen die Leute beisammen, aber beim Anblick Herrn Zaglobas und zwei anderer Offiziere zogen sich die Soldaten in einen Halbkreis zurück.
»Ruhig, Ihr Hundeseelen!« sagte Herr Zagloba ... »sonst befehle ich ...«
Aber aus dem Halbkreise trat Zydor Lusnia, ein Wachtmeister der Dragoner, ein grimmig dareinblickender Masure und einer der Lieblingssoldaten des Herrn Wolodyjowski, ging einige Schritte vorwärts, blieb dann in strammer Haltung gleich einer angespannten Saite stehen und sprach in entschiedenem Tone:
»Mit Verlaub von Euer Liebden, da dieser Hundesohn die Ehre unserer Herrin schädigen wollte, so kann das nicht anders sein, bei meinem Leben, wir müssen auf ihn losgehen und Rache nehmen. Was ich da sage, das ist die Meinung aller. Und sollte der Herr Oberst nicht abkommen können, so wollen wir unter einem andern Kommando ausziehen, und wenn es bis in die Krim ginge, um ihn in unsere Gewalt zu kriegen und für unsere Herrin Vergeltung zu üben ...«
Eine unerbittliche, kühle, bäuerliche Drohung klang aus diesen Worten des Wachtmeisters; andere Dragoner und Leute aus verschiedenen Reiterregimentern begannen mit den Zähnen zu knirschen, an die Säbel zu schlagen, zu schnauben und zu murren. Dies dumpfe Gebrause, das wie das nächtliche Brummen eines Bären klang, hatte etwas geradezu Fürchterliches an sich.
In stramm aufgerichteter Haltung wartete der Wachtmeister auf Antwort, und hinter ihm warteten ganze Reihen, in welchen die Wut einen solchen Grad von Hartnäckigkeit erreicht hatte, daß sogar die militärische Disziplin nicht mehr dagegen aufkommen konnte.
Eine Weile herrschte Schweigen; plötzlich aber ertönten aus den entfernteren Reihen die Worte:
»Sein Blut ist das beste Heilmittel für die Herrin!«
Herrn Zaglobas Zorn war geschwunden, denn die Anhänglichkeit der Soldaten an Basia rührte ihn; bei der Erwähnung eines Heilmittels aber tauchte ein neuer Gedanke in seinem Kopfe auf, der nämlich, für Basia einen Arzt herbeizuschaffen. – Im ersten Augenblick hatte in dieser Chreptiower Wildnis niemand daran gedacht; in Kamieniec waren mehrere Aerzte ansässig, unter ihnen ein Grieche, der einen großen Ruf hatte, der ein reicher Mann, Besitzer mehrerer Häuser und so gelehrt war, daß er fast allgemein für einen Zauberer galt. Allein es war zweifelhaft, ob dieser reiche Mann auch willens sei, für irgend welchen Preis in eine solche Wildnis zu reisen, er, den selbst die Magnaten wie einen Herren anredeten. Herr Zagloba dachte einen Augenblick nach und sagte dann:
»Dieser Erzhund soll der verdienten Rache nicht entgehen, das verspreche ich Euch, und er wäre besser daran, wenn ihm der König Rache schwören würde, als wenn ein Zagloba dies thut. Aber es ist ungewiß, ob er noch am Leben ist, denn die Frau Kommandantin hat ihm, als sie sich seinen Armen gewaltsam entriß, mit dem Griff der Pistole eins zwischen die Augen versetzt. – Jedenfalls ist es jetzt aber an der Zeit, nicht an ihn, sondern an die Herrin und deren Rettung zu denken.«
»Wir wären froh, sie retten zu können, auch wenn wir unser Leben daran setzen müßten!« versetzte Lusnia.
Und wieder unterstützte ein Gemurmel der Reihen die Rede des Wachtmeisters.
»Höre mich an, Lusnia,« sprach Herr Zagloba. »Zu Kamieniec lebt ein Arzt mit Namen Rodopul. Du wirst zu ihm gehen und ihm sagen, es habe sich der General von Podolien dort außerhalb der Stadt den Fuß verrenkt und warte auf Hilfe. Und sobald er außerhalb der Mauern ist, dann packst Du ihn am Schopfe, setzest ihn auf ein Pferd oder steckst ihn in einen Sack und bringst ihn in größter Eile nach Chreptiow. Ich gebe Befehl, daß alle paar hundert Schritte frische Pferde bereit stehen, und Ihr werdet im Galopp reiten. Nur trage Sorge, daß er am Leben bleibt, denn mit einem toten Arzt können wir nichts anfangen.«
Ein Gemurmel der Befriedigung ließ sich von allen Seiten vernehmen; Lusnia bewegte seinen dräuenden Schnurrbart und sprach:
»Ich werde ihn schon fassen und nicht loslassen, bis wir in Chreptiow sind.«
»Also vorwärts!«
»Ich bitte Euer Liebden ...«
»Was weiter?«
»Und wenn er aus Furcht draufgeht?«
»Er wird nicht draufgehen. Nimm sechs Mann mit Dir und vorwärts!«
Lusnia eilte fort. Die andern, froh etwas für die Herrin thun zu können, sattelten rasch die Pferde, und ehe man ein paar Vaterunser beten konnte, jagten sieben Reiter nach Kamieniec, und andere folgten ihnen mit Handpferden, um solche zum Wechsel unterwegs bereit zu halten.
Herr Zagloba aber kehrte, zufrieden mit sich selbst, nach der Wohnstube zurück.
Nach einiger Zeit trat Herr Michal aus dem Krankenzimmer, ganz verändert, halb geistesabwesend und gleichgültig gegen Worte der Teilnahme oder des Trostes. Er teilte Herrn Zagloba mit, Basia schlafe fortwährend, setzte sich dann auf die Bank und starrte unverwandt die Thüre an, hinter welcher sie lag.
Die Offiziere waren der Meinung, er lausche; darum hielten alle den Atem an und völlige Stille herrschte in dem Zimmer. Nach einiger Zeit näherte sich Herr Zagloba auf den Zehenspitzen dem kleinen Ritter.
»Michal,« sagte er, »ich habe nach Kamieniec um einen Medikus geschickt, aber ... aber vielleicht wäre es gut, noch nach einem andern zu senden?«
Wolodyjowski suchte seine Gedanken zu sammeln; er verstand offenbar nicht, was ihm gesagt wurde.
»Nach dem Geistlichen!« sagte Zagloba. »Vater Kaminski könnte bis morgen hier sein!«
Der kleine Ritter schloß die Augen, wandte sein schneeweiß gewordenes Angesicht gegen den Kamin und wiederholte immer nur:
»Jesus! Jesus! Jesus!«
Zagloba fragte nicht weiter und verließ die Stube, um seine Befehle zu erteilen. Als er zurückkehrte, war Wolodyjowski nicht mehr im Zimmer. Die Offiziere sagten Zagloba, die Kranke habe nach ihrem Gatten gerufen, ob im Fieber oder mit Bewußtsein, das wußten sie nicht.
Bald darauf überzeugte sich der alte Edelmann selbst, daß es im Fieber geschehen war.
Basias Wangen glühten in Purpurröte, so daß man sie für gesund hätte halten können; allein ihre Augen hatten bei allem Glanz etwas Trübes, als ob die Pupillen sich im Weiß des Auges aufgelöst hätten; ihre wachsbleichen Hände schienen mit einer wiederkehrenden, einförmigen Bewegung etwas auf der Bettdecke zu suchen. Herr Wolodyjowski aber lag halbtot zu ihren Füßen.
Von Zeit zu Zeit murmelte sie mit leiser Stimme etwas vor sich hin, oder sprach auch manche Worte etwas lauter aus; am häufigsten wiederholte sie das Wort »Chreptiow«. Offenbar glaubte sie noch zuweilen, sie sei unterwegs. Herr Zagloba war besonders durch die Bewegung ihrer Hände auf der Decke beunruhigt, denn er glaubte in deren unbewußter Gleichförmigkeit die Vorzeichen des nahenden Todes zu erblicken. Er war ein Mann von Erfahrung, und er hatte schon viele Menschen sterben sehen; aber noch niemals hatte er ein so furchtbares Herzeleid empfunden als beim Anblick dieser so früh dahinwelkenden Blume.
Mit der Empfindung, daß Gott allein dies erlöschende Leben retten könne, kniete er am Bette nieder und begann voll Inbrunst zu beten.
Mittlerweile wurde Basias Atem immer schwerer und ging nach und nach in ein Röcheln über. Wolodyjowski sprang vom Fußende des Bettes auf, Zagloba erhob sich von den Knien. Keiner sagte ein Wort zu dem andern; sie sahen sich nur an, und in ihren Blicken lag Entsetzen. Sie schien in den letzten Zügen zu liegen; aber nur für wenige Augenblicke hatte es diesen Anschein. Bald darauf wurde ihr Atem ruhiger und schwächer.
Fortan schwebten sie fortwährend zwischen Furcht und Hoffnung. Trägen Schrittes ging die Nacht dahin. – Keiner der Offiziere ging zur Ruhe; sie saßen beisammen in der Wohnstube, bald nach der Thüre des Krankenzimmers blickend, bald miteinander flüsternd, bald schlummernd. In bestimmten Zwischenräumen erschien ein Diener, um Holz im Kamin nachzulegen, und bei jedem Geräusch der Thürklinke sprangen sie auf von den Bänken, in der Meinung, Wolodyjowski oder Zagloba trete mit der Schreckensbotschaft ein:
»Sie ist nicht mehr am Leben!«
Jetzt begannen schon die Hähne zu krähen, während die Kranke noch immer mit dem Fieber kämpfte. Gegen Morgen brach ein Sturmwind mit Regen los, der durch das Gebälk und das Dach brauste und heulte und in die Kaminflammen blies, so daß Rauch und sprühende Funken sich in der Stube verbreiteten. – Bei Tagesanbruch entfernte sich Herr Motowidlo leisen Schrittes, denn er hatte einen Streifzug zu unternehmen. Endlich kam der Tag, und sein fahler, düsterer Schein fiel auf ermüdete Gesichter.
Draußen auf dem Waffenplatz begann das gewöhnliche Leben und Treiben. Durch das Brausen des Sturmes hörte man das Getrappel der Pferde auf den Stalldielen, das Knarren der Ziehbrunnen und die Stimmen der Soldaten; bald darauf ertönte Glockengeklingel: Pater Kaminski war gekommen.
Als er in seinem langen, weiten Gewände eintrat, fielen die Offiziere auf die Knie. Allen schien der feierliche Augenblick gekommen zu sein, auf welchen unfehlbar der Tod folge.
Da die Kranke nicht bei Besinnung war, konnte der Geistliche ihr nicht die Beichte abnehmen. Er gab ihr nur die letzte Oelung; dann begann er dem kleinen Ritter Trost zuzusprechen und ihm zuzureden, er möge sich den Ratschlüssen der Vorsehung fügen. Allein diese Trostsprüche blieben ohne Wirkung, denn Worte vermochten solchen Schmerz nicht zu lindern.
Während des ganzen Tages schwebte der Tod über Basia. Einer Spinne gleich, die, in einem dunklen Winkel der Decke verborgen, zuweilen ans Licht hervorkriecht und an einem unsichtbaren Faden herabschwebt, so schien auch er sich zeitweise auf ihr Haupt niederzusenken. Mehr als einmal glaubten die bei ihr Weilenden, sein Schatten falle auf ihre Stirne und ihre reine Seele entfalte schon die Schwingen, um von Chreptiow aus den Flug nach unermeßlichen Räumen in das jenseitige Leben zu nehmen. Dann aber wieder, gleich der in der Ecke sich verkriechenden Spinne, schien der Tod zurückzuweichen, und die Herzen schöpften neue Hoffnung.
Aber es war dies nur eine schwache, meist vorübergehende Hoffnung, denn niemand wagte zu glauben, Basia werde die Krankheit glücklich überstehen. Wolodyjowski selbst hatte alle Hoffnung verloren, und sein Schmerz war so furchtbar, daß Zagloba, der selbst so tief bekümmert war, sich auch um den Freund zu ängstigen begann und ihn der Obhut der Offiziere anbefahl.
»Um Gotteswillen, überwacht ihn!« sagte er, »sonst stößt er sich ein Messer in den Leib!«
Das war bis jetzt Herrn Michal noch nicht in den Sinn gekommen, aber bei dem Schmerz und Kummer, der sein Herz zerriß, fragte er sich beständig:
»Wie kann ich denn allein zurückbleiben, wenn sie geht? Wie kann ich dies teuerste Lieb allein ziehen lassen? Was wird sie sagen, wenn sie um sich schaut und mich nicht an ihrer Seite erblickt?«
Bei solchen Gedanken erfüllte ihn die heißeste Sehnsucht, mit ihr zugleich zu sterben; denn ebenso wenig, wie er den Gedanken fassen konnte, ohne sie zu leben, ebenso fest glaubte er, daß sie im Jenseits ohne ihn nicht glücklich sein könne, und daß sie sich nach ihm sehnen würde.
Am Nachmittag verbarg sich wieder die unheilverkündende Spinne an der Decke. Die Röte in Basias Gesicht nahm ab, und das Fieber ließ so weit nach, daß sie wieder etwas zum Bewußtsein kam.
Während einiger Zeit lag sie mit geschlossenen Augen da, dann aber öffnete sie die Augen, schaute in das Gesicht des kleinen Ritters und frug:
»Michalek, bin ich in Chreptiow?«
»So ist es, meine Teuerste!« antwortete Wolodyjowski, die Zähne aufeinander beißend.
»Und bist Du wirklich mir zur Seite?«
»Ja! wie geht es Dir?«
»Ach, gut!« ...
Offenbar war sie ungewiß darüber, ob ihr nicht das Fieber Trugbilder vor die Augen zaubere. Aber von diesem Augenblick an erwachte sie mehr und mehr zu klarem Bewußtsein.
Gegen Abend kehrte Wachtmeister Lusnia samt seiner Mannschaft wieder und zog vor dem Fort den Medikus aus Kamieniec samt seinen Arzneien aus einem Sack. Dieser war mehr tot als lebendig. Aber als er vernahm, er sei nicht, wie er gemeint, in Räuberhände gefallen, sondern in dieser Weise zu einem Kranken gebracht worden, ging er, nach einigen Ohnmachtsanfällen, die er glücklich überstand, sofort an das Werk der Rettung, besonders da Herr Zagloba ihm mit der einen Hand einen mit Gold gefüllten Beutel, mit der andern eine geladene Pistole mit den Worten vorhielt:
»Hier ist der Lohn für die Rettung, hier der Lohn für den Tod!«
Und noch in der gleichen Nacht, gegen den Anbruch des Morgens, war die unheilverkündende Spinne verschwunden, und das Urteil des Medikus: »Sie wird lange krank sein, aber sie wird genesen!« rief ein freudiges Echo in ganz Chreptiow wach. Als Herr Wolodyjowski es zuerst vernahm, da fiel er zu Boden und brach in ein so heftiges Schluchzen aus, daß es ihm die Brust zu sprengen drohte. Herr Zagloba fühlte sich vor freudiger Erregung so schwach, daß heller Schweiß auf seinem Antlitz ausbrach, und er kaum imstande war, die Worte hervorzubringen: »Gebt mir zu trinken!« Die Offiziere aber fielen einander in die Arme. –
Auf dem Waffenplatz versammelten sich wieder die Dragoner, die Geleitsmannschaft und Herrn Motowidlos Kosaken. Es kostete Mühe, sie von einem Jubelgeschrei zurückzuhalten. Sie wollten durchaus auf irgend eine Art ihrer Freude Ausdruck geben und baten nun, man möge ihnen einige der in den Chreptiower Kasematten eingekerkerten Wegelagerer herausgeben, um diese zu Ehren der »Herrin« aufzuhängen.
Aber der kleine Ritter schlug diese Bitte ab.