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So sehr sich aber nun auch Herr Bogusz auf seiner Reise von Chreptiow zu dem Hetman beeilt hatte, so behaglich ließ er es sich auf der Rückfahrt sein. In jeder größeren Stadt blieb er nahezu zwei Wochen, in Lemberg verbrachte er die Festtage und das neue Jahr. Wohl führte er die Instruktionen des Hetmans an Azya bei sich, da dieselben aber nur dahin lauteten, Azya möge die Verhandlungen mit den Rittmeistern zu einem möglichst raschen Ende bringen, und den strengen Befehl enthielten, auf die Ausführung aller weiteren Pläne zu verzichten, sah er keine Veranlassung zu besonderer Eile. Der junge Tatar konnte ja ohne eine Vollmacht des Hetmans nichts beginnen.
Gar gemächlich setzte daher Herr Bogusz seinen Weg fort, indem er da und dort Kirchen besuchte und Bußübungen wegen seines Einverständnisses mit Azyas Plänen verrichtete. Inzwischen hatten sich in Chreptiow nach Neujahr unzählige Gäste eingestellt. Aus Kamieniec war daselbst Nawiragh, der Abgesandte des Udzmiadzinker Patriarchen in Begleitung zweier Anardraten – gelehrte Theologen aus Jaffa – und zahlreicher Dienerschaft eingetroffen. Das größte Staunen erregte bei den Soldaten nicht nur deren fremdartige Kleidung – die violetten und roten Oberkleider, die langen Shawls aus Samt und Atlas – sondern auch deren dunkle Gesichter und die feierliche Würde, mit der sie, gleich Trappen oder Reihern, in dem Standquartier einherstolzierten. Auch der durch seine Reisen nach der Krim, ja, nach Carogrod berühmte Herr Zacharijasz Piotrowicz war gekommen, der sich aber auch außerdem durch seinen Eifer auszeichnete, mit dem er auf den Märkten des Ostens die Gefangenen ausfindig zu machen und deren Loskauf zu bewerkstelligen wußte. Jetzt leistete er dem Delegaten und den Anardraten Führerdienste. Ihm händigte Herr Wolodyjowski unverweilt das für Herrn Boskis Befreiung nötige Lösegeld ein, zu dem er selbst eine gewisse Summe hinzugefügt hatte, da Frau Boski den erforderlichen Betrag nicht aufzubringen vermochte. Ja, sogar Basia steuerte ihr Scherflein bei in Form von Perlen-Ohrringen, damit der betrübten Gattin, damit der lieblichen Zosia eine noch wirksamere Hilfe werde. Zu den Gästen gehörte auch der Prätor von Kamieniec, Herr Seferowicz, ein reicher Armenier, dessen Bruder in tatarischen Fesseln schmachtete, sowie zwei noch ziemlich junge, recht hübsche, aber etwas dunkelfarbige Frauen Namens Neresowicz und Kieremowicz, deren Ehegatten sich in Gefangenschaft befanden.
All die Genannten waren zum größten Teile von schwerem Kummer bedrückt. Doch es fehlte auch nicht an heiteren Gästen, da der Geistliche Karminski seine Nichte, Fräulein Karminski, die Tochter des Zwinigroder Jägermeisters wegen des Karnevals in Chreptiow zu Basia gesandt hatte, und da eines schönen Tages der junge Herr Nowowiejski – also Herr Adam – gleich einem Gewittersturm in Chreptiow einbrach, nachdem er Kunde von der Ankunft seines Vaters erhalten und zu dessen Begrüßung Urlaub von Herrn Ruszczyc erlangt hatte.
Mit dem jungen Herrn Nowowiejski war in den jüngsten Jahren eine vollständige Veränderung vorgegangen, bedeckte doch seine Oberlippe nunmehr ein dichter, krauser Schnurrbart, unter dem zwar immer noch die weißen Wolfszähne sichtbar blieben, und hatte er, der ja stets von hoher Statur gewesen, sich zu einem wahren Riesen ausgewachsen. Man bekam den Eindruck, als ob dieses wirre, struppige Haar nur auf einem so gewaltigen Haupte wachsen könne, und daß ein solch gewaltiger Kopf diese gigantischen Schultern zur Stütze haben müsse. Aus dem von Wind und Wetter gebräunten Antlitz schauten die Augen wie glühende Kohlen, die Streitlust stand ihm auf der Stirne geschrieben. Der größte Apfel verschwand in seiner mächtigen Faust so vollständig, daß er ganz gut »Erraten« damit spielen konnte, ja, wenn er eine Handvoll Nüsse auf seine Knie legte und mit den Handflächen darauf drückte, so verwandelten sich diese förmlich zu Brei. Bei all seiner Kraft war er indessen mager und hatte einen auffallend eingesunkenen Bauch, über dem sich jedoch die Brust wie in einem Bogen wölbte.
Ohne jede Anstrengung vermochte er Hufeisen zu zerbrechen und Eisenstäbe um den Hals der Soldaten zu legen, bei jedem seiner Schritte krachte der Fußboden unter ihm, stieß er aber an eine Bank, gleich flogen die Bretter umher.
Mit einem Wort, er war ein Kraftmensch, in dem der Lebensmut, die Gesundheit und die Stärke überschäumten, wie das kochende Wasser in dem Kessel überschäumt, in dem ein Feuer loderte, daß man sich unwillkürlich fragte, ob er nicht in Flammen aufgehe, und dessen Kopf thatsächlich oftmals glühte, da er Trinkgelagen nicht abhold war. Mit einem Lachen zog er in den Kampf, das an Pferdegewieher erinnerte, so gewaltig schlug er darein, daß nach jedem Treffen die Soldaten voll Bewunderung die Getöteten besichtigten. Von frühester Jugend auf an das Leben in der Steppe, an den Krieg und an den Wachtdienst gewöhnt, zeigte er sich, ungeachtet seines jähzornigen Wesens, stets wachsam und umsichtig. Er kannte alle Kriegslisten der Tataren, er galt nach Herrn Wolodyjowski und nach Herrn Ruszczyc als der tüchtigste Führer von Streifzügen.
Trotz all der vorausgegangenen Drohungen beherrschte sich der alte Nowowiejski in jeder Weise, als er seinen Sohn zum erstenmale wiedersah, hegte er doch mit Recht die Befürchtung, er könne diesen sonst abermals auf lange Jahre hinaus von sich treiben. Im Grunde genommen war der selbstsüchtige Edelmann auch ganz zufrieden mit dem Sohne, welcher ohne jede Unterstützung von zu Hause sich in der Welt vorwärts brachte, der bei seinen Kriegskameraden hohes Ansehen genoß, sich der Huld des Hetmans erfreute und die Offizierscharge, nach der gar mancher, ungeachtet aller Protektion, umsonst strebte, ganz leicht errungen hatte. Klugerweise sagte sich auch der Vater, der in der Steppe und im Kriege verwilderte junge Soldat werde sich schwerlich der väterlichen Autorität beugen, weshalb es von vornherein geratener sei, nicht erst die Probe zu machen. Wohl fiel der Sohn dem Vater zu Füßen, allein er schaute ihm mutig in die Augen und entgegnete auf die ersten tadelnden Worte ohne alle Umschweife:
»Vater, Rügen erteilt Ihr mir zwar, aber in Eurem Herzen herrscht eitel Freude über mich und fürwahr mit Recht, denn Schande habe ich Euch nicht gemacht, und daß ich zu den Schwadronen entlief, nun, bin ich denn nicht ein Edelmann?«
»Aber vielleicht bist Du ein Muselmann geworden,« warf der alte Herr Nowowiejski ein, »weil Du Dich elf Jahre hindurch nicht im väterlichen Hause sehen ließest.«
»Ich ließ mich aus Furcht vor der Strafe nicht sehen, welche ja mit meiner Würde als Offizier nicht vereinbar gewesen wäre. Vergebens harrte ich auch auf ein Schreiben, in dem Ihr mir Eure Verzeihung ankündigtet. Der Brief kam aber immer nicht, und so kam auch ich nicht.«
»Und jetzt hast Du keine Furcht mehr?«
Der junge Krieger zeigte lächelnd seine weißen Zähne.
»Hier regiert die Kriegsgewalt, und ihr muß selbst die väterliche Gewalt weichen. Gutes Väterchen, umarmt mich doch, denn Ihr scheint große Lust dazu zu verspüren.«
So sprechend, breitete der Sohn die Arme aus, während der Vater noch immer unschlüssig darüber war, was er thun solle. Er konnte sich einerseits noch nicht recht darein finden, daß dieser namhafte, mit Kriegsruhm bedeckte Offizier der Knabe sei, welcher aus dem Vaterhause entflohen war, andererseits blickte er voll Stolz auf den Zurückgekehrten, den er gar gern an seine Brust gedrückt haben würde, wenn er nicht gefürchtet hätte, sich damit etwas zu vergeben.
Doch der Sohn riß ihn plötzlich ohne weiteres so heftig an sich, daß die Knochen des alten Edelmannes bei dieser bärenhaften Umarmung geradezu krachten, eine Thatsache, durch welche dieser noch gerührter ward.
»Was ist da zu thun,« rief er schließlich schnaubend. »Der Bösewicht fühlt, daß er auf eigenen Füßen steht und sich um nichts weiter zu scheren hat. Traun, wäre dies bei mir zu Hause, würde ich ganz anders auftreten. Doch hier, was soll ich machen? Nur noch einmal her zu mir!«
Eine zweite Umarmung erfolgte nun, woraufhin der junge Soldat nach der Schwester zu fragen begann.
»Ich befahl ihr, so lange abseits zu bleiben, bis ich sie rufen werde,« erklärte der Vater, »nun fährt das Frauenzimmer gewiß aus der Haut vor Ungeduld.«
»Bei Gott, wo ist sie denn, wo ist sie denn?« rief der Sohn.
Und die Thüre aufreißend, rief er so gewaltig, daß es von den Wänden widerhallte:
»Ewa, Ewa!«
Ewa, die im anstoßenden Zimmer gewartet hatte, stürzte augenblicklich herein, doch bevor sie noch »Adam« rufen konnte, ward sie schon von zwei mächtigen Armen umfaßt und in die Höhe gehoben. Stets war ihr der Bruder in großer Liebe zugethan gewesen, und gar häufig hatte er, um sie vor der Tyrannei des Vaters zu schützen, ihre Schuld auf sich genommen, die ihr gebührende Züchtigung geduldig über sich ergehen lassen. Herr Nowowiejski führte die Herrschaft in seinem Hause nicht nur despotisch, sondern zuweilen fast grausam, und so begrüßte denn Ewa in dem jungen Riesen nicht nur den Bruder, sondern auch den zukünftigen Hüter und Schützer. Adam überschüttete sie mit Liebkosungen, er küßte ihre Haare, ihre Augen, ihre Hände, dann hielt er sie ein wenig von sich ab, schaute ihr ins Antlitz und rief voll Freude:
»Ein prächtiges Schwesterlein, so wahr mir Gott helfe.«
Und dann wieder:
»Ist die gewachsen! So groß wie ein Ofen ist ja dies Mädchen.«
Lachend schaute sie ihm in die Augen, und sofort entspann sich ein lebhaftes Gespräch zwischen den beiden, sie wurden nicht müde, über die lange Trennung, über die Geschehnisse im Vaterhause und über die unzähligen Kämpfe zu schwatzen, an denen Adam teilgenommen hatte. Der alte Herr Nowowiejski lief währenddessen, beständig vor sich hinmurmelnd, um sie herum, denn gerade wegen des tiefen Eindruckes, den ihm sein Sohn machte, ward er auch von einer gewissen Unruhe erfaßt, wenn er an die Zukunft dachte. Den Eltern stand damals eine große Macht, ja, fast eine unumstößliche Gewalt über die Kinder zu, und so fragte sich Herr Nowowiejski im stillen, ob wohl dieser Sohn, der Führer von Streifzügen, der erprobte Krieger in den Standquartieren der Wüstenei, ob wohl dieser Sohn, der so unentwegt seine eigenen Wege gegangen war, diese Autorität anerkennen werde. Darüber konnte er ja sicher sein, daß ihm der Sohn die schuldige Rücksicht tragen, daß er ihm Achtung zollen werde, durfte er aber jemals wieder so gegen ihn auftreten, wie er gegen den halbwüchsigen Burschen aufgetreten war? »Traun,« fragte sich der alte Edelmann weiter, »als ob ich den Mut hätte, ihn als halbwüchsigen Burschen zu behandeln! Dieser Schuft von Leutnant imponiert mir, so wahr ich Gott liebe!« Und mehr und mehr ward es ihm klar, daß er eine große Schwäche für diesen riesenhaften Sohn empfand, daß seine Liebe für ihn stetig wuchs.
Mittlerweile stellte Ewa, wie ein Vöglein zwitschernd, dem Bruder allerlei Fragen. Bald wollte sie wissen, wann er denn wieder in die Heimat zurückkehren und wann er sich ansässig machen werde, bald drang sie in ihn, er möge ihr doch sagen, ob er nicht zu heiraten gedenke. Sie wisse es ja freilich nicht genau, meinte sie dann wieder, aber so wahr sie ihren Vater liebe, habe sie schon häufig gehört, daß alle Krieger sich gar leicht verliebten, ja, wenn sie sich nicht irre, habe sie dies von niemand anderem gehört, wie von Frau Wolodyjowski. Ach, und diese Frau Wolodyjowski! Wunderbar schön und wunderbar gut sei sie! Selbst wenn man mit einer Kerze suche, könne man in ganz Polen keine schönere und keine gütigere Frau ausfindig machen. Die Zosia Boski, ja, die wäre vielleicht die einzige, welche man mit der Frau Obristin vergleichen könne.
»Was ist denn das für eine Zosia Boski?« fragte Adam.
»Ei, die, welche mit ihrer Mutter hier weilt, und deren Vater sich in der Gefangenschaft der Tataren befindet. Du wirst sie ja selbst sehen und sofort liebgewinnen.«
»Bringt die Zosia Boski herbei!« rief nun der junge Offizier voll Eifer.
Der Vater und die Schwester lachten über diese Bereitwilligkeit, Adam aber erklärte:
»Was ist denn hier zu lachen? Der Liebe wie dem Tode kann kein Mensch entgehen. Ich war noch ein Milchbart, Frau Wolodyjowski aber schon ein erwachsenes Fräulein, als ich mich entsetzlich in sie verliebte. Ei, du lieber Gott, wie habe ich diese Basia geliebt! Doch was geschah? Ich gestehe ihr eines Tages meine Liebe! Fort mit der Naschkatze, hieß es, und mir war es zu Mute, als ob ich einen Schlag ins Gesicht erhalten hätte. Da kam's ans Tageslicht, daß sie Herrn Wolodyjowski längst liebte und – was läßt sich da viel sagen – sie hat ganz recht gehabt.«
»Weshalb denn?« fragte der alte Herr Nowowiejski.
»Weshalb? Deshalb, weil, wenn ich auch, ohne zu prahlen, es mit jedem auf Säbel aufnehmen kann, jener, bevor man zwei Vaterunser zu beten vermag, schon mit mir fertig ist. Dabei ist er als Führer von Streifzügen incomparabilis! Selbst Herr Ruszczyc beugt sich vor ihm! Ach was, Herr Ruszczyc – sogar die Tataren bewundern ihn. Er ist der größte Krieger in der ganzen Republik!«
»Und wie die beiden einander lieben!« warf Ewa ein. »Ach, ach, wenn man das mit ansieht!«
»Dir wässert der Mund! Ha, ha! Dir wässert der Mund!« rief Adam. »Nun, nun, es ist auch schon an der Zeit!«
Und die Hände in die Seiten stemmend, schüttelte er lachend sein gewaltiges Haupt ob des Schwesterleins Reden, Ewa aber sagte in bescheidenem Tone:
»Das ist mir noch gar nicht in den Sinn gekommen.«
»Es mangelt aber doch hier nicht an Offizieren und angenehmer Gesellschaft!«
»Nein, gewiß nicht!« entgegnete Ewa. »Doch ich weiß nicht, ob Dir der Vater gesagt hat, daß Azya hier ist?«
»Azya Mellechowicz, der Lipker? Ich kenne ihn, ein vortrefflicher Soldat!«
»Du weißt aber nicht,« ergriff der alte Herr Nowowiejski das Wort, »daß der sogenannte Mellechowicz jener Azya ist, der mit Dir erzogen ward.«
»Bei Gott, was höre ich! Das ist ja nicht zu glauben! Oftmals dachte ich zwar freilich selbst daran, da man mir aber sagte, er heiße Mellechowicz, beruhigte ich mich dabei, denn Azya ist ja bei den Lipkern ein ganz gebräuchlicher Name. Und ist's denn ein Wunder, daß ich mir selbst nicht gewiß darüber war, nachdem ich ihn so und so viele Jahre nicht mehr gesehen hatte? Unser Azya war zudem klein und beinahe häßlich, während der in Frage stehende Azya schön zu nennen ist.«
»Unser Azya ist's, unser Azya und kein anderer!« bemerkte der alte Nowowiejski. »Oder vielmehr nicht der unsere, denn weißt Du, wessen Sohn er ist?«
»Woher sollte ich es wissen?«
»Der Sohn ist er des großen Tuchay-Bey!«
Der junge Offizier schlug sich so gewaltig auf die Knie, daß es laut schallte.
»Ich traue ja meinen eigenen Ohren nicht! Der Sohn des großen Tuchay-Bey! Dann ist er ja ein Knäs, ein Blutsverwandter des Khan? Edleres Blut als das, welches in den Adern Tuchay-Beys fließt, gibt es nicht in der ganzen Krim!«
»Schlimmes ist uns aber aus diesem Blut erwachsen.«
»Feindlich war uns nur der Vater gesinnt, nicht aber der Sohn, der ja der Republik seine Dienste weiht. Wenigstens in zwanzig Scharmützeln habe ich ihn gesehen. Ha, nun begreife ich seinen geradezu teuflischen Mut! Herr Sobieski hat ihn vor dem ganzen Heere ausgezeichnet und ihn zum Hauptmann ernannt. Mit einer wahren Herzensfreude werde ich ihn begrüßen. Ein tüchtiger Soldat, ein tüchtiger Soldat! Aus warmem Herzen will ich ihn begrüßen!«
»Werde mir nur nicht allzu vertraut mit ihm!«
»Warum denn nicht? Ist er etwa mein Diener oder unser Bediensteter? Ich bin Soldat, er ist Soldat, ich bin Offizier, er ist Offizier. Wäre er irgend ein armer Schlucker vom Fußvolk, der mit dem spanischen Rohr das Regiment führt, da wollte ich nichts sagen, aber dem Sohn von Tuchay-Bey, dem fließt edles Blut in den Adern. Ein Knäs ist er, und damit basta! Und was seinen Adel betrifft, nun, dafür wird der Hetman schon sorgen. Was, ich soll dem Azya gegenüber die Nase hochtragen, ich, der ich mit dem Kulak-Murse verbrüdert bin, ich, der ich mit dem Bakczy-Aga verbrüdert bin, ich, der ich mit dem Sukyman verbrüdert bin, die sich samt und sonders nicht schämen würden, die Schafe des Sohnes von Tuchay-Bey zu hüten.«
Am liebsten wäre jetzt Ewa dem Bruder um den Hals gefallen, doch sie beschränkte sich darauf, mit ihren zarten Händchen über seine struppige Mähne zu streichen, wurde aber in ihren weiteren Zärtlichkeitsbeweisen durch den Eintritt von Herrn Wolodyjowski gestört.
Mit beiden Füßen sprang Adam empor, um seinen Vorgesetzten zu begrüßen und sich gleichzeitig darüber zu entschuldigen, daß er sich nicht vor allem bei ihm, dem Kommandanten, gemeldet habe. Der Grund liege aber darin, führte er an, daß er nicht in Dienstsachen, sondern in Privatangelegenheiten hierher gekommen sei. Den jungen Offizier aufs huldvollste umarmend, entgegnete Wolodyjowski:
»Wer würde es Dir verdenken, lieber Kriegsgefährte, daß Du nach so vielen Jahren der Trennung Dich sehntest, den Vater zu begrüßen? Etwas anderes wäre es ja, wenn es sich um eine dienstliche Meldung handelte. Doch, hat Dir Ruszczyc keinen Auftrag an mich erteilt?«
»Nein, er bat mich nur, ihn Euch zu empfehlen. Herr Ruszczyc ist gen Jahorlik gezogen, da ihm die Meldung wurde, es seien auf dem Schnee eine Menge von Pferdehufen zu sehen. Das Schreiben von Euer Liebden hat mein Kommandant erhalten und sofort an die Horde weiter geschickt. Gleichzeitig hat er auch seine Blutsverwandten und die ihm Verbrüderten beauftragt, allerorts Nachforschungen zu halten. Eine schriftliche Antwort hat er mir aber nicht an Euch gegeben, behauptete er doch, seine Hand sei zu schwer, und er besitze keine experientia in der Schreibkunst.«
»Er ist kein Freund vom Schreiben, das weiß ich!« sagte Wolodyjowski, »der Säbel ist für ihn die Hauptsache.«
Hier zitterte sein Schnurrbart ein wenig, und nicht ohne ein gewisses Selbstgefühl setzte er hinzu:
»Dem Azba-Bey habt Ihr aber doch zwei Monate lang vergeblich nachgestellt!«
»Euer Liebden aber haben ihn verschlungen, wie der Hecht den Weißfisch!« rief Adam Nowowiejski voll Begeisterung. »Traun, unser Herrgott muß seinen Verstand verwirrt haben, sonst hätte er sich doch nicht, nachdem er dem Herrn Ruszczyc entkommen war, an Euer Liebden herangewagt. Bei meiner Treu, schön ist's ihm ergangen.«
Durch diese Schmeichelworte höchst angenehm berührt und von dem Wunsche getragen, Artigkeit mit Artigkeit zu erwidern, wendete sich nun der kleine Ritter zu dem Vater Adams und sagte:
»Der Herr Jesus hat mir bis jetzt noch keinen Sohn geschenkt, aber so er mich doch noch mit einem beglücken sollte, wollte ich nur, daß er diesem Kavalier hier ähnlich wäre.«
»Gar nichts Besonderes, gar nichts Besonderes!« ließ sich jetzt der alte Edelmann vernehmen. » Negnam, damit Punktum.«
Ungeachtet dieses Ausspruches schnaubte er aber vor Befriedigung, während er hinzufügte:
»Was ist denn das für eine große Rarität?«
Nun streichelte der kleine Ritter Ewas Wangen und sagte zu ihr:
»Seht Ihr, liebwertes Fräulein, ich bin kein Jüngling mehr, allein meine Basia ist in Eurem Alter, und deshalb ist mein Trachten darauf gerichtet, ihr zeitweise ein artiges, ihrem Alter angemessenes Vergnügen zu verschaffen ... Es ist ja auch nicht zu leugnen, daß sie sich einer großen Beliebtheit erfreut, und ich hoffe, Ihr, liebwertes Fräulein, findet dies auch begreiflich.«
»Ach du mein Gott!« rief Ewa, »auf der ganzen Welt giebt es keine zweite wie sie. Eben erst sprach ich dies aus!«
»Haben das gnädige Fräulein dies wirklich gesagt?« fragte der kleine Ritter mit freudestrahlendem Antlitz, »Wie? Was?«
»Sie hat es thatsächlich gesagt!« riefen Vater und Sohn gleichzeitig.
»Ei, dann machen sich das gnädige Fräulein nur so schön wie möglich, denn ich habe insgeheim die Musikkapelle aus Kamieniec hierher beschieden. Die Leute mußten ihre Instrumente im Stroh verstecken, Basia aber sagte ich, es seien Zigeuner, die sich wegen des Beschlagens der Pferde hier eingestellt hätten. Heute abend soll bis spät in die Nacht getanzt werden, Basia tanzt sehr, sehr gern, obwohl sie sich zuweilen bemüht, die würdevolle Matrone zu spielen.«
Bei diesen Worten rieb sich Herr Michal vergnügt die Hände und schien außerordentlich zufrieden mit sich zu sein.