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Wachse wieder empor, hoch über dem Dörflein, wo du einstmals gestanden bist, Grafenburg, vieltürmige trotzige Landwehr Castell!
Sinke zurück in den Erdboden, weithin glänzendes Gotteshaus am Hange des Hügels, sinke zurück, schlanker Turm mit dem Kuppeldache. Komm wieder, kleine Kirche, kleine, uralte Taufkirche des Gaues, nistet in schmalen, rundbogigen Fenstern, ihr Schwalben, wie einstmals, blinket im Sonnenlichte wie ehedem, grausilberne Schindeln auf dem dicken, kurzen Satteldachturme. Klinget wieder, alte Glocken, klinget wie vordem hinaus über die dunkeln Weingärten, die hellen Auen, die wogenden Kornfelder, klinget hinaus ins Frankenland bis an den funkelnden Mainstrom – und klinget leise durch meine Geschichte.
Decket euch wieder mit Stroh, ihr Häuser und Hütten im Dorfe. Wachse wieder empor aus dem verfaulenden Strunke, grüne in alter Kraft, heilige Linde draußen vor dem Burgtor. Hauche den süßen Duft deiner Blüten hinab in den singenden, klingenden Grübertwald; decke die erhitzten Fahrenden mit deinem Schatten; streue goldene Blätter auf den Steinsitz – und rausche leise in mein Lied.
Schmettert eure Weisen in meinen Sang, ihr lustigen Finken, klage empor aus der Tiefe des 8 Grübert, Frau Nachtigall, wenn die Schatten der Bäume länger werden und der Schatten des Bergfrieds sich hinlegt über die Wipfel der Eichen und Buchen wie ein schlafender Riese.
Öffnet eure kleinen Kelche, ihr weißen Maiglöckchen, hebt eure Häupter, ihr goldenen Tulpen zwischen den knospenden Reben an den Hängen hinter der Linde, ihr morgenländischen Fremdlinge. Feiner Duft aus den Blüten des Weinstocks, erhebe dich und durchziehe mein Gedicht. Schwellet, ihr Trauben auf dem sonnigen Hohnert und an der Glutseite des Herrenberges. Brause in tiefen Kellern wie ehedem, gärender Most, funkle in kunstvoll geschmiedeten Bechern, goldiger Wein! Ja, funkle, du goldiger Wein!
Geh auf, ewige Sonne, über den unermeßlichen Wäldern des Hügellandes, das sich ausdehnt gegen Morgen, sende deine Strahlen in die Kammern der Burg und vergiß nicht die Ecken, in denen es dunkel ist. Gieße gleitendes Licht über die kalten Steintafeln in der engen Dorfkirche und blicke freundlich auf die Wappenschilde der Tapfern, die friedlich ruhen in ihren Grüften.
Kommt wieder, Menschenkinder, kommt hervor unter die Sonne! Deine goldbraunen Haare sollen schimmern, wenn du aus dem finstern Tore trittst und leichten Fußes hinübergehst in den Schatten der Linde, kleine Richiza. Und spiele mitleidig über das weiße Haupt des Blinden, barmherzige Sonne, 9 daß er die Wärme genieße, wenn er des Lichtes entbehrt. Wir tappen ja doch alle wie die Blinden in deinem Lichte, o Sonne.
Und du, Frau Sage, setze dich auf den steinernen Grafenstuhl unter die Linde, wenn der volle Mond langsam emporkommt über den schlafenden Buchen des Steigerwaldes, wenn kleine rote Lichter aufleuchten hinter den Fenstern aus Marienglas; wenn der Wächter drunten im Dorfe mit schwerem Schritte einhergeht zwischen den stillen Hütten bergauf und bergab und seinem Horn rauhe Töne entlockt im Wechsel der Stunden; wenn in den Schluchten der Berge die Käuzlein sich zurufen mit lockenden Stimmen, wenn die Grillen zirpen am staubigen Wegrain, wenn die Glühwürmchen fliegen drunten am Waldsaum des Grübert, wenn draußen auf den weißschimmernden Wiesen am unbewegten Wasserspiegel des Grundlosen Loches die sieben Frauen sitzen und schweigen und spinnen.
Ja, komm, Frau Sage, rühr uns an mit deinem Wunderstabe und erzähl uns im webenden Mondlicht unter der flüsternden Linde raunend die alte Geschichte! 10