Julius Stettenheim
Wippchen's sämmtliche Berichte, Band 2
Julius Stettenheim

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76 Der Krieg zwischen England und Afghanistan.

I.

Herrn Wippchen in Bernau.

Auf Manuscript oft vergeblich schmerzlich wartend, erhielten wir endlich von Ihnen den Wortlaut einer Unterredung, welche Sie während des Congresses mit dem Deutschen Reichskanzler gehabt haben wollen. Augenscheinlich hat Sie der Ruhm des Herrn von Blowitz nicht schlafen lassen. Aber Sie vergessen, daß dieser Times-Correspondent in der That von Bismarck empfangen worden ist und von demselben Mancherlei erfahren hat, was denn auch gedruckt wurde. Allerdings hat Bismarck Veranlassung genommen, durch öffentliche Erklärungen die Publicationen des Herrn von Blowitz zu dementiren, aber immerhin hat denn doch eine mündliche Unterhaltung 77 wirklich stattgefunden. Nun aber denken Sie sich den Scandal, wenn nach dem Abdruck Ihrer Enthüllungen offciell erklärt würde, der Reichskanzler habe Sie nie empfangen, nie gesehen, kenne Sie garnicht! Sie hatten von dem Abenteuerlichen Ihres Berichtes entschieden keine Ahnung.

Und wie schildern Sie die Vorgeschichte Ihrer Visite bei Bismarck! Auf Grund längst in's Fabelbuch geschriebener Mittheilungen Bebels behaupten Sie, eines Abends von einem Haufen Prinzen und unzähligen Gräfinnen beim Kragen gepackt und zum Reichskanzler geschleift worden zu sein. Lassen Sie derlei Ungeheuerlichkeiten!

Dagegen finden wir Ihre Idee, uns mit Berichten vom afghanischen Kriegsschauplatz zu versorgen, superb und danken Ihnen bestens für die Promptheit derselben. Ihre Frage, ob es uns lieber sei, Ihre Berichte in englischer oder in der Puschtuh-Sprache zu erhalten, nehmen wir natürlich für einen Scherz.

Ergebenst

Die Redaktion.

* * *

78 Bernau, den 26. September 1878.

Nachschrift. Damit ich es nicht vergesse, schreibe ich das Scriptum nicht post, sondern ante. Ich habe hier eine Bekanntschaft gemacht, welche mir außerordentlich nützlich und angenehm ist, es ist dies ein Mann, welcher Zutritt in den besten Häusern hat, daselbst sehr gern gesehen ist und Manches weiß, mit einem Wort: der Geldbriefträger. Geben Sie ihm Gelegenheit, recht oft zu mir zu kommen, so z. B. morgen mit einem Vorschuß von 40 Mark. Je weniger, desto unangenehmer.

Und nun zu Ihrem geehrten Brief. Sie sind natürlich wieder unbillig. Aber wenn ich Sie auch nie für eine Brombeere gehalten habe, so sollten Sie doch stets daran denken, daß ich nicht pro domo et focis, sondern Alles im Interesse Ihres Blattes schreibe, und dann würden Sie mir nicht bei jeder Gelegenheit das Tischtuch unter dem Leibe durchschneiden. Meine Unterredung mit Bismarck war so recht dazu angethan, Sensation zu machen, jedenfalls hatte ich Herrn von Blowitz in den Schatten geschrieben. Denn dieser College war in der That bei Bismarck, er berichtete mithin ihm wirklich Mitgetheiltes, also Dinge, welche Bismarck hinter gar keinem Berge hält, sondern jedem erzählt, dessen Gier halbwegs neu ist. Ich dagegen war völlig unbefangen, Alles, was ich geschrieben hatte, war bis dahin unbekannt, und das ist das punctum, um welches sich das ganze saliens dreht. Sie dürfen sich also darauf verlassen: Der Ruhm des Herrn 79 von Blowitz ließ mich ruhig schnarchen, und Ihre Bemerkung war – verzeihen Sie das harte Wort! – überflüssig.

Aber nun frage ich Sie: Weshalb sind Sie mein Wieder und immer Widersacher, weshalb haben Sie stets in Allem, was ich schrieb, ein Haar auszusetzen gefunden? Ich bin ein harmloser Mensch, ich kann keinen Floh tödten, den man mir in's Ohr setzt, ich kann keinen Wurm krümmen, der an meinem Herzen nagt, ja, wenn ich Käse esse, so lasse ich gewiß die Made links liegen. Wo ich Streit finde, säe ich den Samen der Eintracht, und emsig schlichte ich überall die Haare, in denen sich Menschen liegen. Wie seltsam, daß man gerade solchen Naturen gerne ein Hühnchen am Zeuge flickt!

Um so freudiger bemerke ich, daß Sie meine Idee, den afghanischen Krieg zu übernehmen, loben. Ich werde mir einen Knoten in's Notizbuch machen.

Seien Sie überzeugt, daß ich tüchtig arbeiten, ja, daß ich, so lange der Krieg wüthet, nicht vom Pult weichen und so wenig ausgehen werde wie das Feuer der Vesta.

* * *

Alimusjiid, den 22. September 1878.

W. Welch eine Reise hierher! Ich hatte am Sonnabend in Peschawer, als die Glocken an den Pagoden die sechste Morgenstunde verkündeten, einen Mundesel bestiegen, den ich aber unterwegs verlassen mußte, um die beschwerliche Reise auf einem Elephanten fortzusetzen. Die wilde Romantik der 80 Gegend fascinirte mich mächtig. Mein Opernknacker kam mir nicht vom Auge. Der Duft üppiger Blumen erfüllte rings das Ozon und mischte sich in das Geschrei der bunten Cacageien und Papadus, ich war ganz Nase und Ohr. Auf brennender Felsenwand träumten einsam und schweigend die Palmen von den Fichtenbäumen im Norden, und unheimlich klapperte die Boa im heißen Sand. Der Führer der militärischen Eskorte der Gesandtschaft, Major Cahagnari, hatte mir sub Lotos mitgetheilt, daß der Emir (nicht Emil) von Afghanistan keine gute Pike im Schilde führe, und dies war auch die Ansicht des Gesandten General Chamberlain. So ritten wir am Vorabend großer Ereignisse weiter.

Als wir hier ankamen, bestätigte sich dieser Vorabend. Ein Offizier Shir Ali's, des Despoten von Afghanistan, trat uns entgegen und verbot uns die Weiterreise nach Kabul. Wir blickten auf die eingeborenen Höhen: sie waren mit Truppen besetzt. Wir protestirten, wir trieben die Feinde nicht zu Paaren, wir machten Kehrt, wir traten den Rückzug an, wir gingen wieder davon, Alles half nichts.

Die Gesandtschaft ist schon wieder in Peschawer eingetroffen, ich aber bin auf dem Platz geblieben. Ich will diesen Brief an den Kasten tragen und mir dann noch einmal den Hippogrifen zum Ritt in's alte romantische Land satteln lassen. Wer weiß, wie bald die englischen Pferde es zerstampfen werden? Ich wahrlich nicht!


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