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Herrn Wippchen in Bernau.
Wir sind natürlich einverstanden. Dank für Ihre Postkarte. Machen Sie sich nur gleich an die Arbeit. Kriegsberichte, das sehen wir täglich mehr ein, sind doch die Seele eines Journals, eine einzige Gemetzelschilderung zieht mehr, als zehn Leitartikel über die Segnungen des Friedens. Dergleichen wird nicht gelesen.
Auf sogenannte Badebriefe aus Ihrer Feder gestatten Sie uns wohl, zu verzichten. Es freut uns, daß Sie, wie Sie sich ausdrücken, »aus den Flammen des Bades neugephönixt hervorgegangen sind,« aber indem Sie uns die Wahl des Badeortes, über welchen Sie schreiben sollen, freistellen, bestätigen Sie nur, was wir ja längst wußten: daß Sie nämlich gar keinen Badeort aufgesucht, 163 sondern sich darauf beschränkt haben, dort täglich ein lauwarmes Wannenbad zu nehmen. Ihre Erlebnisse in der Wanne aber dürften doch unmöglich so interessant sein, daß Sie daraus ein halbes Dutzend Feuilletons über Ostende, Kissingen, oder Heiligendamm gestalten könnten.
Nochmals also: an die Arbeit! Wir erwarten Ihren Bericht aus Kabul
ergebenst
Die Redaktion.
* * *
Bernau, den 18. September 1879.
Als die traurige Nachricht aus Kabul sich wie eine Lauffama verbreitete und die Ohren der Hörer auf das Tiefste erschütterte, stand mein Entschluß fest, wieder zur Kriegsfeder zu greifen, und wie ich sehe, sind Sie erfreut darüber. Hoffentlich erkennen Sie nun in mir einen der feurigsten Kohlensammler, die Ihnen jemals auf Ihrem Haupte vorgekommen sein mögen.
Fliegen Sie, bitte! noch einmal durch Ihren Brief. Was finden Sie? Sie stellen mir einfach ein Testimonium aus, welches jede Paupertatis übersteigt. Meine Befähigung mit dem Mantel des heidnischsten Hasses bedeckend, erklären Sie, ich könne keine Badebriefe aus irgend einem von Ihnen zu 164 bestimmenden Orte schreiben, weil ich mich und zwar zu Hause täglich nur in den Fluthen einer Wanne tummele.
Ich wollte über diese kühne Behauptung stillschweigend hinweggehen, indem ich mir sagte, daß mit Windmühlen selbst Götter vergebens kämpfen. Aber ich gehöre ja nicht dem Pythagorischen Bunde an, dessen Mitglieder jahrelang schweigend den bekannten Lehrsatz beweisen mußten, und so will ich denn reden.
Ich brauchte Sie eigentlich nur an Lessing zu erinnern, welcher sagte: Raphael wäre ein großer Maler geworden, selbst wenn er ohne Oelfarben auf die Weit gekommen wäre. Ich will mich nicht mit Raphael vergleichen, ich bin bescheiden genug, einzugestehen, daß ich nicht einmal Kaffee mahlen kann, aber in gewisser Hinsicht brauche ich doch diesem Künstler keine Stufe nachzugeben, indem ich behaupten darf, daß ich auch dann lesenswerthe Badebriefe schriebe, wenn gar keine Badeörter existirten. Geben Sie mir einen Feuilletonstrich, und ich fülle den Raum unter demselben, geben Sie mir eine Badeliste, und die Badereise ist geschrieben. Ich entkleide mich bis auf die unaussprechlichen Badehosen, und während die Wannen-Nixen mich umgaukeln, fällt mir Alles ein, was sich in dem gewünschten Badeort nicht ereignet. Weshalb meine Collegen, die doch auch nur berichten, was nicht passirt, sich in diesem oder jenem Badeort persönlich aufhalten, das ist mir stets ein Buch mit sieben böhmischen Dörfern gewesen, und ich stehe hier vor einer Sphinx, die ich 165 nicht zu knacken vermag. Sehen Sie nun ein, daß Sie, wenn Sie Ihr Tacuisses gehalten hätten, ein Mansisses geblieben wären?
Merken Sie sich also: Ich habe nicht länger Lust, nach dem Pfeifchen des armen Mannes zu tanzen, und Sturm zu erndten, wo ich keine Brise gesäet habe. Dies schreiben Sie sich gefälligst hinter Ihr ad notam, ich bitte Sie – verzeihen Sie das harte Wort! – inständigst darum.
Nun nach Afghanistan. Die Angelegenheit sieht bedenklich aus, – wer weiß, was in der Zeiten Hinterschooße schlummert! Der Krieg neigt sich seinem Anfang zu. Ich kann mich über die armen Engländer nicht lustig, aber auch nicht traurig machen, denn sie haben mit großem Leichtsinn gehandelt, obschon sie doch wissen mußten, daß es an neuen Freundseligkeiten nicht fehlen würde. Nun haben sie sich die selbsteingebrockte Suppe selbst zuzuschreiben.
Ich hatte erst die Absicht, den Wiedereinzug der Engländer in Kabul und einen furchtbaren Denkzettel zu schildern, welchen sie angerichtet. Aber dies schien mir schließlich zu früh. Dagegen kann ein Vorschuß von 50 Mark zum Course von 20.41 nicht zu früh kommen. Meine Kasse ist leer bis zum Rande.
* * *
Kabul, den 6. September 1879.
W. Ich bin gerettet, ich lebe! Es fehlte nicht viel, und Sie hätten ein Hiobsgramm mit der Kunde vom Gegentheil erhalten.
166 Es ist unbegreiflich, wie England, sonst die Mutter der Weisheit selbst, so unvorsichtig sein konnte, wie es hier gewesen. Denn große Schatten werfen ihre Ereignisse hinter sich, und ein solches Ereigniß war das Massacre im Jahre 1841 gewiß. Aber man schlug die Warnung in den Sturm, der sich damals erhoben hatte, und so ist und bleibt es leider ewig wahr: Eher geht ein Reicher auf einem Kameel durch ein Nadelöhr in's Himmelreich, als daß eine Regierung etwas lerne. Alle Welt war mit Hellsehen geschlagen, nur nicht die englische Regierung.
Stadt und Land sind in vollem Aufruhr, und England wird den Krieg jetzt, wie gesagt, wieder von hinten anfangen müssen. Daß Jakub Khan seine Hand im Spiel hatte, darauf gebe ich Ihnen dieselbe, und ebenso gewiß weiß ich, daß Rußland an das Pulverfaß die Lunte, welche bald so furchtbar gerochen werden wird, gelegt hat. Rußland hat es überhaupt faustdick hinter den Coulissen. Jetzt freilich will es Keiner gewesen sein, wie denn alle Kabuler und Kabulerinnen ihre Unschuld betheuern und irgend einen Alibi bezeichnen, mit dem sie während der verhängnißreichen Katastrophe zusammen gewesen sein wollen. Es wird ihnen nichts nützen! Die Engländer nähern sich unerbittlich der Stadt, und die Afghanen werden zu der Erkenntniß kommen, daß man nicht seinen Herrn wie die Wäsche wechselt: alle vier Wochen.
Die Strafe soll in ihrer ganzen Furchtbarkeit bereits bestimmt sein. Wie ich heute hörte, werden die Schuldigen, 167 sobald sie entdeckt sind, verurtheilt werden, als Personal der zukünftigen englischen Gesandtschaft in Kabul zu fungiren. Da ist allerdings kein Entkommen möglich.
Am 20. October werden die Engländer Kabul erreichen. Da kann jeder schuldige Kabuler von Glück sagen, wenn er vorher in's Zeitliche beißt.