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XVII.

Als der Florian am siebenten August um Mittag in seinem Einspänner nach Hause kam, ging ihm die Mutter an den Wagenschlag entgegen, er aber stürzte heraus, fiel ihr um den Hals und küßte sie.

Auch dieses Vorkommnis müssen wir wieder als nicht ganz bauerntümlich, daher als etwas unwahrscheinlich und problematisch hinstellen. Der einsichtige Erzähler darf in solchen Fällen immer auch sehr vorsichtig sein, da man den Dorfgeschichtenschreibern ja so gerne nachsagt, daß sie vom Bauernleben nicht das mindeste verstehen.

»Mutter, Mutter, Mutter!« rief aber der Florian, als sie auf ihrer Stube waren, in hellen Freuden aus, »brauchst mir die Tür nicht vor der Nase zuzuschlagen, – ich bin Hochzeiter – die Rosi, die Rosi, die Rosi!«

»Prächtig! Also ist's ausgemacht? Hast schon geredet mit ihr?«

»Nein, kein Wort!«

»Aber wie einfältig!« sagte Frau Euphrosyne, die einen plötzlichen Verdruß nicht verbergen konnte.

»Nur nicht so grob, Frau Wirtin!« sprach aber der Florian mit entwaffnender Heiterkeit. »Du wirst gleich sehen, daß es nicht möglich war!«

Und nun begann er zu erzählen, die ganze Verhandlung, und wie schön die bleiche Rosi gewesen, und wie fein sie sich benommen und wie sie, die doch so vieles ausgestanden, nicht eine Spur von Bitterkeit oder Rachsucht, sondern den friedlichsten, freundlichsten Willen gezeigt, ja ihrem Vater sogar in den Weg getreten sei, als er das Schmerzensgeld habe einstreichen wollen; wie er selbst von einem Vergleiche gesprochen, der Vater aber in seinem Zorn unbändig geworden, und die Verhandlung deswegen ohne Ergebnis geblieben sei.

»Das ist ein alter Brummbär,« fuhr er fort. »Aber mit seiner Tochter meint er's gut, und wenn wir zwei heiraten, hat er dieselbe Freud' wie du.«

»Aber warum hast du denn die Abbitte nicht geleistet? Da wäre ja der Frieden gleich dagewesen; hättest gleich von der Hochzeit reden können!«

»Nein, Mutter, abbitten kann ich nicht; das bin ich nicht schuldig. Das hätte der Rosi auch nichts geholfen und mir hätten sie nachgesagt, daß ich mich zu weit 'runtergelassen habe. Wenn ich dem Mädel hätt' abbitten müssen, ich hätt's wahrhaftig nimmer mögen.«

»Aha! Nu, das läßt sich hören! Aber jetzt?«

»Jetzt kommen wir in acht Tagen wieder zusammen, wir zwei – und der Alte bleibt daheim; das hab' ich eigens verlangt.«

»Und meinst denn, sie geht dir gleich so bei?« fragte die Mutter scheinbar nur neckisch, aber doch nicht ohne jeden Hintergedanken, denn nach ihrer geheimen Meinung hätte ihr lieber Sohn schon bei der ersten Zusammenkunft viel weiter, das heißt ans Ziel gelangen sollen.

»Merk' auf, Mutter!« entgegnete der Florian, »das ist das Besondere an unsrer Sach', daß wir einander heiraten müssen, und daß sich doch jedes unendlich darauf freut.« –

»Sie auch?«

»O mein! wenn du's gehört hättest: ›Er ist halt doch ein braver Mensch!‹ – ein wahrer Freudenschrei! Und wie sie mir hat die Abbitte schenken wollen – Mutter, ich weiß ganz gewiß, sie hat mich so gern, wie ich sie.«

»Und so hoff' ich, am nächsten Mittwoch halten wir die Verlobung beim Auracher in der Stadt. Gott sei Dank!«

»Aber bis die acht Tag' 'rum sind, mag ich nicht hier bleiben. Jetzt ist mir die Rederei und das Gelächter so zuwider wie vorher, und nachher lach' ich die ganze Welt aus. Morgen früh fahr' ich ins Etschland, will schauen, wie's mit dem heurigen Wein aussieht. In acht Tagen bin ich wieder da; ich komme gewiß nicht zu spät. Aber du mußt mir versprechen, daß du mit niemand redst über die Geschichte.«

»Das wird sich schwer machen lassen,« entgegnete die Mutter; »sie kümmern sich ja alle drum, und einsperren kann ich mich doch nicht den ganzen Tag.«

»Ach, so fahr' nur gleich mit ins Etschland – wird dir nicht übel gefallen – hast es so noch nicht gesehen!«

Frau Euphrosyne Weitenmoser, die rüstige Matrone, nahm den Vorschlag sehr günstig auf und willigte sofort ein. Andern Morgens um sieben Uhr wurde das zierliche Gefährte, das die werten Reisenden trug, auch schon in Kundl, um acht Uhr in Rattenberg und gegen Abend vor dem Gamper zu Innsbruck gesehen. Dann scheint es sich aus dem Gesichtskreise der Inntaler verloren und diesen erst am dreizehnten August wieder betreten zu haben. Wenigstens sah man es an diesem Tage talabwärts denselben Weg fahren, den es eine Woche vorher talaufwärts gefahren war.


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