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Fünfzehntes Kapitel

Die gefährliche Neugierde

In dieser Stadt befindet sich der höchste Turm in ganz Italien, er wurde von Friedrich Barbarossa erbaut und hat nur bis zu den Glocken 498 Stufen. Einst befand sich Papst Johannes der Dreizehnte und Kaiser Sigismund darauf, um sich umzusehen; ein Cremoneser mit Namen Fonduglio, so ihnen die Gegend zeigte, soll vielmal bedauert haben, daß er sie nicht alle beide heruntergestürzt habe, weil es eine merkwürdige, nämlich eine herostratische Handlung gewesen sein würde. Was aber das so berühmte Schloß anbetrifft, wovon so sehr viel Wesens gemacht wird, so besteht es in nichts als halb eingefallenen Festungswerken, die nicht einmal viel zu bedeuten haben würden, wenn sie auch noch in ihrem ersten Zustande wären. Die halb eingefallenen Gebäude sind jetzt ein Sammelplatz von Eidechsen, Fledermäusen und Skorpionen, und ich kann mich nicht genug wundern über einen Reisenden, der sich einige Jahre in Italien aufgehalten und gleichwohl gesagt habe, daß er keinen Skorpion gesehen habe. Mir kommt dieses vor, als wenn einer sagen wollte, er habe in Schweden kein Eis und in Holland kein Wasser gesehen. Ich selbst habe deren oftmals und vorzüglich in dem jetzt benannten Schlosse gefangen. Wenn man einen lebendigen Skorpion auf einen Tisch und einen Kreis mit glühenden Kohlen um ihn herum legt, so wird er einigemal suchen aus dem Kreise zu kommen, findet er es aber nicht möglich, so wendet er seinen Stachel um, sticht sich in den Hals und stirbt. Die hiesige Domkirche wird wegen ihres prächtigen Portals sehr geschätzet. Einige Schuh von ihr befindet sich die Teufelskapelle; ich habe aber nie erfahren können, wovon sie diesen Namen bekommen hat. Das merkwürdigste hier ist der sogenannte Spion von Cremona, dieser steht nebst noch einer kleinen Statue, die man für seinen Sohn hält, auf einem am Markte befindlichen Gange und wird zu gewissen Zeiten mit großer Zeremonie in weiß- und rotstreifigem Zeuge gekleidet. Die größte Hochachtung hat man in Cremona für die Brüste der heiligen Agatha, welche an hohen Festtagen in einem Glaskasten in der Kirche gleiches Namens ausgesetzt werden. Ob man gleich sagt, daß ein vornehmer Prälat sein Gesichte verlor, weil er dieses Heiligtum betrachten wollte, so habe ich doch mehrmals, um meine Neugierde zu befriedigen, allen Fleiß angewendet, um etwas durch das Glas zu sehen, ohne Schaden an meinem Gesichte zu leiden, aber auch ohne etwas anderes gesehen zu haben, als daß man durch das, vermittelst eines Anstrichs, vollkommen undurchsichtig gemachte Glas nichts sehen kann. In dieser Kirche hätte ich durch folgenden Zufall der heiligen Inquisition in die Hände fallen können. Als einst das Fest der Kirchenpatronin gefeiert wurde, stand dieselbe in Lebensgröße über dem Altare erhaben. Ein mit Juwelen besetzter goldener Stoff bekleidete die Heilige vom Kopf bis zum Fuß, ein kostbares Diadem schmückte ihr Haupt, und ein Paar seidene, mit brillantenen Rosen versehene Schuh zierten die runden Füße, von denen sie den rechten ein wenig hervorgestellt hatte. Unter diesen Umständen frug mich ein bei mir stehender Mann, wie mir die Heilige vorkomme. »Wie die Kopie einer schönen Dame, ihrer Stellung wegen aber wie eine Seiltänzerin«, antwortete ich ihm. Nun weiß ich nicht, ob es dieser Mann, den ich doch sonst gut kannte, oder, wie man sagen wollte, ein hinter mir stehender, so es gehört haben wollte, angezeigt hat; genug, ich wurde sogleich arretiert, um wegen dieser Gotteslästerung Red und Antwort zu geben; und hätte ich nicht schon bei dem Militär gestanden, so würde ich in die heilige Inquisition haben wandern müssen. So aber gab mir jemand den Rat, zu sagen, ich habe als ein Deutscher nicht gewußt, was eine »Ballarina di corda« sagen wolle; diesen Wink benutzte ich und kam so mit einem blauen Auge davon, nahm mir aber vor, bei dem Urteile anderer Heiligen und Heiliginnen behutsamer zu sein.


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