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Einunddreißigstes Kapitel

Der Quasi-Kammerdiener

Einst sprach ich bei meinem Aufenthalte in Temiswar von der Unsicherheit, der ich in Katai ausgesetzt war, worauf mir mein Landsmann und guter Freund, Herr Baumann (welcher als Sekretär in Diensten Seiner Exzellenz des raitzischen Bischofs und jetzigen Metropoliten Herrn Moses Putneck stand), antrug, mir die Kammerdienerstelle bei dem nach Temiswar kommenden Bischof zu verschaffen. Da ich in dieser Stadt sehr bekannt war und viele Freunde hatte, so nahm ich diesen Vorschlag mit Vergnügen an, und es wurde festgesetzt, daß ich aufs höchste in acht Tagen meinen Dienst antreten sollte; ich fuhr also nach Katai, sagte meinen bis dahin gehabten Dienst auf, packte meine Habseligkeiten zusammen und reiste wieder zurück.

Wenn man von Katai nach Temiswar fahren will, muß man ohnweit dem Dorfe Bosniakpre durch einen Tümpel fahren, dessen Wasser allemal bis in den Wagen reicht; weil es nun an dem einen Orte jähe hinein- und an dem andern ebenso wieder herausgeht, so ist allemal Lebensgefahr dabei, ihn zu passieren. Als ich hier durchfahren wollte, blieb mein Fuhrwerk darin stecken, und es war dem Knechte durchaus nicht möglich, dasselbe herauszubringen. Er schnitt also die Stränge ab, um die Pferde ans Ufer zu bringen, und ließ mich im Sumpfe sitzen. Unter diesen Umständen rief ich einige benachbarte Walachen zu Hülfe und versprach ihnen einige Ocka ihres Lieblingsgetränkes, wenn sie mich mit dem Fuhrwerke ans Land bringen würden; sie liefen sogleich ins Dorf, holten einige von Bast gemachte Stricke, die sie mir zuwarfen, um sie an dem Wagen zu befestigen, spannten sodann die Pferde bei den Schwänzen an, welche das Fuhrwerk mit einem Ruck herauszogen; und sie sagten mir, daß solchergestalt ein Pferd mehr als dreie ziehen könne und daß dieses das einzige Mittel sei, ihre Geschirre aus schlimmen Stellen herauszubringen. Doch war ich noch nicht aus aller Gefahr, denn als ich ihnen den versprochenen Raki nicht in natura geben konnte, drohten sie, das Fuhrwerk wieder in den Tümpel zu schieben, und es kostete mir Mühe, sie zu überreden, das Geld anzunehmen. Diesen Vorfall habe ich deswegen nicht übergehen wollen, weil jemand im Notfalle auch Gebrauch von den Kräften der Pferdeschwänze machen kann. Sobald ich zu meinem Freunde kam, sagte er, daß er mir eine Nachricht geben müsse, die mir durchaus nicht gleichgültig sein könne; ich frug ihn hierauf, was in so kurzer Zeit wohl habe vorfallen können, und erfuhr folgendes. Den zweiten Tag, als ich, meine Sachen zu holen, nach Katai gefahren war, wurde der neue Bischof zu dem nunmehro verstorbenen Brigadier Baron von Zetwitz zur Tafel gebeten, wo unter andern die alte Frau Gräfin gegenwärtig war; diese Dame frug den Bischof, ob er seinen Hofstaat eingerichtet habe, welches er mit ja beantwortete, mit dem Zusatz, daß ihm nur noch ein Bedienter und ein Kutscher fehle. Diese Dame, welche einem andern Hoffnung gemacht hatte, ihn als Kammerdiener bei ihm anzubringen, sagte dem Bischof, daß sie bedaure, ihr Wort nun nicht halten zu können. Da ihr der Bischof nun in vieler Rücksicht nicht zuwider sein wollte, nahm er den Menschen an und setzte mich zurück, doch muß ich gestehen, daß er mir einen Antrag machen ließ, den ich überall außer Temiswar angenommen haben würde, nämlich: ich sollte so lange Bedientenstelle vertreten, bis eine Hausoffizierstelle, zu der ich mich schickte, ledig werden würde, die ich ohne Zweifel erhalten sollte. Allein in Temiswar, wo ich so bekannt war, konnte ich, ohne jeder Gesellschaft zu entsagen, keinen Rock mit bunten Aufschlägen anziehen, denn ich genoß außer mehrern andern nicht allein die Bekanntschaft, sondern auch die Freundschaft des Domherrn von Globoschitz, des Stabsauditors von Kugel, der Herrn Parzellini und Kugler, welches lauter angesehene Personen waren, bei denen ich mich in diesem Anzuge nicht sehen lassen konnte. Nun hatte ich meinen Dienst zu Katai aufgesagt und den versprochenen nicht erhalten; und doch war dieses nicht allein, was mich in Verlegenheit setzte, sondern mein Prinzipal war nicht bei Gelde, um mir siebzig Zechinen, die ich an Solar nebst verschiedenen gemachten Auslagen stehen hatte, auszahlen zu können, ohnerachtet er für mehr als 20 000 Gulden Risone liegen hatte.

Es ist wahr, viele meiner Freunde gaben sich Mühe, mir einen Dienst beim Zivil zu verschaffen, allein unglücklicherweise für mich war eben das Banat dem Königreiche Ungarn einverleibt und alle deutsche Beamte abgesetzt worden, von welchen sich sehr viele in den Kanzeleien brauchen ließen, wo sie bogenweise bezahlt wurden. Alle diese Stellen wurden durch ungarische Edelleute besetzt, und außerdem bekam noch jedes Dorf einen besondern Vorgesetzten, welcher den Titel eines Notarius führte, welche, wie man sagte, auch lauter Edelleute waren. Die abgesetzten deutschen Zivilbedienten wurden unter dem Namen Quieszenten geführt und verordnet, daß bei Besetzung von Ämtern vorzüglich auf dieselben Rücksicht genommen werden sollte. Dieser Umstand mußte die Bemühung meiner Freunde nicht allein erschweren, sondern sogar unnütz machen, wozu noch folgender Vorfall vieles beitrug. Es wohnte seit einiger Zeit ein gewisser Venezianer in der Vorstadt von Temiswar, so sich Graf Bogatovitsch nannte, mit dem der Herr Podesta Barbieri und ich selbst in einige Verbindung treten wollten. Dieser hatte eine Saitenfabrik angelegt, zu deren Einrichtung beträchtliche Summen auf Wechsel aufgenommen und sie alle so eingerichtet, daß er sie von dem Betrag der verkauften Saiten honorieren wollte. Es wäre ihm auch gewiß geglückt, wenn er nur die rechte Zeit hätte abwarten wollen oder vielmehr hätte abwarten können, bis die Därme der Schafe und Lämmer, die dort in Menge geschlachtet werden, die zu den Saiten erforderliche Eigenschaft gehabt hätten; allein so waren solche nicht brauchbar, und er konnte kein Geld daraus lösen. Überdieses hatte er auch einen vom Herrn del Pondio, Stadtrichter in Temiswar, an einen gewissen Herrn Rosetti ausgestellten beträchtlichen Wechsel zu bezahlen übernommen; da sich nun der Herr Graf außerstande sahe, weder die seinigen noch den del Pondischen bezahlen zu können, befand er für gut, sich unsichtbar zu machen. Vor seiner Entweichung kam er zu mir und bat mich, weil er sich nicht gut in deutscher Sprache ausdrücken könnte, mit ihm in die Kameralkanzlei zu gehen, um seinen Paß, der nur auf einige Meilen um Temiswar gültig war, gegen einen andern von weiterm Umfange zu vertauschen. Da er schon einen hatte, gab ihm einer der Sekretärs einen andern, ohne es dem Gubernialrat Edlen von Kransberger zu melden, womit jener sogleich abreiste. Glücklicherweise kam ich nebst dem Herrn Podesta Barbieri kurz hierauf in seine Wohnung, und merkten aus verschiedenen Umständen, daß Seine Gräfliche Gnaden nicht willens sein mochten, wiederzukommen, wovon wir dem Stadtrichter del Pondio unverzüglich Nachricht gaben, der ihm sogleich nachsetzen, noch ehe er die ungarische Grenze erreichte, einholen und wieder nach Temiswar bringen ließ. Als nun der Gubernialrat den Sekretär, der ihm den Paß gegeben hatte, zur Rede stellte und sich dieser auf mich berufte, so wurde ich vorgefordert. Ob ich mich gleich deswegen hinlänglich rechtfertigen konnte, daß ich bloß des Dolmetschens wegen mit ihm gegangen sei und dem Herrn del Pondio selbst Nachricht von seiner Flucht gegeben hatte, so war es doch deswegen für mich nachteilig, daß mir nun wegen meines gesuchten Dienstes mehr Schwierigkeiten gemacht wurden.

Unter diesen Umständen wurde mir vorgeschlagen, in Temiswar eine Witwe zu heiraten, welche, ihr großes Stufenjahr und siechen Körper abgerechnet, keine üble Partie gewesen sein würde; denn sie hatte keine Kinder und 25 000 Gulden in Vermögen; allein sie besaß einen unersättlichen Geiz, war dabei im höchsten Grade eifersüchtig und nach meinen Grundsätzen durchaus meine Frau nicht; gleichwohl fehlte wenig, so wäre sie es durch Zureden meiner Freunde geworden, und vielleicht zu meinem Glücke; denn in weniger als sechs Wochen (denn länger lebte sie nicht) hätte sie der Himmel und ich ihre 25 000 Gulden gehabt. Allein damals war mir das Geld eine ziemlich gleichgültige Sache, weil ich würklich den Wert desselben noch nicht kannte.

Nach so vielen fehlgeschlagenen Vorschlägen und Unternehmungen hörte ich, daß der damals sich in Wien befindende Großfürst seine Rückreise über Italien nehmen wollte; ich faßte also den Entschluß, nach Wien und von da mit nach Rußland zu gehen, und hätte ich Wien zur rechten Zeit erreichen können, so bin ich gewiß, daß ich, wo nicht bei dem Großfürst selbst, doch bei einem Herrn seines Gefolges angekommen sein würde. Nun war es nötig, meine wenigen Gelder einzukassieren, wobei ich den Verdruß hatte, daß ich für die schon gedachten siebzig Zechinen von einem raitzischen Kaufmanne fast lauter Waren annehmen und bei der Umsetzung einen Drittel daran verlieren mußte. Sobald ich dieses in Richtigkeit gebracht hatte, ließ ich mir vom Stuhlrichter einen Paß geben und tat mich nach einem Fuhrwerke um. Allein auch hier wurde ich hintergangen, denn der Landkutscher, mit dem ich nach Wien fahren wollte, gab vor, ich sei der letzte Passagier, und forderte, um, wie er sagte, seine Rechnung im Wirtshause bezahlen zu können, die Hälfte des akkordierten Geldes voraus; doch ich war nicht der letzte, sondern der erste und mußte, um das gegebene Geld nicht zu verlieren, bis den 26. Dezember auf zwei Personen warten, an welchem Tage ich das Temiswarer Banat verließ, wo ich neun Jahre in verschiedenen Lagen zubrachte und Land und Sitten ziemlich genau kennenlernte, wovon ich einiges anführen will.


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