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Nachdem ich, wie gesagt, Erlaubnis erhalten hatte, nach Temiswar zu gehen, nahm ich von meinen guten Freunden, besonders von Herrn Leopold, Abschied, setzte mich auf die Diligence, und in weniger als vierundzwanzig Stunden war ich bei meiner guten Freundin. Es wurde wenige Zeit erfordert, ihre kleine Einrichtung zu besorgen, demohngeachtet blieb ich sechs Wochen bei ihr, und nach Verlauf dieser Zeit konnte und wollte ich sie aus der Ursache nicht verlassen, weil sie zu kränkeln anfing, besonders da sie mir selbst zu verstehen gab, daß ich noch einige Zeit bei ihr bleiben möchte. Da nun noch ein wichtiger Um einer Folgerung, die man aus diesem wichtigen Nebenumstande ziehen könnte, vorzubeugen, muß ich anmerken, daß meine Freundin dazumal 52 Jahr alt und auf keine Weise in dem Falle der Konstantia von Sizilien war. Memoires de Brantome. Tom. II. p. 218. Nebenumstand dazu kam, so bat ich um die Verlängerung meines Urlaubs, und als mir solche abgeschlagen wurde, nahm ich mir vor, meine Entlassung zu suchen. Hier entsteht nun freilich die Frage, tat ich recht oder nicht? und ich wüßte sie bis jetzo noch nicht zu beantworten. Ich folgte bloß meinem Gefühl, welches mir sagte, ich sei ihr diese kleine Aufopferung schuldig. Denn ihr Mann, der oftgenannte Adjutant Vigna, war sechs Jahr mein bester Freund und sie ebenso lange meine Freundin gewesen; wir hatten zugleich die Reise von Italien bis an die türkische Grenze gemacht und beständig in gutem Vernehmen gestanden. Da ein kaiserlicher Fourier nicht obligat ist, so hielt es nicht schwer, meine Entlassung zu bekommen; ich trat also in nähere Verbindung mit ihr und nahm an der kleinen Wirtschaft teil. Es ist wahr, wir betrieben sie nicht, wie wir sie hätten betreiben sollen, um Geld zu verdienen, sondern nur so, damit wir keines zusetzten; und ich dachte nur daran, ihr den Abend des Lebens so angenehm als möglich zu machen. Wir fuhren daher wöchentlich einigemal spazieren, machten auch zuweilen kleine Lustpartien auf das Land; da nun die Wirtschaft während unserer Abwesenheit durch zwei Mägde geführt wurde, so kann man leicht denken, daß solche ihren eigenen Vorteil dem unsrigen oft vorgezogen haben werden; doch wir büßten nichts ein, waren allemal die ersten, die den Pacht bezahlten, genossen unser Leben, und mehr wollten wir nicht. Nach Verlauf von achtzehn Monaten wurde sie kränker; als eine gute Katholikin hatte sie großes Zutrauen zu einer Mutter Gottes und namentlich zu der zu Maria Radna. Sie wünschte daher noch eine Wallfahrt dahin zu tun, weil sie von ihr ihre Gesundheit wiederzuerhalten hoffte. Ich brauche wohl nicht zu sagen, daß ich in diesem Punkte ganz anders dachte; da ich aber jeden Religionsgebrauch in seinen Würden lasse und ich mich ebensowenig über die Walachen wegen ihrer beinahe dreißig Wochen betragende äußerst strenge Fasten lustig gemacht habe, als ich mich über die neben den Pagoden unter den Banianenbäumen büßende Indianer oder sich selbst zerfetzenden Kalender, Derwische, Santonen und wie sie alle heißen lustig machen würde, sondern vielmehr Mitleiden, welches sie würklich verdienen, mit ihnen habe, so war ich weit entfernt, ihr die Wallfahrt nach dem auf der ungarischen Grenze liegenden Maria Radna gleichgültig zu machen oder gar zu widerraten, sondern ich reiste selbst mir ihr hin und hoffte, wo nicht von der Mutter Gottes, doch von der Veränderung der Luft einige Besserung; allein ich brachte sie kränker wieder zurück, als ich sie hinweggeführt hatte. Weil mir die Natur ihrer Krankheit bekannt war und sie die Herren Doctores Gros und Geiginger gefährlich fanden, so war ich der erste, der sie von der Gefahr, so ihr drohte, benachrichtete; denn ich kannte sie zu gut, als daß ich hätte befürchten dürfen, ihr durch eine solche, in den meisten Fällen übel angebrachte Nachricht zu mißfallen. Als sie sterben wollte, äußerte sie den Wunsch, ich möchte ihr nach ihrem Tode, auf eine Zeit, so sie mir bestimmte, zwischen neun und zehn Uhr, eine Messe und das allemal von einem und dem nämlichen Franziskaner lesen lassen und, im Falle es sein könnte, ihnen selbst beizuwohnen. Wenn ich gleich den Wert der Messen aus einem ganz andern Gesichtspunkte betrachten mußte, so hätte ich es doch für Kirchenraub gehalten, wenn ich nur eine einzige hätte sollen weniger lesen lassen; ich hörte die meisten selbst mit an, und, was noch mehr sagen will, ich hörte sie mit Andacht an, teils, weil mir das Andenken der Person, für die sie gelesen wurden, teuer war, teils, weil ich ihnen als ein ehrlicher Mann, mit dem Bewußtsein, rechtschaffen an der Verstorbenen gehandelt zu haben, beiwohnte. Aber das muß ich gestehen, daß es mir sehr auffiel, als mich der fette Franziskaner, dem ich das Geld für die Messen auszahlte, alle Augenblicke durch Fragen unterbrach. Nämlich, wie die Verstorbene geheißen habe? ob sie jung oder alt gewesen sei? ob sie Geld hinterlassen und wer es geerbt habe? so daß ich ihm auch endlich im Unwillen sagte, daß, wenn der Himmel etwas von seiner Messe wisse, ihm gewiß auch die Person bekannt sein würde, für die er sie hielte. Einige Tage nach ihrem Tode meldeten sich zwei Personen, die eine wollte der Seligen sieben, die andere drei Zechinen aufzuheben gegeben haben; es ist wahr, sie hatten weder Schwarz noch Weiß darüber, allein ich hielt dieses nicht für hinlänglich, an der Wahrheit zu zweifeln, weil ich von jeher geglaubt habe und noch glaube, daß das Schwarz und Weiß, einen einzigen Fall ausgenommen, des Schurken und nicht des ehrlichen Mannes wegen eingeführt sei; deswegen wollte ich weder den einen noch den andern mit ersterm Epithet belegen, ob mir gleich unter mehrern andern der Umstand, daß sie mir nie bei Lebzeiten der Verstorbenen etwas gesagt hatten, hätte Argwohn beibringen können; genug, ich bezahlte auch diese. Die Kleidung und Wäsche erbten die Mägde, die Armen und die, so ihr während ihrer letzten Krankentage an die Hand gegangen waren, und ich außer einigen weniger beträchtlichen Preziosen eine goldene Uhr und, was mir lieber war als alles, das Bewußtsein, an der Seligen meine Pflicht getan zu haben.
Mit dieser Freundin verlor ich auch alle Lust, den Gastwirt zu machen, wozu ich ohnedem keine Anlage hatte; denn man denke sich einen Mann, der, wie schon gedacht, nie, selbst auf der See, nicht einen Tropfen Brandewein trank, keinen Tabak rauchen und keinen riechen kann, nichts als Wasser und aufs höchste ein Glas Bier genoß, der die Trunkenheit unter die die Menschheit am meisten entehrende Laster rechnet und, was für einen Wirt oder Brauer das sonderbarste sein möchte, der es, wo nicht für Todsünde, doch ganz gewiß für Schelmerei und Betrügerei hielt, Wasser unter die verkaufenden Getränke zu mischen, so wird man ohneschwer erraten, daß ein solcher eben nicht zum Wirt geboren ist. Ich überließ daher das Inventarium einem andern, der gewiß mehr Geschick zum Betrügen hatte als ich (denn er fing an mir zum ersten an), und entsagte der etwa 21 Monate geführten Wirtschaft.