Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

.

Kinderzeiten.

Ach, sie hat recht – ja, ich bin sonderbar
Und war es schon, eh ich ein Herr noch war.
Schon in der Jugend frohem Lichtrevier
Sucht ich so gern die eignen Wege mir,
Wo ich im Stillen, ohne Führerhand,
Die Menschen fliehend, erst die Menschen fand.
Und ob ich auch darob zu tadeln bin:
Im Eigensinn liegt doch der eigne Sinn.

Und der kam leider schon mit mir zur Welt.
Oft hat die Mutter mir davon erzählt:
Wie ich versucht auf jenen Wiesen dort
Die ersten Schritte und das erste Wort;
Und wie sie abends mich ans Fenster trug,
Daß ich hinaufsah nach der Raben Flug.

Und einmal wieder schien die Sonne warm,
Ich saß im Gärtlein auf der Mutter Arm
Und sah ins Blau und sah hinab zur Erden,
Da frug sie lachend: »Sag, was magst du werden?«
Ein erstes Kind, das man so kindisch liebt,
Man fragt's ja gern schon, eh's noch Antwort gibt.
»Was magst du werden, du mein kleiner Fant?
Gewiß ein Maler oder Musikant?«

Da rollt die Post vorbei mit hellem Ton.
»Am Ende gar ein kleiner Postillion?«
Doch trotzig schüttelt' ich das winzge Haupt,
Das kaum der erste blonde Flaum umlaubt.
»Ja, was denn sonst?« scherzt mir die Mutter vor
Und hebt im Spiel die schlanke Hand empor.

»Zuletzt ein Dichter? – Wart, du arges Blut!«
Da nickt das Köpflein fest und resolut.
Sie aber lacht: – »Schaut nur den Unband an,
Der dichten will und – noch nicht sprechen kann!«

's ist lange her, von dazumal bis heute;
Nun bin ich einer – wenigstens die Leute,
Die sagen es. Doch wenn ich einer bin,
O Gott, wie büßt ich diesen – Eigensinn!

 

*

 


 << zurück weiter >>