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An meine Kinder.

Es spielen meine Hände mit dem Klee …
Wenn alle Blumen längst zur Ruh gegangen,
Steht er mit seinen honigweichen, langen
Feldblüten auf den Wiesen noch am See,
Daß selbst dem Herbst sein stiller Schmuck nicht fehle.
Da fällt mir, ach! – mein eignes Kleeblatt ein,
Drei goldgelockte, frohe Kinderlein,
Und wie ein Frühling ziehts durch meine Seele.
Was trägt ein Mensch an Wonne durch die Welt,
Wenn solche Augen in die seinen blicken,
Wenn solche Köpflein ihm entgegennicken,
Lichtfroh, wie Blumen auf dem grünen Feld!

Wohl bin ich oft durch diese Tür gegangen
Mit Stolz und Demut und in Glück und Bangen,
Doch einer Stunde denk ich nie genug:
Als ich einst wiederkam an diese Pforte
Und als ich selbst mit leisem Segensworte
Mein erstes Kind von dieser Schwelle trug.
Gewitter war; dann ward es wieder licht,
Und von den Zweigen träufelte der Regen
Ihm in das kleine, schlafende Gesicht –
Vom Weihbrunn der Natur empfings den Segen.
Mein Aug erglänzte und mein Herze schlug,
Wie ichs durch die bekränzte Türe trug:
So ziehen hier nun schon die Enkel ein,
O Heimat, Heimat, all ihr Herz sei dein!

.

Mein kleines Elslein aber blieb im Schlaf,
Und seine junge Mutter sprach: »Wie brav,
Wie lieb sie ist, wie ihre Grüblein lachen!«
Du schlummernd Herz, wie wirst du einst erwachen?
Wir hatten muntre Arbeit mit der Kleinen
Und sahen still die Menschenknospe blühn.
Oft stand die Wiege ganz im Lindengrün –
Ihr aber wollt es fast zu einsam scheinen.
Denn übers Jahr, da zog ich wieder ein
Und trug durchs Tor ein blondes Schwesterlein.

So mehrt sich die lebendge kleine Habe,
Wir nanntens Dorothea – 's klingt so weich! –
Der Name schon heißt eine »Gottesgabe«,
Und Haus und Herz ward daran froh und reich.
Das darf ich dir, mein kleiner Schatz, nicht sagen,
Ich muß es schweigend in der Seele tragen;
Doch hier in winterstiller Einsamkeit
Regt aller Zauber sich von Glück und Leid,
Da spür ichs erst, was in dir lebt und sinnt:
Du bist mein Ebenbild, nicht nur mein Kind.

So gingen Jahre hin – ein stiller Kranz! –
Und über ihnen lag der Jugendglanz,
Womit die Kinder Haus und Zeit uns füllen.
Wir sahn die Knospen leise sich enthüllen,
Bis ich erfuhr, wie wahr das Sprichwort sei:
Der guten Dinge wären allzeit drei.
Ich schrieb ein Liederbuch – aus Bergesland –
Um jene Zeit, vom alten Eliland,
Und träumt so lange von Frau Irmingard,
Bis aus dem Traum auf einmal Wahrheit ward.
Denn wie die Lieder stattlich vor mir liegen,
Lag auch ein Töchterlein in unsrer Wiegen,
Das offne Buch legt ich mit leiser Hand
Hinein und hab sie Irmingard genannt.
Sie hat wohl wenig von der holden Nonne
Auf Frauenwörth – das sind wohl tausend Jahre! –
Nichts als die Schönheit und die goldnen Haare
Und – fürcht ich fast – die Sehnsucht nach der Sonne.
Wenn sie manchmal auf meinen Knieen sitzt
Und mit den Augen mir entgegenblitzt,
Die man mit keiner Farbe nennen kann,
Wenn sie die Schwesterlein so trutzig meistert
Und aufflammt zornig oder hell begeistert:
Da ist mirs oft, als stünd auch sie im Bann
Der Leidenschaft, die mich emporgehoben
Zum freien Flug – als wär in ihr Geschick
Von meinen Träumen was hineingewoben,
Als trotzte dieses Lächeln mit dem Glück,
Als würd auch ihr noch manche Stunde hart,
Bis aus klein Irmlein wird Frau Irmingard.

Mein goldnes Kleeblatt, euer Glück im Leben,
Wie oft bedenk ichs! Könnt ich es euch geben
Aus jenem Strom, der heute wogt da drinnen!
Doch das muß jeder erst sich selbst gewinnen!
Noch habt ihrs ja! – o sonnt euch in dem Licht
Der Jugendzeit, die alles noch verspricht!
Noch habt ihrs ja, wenn ihr im Wiesengrün
Hier spielt und springt, wenn alle Blumen blühn
Für euch allein, und wenn dies kleine Haus
Von eurem Wort schallt, eurem Ein und Aus!
Da sah ich manchmal euch in Schwermut zu,
Doch alle Sorgen legten sich in Ruh;
Denn ach, mir ward, wenn ich euch so gesehen,
Ihr müßtet hell durchs ganze Leben gehen,
Als breitete dies Heim, das euch beschieden,
Das eure Eltern so voll Glückes sah,
Auch um euch selber ewgen Schutz und Frieden.

Was träumt ich denn am alten Tische da?
Was doch nicht alles aus dem Schnee erwacht!
Mein goldnes Kleeblatt – gute, gute Nacht!

 

*

 


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