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Ich bin ja in der Schule daheim nur bis in die vierte Klasse gekommen. Und habe immer mang die letzten gesessen, denn ich habe einen harten Kopf gehabt. Und dann im Dienst. Da lernt man auch nicht schreiben. Aber der starke, große Herr mit den roten Haaren hat gesagt: »Ich richte es nachher schon, daß man es lesen kann. Du mußt aufschreiben, wie das damals gewesen ist. Du kriegst auch was Schönes dafür von mir.«
So ist es also damals gewesen: Ich habe vor den Herren gestanden, und drüben hat meine Madam gesessen, und der breite Herr mit den roten Haaren hat gesagt: »Nu los!«
Da habe ich heulen müssen und gesagt:
»Wo er mir doch heiraten will ... «
Da hat der Herr gefragt: »Wer?« Da habe ich gesagt: »Der Briefträger!« Da hat er gesagt: »Was für ein Briefträger?« Da habe ich gesagt: »Er schreibt sich Augustin Pircher und ist mein Bräutigam!«
Da hat der Herr gelacht und gesagt:
»Dabei ist doch nichts zu flennen!«
Da habe ich erst recht heulen müssen und gesagt:
»Weil es doch schenierlich ist! Aber der Mensch ist doch allemal schwach. Und die Liebe ist doch die Liebe – und da kann der Mensch nix vor, daß er die Nacht über in der Wohnung oben bei mir war ... «
»Und Ihre Dienstherrin, das Fräulein Heidebluth hier, hat nichts gewußt?« fragte der starke Herr. Da habe ich unter meinen Tränen dumm lachen müssen und gesagt:
»Die war ja selber die Nacht über weg!«
Da haben sich die Herren angeschaut und mich gefragt: »Ist das wahr?« Da habe ich gesagt:
»Die Madam hat immer gesagt, ich schlafe wie ein Mehlsack. Das hat die Madam an dem Abend auch gedacht. Aber ich habe nicht geschlafen wie ein Mehlsack, wegen dem Stockzahn links, der hat so gebohrt. Ich habe wohl gehört, wie die Madam auf den Fußspitzen aus der Wohnung weg ist. Bald darauf hat der Augustin unten auf der Straße gepfiffen, ich solle für eine Viertelstunde 'runterkommen. Da habe ich aus dem Fenster geguckt und gerufen: »Komm du nur 'rauf!« ... Wo wir jetzt doch schon aufgeboten sind – nicht wahr?
Da hat der Herr gesagt: »Nur weiter, Kind!« – und da habe ich gesagt:
»Klock vier habe ich ihn morgens aus dem Haus gelassen. Es war ganz duster und kalter Winter. Da ist gerade die Madam ganz schnell mit dem Muff vor dem Mund um die Ecke gekommen. Da habe ich eben noch schnell das Haustor von innen zugesperrt und bin die Treppe hinaufgerannt und habe mich flugs mit den Kleidern ins Bett gelegt und recht feste geschnarcht, daß die Madam, wie sie nu leise in den Flur gekommen ist, es auch hat hören können. Die Madam hat richtig nichts bemerkt, und ich habe auch nichts gesagt, und da war alles gut.«
»Bis wie lange?« hat der breite, große Herr gefragt, und ich habe gesagt:
»Bis daß das kriminalisch geworden ist und die Madam hat eine Zeugin machen müssen! Da hat es mir gegruselt, wie ich das am Abend in der Zeitung gelesen habe. Da hat die Madam doch ganz dreist daneben geschworen, sie sei die Nacht daheim gewesen. Ist ja nich wahr!«
Da haben sich die Herren wieder angeschaut, und derselbige hat gefragt: »Und warum kommen Sie mit dieser Aussage erst jetzt?« Da habe ich wieder heulen müssen und gesagt:
»Weil mich die Madam doch jetzt 'rausschmeißt! Und da habe ich nie die Kurasche gehabt. Aber heute haben sie im Grünkram und beim Schlachter und überall gesagt: »Morgen wird's Ernst mit der Frau Sandner!« Und da habe ich mir gesagt: Ach Gott – ach Gott – die wissen bei Gericht doch auch gar nicht alles! Das ist vielleicht ganz anders, als die sich denken! – Ich bin doch in die Christenlehre gegangen, und mein Bräutigam, der Augustin, hat mir zugeredet und gesprochen: ›Ein Menschenleben ist doch ein Menschenleben!‹ Da bin ich her!«
Da sind die drei Herren eine Weile mucksstill gewesen. Dann hat der starke Herr die Madam gefragt:
»Fräulein Heidebluth – was sagen Sie dazu?«
Da ist die Madam ganz weiß im Gesicht gewesen und hat gesagt: »Die Pute lügt!«
Und der breite Herr hat seine Schultern gezuckt und hat gesagt:
»Viel kann man ja auf das nachträgliche Gerede von dem minderjährigen Fratz nicht geben!«
Das hätte ich nicht hören sollen, und ich habe es doch gehört und habe tüchtig geheult und gesagt:
»Fragt doch den Augustin! Der weiß es auch!«
Da ist der Herr ärgerlich geworden und hat gesagt:
»Wir können doch Ihren Briefträger nicht im Handumdrehen hierher zaubern!«
Doch ich habe gesagt:
»Der Augustin hat mich doch hierher gebracht! Der steht draußen!«