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13.
Bericht des Briefträgers Augustin Pircher

Ich bin eingetreten. Ich war früher ein paar Jahre bei der Reichswehr. Ich habe den Staatspräsidenten erkannt. Ich habe militärisch die Hacken zusammengeschlagen und bin stramm gestanden und habe mit lauter Stimme gemeldet:

»Augustin Pircher zur Stelle. Briefträger. Achtundzwanzig Jahre, unbestraft. Führungsattest bei der Reichswehr: Vorzüglich. Inhaber der Rettungsmedaille!«

Nun hieß es: »Danke! Sie machen einen recht guten Eindruck! Nun erzählen Sie, was Sie wissen!«

Ich habe etwas verlegen gesagt:

»Daß ich in der Nacht da oben war, das hat die Stine den hohen Herren jedenfalls schon erzählt. Na – wir heiraten uns doch. Wir hängen schon im Kasten. Jedenfalls: Um vier Uhr in der Frühe war ich wieder unten auf der Straße. Da ist das Fräulein Heidebluth ganz schnell und heimlich um die Ecke gekommen und hat sich noch scheu umgesehen, ob ihr auch keiner folgt. Mich hat sie nicht gesehen. Denn ich habe schon drüben auf dem Bürgersteig im Dunklen gestanden!«

»Aber Sie haben sie sicher erkannt?«

»Wo doch gerade vor dem Haustor, wie sie das hastig aufgeschlossen hat, die Straßenlaterne brennt. Ich kenne doch das Fräulein Heidebluth. Ich bringe ihr doch jeden Morgen die Post. Immer eine ganze Menge Briefe. Von ihren Kunden und Lieferanten.«

»Und Sie können beschwören, daß es dieselbe Nacht war, in der Herr Leopold Sandner ... «

»Das kann ich dreist auf Ehre und Seligkeit nehmen. Zwei Stunden nachher war ich doch schon im Dienst, und alle Kollegen haben zwischen dem Sortieren von dem Mord heute nacht gesprochen. Das Fräulein Heidebluth habe ich damit nicht in Verbindung gebracht, sondern geschwiegen und mir gesagt: ›Die Dame gibt dir immer so gute Trinkgelder! Was gehen dich der ihre Heimlichkeiten an?‹ Erst wie sie dann vor Gericht mit ihrem Eid glatt das Gegenteil von dem beschworen hat, was wirklich war, da ist es der Stine und mir brühwarm ums Herz geworden, und da sind wir nun, ehe es zu spät ist ... «

Der eine Herr wandte sich zu dem Fräulein Heidebluth und sagte:

»Der Zeuge macht durchaus einen glaubwürdigen Eindruck! Was sagen Sie dazu?«

Ich habe mir noch gedacht: ›Das Fräulein Heidebluth – die kann schließlich alles ableugnen? Die kann schließlich sagen: Was weiß ich, wen der verliebte Märzkater da unten für mich gehalten hat? Und die Stine – das leichtsinnige Stücke – die sollte lieber in der Nacht vor ihrer eigenen Türe kehren, statt ihre Dienstherrin nach soundso viel Monaten anzuschwärzen! – ‹ Aber das Fräulein Heidebluth war zu erschrocken. Die hatte es schon seit der Gerichtsverhandlung damals mit ihren fliegenden Nerven. Das war das allgemeine Gerede von allen, die seitdem mit der Dame zu tun gehabt haben. Jetzt war sie durch meine Aussage ganz verdattert und hat dagesessen, ohne sich zu rühren, und den Mund nicht ausgemacht. Der Herr hat sich zu ihr heruntergebeugt und leise, aber so recht aufs Gewissen gefragt:

»Fräulein Heidebluth – gestehen Sie: Waren Sie in jener Nacht außer Hause?«

Da hat sie ganz verstört gemurmelt:

»Ja.«

»Und wo waren Sie?«

Da hat sie wieder geschwiegen, und der Herr hat seine Frage wiederholt, wo sie gewesen wäre. Nun hat sie tonlos geantwortet:

»Das kann ich nicht sagen!«

Der Herr ist daraufhin sehr ernst geworden und hat gesprochen:

»Fräulein Heidebluth! Sie wissen genau, um was es sich handelt! Es liegt in Ihrem eigensten Interesse, umgehend Ihr Alibi in jener Nacht nachzuweisen!«

Fräulein Heidebluth aber hat den Kopf geschüttelt und geflüstert:

»Nein. Ich kann nicht.«

Nun hat ihr der Herr die Hand aus die Schulter gelegt und in einem anderen Ton gesagt:

»Fräulein Heidebluth: Ich muß Sie vorläufig wegen eingestandenem Meineid vor Gericht in Haft nehmen!«

Soweit ist es aber nicht gekommen. Denn Fräulein Heidebluth ist ihm unter der Hand weg nach links vom Stuhl gekippt und ohnmächtig auf dem Teppich liegengeblieben. Ich habe noch selbst den Gerichtsboten geholfen, sie hinunter zu tragen. Man hat sie in einem Nebenzimmer auf ein Sofa gelegt und nach einem Doktor geschickt. Dort ist sie vorläufig unter Bewachung geblieben und war immer noch nicht bei sich.

Ich wurde nun entlassen und die Stine auch. Wir waren beide sehr erschrocken, was wir angerichtet hatten, und es mußte doch sein. Ich habe gesagt: »So eine freundliche Dame! Und so gute Trinkgelder! Aber unseren Herrgott durfte sie nicht beleidigen! Was hilft's, wenn man beim Falschschwören die linke Hand nach unten spreizt, damit der Schwur in den Boden fährt, statt zum Himmel? Es kommt doch heraus! Stine! Stine! Das Fräulein Heidebluth tut mir leid! ... «


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