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Worin eine andere, wenig anziehende Persönlichkeit, Namens Nazim, ihren Zorn über Ben Omar ausgießt.
In der Nacht vom 9. zum 10. Februar wären die Reisenden im Hôtel de l'Union, die die Zimmer nach dem Platz Jacques-Coeur inne hatten, gewiß aus dem tiefsten Schlafe geweckt worden, wenn die Thür des Zimmers Nummer 17 nicht hermetisch geschlossen und mit einem Polsterbelag versehen gewesen wäre, der es verhinderte, daß ein Geräusch von innen nach außen dringen konnte.
Hier thaten nämlich zwei Männer, oder wenigstens einer derselben, ihrem Unmuthe keinen Zwang an, sie sprachen sehr laut, fluchten und stießen Drohungen aus, wie sie nur der ärgste Zorn eingeben kann. Der zweite suchte den ersten zwar zu beruhigen, doch das wollte ihm, so viel Mühe er sich darum auch gab, nicht recht gelingen.
Uebrigens hätte wahrscheinlich niemand von diesem Zwiegespräch etwas verstanden, denn es wurde in türkischer Sprache geführt, die ja im Abendlande nicht viel bekannt ist. Von Zeit zu Zeit fielen dazu freilich auch einzelne französische Worte, ein Beweis, daß die beiden Streitenden recht wohl sich in der hiesigen Landessprache hätten ausdrücken können.
Im Kamin loderte ein lustiges Feuer, und eine, auf einem Tischchen stehende Lampe beleuchtete verschiedene Papiere, die unter einem großen abgenützten Portefeuille halb versteckt lagen.
Der eine der Männer war Ben Omar – mit getäuschtem Gesicht und gesenkten Augen stierte er in die Flammen des Kamins, die weniger Gluth ausstrahlten, als die Augen seines Gefährten.
Dieser war die exotische Persönlichkeit mit wildem Ausdruck und unruhiger Haltung, der der Notar ein unbemerkbares Zeichen gemacht hatte, als Meister Antifer und er am Ende des Hafens miteinander sprachen.
Und dieser Mann wiederholte zum zwanzigsten Male:
»Du hast also keinen Erfolg gehabt? ...
– Leider, Excellenz, doch Allah ist mein Zeuge ...
– Ich brauche kein Zeugniß, weder von Allah noch von sonst jemand! Es ist Thatsache, daß Dein Versuch gescheitert ist.
– Zu meinem größten Bedauern.
– Der Malouin, den der Teufel rösten möge ... (diese Worte wurden französisch gesprochen) hat es abgeschlagen, Dir den Brief auszuliefern?
– Ja, ganz bestimmt.
– Oder ihn Dir zu verkaufen? ...
– Dazu war er bereit.
– Und Du hast ihn nicht gekauft, Unseliger? ... Er ist nicht in Deinen Händen, und Du trittst mir hier entgegen, ohne ihn mitzubringen?
– Wissen Sie, was er dafür forderte, Excellenz?
– Nun, was liegt daran?
– Fünfzig Millionen Francs!
– Fünfzig Millionen ...«
Und wieder flogen die Verwünschungen aus dem Munde des Aegypters wie die Kanonenkugeln einer Fregatte, die von beiden Seiten zugleich feuert. Dann – während er seine Kanonen von neuem lud – fuhr er fort:
»Der Seebär weiß also, Du Schwachkopf von einem Notar, welche Bedeutung diese Geschichte für ihn haben kann?
– Er mag es wohl vermuthen.
– Möge ihn Mahomed erwürgen ... und Dich dazu! schrie der zornsprühende Mann, der mit schnellen Schritten im Zimmer auf und ab ging, oder vielmehr, was Dich angeht, werd' ich ihm die Mühe abnehmen, denn ich mache Dich verantwortlich für alles Unglück, das aus der Geschichte entsteht.
– Und doch ist es mein Fehler nicht, Excellenz! ... Ich war in die Geheimnisse Kamylk-Paschas nicht genügend eingeweiht.
– Du hättest sie aber kennen, hättest sie ihm entreißen müssen, während er noch lebte, Du, als sein Notar, konntest und mußtest es können!»
Wiederum spien die Stückpforten ganze Breitenlagen von Flüchen hervor.
Dieser schreckliche Mann war niemand anders als Saouk, der Sohn Murads, jenes Vetters von Kamylk-Pascha. Er zählte jetzt dreiunddreißig Jahre. Nach dem Ableben seines Vaters der einzige Erbe seines reichen Verwandten, wäre ihm dessen ungeheures Vermögen zugefallen, wenn dieses seinen habgierigen Händen nicht entzogen gewesen wäre. Der Leser weiß, warum und unter welchen Verhältnissen das geschah.
Wir erzählen hier – nur ganz kurz – die Ereignisse seit der Zeit, wo Kamylk-Pascha Aleppo verlassen hatte und seine Schätze mitnahm, um diese in den Eingeweiden eines unbekannten Felsens zu verbergen.
Einige Zeit nachher, im October 1831, hatte Ibrahim mit zweiundzwanzig Kriegsschiffen, die dreißigtausend Mann Truppen brachten, Gazza, Jaffa und Caiffa erobert, und auch Saint Jean d'Acre war im folgenden Jahre am 27. März in seine Hände gefallen.
Es schien also, als ob Palästina und Syrien der Herrschaft der Hohen Pforte endgiltig entrissen werden sollten, als die Einmischung der europäischen Mächte den Sohn Mehemet Ali's in seinem Siegeszuge aufhielt. Im Jahre 1833 wurde den beiden Gegnern, dem Sultan und dem Vicekönig, der Vertrag von Kataye aufgenöthigt, nach dem die Sachen im Status quo ante blieben.
Zum Glück für seine Sicherheit hatte Kamylk-Pascha während dieser unruhigen Zeit seine Schätze in der mit dem Doppel- K bezeichneten Grube verborgen und seine Fahrten weiter fortgesetzt. Wohin ihn seine Brigg-Goëlette unter dem Commando des Kapitän Zo führte, welche nahe oder entfernte Länder und Meere er berührte, das hätte außer seinem Kapitän und ihm kein Mensch zu sagen gewußt, denn bekanntlich kam niemand von der Besatzung je ans Land und die Matrosen wußten niemals, nach welcher Himmelsgegend die Laune ihres Herrn sie geführt hatte.
Nach diesen erfolgreichen Irrfahrten beging Kamylk-Pascha jedoch die Unklugheit, nach der Levante zurückzukehren. Der Friede von Kataye hatte dem ehrgeizigen Vormarsche Ibrahim's Halt geboten, der Norden von Syrien war dem Sultan wieder unterthan, und der reiche Aegypter glaubte deshalb, ohne Gefahr nach Aleppo heimkehren zu können.
Da wollte es das Unglück, daß sein Schiff – es war im Jahre 1814 – durch stürmisches Wetter bis in die Nähe von Saint Jean d'Acre verschlagen wurde. Noch immer in offensiver Haltung, kreuzte die Flotte Ibrahim's hier an der Küste, und auf einem der Schiffe befand sich gerade Murad, der von Mehemet Ali mit einer officiellen Mission betraut worden war.
Die Brigg-Goëlette führte die türkische Flagge am Top. Ob man nun wußte oder nicht, daß diese Kamylk-Pascha gehörte, jedenfalls wurde das Schiff verfolgt, geentert und – nicht ohne vorher muthig vertheidigt worden zu sein – besetzt. Dabei kam dessen Mannschaft ums Leben, die Brigg selbst wurde zerstört und deren Eigenthümer, sowie der Kapitän, gefangen genommen.
Murad erkannte Kamylk-Pascha sofort wieder, und damit hatte dieser seine Freiheit für immer verloren. Einige Wochen später warf man ihn und den Kapitän, die ganz geheim nach Aegypten gebracht worden waren, im Fort von Kairo ins Gefängniß.
Auch wenn es ihm gelungen wäre, sein Haus in Aleppo zu erreichen, hätte Kamylk-Pascha dort schwerlich die gewünschte Sicherheit gefunden. Der Theil von Asien, der vorläufig unter ägyptischer Verwaltung stand, seufzte schwer unter diesem verhaßten Joche. Das dauerte bis 1839, wo die Ausschreitungen der Beamten Ibrahim's so unleidlich geworden waren, daß der Sultan die ihm früher abgenöthigten Concessionen zurückzog. Das veranlaßt einen neuen Feldzug Mehemet Ali's, dessen Truppen den Sieg von Nezib davontrugen. Mahmud sah sich hierdurch selbst in der Hauptstadt der Europäischen Türkei bedroht. Jetzt schritten England, Preußen und Oesterreich zu Gunsten der Pforte ein, und setzten dem Sieger einen Damm entgegen, sicherten ihm jedoch den Besitz Aegyptens und überließen ihm die Verwaltung Asiens vom Rothen Meere an bis zum Tiberiassee im Norden und vom Mittelländischen Meere bis zum Jordan, das heißt ganz Palästina diesseits dieses Stromes.
Der siegestrunkne Vicekönig, der an die Unüberwindlichkeit seiner Soldaten glaubte und vielleicht von der französischen Diplomatie auf Anregung Thiers' aufgestachelt wurde, lehnte das Angebot der verbündeten Mächte ab. Jetzt traten indeß deren Flotten in die Action ein. Der Commodore Napier bemächtigte sich im September 1840 der Stadt Beyrut trotz der Vertheidigung derselben durch Oberst Selves, der Soleyman Pascha geworden war. Sidon ergab sich am 25. desselben Monats und Saint Jean d'Acre capitulierte nach heftiger Beschießung und nachdem sein Pulvermagazin in die Luft geflogen war. Mehemet Ali mußte nachgeben. Er ließ seinen Sohn Ibrahim zurückkehren und ganz Asien kam damit wieder unter die Oberhoheit des Sultan Mahmud.
Kamylk-Pascha hatte sich also zu sehr beeilt, nach dem von ihm bevorzugten Land zurückzukehren, wo er einst sein vielfach beunruhigtes Leben zu beschließen gehofft hatte. Hierher wollte er seine Schätze zurückbringen, einen Theil zur Begleichung seiner Schuld der Dankbarkeit verwenden, einer Schuld, die von denen, die ihm einst das Leben gerettet hatten, gewiß längst vergessen war. Jetzt hatte man ihn nun in Kairo eingekerkert, wo sein Leben der Gnade oder Ungnade unversöhnlicher Feinde preisgegeben war.
Kamylk-Pascha sah ein, daß er verloren sei. Der Gedanke, seine Freiheit durch das Opfer seines Vermögens zu erkaufen, kam ihm gar nicht in den Sinn. Die Energie seines Charakters ging sogar so weit, seinen Kopf eher noch mehr aufzusetzen, eine Hartnäckigkeit, die sich nur aus dem Fanatismus des Ottomanen erklären läßt.
Die Jahre, die er im Gefängniß von Kairo schmachtete, waren freilich sehr hart, dazu hatte man ihn auch vom Kapitän Zo getrennt, auf dessen Discretion er jedoch unerschüttert baute. Durch die Gefälligkeit eines Wärters gelang es ihm endlich, im Jahre 1842, einige Briefe an verschiedene Personen abgehen zu lassen, mit denen er irgendwie in Verbindung stand – unter anderen auch einen an Thomas Antifer in Saint Malo – gleichzeitig ging ein Päckchen mit seinem Testamente an Ben Omar, der früher in Alexandrien sein Rechtsbeistand gewesen war.
Seit 1845, wo der Kapitän Zo verschied, war Kamylk-Pascha nun noch der Einzige, der die Lage des Eilandes kannte, das seine Schätze barg. Seine Gesundheit fing jetzt aber an zu leiden, und die strenge Haft konnte nur dazu beitragen, ein Leben abzukürzen, das sonst gewiß noch eine lange Dauer versprochen hätte. Im Jahre 1852 nach achtzehnjährigem Kerker starb er endlich, vergessen von denen, die ihn gekannt hatten, im zweiundsechzigsten Lebensjahre, doch ohne daß weder Drohungen noch grausame Behandlung ihm sein Geheimniß hatten entreißen können.
Im nächsten Jahre folgte ihm sein unwürdiger Vetter in das Grab nach, ohne von dem ungeheuren Reichthum etwas genossen zu haben, nach dem er verlangte und um deswillen er selbst ein Verbrechen nicht gescheut hatte.
Murad hinterließ aber einen Sohn, jenen Saouk, der die schlechten Eigenschaften seines Vaters alle geerbt hatte. Trotz seiner dreiundzwanzig Jahre hatte er doch schon ein recht wildes schamloses Leben hinter sich, denn er gehörte den politischen Banditen an, die damals Aegypten durchstreiften. Als einziger Erbe Kamylk-Paschas wäre dessen Vermögen nun an ihn gekommen, wenn jener es seiner Habsucht nicht zu entziehen gewußt hätte. Seine Wuth kannte deshalb auch gar keine Grenzen, als mit dem Tode Kamylk-Paschas – seiner Meinung nach – auch jeder Anhaltspunkt dafür verschwunden war, wo sich die ungeheuren Schätze seines Onkels befinden möchten.
So verliefen zehn Jahre, und Saouk hatte bereits darauf verzichtet, je zu erfahren, was aus der ihm entgangnen Erbschaft geworden sei.
Wie erstaunte er aber, als ihm mitten in seinem Abenteurerleben eine Nachricht zukam – eine Nachricht freilich, die ihn wieder in zahllose unerwartete Abenteuer verwickeln sollte.
In den ersten Tagen des Jahres 1862 erhielt Saouk nämlich einen Brief mit der Aufforderung, sich im Bureau des Notars Ben Omar wegen einer wichtigen Angelegenheit einzufinden.
Saouk kannte diesen Notar als ein furchtsames Männchen, mit dem ein entschlossener Charakter alles mußte anfangen können, was ihm beliebte. Er begab sich also nach Alexandrien und fragte Ben Omar sehr brutal, mit welchem Rechte er sich erlaubt habe, ihn nach seinem Bureau zu verlangen.
Ben Omar empfing seinen Clienten, den er zu allem fähig wußte, mit tiefster Ehrerbietung, versah er sich's doch, womöglich gleich von dem Raufbolde erwürgt zu werden. Er entschuldigte sich wegen der ihm verursachten Störung und erklärte mit verbindlicher Stimme:
»Ist es nicht der einzige Erbe Kamylk-Paschas, an den ich mich in Ihrer werthen Person gewendet habe?
– Natürlich der einzige Erbe, rief Saouk, da ich der leibliche Sohn Murad's bin, der der Vetter des Erblassers war.
– Wissen Sie bestimmt, daß es nicht noch einen andern erbberechtigten Verwandten Ihres seligen Onkels giebt?
– Keinen Menschen. Kamylk-Pascha hatte keinen andern Menschen als mich. Es fragt sich nur, wo ist die Erbschaft?
– Hier ... zur gefälligen Verfügung Eurer Excellenz.«
Saouk ergriff das versiegelte Packetchen, das ihm der Notar hinhielt.
»Was enthält dieses Papier? fragte er.
– Das ist das Testament Kamylk-Paschas.
– Und wie kommt das in Deine Hände? ...
– Er hat es mir mehrere Jahre nach seiner Gefangensetzung im Fort Kairo zugehen lassen.
– Wann war das?
– O, schon vor zwanzig Jahren.
– Vor zwanzig Jahren! rief Saouk. Jetzt ist er bereits seit zehn Jahren todt ... und Du hast gewartet ...
– Lesen Sie selbst, Excellenz.«
Saouk las eine Bemerkung auf dem Umschlag des Packetes. Danach war bestimmt, daß das Testament nicht früher als zehn Jahre nach dem Ableben des Testators eröffnet werden dürfe.
»Kamylk-Pascha starb im Jahre 1852, sagte der Notar, jetzt schreiben wir 1862, und da hab' ich mir gestattet, Euer Excellenz einzuladen ...
– Verdammter Formelkrämer! stieß Saouk hervor. Schon seit zehn Jahren müßt' ich im Besitz meines Eigenthums sein ...
– Vorausgesetzt, daß Kamylk-Pascha Sie als Erben eingesetzt hat, bemerkte der Notar.
– Ob er mich dazu eingesetzt hat? ... Wem denn sonst? ... Das werd' ich sofort wissen ...«
Schon wollte er die Siegel erbrechen, als Ben Omar ihn mit den Worten zurückhielt:
»In Ihrem eigenen Interesse, Excellenz, ist es besser, die Sache nach gesetzlicher Vorschrift in Gegenwart von Zeugen zu erledigen ...«
Damit öffnete Ben Omar schon die Thür und ließ zwei Kaufleute aus der Nachbarschaft eintreten, um der Testamentseröffnung beizuwohnen.
Die beiden Herren konnten bestätigen, daß das Packet unverletzt war, und darauf wurde es geöffnet.
Das Testament erhielt nur gegen dreißig Zeilen in französischer Sprache mit folgendem Tenor:
»Ich ernenne zu meinem Testamentsvollstrecker den Notar Ben Omar in Alexandrien, dem eine Entschädigung von ein Procent meines in Gold, Diamanten und andern Edelsteinen bestehenden Vermögens zukommen soll. Der Werth meiner Nachlassenschaft beläuft sich etwa auf hundert Millionen Francs. Im Monat September 1831 sind die drei Fässer, die obigen Schatz enthalten, an der Spitze eines gewissen Eilandes vergraben worden. Die Lage dieses Eilandes wird sich leicht bestimmen lassen, wenn man die Länge von vierundfünfzig Grad siebenundfünfzig Minuten östlich von Paris mit der Breite kombiniert, die im Jahre 1842 einem gewissen Thomas Antifer in Saint Malo, Frankreich, heimlich mitgetheilt worden ist.
Ben Omar wird diese Längenangabe genannten Thomas Antifer persönlich übermitteln oder, im Falle, daß dieser bereits gestorben wäre, seinem nächsten Erbberechtigten davon Mittheilungen machen. Es wird ihm ferner hiermit aufgetragen, genannten Erben bei seinen Nachforschungen zu begleiten, bis der vergrabne Schatz gehoben ist, dessen genaue Stelle am Fuße eines Felsens von mir selbst durch ein Doppel- K bezeichnet wurde.
Unter Ausschluß meines unwürdigen Vetters Murad und seines ebenso unwürdigen Sohnes Saouk, wird Ben Omar sich beeilen, mit Thomas Antifer oder dessen direkten Nachkommen in Verbindung zu treten und im übrigen nach den Anordnungen zu verfahren, die sich bei Gelegenheit jener Nachgrabungen finden werden.
Das ist mein Wille, und ich erwarte, daß derselbe nach allen Seiten gewissenhaft beachtet werde.
Geschrieben am 9. Februar 1842 im Gefängniß zu Kairo mit meiner eignen Hand.
Kamylk-Pascha.«
Wir brauchen wohl nicht auszumalen, wie Saouk dieses merkwürdige Testament aufnahm, und wie befriedigt Ben Omar über einen Auftrag schmunzelte, der ihm von der Summe, um die es sich handelte, ein Procent, das heißt, eine Million einbrachte, die von der Erbschaft für ihn abgesetzt werden sollte. Freilich mußte der Schatz erst gefunden werden, und das war nur möglich nach Bestimmung der Lage jenes Eilandes, indem man die im Testamente angegebene Länge mit der Breite verband, welche wieder Thomas Antifer ganz allein kannte.
Saouk's Plan war schnell gefaßt, und unter den furchtbarsten Drohungen mußte Ben Omar sich zum Teilnehmer desselben hergeben. Eine schleunigst eingezogene Erkundigung belehrte sie, daß Thomas Antifer 1854 mit Tode abgegangen sei und einen einzigen Sohn hinterlassen habe. Nun galt es also, diesen Sohn Pierre-Servan-Malo aufzusuchen, geschickt an's Werk zu gehen, um ihm das Geheimniß der seinem Vater bekannt gegebenen Breite zu entlocken, und dann Besitz von der ungeheuren Erbschaft zu nehmen, von der Ben Omar vorher seine Provision abziehen mochte.
Saouk und der Notar ließen nun keinen Tag verstreichen. Von Alexandrien aus dampften sie nach Marseille, benützten hier den Schnellzug nach Paris, dann den nach der Bretagne und waren an eben diesem Tage in Saint Malo eingetroffen.
Weder Saouk noch Ben Omar zweifelten einen Augenblick daran, daß sie den Brief, der die kostbare Breitenangabe enthielt, bekommen würden. Der Malouin kannte wahrscheinlich gar nicht die Bedeutung der Sache, und schlimmsten Falls wollten sie ihm das Schriftstück abkaufen.
Der Leser weiß, wie das verlief; unerklärlich ist es wohl auch, daß Seine Excellenz darüber höchst ungehalten und in ungerechtfertigtem Zorn nicht abzuhalten war, den armen Ben Omar für diesen Mißerfolg verantwortlich zu machen.
Daher jene hitzigen Auftritte im Hotelzimmer, aus dem der unglückliche Notar gar nicht mehr lebend fortzukommen fürchtete.
»Ja, ja, wiederholte Saouk, Deine Ungeschicklichkeit ist es, die all' dieses Unheil verschuldet hat! ... Du hast die Sache falsch angefangen! Hast Dir von dem Kerle, einem simplen Matrosen, eine Nase drehen lassen ... Vergiß aber nicht, was ich Dir sage: Wehe über Dich, wenn die Millionen Kamylk-Paschas mir verloren gehen!
– Ich schwöre Ihnen, Excellenz ...
– Ach was da ... ich ... ich schwöre Dir, wenn ich mein Ziel nicht erreiche, wirst Du mir's und zwar theuer bezahlen!«
Ben Omar wußte nur zu gut, daß Saouk der Mann dazu war, wenigstens in solchen Dingen Wort zu halten.
»Sie glauben vielleicht, Excellenz, stammelte er in der Absicht, den Wütherich zu besänftigen, daß jener Seemann ein armer Teufel wäre, so einer jener erbärmlichen Fellahs, die sich eben so leicht übertölpeln wie in Angst setzen lassen ...
– Das gilt mir gleich!
– Nein! das ist ein hitziger, schrecklicher Mann, der nichts hören will ...«
Er hätte hinzufügen können: Ein Mann Ihres Schlages«, hütete sich aber vor einem solchen Zusatze.
»Ich meine also, es ist besser zu verzichten ...«
Kaum wagte der Aermste seinen Gedanken völlig auszusprechen.
»Verzichten! schrie Saouk auf, der mit der Hand auf den Tisch schlug, daß die Lampe tanzte und deren Glocke zersprang ... verzichten auf hundert Millionen? ...
– Nein ... nein ... Excellenz, beeilte sich Ben Omar zu erklären, so war es nicht gemeint, nur darauf eingehen, diesem Bretonen die Länge mitzutheilen, wozu das Testament mich ja verpflichtet« ...
– Damit er den Vortheil davon hat, Schwachkopf, und sich aufmacht, die Millionen auszuscharren!«
Der Zorn ist ja allemal ein schlechter Rathgeber. Auch Saouk, dem es weder an Intelligenz, noch an Schlauheit mangelte, sah das schließlich selbst ein.
Er beruhigte sich, soweit das möglich war, und überlegte den Vorschlag, den Ben Omar eben gemacht hatte.
Bei dem Charakter des Malouin lag es auf der Hand, daß von ihm durch List nichts zu erlangen war, hier mußte man noch geschickter vorzugehen versuchen.
So wurde denn zwischen Seiner Excellenz und dessen ergebenen Diener, der ihm wohl oder übel zu Willen sein mußte, folgender Plan geschmiedet: am nächsten Tage wollten sie sich noch einmal zu Meister Antifer begeben, ihm die geographische Länge des Eilandes, wie sie das Testament angab, mittheilen, dabei aber auch deren Breite zu erfahren suchen. Dann beabsichtigte Saouk, dem Franzosen zuvorzukommen, ehe dieser die Hand auf jene Schätze legen konnte. Erwies sich das als unausführbar, so würde er Mittel finden, den Meister Antifer bei seinen Nachforschungen zu begleiten und dann versuchen, sich der Millionen zu bemächtigen.
Lag das betreffende Eiland, was ja anzunehmen war, in weiter Ferne, so vermehrte das die Aussicht auf Erfolgs und die Sache versprach zu Gunsten Saouk's auszugehen.
Als sich die Beiden hierüber klar waren, fügte Saouk hinzu:
»Ich verlasse mich auf Dich, Ben Omar, und empfehle Dir, die Sache geschickt einzufädeln ... sonst ...
– Excellenz, Sie dürfen ruhig sein, doch sie versprechen mir, daß ich meine Prämie unverkürzt erhalte ...
– Ja, weil sie Dir nach dem Wortlaute einmal zukommt ... doch unter der Bedingung, daß Du den Meister Antifer während seiner Fahrt nicht einen Augenblick verläßt!
– Ich werde stets bei ihm sein!
– Und ich ebenfalls! ... Ich begleite Dich!
– Doch in welcher Eigenschaft? ... Unter welchem Namen?
– O, als erster Gehilfe des Notar Ben Omar und unter dem Namen Nazim.
– Sie ... Sie wollten wirklich? ...«
Und dieses »Sie« wurde mit einer so verzweifelten Stimme hervorgestoßen, daß man daraus erkannte, daß der unglückliche Ben Omar für die nächste Zukunft das Schlimmste erwartete.