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Erstes Kapitel

Die Juden kommen!

»Die Juden kommen!«

Das Geschrei drang aus dem Walde. Wie ein Schwarm Tauben, die der Habicht auseinander getrieben, flüchteten die Kinder ins Dorf. Hinter hohem Taxusgebüsch versteckt, hatten sie schon seit einer Woche jeden Morgen nach den Händlern ausgespäht. Heute nun, in früher Stunde, sahen sie die fremden Männer mit ihren Saumtieren nach Piatra heraufsteigen: dort, wo der Tann sich lichtete und der Pfad steil an den wilden Wänden der Verrös emporlief. Sogleich faßte Angst die Kinder. Schreiend rannten sie davon, sich bei ihren Müttern zu bergen. In ihren langen, faltigen Röckchen aus ungebleichter Leinwand und mit den nackten Füßen sahen sie aus, als hätten die Juden sie aus den Betten gejagt. Wie das in der Welt so zugeht, wurden bei der allgemeinen Flucht die Schwächeren von den Stärkeren im Stich gelassen. Wehklagend liefen die Mädchen hinter den Knaben drein, die Frühlingsblumen, mit denen sie sich beladen, warfen sie fort, so daß der Weg mit Anemonen, Veilchen und Primeln bestreut wurde.

Nur Urs Cibula blieb bei seiner Spielgefährtin zurück. Die kleine Ilja Dozana, die in ihrem weißen Kleide und dem Kranz von Narzissen wie eine junge Nymphe aussah, weinte bitterlich; aber ihr Freund tröstete sie:

»Wenn die Juden dir etwas zu leide tun, sage ich's meinem Vater; dann schlägt mein Vater die Juden tot, und bin ich erst groß, so helfe ich ihm.«

Dabei schüttelte er zornig seine gelben Locken und machte ein wildes Gesicht, gerade so wie er seinen Vater es machen sah, wenn in dessen Gegenwart von den Juden die Rede war.

Aber die kleine Ilja weinte nur um so bitterlicher; sie schluchzte:

»Nicht totschlagen! Nicht totschlagen!«

Darüber wurde Urs Cibula so zornig, daß er seine beste Freundin ihrem Schicksal überließ, welches kein anderes war, als bei lebendigem Leibe von den Juden gebraten und gespeist zu werden. Er lief fort, wohl an die hundert Schritte; als er sich umsah, stand die kleine Todesbraut ganz gelassen mitten im Wege, Sie weinte sogar nicht mehr. Da machte der treulose Ritter schleunigst kehrt, so daß er atemlos bei seiner verlassenen Dame anlangte. Jetzt lachte diese. Hand in Hand gingen nun beide Kinder ruhig hinter den Flüchtenden her. Sie plauderten, »Jetzt geben wir den Juden wieder unseren süßen Honig, so viele Schinken und alle unsere hübschen Felle,« klagte das kleine Hausmütterchen.

Aber der Knabe berühmte sich: »Wir geben ihnen nichts; mein Vater gibt keinem Juden auch nur ein Stück. Den Schinken essen wir selbst und den Honig auch; unsere Felle aber und unsere heiligen Frauenbilder, die bringt mein Vater in die Stadt. Die ist weit.«

Als Trost fiel dem Mädchen ein, was ihre liebe Mutter für Honig, Schinken und Felle von den Juden bekam: bunte Bänder, süße Gewürze. Da jedoch die Mutter ihres Spielgefährten keine dieser Herrlichkeiten eintauschen würde, schwieg sie, um ihren Freund nicht zu kränken.

Im Dorfe trennten sie sich. Beide Kinder wohnten in den zwei schönsten Häusern von Piatra. Aber das Haus von Iljas Mutter lag neben der Kirche, hatte eine prächtige Halle und ein höheres Dach, als dasjenige der Eltern von Urs Cibula.

Dafür stand das letztere dicht am Rande der Schlucht und war von einem herrlichen Blumengarten umgeben.

»Die Juden kommen!«

Die Frauen traten aus den Häusern und eilten die Gassen hinab, den flüchtenden Kindern entgegen.

Jede Mutter bemächtigte sich ihres kleinen schreienden Eigentums, nicht ohne Besorgnis, daß diesem schon durch den bloßen Anblick der Juden ein Leides zugefügt worden. Noch ein hastiges Gespräch mit den Nachbarinnen, lautes Rufen nach den Männern, und die Frauen zogen sich in ihre sicheren Häuser zurück, zunächst um die Kinder und sich selbst mit geweihtem Wasser zu besprengen. Darauf wurden zum Schutz der Kleinen die Mägde und älteren Töchter herbeigerufen und diesen auch die Hut der Säuglinge übergeben.

Die Jungfrauen sperrten die Kinder in die Kammern und drohten ihnen: »Seid ihr nicht brav, so bekommen euch die Juden zum Schlachten.«

Das zähmte die Wildesten.

Unterdessen legten die Bäuerinnen ihre Festtracht an: nicht der Fremden wegen, die sie verachteten, sondern sich selber zu Ehren und damit alles nach Brauch und Herkommen geschehe. Die weißen faltenreichen Gewänder mit den langen, bis zu den Knien herabhängenden Ärmeln und den bunt gestickten Säumen kleideten das schöne Frauengeschlecht der Verrös gar feierlich. Um die kräftigen Hüften trugen sie starke Stricke, dicht mit den leuchtenden Brustfedern des Auerhahns besetzt, daß es aussah, als wären die Bäuerinnen von Piatra mit Juwelen gegürtet; auf dem hellen Haar prangte eine hohe Haube aus zottigem schwarzen Bärenfell, die Hochzeitsgabe des Bräutigams. Mächtige Ketten schwarzer Granaten umschlossen in vielen Reihen den braunen Hals.

Während die Bäuerinnen sich so schmückten, gedachten sie voller Hoffnung und zugleich voll geheimen Bangens der längst mit Sehnsucht erwarteten Ankunft der Fremden, die Heiligen bittend, das Gedächtnis ihrer Hausherren zu stärken, damit nichts, was von den klugen Ebräern einzutauschen erwünscht oder nötig wäre, vergessen werde. Aber sie durften nicht wagen, zu mahnen; denn in der Verrös besaßen die Frauen – obgleich Frauen einstmals in der Verrös Heldentaten begangen und Piatra von seinen Feinden befreit hatten - - nur mehr oder minder leise Stimmen im Rate des Hauses; erhoben sie indessen einmal ihre Stimmen, so geschah das mit solchem Nachdruck, daß der Mann ohne weiteres verstummte. Heute jedoch, auf der offenen Gasse, wo der Tausch geschlossen wurde, mußten sie, dem Brauche gemäß, schweigen.

Nun hatten sie freilich den ganzen langen Winter hindurch eifrig Sorge getragen, daß jedes Stück, dessen Haushalt und Familie bedurfte, häufig genannt, ausführlich besprochen und so den vergeßlichen Gemütern der Männer eingeprägt worden. Trotzdem hegten die guten Weiber nicht unbegründete Zweifel, ob ihre Eheherrn auch alle Wünsche in Erinnerung behalten würden; denn gewisse weibliche Bedürfnisse schien das Gedächtnis der Gatten und Väter niemals bewahren zu können. In den meisten Häusern von Piatra fehlte es an Bandwerk, Wollenzeugen, Kochgeschirren und an manchen anderen nützlichen oder angenehmen Geräten und Dingen. Sicher war, daß die Männer zum mindesten die kostbaren Gewürze gänzlich vergessen würden! Und wie ließ sich ohne Gewürze Kuchen bereiten? Und wie ohne Kuchen ein Fest feiern? Fehlte der Kuchen oder mißriet er wegen Mangel an den nötigen Gewürzen, so würden die Männer sicher nicht säumen, zu murren. Trotzdem wurde jedes Jahr das eine oder das andere nicht reichlich genug oder schlecht von ihnen eingehandelt. Und jedes Jahr wurden die Waldleute von den klugen Juden betrogen. Das letztenmal hatten

die Händler ihnen verdorbene Gewürze gegeben, das Mehl war mit Staub vermischt gewesen und zwischen dem Flachs hatte Hanf gesteckt. So hatten die Bäuerinnen ihre großen Kümmernisse und Nöte; und es war ein Trost für die beschwerten Gemüter, daß die gute Gottesmutter, die sich ja auf Hausfrauensorgen verstehen mußte, an allem Leid, das den Bäuerinnen von Piatra widerfuhr, getreuen Anteil nahm.

»Die Juden kommen!«

Auch die Männer gerieten bei der Nachricht in Aufregung, so viel es bei einem Bauern von Piatra die Würde zugab. Jeder ließ seine Arbeit und trug mit dem Sohne oder Knecht alles, was längst in den Kammern aufgespeichert lag, hinaus auf den Platz vor der Kirche. In geziemender, ehrerbietiger Entfernung von dem Heiligtume stellte ein jeder auf, was er besaß: Honig und Käse, gedörrte Bärenschinken, und getrocknete Forellen, Felle und Häute; auch allerlei Federwerk und Holzschnitzereien, in welchen Arbeiten die Leute von Piatra große Künstler waren.

»Die Juden kommen!« rief der Priester Stefan Dozana seiner Schwägerin Maura zu, die ihm nach dem Tode ihres Mannes in dem alten Familienhause der Dozana die Wirtschaft führte. Er kam mit hastigen und starken Schritten aus dem Walde. Den langen weißen Bauernmantel über seinem Priesterrock, auf dem Kopf die Mütze von Otterfell, die Büchse über der Schulter, glich er eher einem bäuerischen Krieger, als einem Diener des Evangeliums.

Als er ins Haus trat und mit heftiger Bewegung die Kappe abnahm, ließ sich nur an dem kurzen Gekraus in der Mitte des hellen Lockengewirres erkennen, daß dieser Kopf die Tonsur trug.

Er war noch jung, eine hohe Gestalt, ein Gesicht mit stolzen und festen Zügen. Wenn er in der Kirche das Kreuz aufhob, so hielt er das heilige Zeichen wie ein Szepter über den geneigten Häuptern seiner Gemeinde; und wenn er über ihnen den Segen sprach, tat er es wie ein Fürst, der den Ritterschlag erteilt. Seine Augen glühten wie in Kampfbegier, und seine Lippen waren so rot und heiß, als hätten sie lieber auf eines lebendigen Weibes Mund brennen, als der himmlischen Jungfrau die wächsernen Hände küssen mögen.

Mit volltönender Stimme, der das Gebieten natürlich war, wies Stefan Dozana Schwäherin und Gesinde an, nach den Tauschwaren zu sehen und sie auf den Platz zu schaffen. Denn da die Bauern von Piatra ihren Seelenhirten nicht mit Geld, sondern mit den Erzeugnissen des hohen Tatra zahlten, so waren in keinem Hause sämtliche Kammern so wohlgefüllt, so wurden in keinem Hause der Frühling und mit ihm die Ankunft der Juden so ungeduldig erwartet, wie in dem ansehnlichen Balkenhause neben der Kirche, das seit Jahrhunderten die Familie der Dozana bewohnte.

»Die Juden kommen!« kündigte Michael Cibula mit rauher Stimme seinem Weibe an, das im Garten mitten unter ihren Blumen saß und aus blühendem Rosmarin eine Brautkrone wand. Und er gebot ihr: »Geh ins Haus, schicke Simo nach dem Knaben und lasse dich bis zum Abend nicht auf der Gasse sehen.«

Sogleich raffte Josepha die duftenden Zweige zusammen und erhob sich langsam. Ihre sanften und schwermütigen Augen suchten schüchtern den düsteren Blick ihres Mannes; aber Michael Cibula wandte sich ab und ging ins Haus. Noch ehe Josepha ihm folgen konnte, trat er schon wieder heraus, die Büchse in der Hand, die Mütze auf dem Kopfe.

»Ich gehe in den Wald. Rüste das Abendmahl, ohne auf mich zu warten; vor Nacht komme ich nicht zurück.«

Er ging, traurig sah Josepha ihm nach. So gern hätte sie ihm etwas gesagt, irgend etwas; denn sie wußte, daß es dem rauhen Mann jetzt wild und zugleich weh um das Herz war. Doch fand sie niemals das rechte Wort.

Jedes Frühjahr, wenn die Waldleute den Besuch der jüdischen Händler erwarteten, ereignete sich im Hause Michael Cibulas dasselbe: noch ehe die Kinder, hinter den Taxusbäumen versteckt, nach den ersehnten und zugleich gefürchteten Fremden ausspähten, verdüsterte sich Michael Cibulas Antlitz und Wesen, die beide niemals heiter waren. In stillem Ingrimm ging er umher, mehr als je von dem Gesinde gefürchtet, von den Nachbarn gescheut und von seinem Weibe mit bangem Flehen angesehen, mit Blicken heimlicher Liebe, auf welche Josepha nie eine Antwort empfing. Kamen die Juden, so befahl er sein Haus zu schließen; er selbst verließ das Dorf. An dem allgemeinen Tauschgeschäft beteiligte er sich niemals. Jedes Jahr stieg er mit den Knechten schwerbepackt in die Täler und Ebenen nieder; lange blieb er aus, um mit reichem Erwerbe wieder zu kommen. Jedes Jahr ward sein Gemüt mehr und mehr erfüllt von allem, was er in den Städten sah, jedes Jahr hielt er nach seiner Heimkehr im Gemeindehause lange und feurige Reden: von dem Großen und Gewaltigen, davon die Welt voll war. Er berechnete seinen Gemeindegenossen den Vorteil, den es ihnen bringen würde, wenn sie mit ihren Waren in die Städte auf den Markt zögen; er bewies ihnen, wie sie von den Juden betrogen wurden, und pries, was sie lernen, erwerben und gewinnen könnten. Und jedes Jahr schüttelten die Bauern zu solchen hitzigen und wunderlichen Reden die Köpfe, bis Michael Cibula in hellem Zorne davonging.

Aber am meisten kränkte es ihn, daß einer gegen ihn war, der für ihn hätte sein müssen, wenn ihm das Wohl und Gedeihen der Gemeinde am Herzen lag: das war Stefan Dozana. Der Priester hätte es besser wissen müssen.

Allmählich versammelten sich die Waldleute vor der Kirche. Ihre Röcke waren von demselben Stoff und von ähnlichem Zuschnitt wie die Gewänder der Frauen, am Saum mit breiten, bunten Lederstücken besetzt, oft in den kunstvollsten Mustern. Sie trugen Schuhwerk von Wildleder, das bis hinauf zu den Knien reichte und gleichfalls bunt ausgenäht war. Ein weiter, weißer Mantel vervollständigte die schöne Tracht. Der Kopf blieb unbedeckt, im reichsten Lockenschmuck prangend; den Jungen fiel das Haar tief in die Stirn hinein.

Das Aufstellen der Tauschwaren geschah ohne Unruhe und Hast; man hörte dabei kein lautes Wort. Nachdem alles geordnet, trat jeder an das Seinige heran, würdevoll die Händler erwartend. Auch Stefan Dozana stand hinter seinen Waren; sie lagen der Kirche am nächsten.

Jetzt rückten die Frauen an, langsam und feierlich schreitend. Ohne sich bei den Männern aufzuhalten, traten sie, je nach Rang und Alter, dicht an die Kirche, mit ihren hellen Kleidern den dunklen Hintergrund der Holzwände förmlich erleuchtend. Zwischen ihnen und den Männern blieb ein freier Raum; so erheischte es in Piatra der Brauch.

Die Juden kamen.

Es waren braune, fremdartig aussehende Männer mit schwarzen, klugen Augen und langen Bärten, in dunkle Kaftane gekleidet. Einige hatten ein verschmitztes, andere ein würdiges Aussehen, die meisten führten hochbeladene Maultiere hinter sich her; aber dieser und jener von den jüngeren zog an einem schweren Karren oder trug sein Bündel auf dem Rücken.

Die Waldleute empfingen sie wie Könige, die Audienz erteilen: tief neigten sich die Ebräer vor ihnen. Dann packten sie ab. Die Rast nach der beschwerlichen Reise hatten sie vor dem Dorfe gehalten, denn die Bauern von Piatra gewährten keinem Juden längeren Aufenthalt zwischen ihren Häusern, als notwendig war, den Tauschhandel abzuschließen; und auch dieser durfte nicht über ein gewisses Zeitmaß ausgedehnt werden: Vormittags war ihnen gestattet zu kommen, am Nachmittage mußten sie wieder gehen. Niemals hatte ein Jude in Piatra genächtet, niemals war ein Jude in Piatra gespeist und getränkt worden. Die Cibula allein hatten einst von diesem uralten Brauch eine Ausnahme gemacht und schwer dafür büßen müssen.

Jetzt begann bei den einen der Tausch, bei den anderen das Geschäft. Die einen verhandelten mit unerschütterlicher Ruhe und Würde, die anderen unter leidenschaftlichen Gestikulationen und mit mächtigem Geschrei. Von ferne standen die Weiber, voller Aufregung allen Vorgängen folgend, aber nicht wagend, näher zu treten.

Über dem seltsamen Bilde blaute der leuchtende Frühlingshimmel, die dunkeln Wipfel des Urwalds, die starren Felsenhäupter der Karpathen schauten darauf herab, und die heilige Sonne beschien mit göttlicher Gerechtigkeit Juden und Christen. Zuweilen gelang es Vogelgesang und Bachesbrausen, die gellenden Stimmen der Händler zu übertönen. Von den wilden Verrösfelsen schwang sich ein Adlerpaar auf und kreiste über der Schlucht.

Die Fremden hatten ihre sämtlichen Schätze aufgestellt, alles, was in der Verrös von weiblichen Gemütern begehrt werden konnte, lag kunstvoll ausgebreitet auf dem grünen Rasen: ganze Hügel von Flachs und seinen weißen Wollenzeugen, Bollwerke von bunten Bändern und seidenen Tüchern, duftende Gefilde von Spezereien und Gewürzen. Bekümmert gewahrten die Frauen, wie die Blicke ihrer Hausherren über diese Herrlichkeiten hinwegglitten und auf Dingen haften blieben, welche den guten Weibern in diesen Augenblicken leicht entbehrlich erschienen; auf blinkenden Äxten und Messern, auf Säcken voll Pulver und Blei, auf mancher guten Büchse. Aber lange mußten die klugen Ebräer die weisen Bauern mit ihren Schätzen reizen und locken, bis sie von den Waldleuten erreichten, was zu erreichen sie die weite und mühselige Reise unternommen hatten. Erst als die Sonne sich neigte, machte der Anbruch der Dämmerung dem Tausch und Geschäft ein Ende; denn es hätte gegen jeden Brauch und alles Herkommen verstoßen, die Unterhandlungen am nächsten Morgen wieder aufzunehmen; der Vorteil dieser alten Sitte war sicher nicht auf Seite der Bauern zu suchen.

Während die Juden unter lautem Wehklagen über ihre schweren Verluste ihre Tiere beluden, ihre Karren und Kasten füllten, traten endlich auch die Weiber zu den erhandelten Gegenständen heran, und manches starke Frauengemüt bekam einen großen Schrecken. Aber erst nachdem alles in die Häuser gebracht und in den Kammern geborgen worden, begann das Beschauen und Klagen, das Prüfen und Schelten. Dann ward mit diesem und jenem zur Nachbarin geeilt und von neuem beschaut und geprüft und geklagt. Wer bei dem Vergleich gut fortkam, der konnte im stillen triumphieren, der wurde beneidet; war aber das Mißvergnügen auf beiden Seiten, so erschallten die Lamentationen im Chorus. Das war dann wenigstens Trost.

Schelten und Trösten dauerten bis spät in die Nacht hinein, und es war dieses Wesen gewissermaßen Brauch geworden, der so heilig gehalten ward, wie jede andere heilige Sitte des Walddorfes. Und ebenso war es Sitte geworden, daß nach diesem Tage die Männer in Piatra schlechte Nachtruhe hielten. Und das will bei solchen Waldmenschen etwas besagen.

Aber die Bauern von Piatra verstanden das Unvermeidliche mit Würde zu tragen.


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