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Siebentes Kapitel

Die neue Kirche

Ihre Mauern fingen an, sich stattlich zu erheben.

Sie stand an einem stolzen Platz: dicht am Rande der Schlucht, als eine Gottesburg über dem Abgrunde.

Leuchtend durchbrach das Gestein das Waldesdunkel, gleich einer Lichtwelle, die wuchs und wuchs.

Arven und Edeltannen, Bäume des Urwaldes, umrauschten das junge Gemäuer, und die starren Häupter des Felsengebirges stiegen darüber empor.

Nachts umschlichen die wilden Tiere der Verrös den Bau; fauchend wichen Fuchs und Marder davor zurück und die Wölfe scheuten den Ort. Aber die Rehe, die des Abends äsend aus dem Walde traten, schauten mit ihren frommen Augen eine Weile schier andächtig auf die heiligen Wände, und die Wildtauben ließen sich durch keine Hammerschläge von ihren Nestern in den Baumwipfeln vertreiben.

Als es wiederum Sommer geworden, reifte der Juden Getreide: wie ein Goldfeld breitete sich das schöne Ährenland rings um ihre Häuser aus. Die Waldleute schauten hochmütig darüber hinweg; und Michael Cibula vermochte den Anblick nicht zu ertragen. Auch Stefan Dozana sah nicht gern hinüber.

Schon Anfang August konnten die Juden ernten. Unter den Händen der Weiber sank das goldene Korn, und die Kinder trugen den Reichtum der Felder in vollen Armen ins Haus. Die schöne Dozia schritt mit ihrer Sichel wie mit einem Zepter längs der Frucht dahin, die so hoch stand, daß sie die Schnitterin überragte. Folgsam der Bitte ihres Mannes, hatte sie ihr dunkles Gewand abgelegt und sich festlich geschmückt; denn als Fest wurde auf dem Kryvan dieser erste Erntetag gefeiert.

Es war an einem leuchtenden Oktobertage, als der Patriarch mit seinem Sohne und den Ältesten vor Stefan Dozana und die Häupter der Waldleute trat. Tief sich verneigend, begann der Weise:

»Beliebt es euch, so prüft und beschaut das Werk, welches mein Stamm vollbringen durfte für euch und euern Gott, zu eures Gottes und euern Ehren, und sich selbst nicht zur Schmach. Denn wir haben dafür empfangen von euch und euerm Gott: Wohnung und Herberge, Acker und Gastfreundschaft für drei Jahre winters und sommers. So kommt nun mit uns und empfanget aus unseren Händen, was euer ist, und lasset uns in Frieden ziehen.«

Sie gingen alle hin: Christen und Juden, Herren und Knechte, die einen in lautem Triumph, die anderen voll heimlichen Frohlockens. Da stand der schöne Bau fertig und vollendet.

Über den Säulen des Eingangs schwebte der Cherubim; in der einen Hand hielt er eine Siegespalme, in der andern die Tafel. Aber die Tafel war noch unbeschrieben.

An der Seite der Kirche erhob sich der Glockenturm schlank und hoch, höher als die höchste Tanne der Verrös.

Alle umschritten sie den Turm und die Kirche, Christen und Juden.

Jeder Stein des Baues war wohl behauen, geglättet und gefügt; keines Messers Spitze hatte in den Fugen Eingang gefunden. So scharf Stefan Dozana und die übrigen auch schauten und prüften, vermochten sie doch nicht an der Arbeit einen Fehl zu entdecken, so daß sie dieselbe wohl oder übel loben mußten.

Aber der Priester sagte:

»Ehe wir sie ziehen lassen, sollen sie mit uns hineingehen.«

Drinnen sah es aus wie in einer Ruine. Den Boden bildete die zerstampfte und aufgewühlte Erde, die Mauern standen kahl, kahl die Altäre und Nischen; grau und öde starrten die Wölbungen der Decke herab und die scheibenlosen Fenster glichen den Höhlungen einer Brandstätte.

Die Waldleute standen betroffen, blickten sich unsicher an und murrten:

»Wie kann hier Gott und den Heiligen gedienet werden?«

Stefan Dozana fuhr wild auf die Juden ein, doch der weise Baruch Kolon erwiderte in Demut:

»Wir bauten den Tempel, wie zu bauen wir verheißen hatten. Wollet schauen den Plan, den wir euch gewiesen und den ihr in eurer Weisheit für gut befunden.«

Und Jehuda, welcher mit zwei langen Papierrollen erschienen war, öffnete die eine derselben und wies dem zürnenden Priester und den murrenden Bauern den Plan; und wie es darauf verzeichnet stand, so war alles ausgeführt worden.

Nun wandte sich das Mißvergnügen der Waldleute gegen den Priester und wurde so laut und so heftig, daß Stefan Dozana vor Zorn und gekränktem Stolze erblaßte.

Die Juden standen unter bescheidenem Schweigen in der Ferne; kaum daß sie sich ansahen. Ihr Patriarch trat vor und sprach:

»Mich und meinen Stamm bekümmert, daß Ihr nicht loben mögt, was wir euch und eurem Gott zu Ehren errichtet haben.«

Was war voller Demut gesprochen, klang indessen wie offenbarer Hohn.

Auch wurden die Bauern daraufhin noch lauter, so daß Stefan Dozana wilde Worte zu hören bekam. Er wußte sich keinen Rat.

Da winkte Baruch seinem Sohne, und Jehuda nahm die zweite Rolle, öffnete sie und wies den Waldleuten ein zweites Bild. Dieses war so bunt und prächtig, daß die Bauern Jehuda in heller Verwunderung umdrängten.

Es stellte das Innere einer Kirche dar. Wunderbar schimmerten die Wände, schimmerte die Decke und der Fußboden, über dem Hochaltar flammte eine mächtige goldene Sonne und schwebende Engel trugen in der Glorie das Kreuz mit dem Gottessohn empor.

Auf einem Thron erhob sich ein strahlendes Bildnis der Himmelskönigin, riesengroß, in herrliche Gewänder gehüllt, die Krone auf dem Haupte, mit Blumen und Edelsteinen überschüttet.

Im Halbkreise der Nischen standen die Heiligen, auf welche von der großen goldenen Sonne ein überirdischer Schein fiel.

Die Kirche war voll Betender: Frauen und Männer mit hellen Haaren, in hellen Gewändern. Vor dem Hochaltar stand der Priester und wies den Bauern von Piatra das Allerheiligste.

Über die Schar der Knieenden ergoß sich Abglanz himmlischen Lichtes.

Auf das Bild deutend, sprach der Patriarch:

»Sehet das Bildnis eures Tempels, dessen äußere Gestalt meine Söhne euch bauten. Nehmet es hin und schmücket darnach diese Hallen.«

Und wiederum klang es wie Hohn.

Wild blickte Stefan Dozana auf das Bild herab; er rief:

»Wenn wir Gott und den Heiligen diese Kirche nach diesem Bildnis schmückten, würden wir das herrlichste Heiligtum im Lande haben und aller unserer Sünden los und ledig sein.«

Und Stefan Dozana riß das Bild aus Jehudas Händen, hob es wie ein Banner und Siegeszeichen in die Höhe, daß es von allen gesehen ward. Und alle schrieen auf ihn ein; denn alle begehrten ihrer Sünden los und ledig zu sein.

Aber sie gedachten ihres Unvermögens, die Kirche mit solcher Pracht zu schmücken, und ein großes Zagen bemächtigte sich aller Gemüter. Und sie gedachten ihrer Sünden, sie gedachten auch des Ruhmes, vor allen anderen sündigen Christen im Reiche das herrlichste Heiligtum zu besitzen.

Um diesen Ruf für ihr Walddorf und für ihre Seelen die Vergebung zu erwerben, hätten sie die Juden von Tar noch viermal vier Jahre auf dem Kryvan wohnen und ernten lassen. Aber die Ebräer schienen nichts anderes zu begehren, als in Frieden ziehen zu dürfen.

Da geschah etwas, das einem Mirakel glich. Stefan Dozana sah es zuerst und stieß einen lauten Schrei aus, daß alle erschrocken auf ihn blickten. Sprachlos deutete er auf den Hochaltar, der noch ein natürlicher Felsblock war. Die Juden waren von dem Stein, darauf die volle Sonne schien, zurückgewichen; da sahen es auch die Waldleute: auch sie glaubten ihren Augen nicht trauen zu dürfen, standen und staunten und wagten nicht an das Wunder heranzutreten.

Es lag auf dem Altar ein Schatz zusammengehäuft und hoch aufgeschüttet: Gold und Silber, so viel der große Stein zu fassen vermochte. Wie Feuer glühte und gleißte der Schatz in der Sonne, als wären auf dem Steine, darauf dem Höchsten gedient werden sollte, Opferflammen entzündet. Manche Stücke des Goldes und Silbers waren auf den Boden gerollt; aber weder Juden noch Christen bückten sich darnach.

Die Augen der Waldleute waren geblendet. Weder von ihnen, noch von den Juden sprach einer ein Wort. Es herrschte eine Totenstille.

Stefan Dozana sah aus, als könnte er um des Goldes – um der Kirche von Piatra willen – einen Mord begehen, und das an dem Altar, der die Schätze trug.

Den Blick starr auf den Glanz gerichtet, wich er von den Bauern fort, nach dem Steine hin, wie durch übernatürliche Kräfte von dem Reichtum angezogen. Von den andern rührte sich niemand.

Da vernahmen die Waldleute eine Stimme, die bei der großen Stille schier schauerlich durch den öden Raum hallte:

»Dieses Silber und Gold wollen wir euch geben zum Eigentum, wenn ihr uns gebt zum Eigentum den Berg Kryvan mit allem Walde und aller Weide, mit allem Gestein und allem Gewässer.«

Es war die Stimme des ehrwürdigen Patriarchen Kolon; aber den Waldleuten bedünkte es, als spräche die Stimme des Versuchers zu ihnen. Mancher wollte aufschreien: weiche von uns, Satanas!

Aber trotzdem schwiegen sie alle.

Es schwieg auch Stefan Dozana. Er stand vor dem Altar und streckte darüber die Arme aus; mit einem Ausdruck, als flehe er den Himmel an um die Erlösung von allen Übeln, und der Himmel habe ihm durch das Gold und Silber der Juden Erlösung von allen Übeln gewährt. Er rief:

»Im Namen – –« Dann stockte er. Er hatte sagen wollen: »Im Namen Gottes erwerbe ich diesen Schatz für die Kirche!«

Aber seine Gedanken verwirrten sich, daß er beinahe gerufen hatte: »Im Namen des Teufels schließe ich den Pakt!« In demselben Augenblick hörte er außerhalb der Kirche Schritte sich nähern. Er lauschte. Seine Arme sanken am Leibe herab, seine Züge verzerrten sich, sein Gesicht ward fahl.

Michael Cibula stürzte in die Kirche.

Er kam zu einer schlimmen Stunde. Trotzig drängten sich die Waldleute zusammen; die Juden warfen sich bedeutsame und bedenkliche Blicke zu, Jehuda erblaßte.

Langsam schritt Michael Cibula auf den Hochaltar zu, nicht den Schatz, der darauf lag, sah er an, sondern den Mann, der bei demselben stand. Eine Weile ließ er seine Augen fest auf Stefan Dozana ruhen, wandte sich dann von dem Priester ab, den Bauern zu:

»Wem gehört das Gold und Silber?«

Keiner der Bauern beantwortete die Frage, Baruch Kolon trat vor: »Unser ist das Gold und Silber.«

»So nehmt, was euer ist,« rief Michael Cibula mit wildem Blick und deutete gebieterisch auf den Schatz.

Keiner der Juden rührte sich. Ihr Patriarch antwortete würdevoll: »Wir boten das Gold und Silber den Bauern von Piatra. Noch haben sie unser Gebot nicht abgelehnt.«

»Ihr botet!« schrie Michael Cibula auf. »Was botet Ihr? Den Mammon! Wofür botet ihr diesen? Für unserer Seelen Seligkeit!«

»Für den Berg Kryvan.«

Einen Augenblick war es, als wolle sich Michael Cibula auf den Patriarchen losstürzen. Doch der Greis stand so hoheitsvoll und ehrfurchtgebietend da, daß der wütende Christ vor dem Juden zurückwich.

»Ihr uns Geld bieten!« stieß er mit keuchendem Atem hervor. »Wer seid ihr, daß ihr uns etwas zu bieten wagt? Juden, verruchte, verfluchte Juden, räudiger als einer, den die Pest behaftet, schändlicher als einer, der seine Mutter erschlagen. Und Ihr bietet uns Gold? Gold für unser Land – –«

Außer sich warf er sich über den Stein und riß die Schätze herab, daß sie rings den Boden bedeckten.

Und wieder bückte sich weder Jude noch Christ, ein Stück von den zerstreuten Reichtümern aufzunehmen. Stefan Dozana war hinweggetreten.

Neben dem Felsblock, der bestimmt war, das Allerheiligste der Christen zu tragen, stehen bleibend, erhob Michael Cibula seine Rechte und rief, während er sein mähnengleiches Haar, das um sein Gesicht flatterte, zurückwarf:

»Todfeindschaft schwöre ich jedem, der seine Hand hebt und dem Gebot der Juden zustimmt. Wer stimmt dafür?«

»Ich!« rief Stefan Dozana, trat vor und erhob seine Hand. Damit war die Todfeindschaft zwischen den beiden Männern vor Juden und Christen beschworen.

Das fühlten alle und alle blieben stumm, bis allmählich unter die Waldleute Bewegung kam. Zuerst traten nur einzelne zu Stefan Dozana, dann ihrer mehr und mehr. Zuletzt standen fast alle neben dem Priester; denn alle wollten mit dem Gold der Juden ihre Kirche ausschmücken, und alle hofften durch die geschmückte Kirche ihrer Sünden los und ledig zu werden.

Die Kunde von diesem Ereignis hatte sich mit Blitzesschnelle durch das Dorf verbreitet. Die Weiber liefen herbei. Sie füllten den Platz vor der Kirche, drängten in das Portal; doch wagten sie sich nicht hinein. Sie sahen den Boden mit Gold und Silber bedeckt und gebärdeten sich wie Verzückte.

Auch die wenigen Anhänger Michael Cibulas kamen und gesellten sich zu ihm; aber man sah es ihnen an, daß sie lieber bei Stefan Dozana gestanden hätten.

Während dieser Vorgänge bewahrten die Juden ihre Ruhe und Würde. Nur Jehuda sah verstört aus und warf flehende Blicke auf seinen Vater; doch der Patriarch beachtete ihn nicht.

Als Michael Cibula die mächtige Wirkung erkannte, welche der Schatz der Juden und das Beispiel des Priesters auf die Bauern ausübte, als er erkannte, daß sie für Geld einen Teil ihrer Heimat hergeben würden – an die Juden hergeben würden! – da war es dem Manne, als wankten um ihn die Berge, als habe Gott ihn verlassen, als gebe es fortan kein Glück und keinen Glauben mehr für ihn auf der Welt. Ein ungeheurer Schmerz bemächtigte sich seiner, daß er hätte laut aufschreien mögen, eine wütende Scham stieg in ihm auf, daß er am liebsten fortgegangen wäre, um sich in der Wildnis zu verbergen. Aber er bezwang sich. Noch einen letzten Versuch wollte er machen, seiner Heimat noch eine letzte Mahnung zurufen; und von der Stelle aus, wo Stefan Dozana seiner Gemeinde den gekreuzigten Heiland weisen, wo Piatras Priester für die Sünden aller das göttliche Blut trinken sollte, redete Michael Cibula zu den Waldleuten:

»Bevor ihr es tut, bedenkt, was ihr tut. Ein halbes Jahrtausend und noch länger steht das Dorf Piatra in diesem Tale, ohne andere Nachbarn zu haben, als Berg und Wald und die Tiere des Berges und des Waldes. Bären und Wölfe haben wir gejagt und getötet; aber eher können wir mit Bären und Wölfen Frieden halten, als mit den Juden. Bären und Wölfe können uns zerreißen, aber die Juden werden schlimmer mit uns verfahren: sie werden uns den Frieden nehmen! Seht hin: sie haben uns den Frieden bereits genommen, denn sie haben uns Gold und Silber geboten. Aber bis jetzt sind nur wir es, deren Seelen sie mörderisch geschädigt; geben wir ihnen jedoch für das Geld den Berg, den sie fordern, so werden sie auch die Seelen unserer Kinder und Kindeskinder verderben. Wollt ihr die Seelen eurer Kinder diesen Bären und Wölfen, die einst den Leib des Heilands zerrissen und das Blut des Herrn getrunken, zum Fraße geben?

Gold und Silber bieten uns die Juden, Gold und Silber für unseren herrlichen Berg Kryvan, Gold und Silber für ein Stück unserer Heimat! Was hat der Kryvan euch getan, daß ihr ihn verschachern wollt? Soll der Kryvan für Piatra zum Golgatha werden, darauf die Juden unseren Frieden ans Kreuz schlagen? Der Kryvan ist das Herz der Verrös – wollt ihr das Herz eurer Heimat herausreißen und den Juden hinwerfen? Für Silber und Gold!

Der Kryvan wird vom Himmel geliebt. Die himmlische Sonne bescheint ihn am längsten von allen unseren Bergen - - wollt ihr allen Sonnenschein der Verrös den Juden zum ewigen Eigentum überlassen? Für Silber und Gold!

Begehrt ihr Silber und Gold, so reißt unsere Berge auf, so trocknet unsere Bäche und Wasserfälle aus und durchwühlt Felsen und Erde nach Silber und Gold, wie es unsere Väter getan haben sollen. Unsere Väter sammelten sich Schätze und verloren um ihrer Schätze willen fast Freiheit und Leben, weshalb sie die Spuren vertilgten, die zu ihnen führen. Und sie verfluchten die Hände, die es wieder tun würden. Wisset ihr, warum sie es taten? Weil unsere Väter wollten, daß ihre Söhne und Enkel ihre Freiheit behalten sollten.

Aber tausendmal besser, ihr übertretet das Gebot eurer Väter und entreißet den Bergen Silber und wühlet aus der Erde Gold, als daß ihr es aus den Händen der Juden nehmet. Tausendmal besser, ihr traget selbst die Schuld an dem Verlust eurer Freiheit, als ihr verliert sie durch jene.

Denn jedes Stück Gold und Silber, das ihr aus diesen verfluchten Händen nehmet, wird in euren Händen Fluch erzeugen. Fluch wird von diesem Stein, der ein Altar werden soll, ausgehen, denn mit Fluch haben diesen Stein die Juden überschüttet. Niemals wird diese Kirche ein heiliger Raum sein.

Ein halbes Jahrtausend und länger waren wir Waldleute ein freies Volk. Sobald wir mit den Juden die Herrschaft über diesen Wald und dieses Gebirg teilen, werden wir Knechte sein. Und wir waren so lange ein stolzes Volk, Wenn wir den Schatz der Juden nehmen, werden wir ein Volk sein, dem ewig auf der Stirne die Scham brennt.

Wir werden gekennzeichnet sein vor Gott und den Menschen, daß jeder, der uns erblickt, ausruft: sehet, das sind jene, die einst frei und stolz gewesen, jetzt aber Knechte und Buben sind. Deshalb besser Diebe und Räuber zu Nachbarn, als diese; besser, die Heiligen in einer Höhle anbeten, als in einer Kirche, die mit dem Gold und Silber dieser geschmückt worden ist. Denn Gott will nicht, daß ihm in Schanden gedient werde.

Nun stimmt für der Juden Gebot oder dagegen. Ich habe euch nichts mehr zu sagen.«

Das Haupt hoch erhoben, ein grimmiges Lächeln um den Mund, zornigen Schmerz in den Augen brennend, schritt Michael Cibula über das Gold und Silber fort, dicht an Stefan Dozana vorbei, weder Juden noch Christen beachtend, zur Kirche hinaus. Einer aber hätte ihn gerne zurückgehalten: Jehuda Kolon, Baruchs Sohn, der Rabbiner der Juden.

Stefan Dozana hatte seinen stolzen Gegner reden hören, hatte ihn wie ein Sieger die Kirche verlassen sehen, und Grimm und Haß hätten ihn beinahe erstickt. Im Grunde seines Herzens mahnte ihn eine Stimme, die rief: Michael Cibula hat recht! Aber er wäre lieber gestorben, ehe er diesem guten Geist die Worte nachgesprochen hätte.

Er sah, wie die Mahnung seines Feindes die Bauern erschüttert hatte, wie sie zauderten und schwankten; er fürchtete, daß sie das Gebot der Juden ausschlagen, daß sie das Gold nicht nehmen würden; er erkannte die Gefahr, mit dieser einen Niederlage seine Herrschaft für immer zu verlieren, sie an Michael Cibula zu verlieren! Und er wollte sie für sich haben, allein für sich; er wollte sie an sich reißen und festhalten, durch welche Mittel es auch sei, seinetwegen durch das Verderben seiner Heimat, durch sein eigenes ewiges Verderben. So reizte er denn die Bauern zum Widerstand auf:

»Es gilt das ewige Heil eurer Seelen und das eurer Kinder bis ins sechste und siebente Glied!

So begreift doch! Es wollte der Mann, der soeben davonging, euch und eure Kinder um das Heil eurer Seelen betrügen; denn was forderte Michael Cibula in wilden Worten von euch? Gott und den Heiligen in einer Höhle zu dienen!

Michael Cibula verlangt von euch, daß ihr Gott und die Heiligen lästern sollt. Weil er die Juden mehr haßt als die Sünde, will er euch zu einer Todsünde verlocken. Denn es ist eine Todsünde, den Himmel um einen so herrlichen Tempel bringen zu wollen.

Sehet diese kahlen Mauern, diese nackten Altäre, diese öden Wände! Sehet dieses Bild und sehet das Silber und Gold auf den Boden geworfen.

Nicht die Juden haben diesen Schatz auf den Felsblock gelegt, sondern Gott selbst durch die Hände der Juden: Michael Cibula hat auf den Boden geschleudert, was Gott uns gegeben hat, damit wir seine Kirche zieren können, wie es seiner Herrlichkeit würdig ist.

Wehe uns, daß wir solches von Michael Cibula geduldet haben.«

Er hatte noch nicht ausgeredet, als das Bild schon wieder umdrängt wurde, als von den Christen schon einige sich bückten, das Gold zu sammeln. Länger ertrugen es die Frauen nicht. Auf einen Wink Stefan Dozanas stürmten sie herbei. Sie schauten das Bild und stießen Rufe des Entzückens aus. Dann warfen sie sich auf die Erde, um das Gold aufzuraffen, und häuften den Schatz von neuem auf dem Felsen zusammen. Stefan Dozana fuhr fort:

»Warum sage ich euch: wer wider das Gebot der Juden stimmt, der stimmt wider die Kirche: und wider die Kirche stimmen, heißt Gott und den Heiligen ins Antlitz schlagen.

Wollt ihr eure Hand aufheben gegen das göttliche Antlitz des Herrn?

Wer das tut, der begeht eine Todsünde gegen den heiligen Geist, von der kein Gebet und keine Fürbitte erlösen können.

Er fahre dahin in die Verdammnis!

Und seine Kinder bis ins siebente Glied.

Dieses Haus soll sein eine Burg unseres christlichen Glaubens. Je strahlender es zum Himmel aufleuchtet, um so strahlender wird die Gnade des Himmels herableuchten auf uns: wer von euch will sein sündiges Haupt mit Dunkel bedecken?«

Er erhob seine Hand und deutete hinaus.

»Und so wie er sich selbst aus der Gemeinde der Christen scheidet, wird der Zorn Gottes ihn scheiden von denen, die mit leuchtenden Stirnen vor ihm stehen.

Er soll sterben, ohne die Versöhnung empfangen zu haben: verflucht soll er sein, im Leben und im Tode!«

Stefan Dozana kannte die Gemüter der Menschen, für welche zu sorgen seines Amtes war.

Die Juden aber standen und sahen sich an; nicht sie hatten das Gold aufheben müssen. Über das Antlitz des Patriarchen glitt ein Leuchten, Jehuda wandte sich ab wie in Scham.

Dennoch hätte Stefan Dozana kaum gesiegt, so gewaltig waren die Gemüter durch Michael Cibula gepackt worden, wären die Frauen nicht gegenwärtig gewesen. Diese begannen laut zu schluchzen und zu wehklagen, daß der öde Raum von ihrem Jammer widerhallte. Als sie die Männer noch immer unentschlossen sahen, erhoben sie einen Tumult, dem Stefan Dozana Ruhe gebot; darauf begab er sich zum Hochaltar.

Er mußte daran denken, wie vor wenigen Augenblicken Michael Cibula hier gestanden, und daß es wohl groß, aber nicht immer klug sei, erhobenen und stolzen Hauptes von dannen zu gehen.

»Dieses Silber und Gold bieten uns die Juden für unseren Berg Kryvan. Er ist ein schöner Berg, wert solchen Schatzes. Michael Cibula nannte den Kryvan das Herz unserer Heimat und schalt, uns, daß wir es Gott und den Heiligen zum Opfer bringen wollten. Und er nannte den Kryvan den Sonnenschein der Verrös. Wenn wir unseren Sonnenschein den Juden verkaufen, um diese Kirche zu schmücken, so wird die Sonne von Gottes Gnaden uns bescheinen, daß wir geblendet dastehen.

Aber Michael Cibula meint, daß wir das Gesetz umstoßen sollten, welches unsere Väter uns gaben – Michael Cibula fordert von uns, die Toten in ihren Gräbern zu schänden. Und das alles aus Haß gegen die Juden.

Silber und Gold soll sich in unseren Bergen und Bächen finden – mag es so sein! Unsere Väter haben es besessen und wir haben die Kunde davon fast vergessen; unsere Väter haben um ihrer Schätze willen fast Freiheit und Leben eingebüßt, wir werden durch den Schatz dieser Juden das ewige Leben erwerben. Unsere Freiheit aber, die lassen wir uns nicht rauben; weder durch Gold und Silber, noch durch jene!

Verflucht nannte Michael Cibula dieses Gold, und Fluch, so sagte er, werde davon ausgehen. Wohl! Mit der Wandlung, die sich mit Hilfe dieses Schatzes vollzieht, indem wir damit unser Heiligtum zieren, wird sich auch der Fluch in Segen wenden. Sehet diese Hand voll Gold! Jetzt halte ich den verfluchten Mammon, über ein Jahr werde ich an dieser Stelle das Allerheiligste halten, und es wird dasselbe Gold sein und doch nicht dasselbe. Denn was jetzt schnödes Metall ist, das ist dann göttliches Mysterium.

Michael Cibula nannte diese fremden Männer unsere Nachbarn. Das werden sie niemals sein; denn wenn sie bleiben, so bleiben die Juden auf dem Kryvan, durch eine Schlucht von uns getrennt: niemals darf weder Brücke noch Steg über diese Schlucht führen, so daß ewig der Abgrund Christen und Juden scheidet. Wie ohne Gottes Willen niemals ein Jude zum Heil gelangen wird, so soll er ohne unsern Willen niemals zu uns herüber gelangen. Unsere Nachbarn bleiben Wald und Felsen und die wilden Tiere des Waldes, wie es gewesen seit einem halben Jahrtausend und länger.

Wer stimmt wider die Juden?«

Nicht ein einziger tat es!

Trotzdem die Christen es gewesen, die das Gold aufgenommen, neigte der Patriarch sich tief vor den Waldleuten, am tiefsten aber neigte er sich vor dem Priester.

Jehuda war still hinausgegangen.


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