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VII.

Es begab sich, daß der Papst starb und ein neuer Papst erwählt werden sollte. Da nun das Schicksal der Juden in Rom zum großen Teile abhängig war von dem guten Willen und der Meinung des heiligen Vaters über Israel, so herrschte eine Aufregung im Ghetto, nicht anders, als stünde der Feind vor den Thoren der Stadt. Es gab ein Rennen und Laufen, ein Schreien und Jammern lange Zeit jeden Tag von Thoresaufschluß bis Thoreszuschluß; und alle harrten in banger Erwartung, welcher Mann den Thron des Apostel Petrus – der doch auch ein Jude gewesen – besteigen würde. Denn dieser Erwählte war gewaltiger über das Volk Israel als Jehovah der Herr, der sein Volk in der Herrschaft der Christen ließ.

Und es ward erwählt zum König der Christenheit und zum Herrscher der Juden ein strenger und eifriger Mann, welcher die Feinde des wahren Gottes mehr haßte als den Satan und die Sünde. Da erschallte die jüdische Stadt von einem Ende zum andern von dem Wehklagen und dem Geschrei der Frauen und Kinder.

Allsogleich nach Bekanntwerdung der Wahl des Göttlichen wurde den Juden geboten, den Triumphzug des Papstes durch die Stadt verherrlichen zu helfen; und selbst im unmenschlichen Mittelalter sind die erlassenen Verordnungen nicht strenger und grausamer gewesen, als sie es nun waren. Trotzdem beeilten sich alle Ebräer, dem Gebote zu gehorsamen. Sie thaten solches in der Hoffnung, durch reiche Spenden und tiefe Demut den Papst gnädig gegen sie zu stimmen. Demnach beschloß die Synagoge: der päpstlichen Kurie zum Festzuge eine große Summe Goldes darzubringen, desgleichen sich in allem Uebrigen gar eifrig zu zeigen. Alsbald erhielt mein Vater die Weisung, für den Papst ein Buch herzustellen. Dieses sollte aus Pergament verfertigt und mit Gold und Edelsteinen reich beschlagen werden; drinnen aber wollten die Jünglinge, unter Obsitz meines Vaters, allerlei Sprüche und Zeichen aufmalen. Es war nämlich in alten Zeiten Brauch in Rom gewesen und war es wieder geworden, daß zum Einzuge eines jeden neuen Papstes die jüdischen Jungfrauen kostbare Teppiche wirkten, darauf sie Sprüche aus dem Alten Testamente stickten, desgleichen Bildnisse und Zeichen, auf die Demut der Juden und ihre Unterwerfung durch die Christen hinweisend, oder die christliche Gnade und Großmut preisend. Von diesen Sprüchen und Bildnissen sollten viele in dem Buche des Papstes verewigt werden. Hatte mein Vater tagsüber mit den Jünglingen, darunter auch ich mich befand, gesessen und mit Gold und bunten Farben auf Pergament gemalt, so wachte er nachts in seiner Kammer und verfaßte in lateinischer Sprache für den Papst ein Huldigungsgedicht. Dieses Carmen sollte ein jüdischer Jüngling vor dem Papst aufsagen oder absingen, wenn der heilige Mann vor den niedergeworfenen Juden stand.

Auch meine liebe Mutter saß Tag und Nacht mit unseren Mägden und sonst vielen Frauen und Jungfrauen, und alle stickten auf einem prächtigen Teppich in hebräischer Schrift Sprüche des Alten Testaments und jene Zeichen, welche die Demut der Juden bekundeten. Es verrichteten aber die Frauen diese Arbeit voll heißer Trauer, unter Thränen und lautem Geseufz; und oft bat mich meine Mutter, ihnen dazu aus den Klageliedern des Jeremias zu singen. Und ich sang, häufig unterbrochen durch das Aechzen der trauernden Frauen. Das letzte, was sie stickten, war ein hoher und blütenreicher Myrrhenbaum, der seinen Balsam aus allen Zweigen, Blättern und Blüten rinnen läßt, ohne daß ein Messer ihn geschnitten hätte. Darunter setzten sie aus Gold und Purpurseide den Spruch: » Beatus rex, qui nobilis est.«

Als die Weiber ihre Arbeit beendet und diese über die Maßen prächtig geworden war, lamentirten sie laut. Meine Mutter aber stand auf, erhob ihr schönes Antlitz und ihre weißen Hände, weinte und sprach:

»Es ist von der Tochter Zions aller Schmuck dahin. Die eine Fürstin unter den Völkern und eine Königin unter den Ländern war, muß nun dienen. Sie sitzt und weint des Nachts, daß ihr die Thränen über die Wangen laufen. Es ist niemand unter allen ihren Freunden, der sie tröste! Alle ihre Nächsten verachten sie und sind ihre Feinde geworden. Juda ist gefangen und im Elend und in schwerem Dienst. Sie wohnt unter den Heiden und findet keine Ruhe. Wie hat der Herr die Tochter Zions mit Zorn überschüttet!«

Und wie im Hause meiner Eltern, also war es in der ganzen Judenstadt. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend saßen die Weiber auf den Gassen und stickten. Aber ihren Thränen und Klagen wagten sie nicht freien Lauf zu lassen, indem der Ghetto voller Spürhunde und Schleicher war und ein solches Vergehen gegen den Papst und die Christen schrecklich gerochen worden wäre. Klagen und Weinen thaten sie des Nachts in ihren einsamen Kammern.

Es ward zu jener Zeit keine Betschule gehalten, weil alle Kinder ihren Eltern helfen, Seide und Goldfäden darreichen und andere Dienste mehr verrichten mußten, was für die Kleinen gar fröhliche Arbeit war.

Meinen Mose hatte ich aus seiner finsteren, feuchten und übelriechenden Höhle herausgetragen in die warme Sonne und ihn vor unserem Hause auf weiche Decken gebettet. Er glich einem, der im Grabe gelegen, so daß die Menschen sich vor seinem Anblick entsetzten. Nur noch in seinen Augen schien Leben zu sein. Auch sprach er nicht, wehrte mit seinen mächtigen, glühenden Augen alle von sich ab und blickte unverwandt auf die stickenden Frauen. Ich kauerte neben ihm und zog aus einem Knäuel rosenroter Seide die Fäden, daraus Mirjam, die schönste Jungfrau im Ghetto, einen Pelikan sticken wollte, der seine Jungen mit seinem Blute tränkt. Darunter sollte der Spruch stehen: »Er verschwendete und gab's den Armen.« (Psalm 112, 1-9.)

Solchermaßen ging es im Ghetto zu, bis die ganze Stadt Rom mit den Vorbereitungen zum Zuge des Papstes von seinem lateranischen Palast zum Tempel des heiligen Apostels fertig geworden. Mir aber ward von der Synagoge befohlen, das Lied meines Vaters vor dem Papste zu singen. Ach, mit welchem Blicke sah mein Mose mich an, als ich voll heimlicher Freude zu ihm kam und ihm das Gebot meldete – Herr, Herr, mit welchem Blick!

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