Edgar Wallace
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Edgar Wallace

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29

Margaret erwachte an diesem Morgen mit einem festen Entschluß. In ihrer Unterhaltung mit dem Detektiv war sie schlecht davongekommen. Er war ein zu schlauer Mensch, zu erfahren in den Schlichen und Ausflüchten der Verbrecherwelt, um sich von ihr täuschen zu lassen. In diesem Fall, der sie so sehr nahe berührte, enthüllte er mit beunruhigender Klarheit die Gestalt und die Taten Lukes. Er sagte es nicht; er brachte den vermißten Bankier nicht einmal mit dem Taffanny-Diebstahl in Verbindung. Alles, was er zu wissen durchblicken ließ, war, daß Luke Maddison Torheiten begangen, daß jemand dies herausbekommen hatte und nun Erpressungen an seiner Frau versuchte; aber zu fragen, worin diese Torheiten bestanden, schien er für taktlos zu halten.

Als sich Margaret in die Enge getrieben und die Dinge, die sie verheimlichen wollte, ans Licht gezogen sah, war sie aus reiner Verzweiflung gezwungen, von einer Frau in Verbindung mit Luke zu sprechen, obgleich sie sich selbst deswegen verachtete. Sie sprach leichthin von einer früheren Liebschaft, aber da sie nicht zu lügen verstand, überzeugte sie nicht. Daß sie nicht die Wahrheit sagte, ersparte ihr in der Tat weiteres Ausgefragtwerden. Der Spatz kam zu einer falschen Schlußfolgerung.

»Ich kann Ihnen nur eines sagen, Mrs. Maddison; was auch geschehen mag, geben Sie kein Geld heraus. Wenn Danty oder Connor oder sonst jemand etwas von Ihnen erpressen will, brauchen Sie mich nur anzurufen; ich werde dem ein Ende machen.«

Er ging mit der bestimmten Überzeugung, daß sie seinem Rate folgen würde.

An diesem Abend mußte sie sich zwingen, zu Bett zu gehen und zu schlafen. Sie hatte einen schweren Tag vor sich und keinen festen Plan gefaßt. Der Gunner hatte ihr nichts gesagt, nur daß er mit Luke in Verbindung stand. Hatte er ihr gesagt, daß er ihn aus England herauszubringen versuchte? Wenn das vielleicht auch nicht seine Worte waren, so hatte sie ihn doch so verstanden.

Luke würde nach Ronda gehen, wohin sein Scheckbuch geschickt worden war. Sie müßte ihm folgen, ihn womöglich begleiten. Sie ging am frühen Morgen zur Bank, um Steele zu sprechen und fand ihn in rosiger Stimmung. Zwei oder drei Unternehmungen, an denen die Bank beteiligt war, hatten glänzende Erfolge.

»Die eine Sache hatte ich schon unter Verlustkonto gebucht, und sie scheint jetzt achtzehntausend im Jahr einzubringen«, er jubelte fast. »Ich möchte, daß Sie Mr. Maddison das mitteilen, er wird entzückt sein. Ich hätte es ihm nach Spanien gedrahtet, aber ich weiß seine Adresse nicht.«

Dann kam es ihm zum Bewußtsein, daß ihr Erscheinen zu so früher Stunde etwas ungewöhnlich war.

»Wünschen Sie etwas, Mrs. Maddison?«

»Ich möchte das Privatkonto meines Mannes sehen. Sie hatten es auf die Bank übertragen.«

Er führte sie in sein Privatzimmer und holte ihr das Bankbuch. Sie fuhr mit ihrem Finger die Reihen entlang. Die letzte Auszahlung war wenige Tage vor seiner Hochzeit erfolgt.

»Seitdem«, sagte Steele, »ist kein Scheck gekommen. Ich hatte einige erwartet. Mr. Maddison ist manchmal ziemlich verschwenderisch, und ich bin erstaunt, daß er noch keinen Scheck ausgestellt hat; er hat ja sein spanisches Konto, aber ich denke, das wird er auch erhöhen wollen.«

»Darum bin ich zu Ihnen gekommen, Mr. Steele«, sagte sie. »Ich muß Sie ersuchen, keinen Scheck meines Mannes, der über mehr als tausend Pfund lautet, auszuzahlen.«

Steele starrte sie über seine Brillengläser an. Das war der Entschluß, den sie in der Nacht gefaßt hatte. Sie hatte jede Möglichkeit Schritt für Schritt überlegt und die Wahrscheinlichkeit vorausgesehen, daß die Erpresser ihre Aufmerksamkeit von ihr auf Luke richten würden. Jetzt war Luke in Sicherheit, unter dem Schutze des Gunners; doch könnte nicht etwas geschehen, das ihn von diesem wachsamen, vorsichtigen Manne trennte?

Ohne sich den Grund erklären zu können, vertraute sie dem Gunner unbedingt und war überzeugt, daß er Luke kein Leid antun würde, wie auch sein Ruf immer sein mochte.

»Das ist eine ganz merkwürdige Forderung, Mrs. Maddison«, sagte Steele in Verlegenheit. »Es ist leicht möglich, daß Mr. Maddison einen großen Kauf abschließen möchte – als er das letztemal in Spanien war, kaufte er einige Besitzungen in Sevilla, die im ersten Jahre einen Vorteil von fünfzig Prozent brachten.«

Sie nickte.

»Ich weiß es, aber dennoch stelle ich die Forderung – in seinem Namen.«

»Gut, Mrs. Maddison.«

Steele kritzelte ein paar Worte auf einen Zettel und steckte ihn an das Hauptbuch, das er hereingebracht hatte.

»Ich weiß nicht, was Sie vorhaben, aber ich hatte verstanden, daß Sie das ganze Vermögen wieder in die Hände Mr. Maddisons gelegt . . .«

»Darum handelt es sich nicht«, erklärte sie hastig. »Es ist aber leicht möglich, daß . . .«

Doch jetzt kam sie in Verlegenheit; sie konnte keine Erklärung geben, die ein kluger Mann gelten lassen würde, oder sie müßte die ganze Geschichte offenbaren.

Ihr Wagen parkte auf dem Waterloo Place, und sie wartete, bis ihn der Bote heranholte. Als sie den Kopf wandte, sah sie einen Mann an der Ecke stehen, der in seiner Haltung etwas ihr Bekanntes hatte. Er stand noch da, als der Wagen kam. Beim Vorüberfahren sah sie sein Gesicht und klopfte an das Fenster. Auch er sah sie – und diesmal verlor Gunner Haynes seine Kaltblütigkeit. Man sah ihm die Bestürzung an, als der Wagen mit einem Ruck anhielt, und sie ihm zuwinkte. Widerstrebend kam er zu ihr heran.

»Wollen Sie, bitte, mitfahren!« sagte sie etwas beklommen. »Ich möchte ein paar Fragen an Sie richten.«

Er zögerte.

»Es ist für Sie nicht gut, Mrs. Maddison, mit mir gesehen zu werden.«

»Steigen Sie ein«, sagte sie befehlend, und er gehorchte wortlos und setzte sich neben sie.

Durch das Sprachrohr gab sie dem Wagenführer einen Befehl.

Dann sagte sie: »Ich muß meinen Mann sehen!«

Der Gunner schüttelte den Kopf.

»Ich kann mir nicht denken, daß es von Nutzen für Sie wäre. Es haben ihn schon zu viele Leute gesehen.«

»Wie meinen Sie das?« fragte sie und sah einen harten Ausdruck in Haynes' Gesicht erscheinen«

»Ich wollte ihn heute mit dem Frühzuge fortbringen. Da waren zwei von Connors Leuten auf dem Bahnhof. Ich weiß nicht wie, aber sie hatten ein paar Geheimpolizisten überredet, die Schranken zu bewachen, und so wagte ich es nicht. Ich versuchte es um elf noch einmal, aber ich hatte auch nicht mehr Glück. Natürlich vermutete Connor, als ich den Paß holte, was ich vorhatte.«

»Als Sie den Paß holten?« fragte sie erstaunt. »Wann war denn das?«

Gunner vermied, auf diese Frage zu antworten.

»Ihr Mann fällt mir allmählich auf die Nerven und hindert mich bei meinen ungesetzlichen Gelegenheitsarbeiten.« Bei diesen Worten kam ein schwaches Lächeln in seine Augen.

»Warteten Sie an der Bank auf mich?«

Er lächelte wieder.

»Ich wußte wirklich nicht, Mrs. Maddison, daß Sie dort waren, und ich wußte auch nicht, daß ich in der Nähe der Bank war. Die Wahrheit ist –« seine Verlegenheit wurde noch größer – »daß eine junge Dame in diese Gegend kommt, mit der ich manchmal Tee trinken gehe. Ich glaube, sie interessiert sich für mich in meiner Eigenschaft als Verbrecher und als Quelle für schriftstellerischen Stoff.« Er zog eine Grimasse und lachte dabei. »Aber ich bin sehr dankbar für die Gelegenheit, mit einem anständigen Mädchen zusammen sein zu können. Sie schreibt für Zeitungen und ist in Westend tätig.«

Margaret lachte leise. Es war das erstemal seit langer Zeit, daß sie wieder lachte.

»Armer Mr. Haynes, es tut mir leid, daß ich Sie um dies Vergnügen gebracht habe.«

Er schüttelte den Kopf.

»Nein, sie konnte nicht mehr kommen, es war zu spät. Und natürlich kann es immer möglich sein, daß der dicke Spatz bei ihr ist.«

»Sie sprechen von Mr. Bird, und der Name des Mädchens ist Bolford.«

Er stutzte.

»Wußten Sie das?« stammelte er. »Ach natürlich, sie war ja bei Ihnen. Sie hat es mir erzählt. Nein, Mrs. Maddison, es ist nichts Romantisches daran, nur – verständnisvolle Freundschaft. Ich bin für kleine Gaben sehr dankbar.«

»Sind Sie verheiratet?« fragte sie.

»Ich war es«, sagte er so kurz, so daß sie nicht weiter zu fragen wagte.

»Kann ich meinen Mann sehen? Ich müßte ihn doch sprechen, meinen Sie nicht auch?«

Er sah sie eigenartig an.

»Haben Sie nicht an die Möglichkeit gedacht, daß er Sie vielleicht nicht sehen will?« fragte er derb und sah, wie das Blut in ihre Wangen stieg.

»Ich – ich habe mich mit Absicht gegen diese Möglichkeit blind gestellt«, sagte sie.

»Aber er ist in Schwierigkeiten, und der Platz einer Frau sollte an der Seite ihres Mannes sein?« spottete er, und in dieser Minute haßte sie ihn.

Doch sie überwand ihren Ärger.

»Ja, wir wollen so sagen. Es klingt sehr abgedroschen, aber die meisten abgedroschenen Dinge sind wahr.«

Gunner schwieg eine ganze Weile, dann seufzte er.

»Ich habe das Gefühl, daß alles verkehrt ist, was ich tue, und daß ich zulassen sollte, daß Sie ihm helfen. Aber, Mrs. Maddison, es wird große Schwierigkeiten machen, Ihren Gatten aus England herauszubekommen. Sie sind im Begriff, ›Flugzeug‹ zu sagen – Ich sehe es Ihren Augen an – aber ich möchte wetten, daß Connor auch in Croyden seine Leute hat. Das einzigste wäre, ihn im Auto in ein Seebad zu schmuggeln, eine Jacht zu mieten und ihn von dort über den Kanal zu bringen. Es wird nicht leicht sein, besonders, da er nicht erpicht darauf ist, sich von Ihnen helfen zu lassen.«

Sie sann darüber nach, während der Wagen langsam durch den Park fuhr.

»Ich will die Gefahr einer Abweisung auf mich nehmen«, sagte sie, »wenn Sie die Gefahr, ihn zu beleidigen, auf sich nehmen. Wollen Sie mir helfen, ihn zu sehen?«

Haynes nickte.

»Ja, Mrs. Maddison, aber Sie dürfen nicht in diesem eleganten Wagen in meine Gegend kommen. Wir wollen halten und ein Taxi nehmen.«

So wurde es gemacht.

»Das einzigste, was mich beunruhigt, ist«, sagte er, während sie Piccadilly entlang fuhren, »ob Connor die Spur nach meinem Hause gefunden hat.«

»Sie fürchten, daß man Ihnen dahin folgt? Wußten die nicht, wo Sie wohnen?«

»Sie kennen viele Adressen von mir«, erklärte der Gunner verdrießlich, »aber diese nicht, wenigstens nicht bis heute morgen.«

Sie lohnten den Wagen zweihundert Meter vor dem Hause ab, in dem Haynes seine Wohnung hatte. Glücklicherweise waren wenig Leute auf der Straße, und sicher niemand, den das Erscheinen einer gutgekleideten Dame interessiert hätte. Sie mußten durch einen kleinen Torweg gehen, um den asphaltierten Hof des großen Gebäudes zu erreichen. Margaret bemerkte, daß der Gunner voller Unruhe zurückschaute.

»Man hat richtig meine Spur entdeckt?« sagte er mürrisch.

»Haben Sie das Auto draußen auf der Straße bemerkt? Der Mann am Steuer war einer von Connors Freunden. Sie werden ihn jetzt nicht mehr sehen – er ist fort. Connor benutzt eine Menge Motorwagen.«

Als er die paar Stufen zum Treppenabsatz hinaufstieg, an dem seine Wohnung lag, kam eine schlampige Frau aus der gegenüberliegenden Tür.

»Es war doch richtig, daß Ihr Schrank abgeholt wurde, Mr. . . . wie heißen Sie doch gleich?« sagte sie. Gunner drehte sich um.

»Mein Schrank abgeholt? Was meinen Sie?«

»Die Leute aus der Möbelhandlung kamen ungefähr vor einer Stunde – zwei Burschen in grünen Schürzen. Sie hatten den Schlüssel, darum dachte ich, es wäre in Ordnung.«

Gunner stellte keine weitere Frage. Er öffnete die Tür und lief in den Gang. Die Tür von Lukes Zimmer stand offen. Er sah die Unordnung und die blutbefleckten Tücher, und als er sich umwandte, blickte er in Margaret Maddisons weißes Gesicht.

»Ich bedauere, Ihr Gatte ist nicht da«, sagte er in so natürlichem Ton, daß sie sich täuschen ließ.

Er schloß die Tür hinter sich und führte sie in das kleine Wohnzimmer.

»Er wird erst spät zurückkommen; es hat keinen Zweck hierzubleiben.«

»Woher wissen Sie das?« fragte sie. »Warum waren Sie so erschrocken, als Ihnen gesagt wurde, daß der Schrank abgeholt sei?«

»Ein alter Schrank, den ich verkauft habe«, sagte der Gunner. »Warum soll man altes Zeug aufbewahren, das keinen Nutzen mehr für uns hat?«

Er plauderte munter mit ihr, ehe er sie fortbrachte und sie in einer anderen Droschke nach Hause fahren ließ. Sie ahnte nicht, daß er wußte, in dem Schranke war Luke Maddisons Körper. Ob er tot oder lebend war, das mußte er erst ausfindig machen. Nachdem Gunner Haynes die junge Frau verlassen hatte, ging er in sein Zimmer zurück, rollte den Teppich zusammen, nahm ein Dielenbrett hoch und langte einen Kasten hervor, der zwei kleine Brownings enthielt. Einen davon steckte er in eine besonders gearbeitete Tasche im Innern seines Rockes; der andere kam in einen kleinen Halfter, den er an seinem Gürtel festschnallte.

»Ich denke, diese Nacht wird es Arbeit geben«, sagte Gunner Haynes laut vor sich hin.


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