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32,7-16. Drohung |
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Jetzt will ich mir auch einmal im scharfen Ton gefallen: wo ich immer nur furchtsam bat, da will ich jetzt befehlen. Denn ich sehe gut, daß man die Verehrungen der Fürsten und die Freundlichkeit der Frauen nun einmal nur mit Gewalt und Zuchtlosigkeit erlangt. Sing ich in meiner höfischen Weise, dann beschweren sie sich bei Stolle. Aber wahrhaftig, ich krieg es vielleicht auch einmal mit der Wut; da sie durchaus nach Bosheit verlangen, so will ich ihnen damit den Hals schon vollstopfen. In Österreich erlernte ich das Musizieren und Dichten, darum will ich mich zuerst da beschweren; wenn ich aber bei Leopold höfischen Schutz finde, so ist mein Zorn beruhigt. |
Nû wil ich mich des scharpfen sanges ouch genieten:
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31,33-32,6. An Herzog Leopold von Österreich |
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»In nomine domini« will ich beginnen: sagt Amen! (das ist gut gegen Unheil und des Satans Unkraut), damit ich in diesem Spruch so zu Ende singen kann, daß jedem traurig zumute wird, der höfischen Sang und Frohsinn stört. Ich habe bisher schön und hofgemäß gesungen; aber mit meinem gesitteten Benehmen bin ich jetzt derart beiseite gedrängt, daß die Ungesitteten jetzt bei Hofe beliebter sind als ich. Was mir Ehre eintragen müßte, das trägt mir Verachtung ein. Leopold, Herzog von Österreich, sprich: du allein kannst mich davon abbringen, andere Töne anzuschlagen. |
In nomine dumme ich wil beginnen: sprechent âmen
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28,11-20. Dem heimkehrenden Kreuzfahrer Leopold (1219) |
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Herzog von Österreich, es ist euch gut gelungen, und so herrlich, daß wir nicht anders können, als Sehnsucht nach euch empfinden. Seid sicher, ihr werdet mit hohen Ehren empfangen, sobald ihr heimkehrt. Ihr habt es wohl verdient, daß wir euch entgegen die Glocken läuten, andringen und gaffen, als sei ein Wundertier gekommen. Ihr kommt zu uns, sowohl von Sünde befreit wie von Schande. Dafür werden wir Männer euch Loblieder singen, und die Frauen werden euch liebhaben. Bringt diesen glänzenden Ruhm daheim zur Vollendung: zeigt euch hier so trefflich, daß niemand euch zum Schimpf sagen kann, ihr wäret besser dort mit Ehren geblieben. |
Herzoge ûz Ôsterrîche, ez ist iu wol ergangen,
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85,17-24. Für den Landgrafen Ludwig |
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Wenn irgendwer wegen seiner feinen Bildung, ob als Dienstmann oder Freier, im Rate des edlen Landgrafen sitzt, der erinnere ihn an meine folgende Unterweisung derart, daß ich den Erfolg merke. Man kennt meinen jungen Fürsten als freigebig; man sagt mir, er sei von beharrlichem Sinn, außerdem feingebildet – das sind drei preiswürdige Eigenschaften. Wenn er sich auch der vierten befleißigte, dann wandelte er auf dem rechten Wege und ohne je fehl zu treten: er sei nicht saumselig! Saumseligkeit schadet der Ernte und schadet der Aussaat. |
Swer an des edeln lantgrâven rate sî,
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An Friedrich II. 28,1-10. I: Bitte |
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Roms Schirmherr und Apuliens König, habt Mitleid, daß man mich bei so reicher Kunst in solcher Armut läßt. Gern möchte ich, wäre es möglich, bei eigenem Herde warm werden. Ha, wie ich dann von den Vöglein sänge, von der Heide und von den Blumen, wie ich einst sang! Gäbe mir dann eine schöne Frau den Preis, der ließe ich Lilien und Rosen aus ihren Wänglein blühen. So aber komme ich spät an und reite früh davon: »Fremder, weh dir, wehe!« Dagegen kann der Wohlbehauste viel schöner von dem grünen Klee singen. Nehmt euch dieser Bedrängnis an, gütiger König, damit eure Bedrängnis vergehe. |
Von Rôme vogt, von Pülle künec, lât iuch erbarmen
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27,7-16. II: Zweifelhaftes Geschenk |
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Der König, mein Herr, hat mir an die dreißig Mark Einkünfte verliehen: von denen bin ich aber nicht in der Lage, etwas in der Truhe zu verschließen oder in irgendwelchen Lastschiffen auf das Meer zu verfrachten. Die Sache klingt großartig, der Ertrag ist aber so beschaffen, daß ich ihn auf keine Weise greifen, hören oder sehen kann. Welches Einkommen in Truhen oder in Schiffen soll ich denn nun angeben? Jetzt rate mir jeder Freund, ob ich's behalten oder aufgeben soll. Wie die Geistlichen mich einschätzen, das läßt mich kalt: sie werden nichts in der Truhe vorfinden, wenn nicht etwas da ist; laßt sie hinrechnen und herrechnen – ich jedenfalls habe nichts darin. |
Der künec mîn hêrre lêch mir gelt ze drîzec marken:
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28,31-29,3. IV: Das Lehen (1220) |
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Ich habe mein Lehen, ihr alle, ich habe mein Lehen! Nun fürchte ich nicht, den Hornung an die Zehen zu bekommen, und nehme mir vor, alle geizigen Herren umso weniger anzugehn. Der großmütige König, der gütige König hat mich versorgt, so daß ich es den Sommer über luftig und im Winter warm habe. Meinen Nachbarn komme ich jetzt weit hübscher vor: sie sehen mich nicht mehr wie früher an, als sei ich ein Schreckgespenst. Ich bin zu lange, leider, arm gewesen. Ich war so voller Schmähsucht, daß mein Atem stank. Das alles hat der König rein gemacht und obendrein mein Singen. |
Ich hân mîn lêhen, al die werlt, ich hân mîn lêhen.
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83,27-39. Die sechs Räte |
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Ich werde mir viel Dank erwerben; denn ich habe vor, die großen Herren zu unterweisen, wie sie jeglichen Ratschlag richtig beurteilen können. Von guten Ratschlägen gibt es drei, weitere drei stehn als schlechte daneben auf der linken Seite. Laßt euch die sechs bezeichnen. Nutzen und Gnade bei Gott und Ansehen unter den Menschen, das sind die guten – Heil dem, der sie gibt! Den sollte doch ein Kaiser zu seinem höchsten Ratgeber machen. Die andern heißen: Schaden, Sünde und Schande. Wer sie vorher noch nicht gekannt hat, mag sie aus Folgendem kennen lernen: man hört den Worten eines Menschen gut an, wie sein Inneres beschaffen ist. Und: derjenige Anfang ist niemals gut, der ein schlimmes Ende hat. |
Ich muoz verdienen swachen haz:
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23,11. Verderbnis der Welt |
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Es träumte – seitdem ist manches Jahr verflossen – in Babylon dem König, es würde auf Erden immer schlimmer werden. Die heute ganz schlimm sind, bekommen die noch schlimmere Kinder, ja, Herr Gott, wem soll ich die gleichstellen? Käme der Teufel mir vor die Augen, er wäre mir nicht so widerwärtig wie des Schlimmen schlimmeres Kind. Solche Nachkommenschaft bringt uns weder Nutzen noch Ansehen. Die sich selber so entehren und ihr schlimmes Wesen noch verschlimmern, mögen sie ohne Leibeserben dahinfahren. Daß die Zahl unedler Herren etwa zunehme, das verhüte du, Herr Gott. |
Ez troumte, des ist manic jâr,
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24,3-17. Zuchtlose Jugend |
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Wer schmückt heute den Saal der Ehren? Der Anstand der jungen Ritter ist mäßig; darum benehmen sich die Knappen mit Worten und auch mit Werken ganz roh; wer Anstand besitzt, der ist ihnen ein Narr. Seht nur, wie ganz die Unsittlichkeit vordringt. Früher prügelte man die Jungen, die da dreiste Reden führten; heutzutage lassen sie sich dafür bewundern. Sie prahlen (mit Liebeserfolgen) und beschimpfen dadurch keusche Frauen. Stäupen und scheren sollte man die, die nicht fröhlich sein können, ohne Frauen bitter zu kränken. Hier kann man Sünde und Schande vereint erblicken, die mancher selber auf sich häuft. |
Wer zieret nû der êren sal?
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30,9-18. Die falschen Lächler |
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Bei Gott, mein Lob würde immer einem Hofe treu bleiben, wo man auch mitunter hofgemäß handelte, im Benehmen, durch zuverlässiges Wort, mit einer Beisteuer. Mir graust, wenn mich die Lügner anlächeln, deren Zunge von Honig trieft und deren Herz Galle hat. Freundeslachen soll ohne Falsch sein, klar wie das Abendrot, das gute Botschaft bringt. Handle gegen mich freundlich wie dein Lächeln, oder aber lächle anderswo. Wessen Mund mich täuschen will, der behalte sein Lächeln für sich: von dem nähme ich ein wahrhaftes Nein lieber als zwei gelogene Ja. |
Got weiz wol, mîn lop wær iemer hovestæte
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37,34-38,9. Herren als Gaukler |
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Reichlich viele Herren gleichen den Gauklern, die geschickt zu trügen und zu täuschen verstehen. Der sagt: »Sieh her, was ist unter diesem Hut? Nimm ihn weg!« – da steht in seiner Vorstellung ein wilder Falke da. »Nimm den Hut weg!«, dann steht ein herrlicher Pfau darunter. »Nimm ihn weg!«, da steht ein Meerwundertier da. Wie oft das auch geschieht, zuletzt ists nur eine Krähe. Freund, auch ich kenne das, haha, haha, haha. Behalte nur deine Falschspielerbüchse für dich; wäre ich so stark wie du, ich schlüge sie dir an den Kopf. Deine Asche stiebt mir in die Augen. Willst du mich vor einem so arglistigen Untier nicht besser beschützen, so hab ich keine Lust, dir noch länger pusten zu helfen. |
Genuoge hêrren sint gelîch den gougelæren,
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85,1-8. An Engelbert von Köln |
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Edler Bischof von Köln, seid zufrieden! – ihr habt Grund dazu. Ihr habt euch um den Kaiser hochverdient gemacht, und zwar derart, daß mittlerweile euer Ruhm steigt und hoch schwebt. Sollte eure hohe Stellung irgendwelchen elenden Feiglingen schwer aufliegen, so betrachtet das, Oberhaupt der Fürsten, als eine ohnmächtige Drohung. Getreuer Vormund des Königs, hochberühmt seid ihr, des kaiserlichen Ansehens Schützer mehr als je ein Kanzler; Kämmerer der drei Könige und elftausend Jungfrauen. |
Von Kölne werder bischof, sint von schulden frô.
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85,9-16. Auf Engelberts Ermordung (1225) |
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Wessen Leben ich preise, dessen Tod will ich immerdar betrauern. Wehe dem, der den edlen Fürsten von Köln erschlagen hat! Wehe darüber, daß ihn die Erde noch tragen will! Ich weiß ihm keine Marter zu erfinden, die seiner Sünde entspräche: ihm wäre allzu weich ein Eichenstrang um seinen Hals. Ich wünsche ihm auch nicht das Verbrennen noch Vierteilen noch Schinden noch Rädern noch auch das Aufs-Rad-Flechten: ich warte immerfort, ob ihn die Hölle nicht lebendig verschlingen will. |
Swes leben ich lobe, des tôt den wil ich iemer klagen.
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102,15-28. II: Torenregiment |
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Ich hatte mich auf den Weg gemacht, um etwas Unerhörtes zu sehen; da fand ich in der Tat Unerhörtes. Ich fand die Throne leider leer, auf denen einst Weisheit, Adel und Alter in aller Kraft gesessen hatten. Hilf, hohe Jungfrau; hilf, du Kind der Jungfrau, den Dreien doch in ihren Kreis zurück; laß sie ihres Sitzes nicht lange verlustig sein. Ihr großer Jammer schmerzt mich von Herzen. Der unerfahrene Reiche besitzt jetzt Thron und Ehre, die den Dreien gebührten. Ach, daß man jetzt gezwungen ist, sich statt vor den Dreien vor dem Einen zu verneigen. Deshalb ist das Recht lahm und der Anstand bekümmert und das Schamgefühl krank. Darüber führe ich Klage – gerne klagte ich noch länger. |
Ich was durch wunder ûz gevarn:
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101,23-36. IV.: Absage |
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Wild aufgewachsenes Kind, du bist zu krumm. Da niemand dich mehr gerade biegen kann (du bist für die Rute leider allzu groß, für das Schwert allzu klein), so schlaf und mach dirs bequem. Ich selber komme mir einfältig vor, daß ich jemals so viel von dir hielt. Deine Zuchtlosigkeit barg ich in Freundes Schoß; was dir wehe tat, nahm ich auf mich; meinen Rücken zerbrach ich mir für dich. Jetzt mag deine Schule ohne Lehrer dastehen, so weit ich den abgegeben habe – ich kann dir nicht mehr helfen. Kann es ein anderer, so soll mich alles freuen, was du dadurch Erfreuliches erfährst. Doch weiß ich gut: wo seine Gewalt aufhört, da steht auch seine Weisheit schutz- und schirmlos da. |
Selbwahsen kint, dû bist ze krump:
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10,17-24. Botschaft an den Kaiser (1227) |
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Bote, teile dem Kaiser den Rat seines ergebenen Dieners mit: wie die Dinge nun einmal stehen, wisse ich keinen bessern. Wenn ihn jemand auf Geld und Mannschaften warten läßt, so breche er rasch auf und komme bald hierher zu uns; er lasse sich nicht zum Narren halten. Wer Gott und ihn gestört hat, den möge er auch stören. Die echten Geistlichen warne er, den falschen Gehör zu schenken, die da hoffen, das Reich in Verwirrung zu bringen. Von diesen trenne er sie, oder er entferne sie allesamt aus den Kirchen. |
Bot, sage dem keiser sînes armen mannes rât,
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10,25-32. Warnung (1227) |
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Dürfte ich den Geistlichen einen aufrichtigen Rat geben, so mögen sie den Armen zureden: »Hier, das gehört dir!«. Sie mögen sich darauf beschränken, die Messe zu singen, und gar manchem sein Eigentum überlassen. Sie mögen bedenken, daß sie auch früher um Gottes Willen Almosenspender waren. Erst König Konstantin gab ihnen Anteil an den (Staats-)Einkünften. Hätte er gewußt, daß daraus später Unheil erwachsen würde, dann hätte er gewiß die Bedrängnis des Kaisertums verhindert. Aber damals war ihnen freilich Habgier und hochfahrender Sinn noch fremd. |
Solt ich den pfaffen râten an den triuwen mîn,
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