64,31-65,32.
Gegen Neidhart von Reuental
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I. Ach, hofgemäßer Gesang, daß dich jemals rohe Töne bei Hofe haben verdrängen dürfen! Möchte Gott die doch bald in Schande bringen! Ach, daß dein Ansehen und Wert so heruntergekommen ist! Darüber sind alle deine Freunde traurig. Aber das soll halt so sein, so sei es denn so: Frau Roheit, ihr habt gesiegt.
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Owê, hovelîchez singen,
daz dich ungefüege dœne
solten ie ze hove verdringen!
daz die schiere got gehœne!
owê daz dîn wirde alsô geliget!
des sint alle dîne friunde unfrô.
daz muoz eht alsô sîn: nû sî alsô:
frô Unfuoge, ir habt gesiget.
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II. Brächte uns einer wahre und gesittete Freude zurück, hei, wie würde man den überall rühmen, wo man von ihm erzählte! Das wäre wahrhaft höfische Gesinnung, nach der ich immer herzlich verlangen werde. Damen und Rittern würde sie gut anstehen; – ach, daß das niemand tut!
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Der uns fröide wider bræhte,
diu reht und gefüege wære,
hei wie wol man des gedæhte
swâ man von im seite mære!
ez wær ein vil hovelîcher muot,
des ich iemer gerne wünschen sol:
frowen unde hêrren zæme ez wol:
owê daz ez nieman tuot!
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III. Die den rechten Gesang stören, derer sind ungleich mehr als die, welche ihn gern hören.
Ich bleib auch jetzt noch bei der alten Weisheit: ich will nichts in der Mühle zu schaffen haben, wo der Stein sich so rauschend dreht und das Rad so viele Mißtöne hat. Gebt acht, wer da harfen wird.
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Die daz rehte singen stœrent,
der ist ungelîche mêre
danne die ez gerne hœrent:
noch volg ich der alten lêre:
ich enwil niht werben zuo der mül,
dâ der stein sô riuschent umbe gât
und daz rat sô mange unwîse hât.
merkent wer dâ harpfen sül.
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IV. Über die, die so frech lärmen, muß ich vor Zorn lachen, daß sie sich mit solcher Roheit selber wohlbehagen. Die machen es wie die Frösche im Teich, denen ihr Geschrei so sehr gefällt, daß dadurch die Nachtigall, wenn sie gerne länger singen möchte, den Mut verliert.
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Die sô frevellîchen schallent,
der muoz ich vor zorne lachen,
dazs in selben wol gevallent
mit als ungefüegen sachen.
die tuont sam die frösche in eime sê,
den ir schrîen alsô wol behaget,
daz diu nahtegal dâ von verzaget,
sô si gerne sunge mê.
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V. Wie viel würde man noch von Freude singen, wenn einer die Roheit schweigen hieße und sie
von den Schlössern hinab würfe, damit sie dort die Frohgesinnten nicht belästigte. Würden der die großen Höfe entzogen, so wäre das ganz nach meinem Wunsch. Gerne ließe ich sie unter den Bauern – von dort ist sie ja auch hergekommen.
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Swer unfuoge swîgen hieze,
waz man noch von fröiden sunge!
und si abe den bürgen stieze,
daz si dâ die frôn niht twunge.
wurden ir die grôzen höve benomen,
daz wær allez nâch dem willen mîn.
bî den gebûren liez ich si wol sîn:
dannen ists och her bekomen.
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102,29-103,12.
Lob der Ehrenhaftigkeit
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I. Ich mach mir nichts aus der Ehre, durch die ich übers Jahr mein Ansehen einbüßen und klagen müßte: Weh mir Armem heuer! das war im vorigen Jahr! – Auf solche Weise habe ich auf manchen Kranz verzichtet und viele Blumen verschmäht. Ich pflückte wahrhaftig eine Fülle von Rosen, gäbe es keine Dornen.
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Mirst diu êre unmære,
dâ von ich ze jâre wurde unwert,
und ich klagende wære
›wê mir armen hiure! diz was vert.‹
alsô hân ich mangen kranz verborn
und bluomen vil verkorn.
jô bræche ich rôsen wunder, wan der dorn.
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II. Wer sich so bewahrt, daß ihm niemand etwas nachsagen kann, der wird in Wonne alt, den quält kein halber Tag. Wessen Sinn immer nach Ehre strebt, der freut sich auf ihn, wenn er zum Tanze geht. Wehe dagegen dem, dessen Gefährte in Schanden lebt.
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Swer sich sô behaltet
daz im nieman niht gesprechen mac,
wünneclîche er altet,
im enwirret niht ein halber tac.
des ist frô, swenn er ze tanze gât,
swes herze ûf êre stât.
wê im, des sîn geselle unêre hât!
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III. Man muß sich bei einem Mann immer erkundigen, wie seine Gesinnung beschaffen ist. Wem ein solches Fragen lästig fällt, der denkt nicht daran, wie das Ende sein wird. Mancher erscheint vor den Fremden wohlgeartet und ist doch falsch gesinnt. Wer daheim recht handelt, dem sollte es auch bei Hofe wohl ergehn.
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Wan sol iemer frâgen
von dem man, wiez umb sîn herze stê.
swen des wil betrâgen,
der enruochet wie diu zît zergê.
maneger schînet vor den frömden guot,
und hât doch valschen muot.
wol im ze hove, der heime rehte tuot!
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104,33-105,12.
Kunst der Freigebigkeit
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Wenn ein freigebiger Mann einmal ganz wahrhaftig ist, dann ist das ein Wunder. Wie kann das große Wohlwollen, das vorhanden ist, ans Ziel gelangen? Wirklich, dazu gehört Weisheit und Wachsamkeit früh am Morgen, und sonst noch manche
schöne Klugheit, damit die Sache nicht irgend vereitelt werde.
Wer so verfährt, der darf sein Vorhaben nicht bereuen: verständig soll er alles erwägen und das Gelingen Gott anheimstellen. Man soll sich einen Ruf zu erwerben trachten, der dauert.
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Daz milter man gar wârhaft sî,
geschiht daz, dâ ist wunder bî.
der grôze wille der dâ ist,
wie mac der werden gendet?
dêswâr dâ hœret witze zuo
und wachen gegen dem morgen fruo
und anders manec schœner list,
daz ez iht werde erwendet.
der alsô tuot,
der sol den muot
an riuwe selten kêren:
mit witzen sol erz allez wegen,
und lâze got der sælden pflegen.
sô sol man stegen
nâch lange wernden êren.
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41,13-42,14.*
Selbstverlorenheit
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I. Ich bin so harmlos fröhlich, daß man mir Wohlergehen wünscht. Nur im Stillen ist mein Herz froh; was soll auch in der Gesellschaft ein Mann, der mit Erfolgen prahlt? Weh denen, welche so manche Schöne in böses Gerede gebracht haben, und wohl mir, daß ich dessen immer eingedenk gewesen bin! Hütet euch, edle Frauen, vor solchen Menschen.
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Ich bin als unschedelîche frô,
daz man mir wol ze lebenne gan.
tougenlîche stât mîn herze hô:
waz touc zer welte ein rüemic man?
wê den selben die sô manegen schœnen lîp
habent ze bœsen mæren brâht!
wol mich, daz ichs hân gedâht!
ir sult si mîden, guotiu wîp.
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II. Ich will einen trefflichen Mann gerne würdigen hören und selbst seinen Wert verkünden. Wenn man es mir gegenüber anders hält, so bedaure ich das; ich will es auch keineswegs mir gefallen lassen. Wo immer Prahler und Verleumder sind, denen untersage ich es, meine Lieder zu singen, und wenn sie durch mich so großen Erfolg haben, so geschieht das gegen meinen Willen.
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Ich wil guotes mannes werdekeit
vil gerne hœren unde sagen.
swer mir anders tuot, daz ist mir leit:
ich wilz ouch allez niht vertragen.
rüemære unde lügenære, swâ die sîn,
den verbiute ich mînen sanc,
und ist âne mînen danc,
obs alsô vil geniezen mîn.
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III. So mancher ist traurig, dem doch Liebes zuteil wird. Ich dagegen bin immer froh und habe doch nichts, was dem Herzen lieb ist. Aber das ist vielleicht gut so für mich. Denn mit Herzensfreude, was ich von ihr noch gesehen habe, war immer Herzeleid verbunden. Ließen mich meine sehnsüchtigen Gedanken in Ruhe, so wüßte ich von keinem Kummer.
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Maneger trûret, dem doch liep geschiht:
ich hân ab iemer hôhen muot,
und enhabe doch herzeliebes niht.
daz ist mir alsô guot.
herzeliebes, swaz ich des noch ie gesach,
dâ was herzeleide bî.
liezen mich gedanke frî,
son wiste ich niht umb ungemach.
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IV. Wenn ich mich in solche Gedanken verlier, will mir mancher gut zureden. Dann schweig ich und laß ihn darauflos reden. Was will er auch, daß ich sonst tun soll? Hätte ich meine Augen und Ohren bei mir, so könnte ich seine Worte aufnehmen; aber da ich beide nicht habe, kann ich weder Ja noch Nein sagen.
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Als ich mit gedanken irre var,
sô wil mir maneger sprechen zuo:
sô swîg ich und lâze in reden dar.
waz wil er anders daz ich tuo?
hete ich ougen oder ôren danne dâ,
sô kund ich die rede verstân:
swenne ich beider niht enhân,
son kan ich nein, son kan ich jâ.
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V. Ich bin einer, der nie auch nur einen halben Tag in reiner Freude verlebt hat. Was ich an Freuden bisher genossen habe, die haben mich hier allein zurückgelassen. Hienieden kann nun einmal niemand eine Freude finden, die nicht verginge wie der Glanz leuchtender Blumen; deshalb soll mein Herz künftig nicht mehr nach trügerischen Freuden verlangen.
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Ich bin einer der nie halben tac
mit ganzen fröiden hât vertriben.
swaz ich fröiden ie dâ her gepflac,
der bin ich eine hie beliben.
nieman kan hie fröide vinden, si zergê
sam der liehten bluomen schîn:
dâ von sol daz herze mîn
niht senen nâch valschen fröiden mê.
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100,24-101,22
Abschied von der Welt
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I. Frau Welt, teilt dem Wirte mit, daß ich ihn ganz bezahlt habe. Meine große Rechnung ist beglichen; er solle mich ausstreichen. Denn wer ihm etwas schuldig bleibt, der hat guten Grund, bange zu sein. Ehe ich lange sein Schuldner wäre, würde ich lieber bei einem Juden leihen. Er verhält sich stille bis auf
einen Tag; wenn aber der andere nicht imstande ist zu zahlen, dann verlangt er ein Pfand.
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Frô Welt, ir sult dem wirte sagen
daz ich im gar vergolten habe:
mîn grôziu gülte ist abe geslagen;
daz er mich von dem brieve schabe.
swer ime iht sol, der mac wol sorgen.
ê ich im lange schuldic wære, ich wolt ê zeinem juden borgen.
er swîget unz an einen tac:
sô wil er danne ein wette hân,
sô jener niht vergelten mac.
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II. »Walther, du hast keinen Grund, böse zu sein; bleib doch hier bei mir. Erinnere dich, wie ich dich bewirtete, wie ich deinen Wünschen nachgekommen bin, so oft du mir mit Bitten anlagst. Ich habe es nur herzlich bedauert, daß du das immer so selten tatest. Besinn dich doch: du hast es hier gut; wenn du dich aber richtig von mir lossagst, dann wirst du nie mehr froh.«
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›Walther, dû zürnest âne not:
dû solt bî mir belîben hie.
gedenke wie ich dirz erbôt,
waz ich dir dînes willen lie,
als dicke dû mich sêre bæte.
mir was vil inneclîche leit daz dû daz ie sô selten tæte.
bedenke dich: dîn leben ist guot:
sô dû mir rehte widersagest,
sô wirst dû niemer wol gemuot.‹
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III. Frau Welt, ich habe zu lange gesogen; ich will mich entwöhnen, das ist an der Zeit. Deine Zärtlichkeit hätte mich fast betört, denn sie schenkt viel holde Freuden. Als ich dir grade ins Gesicht sah, da war dein Anblick ganz unleugbar wonnevoll. Aber als ich deinen Rücken wahrnahm, da war dort so viel Scheußliches, daß ich dich immer schmähen werde.
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Frô Welt, ich hân ze vil gesogen:
ich wil entwonen, des ist zît.
dîn zart hât mich vil nâch betrogen,
wand er vil süezer fröiden gît.
do ich dich gesach reht under ougen,
dô was dîn schœne an ze schowen wünneclich al sunder lougen:
doch was der schanden alse vil,
dô ich dîn hinden wart gewar,
daz ich dich iemer schelten wil.
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IV. »Da ich dich nicht umstimmen kann, so erfülle mir doch wenigstens
eine Bitte: erinnere dich an manchen Sommertag und schau doch zuweilen bei mir herein, bloß wenn dir die Zeit lange wird.« – Das tät ich außerordentlich gern; nur fürchte ich deine Schliche, vor denen sich niemand hüten kann. Gott gebe euch, Herrin, gute Nacht – ich will zur Ruhe gehn.
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›Sît ich dich niht erwenden mac,
sô tuo doch ein dinc des ich ger:
gedenke an manegen liehten tac,
und sich doch underwîlent her
niuwan sô dich der zît betrâge.‹
daz tæt ich wunderlîchen gerne, wan deich fürhte dîne lâge,
vor der sich nieman kan bewarn.
got gebe iu, frowe, guote naht:
ich wil ze hereberge varn.
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66,21-68,7.
Vermächtnis
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I. Ihr keuschen Frauen, ihr edeln Männer, es steht so, daß man mich noch reichlicher ehren und freundlich grüßen muß. Dazu seid ihr mit Fug noch mehr verpflichtet als früher; wollt ihr hören, so sag ich euch, warum. Volle vierzig Jahre oder mehr hab ich von Liebe gesungen und wie man das Leben führen solle. Damals hatte ich mit den andern meine Freude daran. Jetzt dagegen hab ich nichts mehr davon, sondern es kommt euch allein zugute. Darum mögen meine Liebeslieder euch künftig aufwarten, und mir werde euer Wohlwollen zuteil.
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Ir reinen wîp, ir werden man,
ez stêt alsô daz man mir muoz
êr unde minneclîchen gruoz
noch volleclîcher bieten an.
des habet ir von schulden grœzer reht dan ê:
welt ir vernemen, ich sage iu wes.
wol vierzec jâr hab ich gesungen oder mê
von minnen und als iemen sol.
dô was ichs mit den andern geil:
nu enwirt mirs niht, ez wirt iu gar.
mîn minnesanc der diene iu dar,
und iuwer hulde sî mîn teil.
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II. Gesetzt auch, ich ginge am Bettelstab – strebe ich dabei, wie ich's von Kind an getan habe, mit unverdrossener Mühe nach innerem Wert, dann bin ich, so niedrig ich auch stehn mag, dennoch selber einer
der Edeln, hoch genug nach meinem Stand. Das verdrießt die Niedriggesinnten. Mindert mich das irgendwie herab? Nein! Die Edeln schätzen mich nur umso höher. Der dauernde Wert ist etwas so Schönes, daß er den höchsten Ruhm verdient. Kein rühmenswerteres Leben, als wenn einer, er sei wer er sei, so dem Ende gerecht wird.
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Lât mich an eime stabe gân
und werben umbe werdekeit
mit unverzageter arebeit,
als ich von kinde habe getân,
sô bin ich doch, swie nider ich sî, der werden ein,
genuoc in mîner mâze hô.
daz müet die nideren. ob mich daz iht swache? nein.
die werden hânt mich deste baz.
diu wernde wirde diust sô guot,
daz man irz hœhste lop sol geben.
ezn wart nie lobelîcher leben,
swer sô dem ende rehte tuot.
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III. Welt, ich habe deinen Lohn kennen gelernt: alles was du mir gibst, das nimmst du mir wieder. Wir scheiden alle nackt von dir. Schäme dich, wenn es mir derart gehen soll! Ich habe tausendmal den Leib und (das war allzu viel!) die Seele für dich aufs Spiel gesetzt. Jetzt bin ich alt, und du treibst deine Possen mit mir; und bin ich darüber erbittert, dann lachst du noch. Nun, lach nur eine Zeit lang über uns: bald wird dein Schreckenstag kommen und nimmt dir alles, was du uns genommen hast, und verbrennt dich noch obendrein dafür.
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Welt, ich hân dînen lôn ersehen:
swaz dû mir gîst, daz nimest dû mir.
wir scheiden alle blôz von dir.
scham dich, sol mir alsô geschehen.
ich hân lîp unde sêle (des was gar ze vil)
gewâget tûsentstunt dur dich:
nû bin ich alt und hâst mit mir dîn gampelspîl:
und zürn ich daz, sô lachest dû.
nû lache uns eine wîle noch:
dîn jâmertac wil schiere komen,
und nimet dir swazt uns hast benomen,
und brennet dich dar umbe iedoch.
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IV. Ich hatte eine schöne Gestalt erwählt; wehe, daß ich die je erblickt oder je mich so oft mit ihr unterhalten habe! Jetzt sind ihm Schönheit und Sprache abhanden gekommen. Etwas Wundersames weilte in ihr, das ist entschwebt, ich weiß nicht wohin; damit verstummte allsogleich die Gestalt. Ihre Lilien-Rosen-Farbe wurde so kerkerfarben, daß sie Duft und Glanz verlor. – O meine eigne Gestalt, wenn du mich schon in dir eingekerkert hältst, so gib mich doch derart frei, daß wir uns freudig zusammenfinden können; denn ich muß wieder in dich zurückkehren.
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Ich hât ein schœnez bilde erkorn:
owê daz ich ez ie gesach
ald ie sô vil zuoz ime gesprach!
ez hât schœn unde rede verlorn.
dâ wonte ein wunder inne: daz fuor ine weiz war:
dâ von gesweic daz bilde iesâ.
sîn liljerôsevarwe wart sô karkelvar,
daz ez verlôs smac unde schîn.
mîn bilde, ob ich bekerkelt bin
in dir, sô lâ mich ûz alsô
daz wir ein ander vinden frô:
wan ich muoz aber wider in.
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V. Möge es meiner Seele wohlergehn! Auf Erden hab ich manchen, Männer und Frauen, froh gemacht; hätte ich es doch dabei verstanden, mich zu behüten! Aber preise ich des Leibes Liebe, so reut das die
Seele; sie erklärt das für Lüge und Torheit. Dagegen erklärt sie die wahre Liebe für vollkommen beständig und rühmt, wie herrlich die sei, wie sie ewig währe. Leib, laß die Liebe, die dich verläßt, und halte die beständige Liebe wert: mir scheint, diejenige, nach der du gestrebt hast, die sei nicht Fisch bis zur Gräte.
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Mîn sêle müeze wol gevarn!
ich hân zer welte manegen lîp
gemachet frô, man unde wîp:
künd ich dar under mich bewarn!
lobe ich des lîbes minne, deis der sêle leit:
si giht, ez sî ein lüge, ich tobe.
der wâren minne giht si ganzer stætekeit,
wie guot si sî, wies iemer wer.
lîp, lâ die minne diu dich lât,
und habe die stæten minne wert:
mich dunket, der dû hâst gegert,
diu sî niht visch unz an den grât.
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85,25-33.
Verfall des Reiches
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Ich sah früher einmal die Zeit, wo wir von allen Völkern gepriesen wurden. Ein jedes Nachbarland suchte um Frieden mit uns nach oder es wurde niedergeworfen. Hoher Gott, wie eiferten wir damals nach Ehre und Ruhm. Damals ratschlagten die Alten und gehorchten die Jungen. Jetzt, wo Mißratene und Unerfahrene unsere Lenker sind (dies Gleichnis zu deuten ist mancher zu blind), mache du, Weiser, ausfindig, was jetzt daraus folgen wird!
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Ich sach hie vor eteswenne den tac,
daz unser lop was gemein allen zungen.
swâ uns dehein lant iender nahe gelac,
daz gerte suone oder ez was betwungen.
rîcher got, wie wir nâch êren dô rungen!
dô rieten die alten, und tâten die jungen.
nû krumbe unde tumbe unser rihtære sint, –
(diz bîspel ist mangem ze merkenne blint)
waz nû geschehe dâ von, meister, daz vint.
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Für den Kreuzzug von 1228
78,24-79,16 I
. Die trägen Engel
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I. Der ohne Anfang ist, aber Anfang setzen kann, der kann leicht ein Ende setzen ohne Ende. Da das ganz in seiner Hand liegt, wer wäre dann des Lobes so voll würdig? Der sei in meinem Lied der erste: denn sein Lob geht allem Preis voran; das Lob, das er begehrt, ist gesegnet.
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Der anegenge nie gewan
und anegenge machen kan,
der kan wol ende machen und ân ende.
sît daz allez stêt in sîner hende,
wer wære danne lobes sô wol wert?
der sî der êrste in mîner wîse:
sîn lop gêt vor allem prîse:
daz lop ist sælic, des er gert.
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II. Nun laßt uns die liebe Jungfrau loben, der ihr Sohn nie etwas abschlägt. Sie ist die Mutter dessen, der uns von der Hölle loskaufte: das hilft uns mehr als jede Hilfe, daß man dort im Himmel
ihren Willen tut. Wohlan denn, ihr Alten samt den Jungen, singt ihr ein Loblied! Es ist leicht und nützlich, sie zu loben; denn sie ist gütig und vollkommen.
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Nû loben wir die süezen maget,
der ir sun niemer niht versaget.
si ist des muoter, der von helle uns lôste:
daz ist uns ein trôst vor allem trôste,
daz man dâ ze himel ir willen tuot.
nû dar, die alten mit den jungen,
daz ir werde lop gesungen.
sist guot ze lobenne, sie ist guot.
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III. Euch Engeln müßte ich eigentlich auch huldigen, aber ich bin doch nicht ganz verrückt: wieviele von den Heiden habt ihr bisher schon vernichtet? Da niemand etwas von euch sieht oder hört, so erzählt: was habt ihr bisher schon dazu beigetragen? Hätte ich die Macht, Gott so heimlich wie ihr vollkommen zu rächen, mit wem brauchte ich dann noch zu verhandeln? Ich würde euch Fürsten nicht weiter bemühen.
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Ich solt iuch engele grüezen ouch,
wan daz ich bin niht gar ein gouch:
waz habet ir der heiden noch zerstœret?
sît iuch nieman siht noch nieman hœret,
sagent, waz hânt ir noch dar zuo getân?
möht ich got stille als ir gerechen,
mit wem solt ich mich besprechen?
ich wolte iuch hêrren ruowen lân.
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IV. Herr Michael, Herr Gabriel, Herr Teufelsfeind Raphael, bei euch ist Weisheit, Gewalt und Heilung; obendrein habt ihr drei Engelheere, die bereitwillig eure Befehle ausführen. Wollt ihr von mir gepriesen werden, so seid gescheit und schädigt zu allererst die Heiden: priese ich euch vorher, dann würden sie darob höhnen.
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Hêr Michahêl, hêr Gabrîêl,
hêr tiefels vîent Raphahêl,
ir pflegent wîsheit sterke und arzenîc,
dar zuo hânt ir engelkœre drîe,
die mit willen leistent iwer gebot:
weit ir mîn lop, sô sint bescheiden
und schadent allerêrst den heiden:
lopt ich iuch ê, daz wære ir spot.
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14,38-16,35. II:
Das erste Kreuzlied
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I. Nun erst leb ich mir zur Freude, da mein sündiges Auge das reine Land und den Boden schaut, die man so sehr rühmt und preist. Mir ist geworden, worum ich immer bat: ich bin an die Stätte gekommen, wo Gott in menschlicher Gestalt wandelte.
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Allerêrst lebe ich mir werde,
sît mîn sündic ouge siht
daz reine lant und ouch die erde
der man sô vil êren giht.
mirst geschehen des ich ie bat,
ich bin komen an die stat
dâ got mennischlîchen trat.
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II. Was ich auch an schönen, mächtigen und herrlichen Landen bisher gesehen habe – du bist die Krone von ihnen allen. Was für ein Wunder ist hier geschehen! Daß eine Jungfrau ein Kind gebar, heiliger als alle Engel, war das nicht ganz ein Wunder?
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Schœniu lant rîch unde hêre,
swaz ich der noch hân gesehen,
sô bist duz ir aller êre.
waz ist wunders hie geschehen!
daz ein magt ein kint gebar
hêre übr aller engel schar,
was daz niht ein wunder gar?
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III. Hier ließ sich der Reine taufen, damit der Mensch rein sei. Dann gab er sich selber als Preis dahin, damit wir Knechte frei würden. Sonst wären wir verloren. Heil dir Lanze, Kreuz und Dornenkrone! Wehe dir, Heidenschaft, das ist dir ärgerlich.
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Hie liez er sich reine toufen,
daz der mensche reine sî.
sît liez er sich hie verkoufen,
daz wir eigen wurden frî.
anders wæren wir verlorn.
wol dir, sper kriuz unde dorn!
wê dir, heiden! deist dir zorn.
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IV. Von hier fuhr der Sohn aus dem Grab, in dem er lag, zur Hölle. Dabei war immer der Vater sein Gefährte und der Geist, den niemand für sich sondern kann: es ist zusammen Eines, schlichter und glatter als ein Pfeil – so wie er dem Abraham erschien.
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Hinnen fuor der sun zer helle
von dem grabe, da'r inne lac.
des was ie der vater geselle,
und der geist, den niemen mac
sunder scheiden: êst al ein,
sleht und ebener danne ein zein,
als er Abrahâme erschein.
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V. Als er den Teufel da so zuschanden gemacht hatte, daß kein Kaiser je einen besseren Kampf geführt hat, da kehrte er wieder hierher heim. Da begab sich, was den Juden verhaßt ist: er, der Herr, durchbrach ihre Wache, und ihn, den sie geschlagen und gestochen hatten, sah man darnach als Lebenden.
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Do er den tievel dô geschande,
daz nie keiser baz gestreit,
dô fuor er her wider ze lande.
dô huob sich der juden leit,
daz er hêrre ir huote brach,
und man in sît lebendic sach,
den ir hant sluoc unde stach.
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VI. In dieses Land hat er jenen schrecklichen Gerichtstag angesagt, wo der Witwe Genugtuung wird und wo die Waisen und Armen die Gewalt einklagen können, die man ihnen hier antut. Heil dem drüben, der hienieden seine Schuld beglichen hat!
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In diz lant hât er gesprochen
einen angeslîchen tac,
dâ diu witwe wirt gerochen
und der weise klagen mac
und der arme den gewalt
der dâ wirt an ime gestalt.
wol im dort, der hie vergalt!
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VII. Christen, Juden und die Heiden behaupten, dies sei ihr Erbland. Gott möge das um seiner Dreieinigkeit willen von Rechtswegen entscheiden. Die ganze Welt erhebt hierauf Anspruch. Unser Verlangen ist das berechtigte; recht ist es also, daß er es uns erfülle.
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Kristen juden und die heiden
jehent daz diz ir erbe sî:
got müez ez ze rehte scheiden
durch die sîne namen drî.
al diu welt diu strîtet her:
wir sîn an der rehten ger:
reht ist daz er uns gewer.
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76,22-78,23.
III: Das zweite Kreuzlied
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I. Du süße wahre Liebe, bring einen sündigen Geist auf den rechten Weg! Gott, um des Wortes willen, das im Anfang war, behüte die Christenheit! Deine Menschwerdung heilt und heiligt alles Weh der Welt. Du Erbarmer der Waisen, hilf uns diese Kränkungen strafen.
Du Erlöser aus den Sünden, wir verlangen zu des Meeres Wogen. Dein Geist kann uns entzünden, wenn das Herz als reuig befunden wird. Dein Blut hat uns begossen, den Himmel aufgeschlossen. Nun befreit, ohne müde zu werden, das Heiligkeit-tragende Land. Als schuldigen Zins opfert Leben und Gut. Gott wird uns Beistand leisten gegen den, der manchen dem Tode Verfallenen der Seele beraubt hat.
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Vil süeze wære minne,
berihte kranke sinne.
got, dur dîn anbeginne
bewar die kristenheit.
dîn kunft ist frônebære
übr al der welte swære.
der weisen barmenære,
hilf rechen disiu leit.
lœser ûz den sünden,
wir gern zen swebenden ünden.
uns mac dîn geist enzünden,
wirt riuwic herze erkant.
dîn bluot hât uns begozzen,
den himel ûf geslozzen.
nû lœset unverdrozzen
daz hêrebernde lant.
verzinset lîp und eigen.
got sol uns helfe erzeigen
ûf den der manegen veigen
der sêle hât gepfant.
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II. Dies kurze Leben schwindet, der Tod trifft uns als Sünder an. Wer sich aber Gottes Gefolge anschließt, der kann der Hölle entrinnen.
Zugleich mit der Not erscheint auch Hilfe. Jetzt heilen Christi Wunden, sein Land wird bald befreit sein, das ist gewißlich wahr.
Königin über allen Fürstinnen, zeige Schutz und Hilfe! Dein Kind wurde dort erschlagen, seine Menschheit gab sich dem Tode hin. Sein Geist möge uns erhalten, auf daß wir die Heiden klug überwinden. Unser Glaube bezeichnet sie als Nichtchristen. Warum fürchten sie nicht den Richterstab, der auch die Juden züchtigt? Ihr Geschrei ertönt
laut. Dem Kreuz aber erschallt mancher Lobgesang: laßt uns das Grab befreien!
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Diz kurze leben verswindet,
der tôt uns sündic vindet:
swer sich ze gote gesindet,
der mac der helle engân.
bî swære ist gnâde funden.
nû heilent Kristes wunden,
sîn lant wirt schiere enbunden:
dêst sicher sunder wân.
küngîn ob allen frouwen,
lâ wernde helfe schouwen.
dîn kint wart dort verhouwen,
sîn menschheit sich ergap.
sîn geist müez uns gefristen,
daz wir die diet verlisten.
der touf si seit unkristen:
wan fürhtent si den stap
der ouch die juden villet?
ir schrîen lûte erhillet.
manc lob dem kriuze erschillet
erlœsen wir daz grap!
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III. Christi Menschheit muß zugrunde gehen, wenn wir den Lohn erlangen sollen. Gott wollte um unsertwillen sterben, seine Drohung ist aufgehoben.
Sein hochheiliges Kreuz hat manchem sein Heil erhöht. Jeder, der Wankelmut und Zweifel abtut, hat seine Seele gerettet.
Du gedankenloser Sünder, dir sind deine Jahre zugemessen: der Tod hat uns, die ihm wehrlos Verfallenen, umlagert. Nun laßt uns insgesamt dahin ziehen, wo wir durch hingebende Aufopferung gewißlich das Himmelreich gewinnen. Gottes Wille ist es, durch Heldenhände dort seine Schmach zu rächen. Nun sammle sich aus vielen Landen das Heer des heiligen Geistes.
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Diu menscheit muoz verderben,
suln wir den lôn erwerben.
got wolde dur uns sterben,
sîn drô ist ûf gespart.
sîn kriuze vil gehêret
hât maneges heil gemêret.
swer sich von zwîvel kêret,
der hât den geist bewart.
sündic lîp vergezzen,
dir sint diu jâr gemezzen:
der tôt hât uns besezzen
die veigen âne wer.
nû hellent hin gelîche
dâ wir daz himelrîche
erwerben sicherlîche
bî dulteclîcher zer.
got wil mit heldes handen
dort rechen sînen anden.
sich schar von manegen landen
des heilegeistes her.
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IV. Gott, schick uns deine Hilfe; am Ende, wenn uns die Seele verläßt, behüte uns mit deiner Rechten vor hölle-heißen Wogen, damit wir nicht da hinein stürzen! Wir wissen alle gut, wie jammervoll es dasteht, das heilige reine Land, ganz hilflos und verlassen. Jerusalem, nun weine: wie hat man dein vergessen! Der Übermut der Heiden hat dich schwer verknechtet.
Um der Ehre deiner Dreieinigkeit willen habe Mitleid, Christus, in welcher Drangsal sie sich abmühen, die dort den Waffenstillstand unterhandeln (? oder: die dort des Bürgen Christus harren
). Daß sie uns derart bedrängen, das wende in kurzer Zeit!
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Got, dîne helfe uns sende,
mit dîner zesewen hende
bewar uns an dem ende,
sô uns der geist verlât,
vor helleheizen wallen,
daz wir dar in iht vallen.
ez ist wol kunt uns allen,
wie jâmerlîch ez stât,
daz hêre lant vil reine,
gar helfelôs und eine.
Ierusalêm, nû weine:
wie dîn vergezzen ist!
der heiden überhêre
hât dich verschelket sêre.
dur dîner namen êre
lâ dich erbarmen, Krist,
mit welher nôt si ringen,
die dort den borgen dingen.
dazs uns alsô betwingen,
daz wende in kurzer frist.
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124,1-125,11.
IV: Elegie (Oktober 1227)
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I. Wehe, wohin sind alle meine Jahre entschwunden? Habe ich mein Leben geträumt oder ist es wirklich? Was ich immer für etwas hielt, was da wäre, war das alles etwas? Demnach hab ich, ohne es zu wissen, geschlafen. Jetzt bin ich aufgewacht und kenne nicht mehr, was mir früher bekannt war wie meine Hand. Die Leute und das Land, in dem ich von Kind an erzogen worden bin, die sind mir fremd geworden gerade als sei es unwahr. Mit denen ich herumspielt habe, die sind jetzt träge und alt; wüst ist das Feld, umgehauen ist der Wald; flöße nicht das Wasser wie es einsten floß, so würde mein Leid, möchte ich glauben, wahrlich groß. Mich grüßt mancher lässig, der mich früher gut kannte. In der Welt ist es überall trostlos. Sowie ich manches herrlichen Tages gedenke, die mir entglitten sind wie ein Schlag ins Meer, – immerdar: wehe!
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Owê war sint verswunden |
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alliu mîniu jâr! |
ist mir mîn leben getroumet, |
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oder ist ez wâr? |
daz ich ie wânde ez wære, |
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was daz allez iht? |
dar nâch hân ich geslâfen |
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und enweiz es niht. |
nû bin ich erwachet, |
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und ist mir unbekant |
daz mir hie vor was kündic |
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als mîn ander hant. |
liut unde lant, dar inn ich |
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von kinde bin erzogen, |
die sint mir worden frömde |
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reht als ez sî gelogen. |
die mîne gespilen wâren, |
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die sint træge unt alt. |
unbereitet ist daz velt, |
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verhouwen ist der walt: |
wan daz daz wazzer fliuzet |
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als ez wîlent flôz, |
für wâr mîn ungelücke |
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wânde ich wurde grôz. |
mich grüezet maneger trâge, |
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der mich bekande ê wol. |
diu welt ist allenthalben |
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ungenâden vol. |
als ich gedenke an manegen |
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wünneclîchen tac |
die mir sint enpfallen |
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als in daz mer ein slac, |
iemer mêre ouwê. |
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II. Wehe, wie kläglich gebärdet sich die Jugend, die einst höfisch frohgestimmt war! Die verstehn nur noch sich zu sorgen: wehe, warum tun sie so? Wohin immer in der Welt ich mich wende, da ist niemand mehr fröhlich; Tanzen, Lachen, Singen geht ganz in Kummer unter. Nie hat ein Christenmensch eine so leidvolle Gesellschaft erblickt. Achtet nur
darauf, wie den Frauen ihr Kopfputz steht; die hochgemuten Ritter haben bäurische Kleider an. Von Rom her sind uns unmilde Schreiben zugegangen; man hat uns gestattet, traurig zu sein, und hat uns der Freude ganz beraubt. Das schmerzt mich von Herzen (wir hatten immer ein schönes Leben), daß ich jetzt mein Lachen mit Weinen vertauschen muß. Sogar die Vögel in der Wildnis betrübt unsre beklagenswerte Lage; ists da ein Wunder, wenn ich infolgedessen Mut und Freude verliere? Aber ach – was sag ich Tor da in meiner kümmerlichen Erregung? Wer
dieser Lust nachgeht, der hat jene dort eingebüßt. Immerdar: wehe!
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Owê wie jæmerlîche |
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junge liute tuont, |
den ê vil hovelîchen |
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ir gemüete stuont! |
die kunnen niuwan sorgen: |
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ouwê wie tuont si sô? |
swar ich zer werlte kêre, |
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dâ ist nieman frô: |
tanzen, lachen, singen |
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zergât mit sorgen gar: |
nie kein kristenman gesach |
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sô jæmerlîche schar. |
nû merkent wie den frouwen |
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ir gebende stât:
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die stolzen ritter tragent an |
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dörpellîche wât. |
uns sint unsenfte brieve |
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her von Rôme komen, |
uns ist erloubet trûren und |
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fröide gar benomen. |
daz müet mich inneclîchen |
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(wir lebten ie vil wol), |
daz ich nû für mîn lachen |
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weinen kiesen sol. |
die vogel in der wilde |
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betrüebet unser klage: |
waz wunders ist ob ich dâvon |
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an fröiden gar verzage? |
wê waz spriche ich tumber man |
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durch mînen bœsen zorn? |
swer dirre wünne volget, |
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hât jene dort verlorn, |
iemer mêr ouwê. |
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III. Wehe, wie hat man uns mit Süßigkeiten vergiftet! Ich sehe die Galle mitten im Honig schwimmen. Die Welt ist außen schön, weiß, grün und rot, und innen schwarz, finster wie der Tod. Aber, wen sie etwa verführt hat, der schaue, was ihm Hoffnung und Hilfe gibt: durch leichte Buße wird er von schwerer Sünde befreit. Das bedenkt, ihr Ritter: es geht euch an! Ihr tragt die strahlenden Helme und manchen harten Panzer, dazu die festen Schilde und die geweihten Schwerter. Wollte Gott, auch ich wäre dieses Triumphes würdig! Dann könnte ich, arm an geistlichem und irdischem Gut, mir reichen Sold verdienen. Damit meine ich wahrlich nicht die Güter oder das Gold der Fürsten: ich möchte der Seligkeit Krone ewiglich tragen; die konnte einst jener Söldner (Longinus) mit seiner Lanze erlangen. Könnte ich die willkommne Kriegsfahrt übers Meer tun, so würde ich dann Heil! singen und niemals mehr: Wehe! Niemals mehr: Wehe!
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Owê wie uns mit süezen |
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dingen ist vergeben! |
ich sihe die gallen mitten |
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in dem honege sweben: |
diu Welt ist ûzen schœne, |
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wîz grüen unde rôt, |
und innân swarzer varwe, |
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vinster sam der tôt. |
swen si nû habe verleitet, |
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der schouwe sînen trôst: |
er wirt mit swacher buoze |
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grôzer sünde erlôst. |
dar an gedenkent, ritter: |
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ez ist iuwer dinc. |
ir tragent die liehten helme |
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und manegen herten rinc, |
dar zuo die vesten schilte |
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und diu gewîhten swert. |
wolte got, wan wære ich der |
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sigenünfte wert! |
sô wolte ich nôtic armman |
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verdienen rîchen solt. |
joch meine ich niht die huoben |
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noch der hêrren golt: |
ich wolte sælden krône |
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êweclîchen tragen: |
die mohte ein soldenære |
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mit sîme sper bejagen. |
möht ich die lieben reise |
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gevaren über sê, |
sô wolte ich denne singen wol, |
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und niemer mêr ouwê, |
niemer mêr ouwê.
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