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Als Epilog

Agathons Grab liegt hinter der Ruine des Schlosses Helfenstein, das einzelne verfallene Mauerreste wie bedürftige Arme gegen den grauen, mährischen Himmel streckt. Zu Häupten des Grabes stehen zwei junge Tannenbäume, und zu seinen Füßen beginnt schon der Wald. In den ersten Wochen wanderten Renate und Miriam täglich hinüber und ruhten dort und führten flüsternde Gespräche. Dann aber war es Renate allein, welche kam, denn Miriam zog wieder hinaus, eine Ruhlose, Unbeglückte, um jenes Leben zu führen, von welchem Renate gekommen war. Ihr war es bekannt geworden, daß die Todesnacht zur Nacht der Liebe geworden war, und, bald erfuhr sie es, zur Nacht des Lebens. Sie küßte Renate, aber in ihren Kuß war ein wunderlicher Zorn gemischt, der nichts Persönliches, vielmehr etwas Schicksalsvolles in sich trug.

Renate aber blieb. Das Zimmer des »Turms« war ihre Behausung, und Agathon lebte und atmete mit ihr, ob sie nun schlief oder wachte. Für sie gab es keine Einsamkeit mehr, auch wenn ihr nicht jeder Baum zum lebenden Wesen geworden wäre.

Ihr wurde kein Tag zu lang, und eine jede Nacht brachte den traumlosen Schlaf. Sie stand der Bäuerin Wilmofer zur Seite in den kleinen, leichten Feldarbeiten, und so fühlte sie sich im Dienst der Erde, im Dienst der Fruchtbarkeit. Das Verhältnis zu dieser Bäuerin wurde zur Freundschaft, der ersten und einzigen, die sie im Leben hatte. Gemeinsames war in der Vergangenheit, unzerstörbaren Frieden bot die Gegenwart. Oft kam Marika zu Renate, wollte zuerst Märchen wissen und dann Wahrheiten. Doch eines knüpfte sich ins andere und formte einen schelmischen, graziösen Geist und ein ernstes, lebensvolles, freudebereites Herz.

Der Frühling stand in voller stummer Pracht, als Renate ihrem Vater schrieb. Drei Tage lang schrieb sie an diesem Brief, der eine königliche Würde im Ton enthielt, und dessen geheimnisvolle Zärtlichkeit gleichwohl nicht unverborgen blieb. Die Unwissende war nun wissend geworden, das ungekannte Ziel war erreicht, keine Finsternis bestand mehr; so durfte sie sagen, was in ihr lebendig war und einen eilfertigen Fluch als nicht geschehen betrachten. Und die Antwort kam wenige Tage darauf, die rasche Antwort eines Vereinsamten. Es waren tastende Worte voll unsicheren Gefühls, halb trotzig und halb beschämt. Doch einen Monat später, da erschien er selbst und stand bald mit Renate am Grab ihres Gatten. Doch eine Einsamkeit wie diese war nicht für den Frühgealterten, der keines seiner Lebensbedürfnisse zu missen vermochte. Nach acht Tagen reiste er wieder ab und wußte, daß er ein Kind neu gewonnen hatte, dessen tiefes Wesen ihn mit Ueberraschungen erfüllte und ihn Vergangenes betrauern ließ.

So vergingen die Monate, und als Renate einem Knaben das Leben gab, nannte sie ihn Beatus. Er hatte Agathons Stirne und Agathons Augen, doch Renates bangen und zugleich entschlossenen Mund. Und nun kamen Wochen und Monate und Jahre der Herrlichkeit für Renate, die Mutter. Sich selbst und den unsichtbaren Geliebten sah sie neu aufleben in einer vollkommeneren und reineren Gestalt. Beatus erschien ihr der Sonne verwandt; sie selbst empfing Wärme und Leben durch ihn, und alle Aeußerungen seines Daseins erschienen ihr wie die unmittelbaren Kräfte der Natur, die seine wahre Lehrerin wurde, fern von den Städten, den Menschen. Und wenn Renate mit Beatus auf dem zerbrochenen Schloßwall stand und aufmerksam über die friedliche Ebene blickte, an deren Rand die Sonne hinabglitt, war es, als stünde sie auf den Trümmern der Vergangenheit und vermöchte im Geist das Kommen eines neuen Geschlechts erschauen, das stark war durch die Bestimmung zur Liebe.

 

Ende.


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