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Im Walde, in heißer, menschenverlassener Nacht blieben sie nicht. In die Klinik kehrte Alfred zurück, Milada in ihr wüst zerrauftes Zimmer, in das tägliche Elend, in den Hungerturm, vier Treppen hoch! Alfred brachte Geschenke, Ringe, Ketten, Blumen, Obst, Zigaretten. Eßbares aß Milada, mit Zigaretten vertrieb sie den Hunger, den Schmuck versetzte sie eilig im Pfandhaus. Demütigung fühlte sie nicht. Viele Rollen studierte sie von neuem, gieriger als je nach krachendem Applaus, nach durchschlagendem Erfolg. Das Sprechen tat ihr weh in der Narbe, aber deklamieren war Wonne, Wonne waren die großen Gesten, die hinter dem Rücken wild verschränkten Arme, die brutal vorgestoßenen Brüste, unfühlbar war der Schmerz der Narbe, wenn sie in ihrem Zimmer vor ihrem Spiegel Probe hielt.
Agenten näherten sich ihr, gratulierten zur glücklichen Operation, zu den guten Reklamenotizen in der Zeitung, sie versprachen Probeengagements, guten Beginn in der Provinz, wollten sie nur erst sehen in luxuriösen, tadellosen Kostümen, sie hielten viel von ihrem Talent, ihrer noch etwas exaltierten Begabung, mehr noch von ihrer dekorativen Erscheinung, »so ein schönes Kind, eine Figur, prima, prima, die jedes moderne Kostüm zur vollsten Geltung kommen ließ«. »Ach, gehen Sie mit dem historischen Glump. Das zieht nimmer. Lady Macbeth ist eine Rolle für Tourneen, aber nicht für den Anfang.« – Aber Lulu? Fräulein Julie? Die Zarin? Franziska? Penthesilea? Judith? – Alte Fetzen wallten im Schrank, aber Geld und Kostüme fehlten. Mit bitterbösem Gesicht, in ewigem Hunger, in kaum unterdrückter Wut sah sie Alfred wieder. Alfred war gut, stark, nichts als Liebe. Sie wollte Liebe, sie brauchte Liebe, jetzt mehr als früher, aber sie wollte auch Geld, sie wollte Kostüme, »wie sie die Welt noch nicht gesehen hatte«, Schmuck, Parfüms, den Wagen zum Theater, den Neid der anderen.
Alfred brachte abends einen schönen Ring, einen ovalen Saphir, in Platin gefaßt. Die Nacht war so herrlich, Bewußtlosigkeit war ausgeschüttet von Alfreds wilder Liebe, stummen Küssen in der Dunkelheit, seine Hand an ihrem Nacken, aufhebend das Haar, eisenstarke Wellen fluteten sie fort; von Hunger, von Angst, von allem riß Alfred sie frei. Worte wurden nicht gewechselt, und nichts blieb am nächsten Tag als das wüst zerraufte Zimmer; die Kleider mußte sie selbst bürsten, hatte die Blusen im Waschbecken zu putzen, fort die Gedanken von Alfred, fort von den Rollen: nur Sorge gab es um den täglichen Bissen Brot. Sie zwang sich auf die Straße, die boshaft lärmende, unter die gemeinen Blicke der Damen, unter die Stimmen von eleganten Pärchen, die zischelten über ihren abgetretenen Rock, über ihre grauen Schuhe. So griff sie nach dem schönen, edlen Ring, sicherlich war er eine Monatsgage wert.
Am nächsten Tag war er versetzt; dem Agenten Baumöhl, einem Allerweltsagenten mit guten Beziehungen zur Presse, mußte sie einen Vorschuß geben, damit er etwas tue, endlich die Welt für sie in Bewegung setze.
Böse wurde die Zeit, man sprach vom Krieg, niemand, kein Theaterdirektor mochte sich binden. Stunden durchwartete Milada in Theaterbibliotheken, um den Regisseur endlich zu sprechen; spät am Mittag kam er, staubbedeckt, von der Probe ermüdet, in der er »Blut geschwitzt hatte«, um anderen Schauspielerinnen Miladas ersehnte Rollen, Miladas fanatisch ersehnte Rollen einzubläuen. Nun hatte er keine Zeit, kein Animo mehr, höfliches Bedauern schleimte er ihr entgegen, seine letzte Ausflucht war: »An der Toilettenfrage würde die Sache ja doch wieder schief gehen, wie schon früher. Traurig, aber wahr!«
Der Spiegel daheim war gut. Hier gab es immer Theater. In altes Gold gerahmt, stand er hoch im Zimmer, dem vom Elend ausgeräumten. Am Boden zündete Milada Lichter an, Rampenlicht kopierend. Weich fühlte sie Kerzenlicht emporhauchen, duftend nach Theatergarderobe, duftend nach früher Jugend, nach Nachttischkerzen neben ihrem Kinderbett.
Gut bekannt war sie im Kaffeehaus, freundlich plauderte sie (ein nie gesättigter Dämon) mit der Kassiererin, schluckte säuerliches Mitleid, aß »etwas ältere Kuchen«, die man ihr schenkte, lungernd durchstrich sie, in abgetragene Fetzen gehüllt, amerikanische Modeblätter, mußte herrlichste Toiletten sehen, berauschende Eleganz, von der talentlosen Kollegin mit einem Kreuzchen bezeichnet und bestellt beim teuersten Schneider. Der Kellner, den sie nie bezahlte, schlüpfte vorüber, flott balancierend mit Tellern, Tassen, schwerem Beefsteak, vielen Gängen, gehäuftem Sattwerden, gehäuftem Neid.
Alfred kam. Liebling, wirklich geliebter, endlich, endlich geliebter Mensch.
Jetzt war er Mann, straff in Gesundheit, braun von Sonne, stark, sich freuend seiner Stärke, entkettet war sein Gesicht, mitatmend mit den anderen sein Blick. Er liebte Milada; Freude zu zeugen, aufzurühren wonnevollste Nerven in ihr, sie zu erschüttern bis ins Flattern gesenkter, endlich gesenkter Augenlider durch neue Küsse, ihren Mund, erschlafft von süßer Müdigkeit, zusammenzuringeln in neuer Lust, unerwartet, eisern, männlich, unbegreiflich dem Mädchen – in neue Tiefen das erwachende Bewußtsein niederzudrücken; dieses ungeahnte Glück war nur die Hälfte der Menschlichkeit:
Erschütterbar sein, ihren Schmerz nehmen als den seinen, ihre bitterste Not fühlen an seiner eigenen Zunge, dazu hatte er nicht den Mut, nicht die Kraft. Wirklichkeit war sie noch nicht. Nur ein Nebenleben war die Klinik, angehäuft mit Grauen, mit letzten Augenblicken, mit schauerlicher Betäubung. Gottgewollt waren für ihn die anatomisch nachweisbaren Martern, besänftigt wurden sie durch kunstgerechte Meister-Narkose.
Dumpfe Sorge erweckte Milada, immer noch bleich, wild zerrissenen Gesichts, krank trotz der geheilten Wunde; sie versteckte sich oft hinter verstocktem Benehmen, in tückischem Lachen, unter unbegreiflichen Launen: wenn er ein Kästchen mit ägyptischen Zigaretten, zu hundert Stück verpackt, brachte und das Siegel aufreißen wollte, schlug sie gehässig seine Hand weg, räumte das Kästchen eilig beiseite. Abends ließ sie ihn nicht in ihr Zimmer, lange ließ sie ihn klopfen, tückisch blinkend durch das Glas in der Tür, endlich öffnete sie, bat flüsternd, er solle unten beim Tor warten, da Verwandte bei ihr zu Besuch wären, fremde Kinder, ein Student aus der Provinz.
Unheimlich war die Zeit, unsicher alles, da selbst der Thronfolger und seine Gattin, goldstrahlende Fürsten, durch Revolverschüsse in drei Minuten vernichtet waren, das Gerede vom Krieg, von Verschwörung nicht mehr verstummte, und des Vaters Börsenpapiere unaufhörlich sanken.
Aber sicher war doch Miladas, des Vaters Liebe, die ihm in unzähligen kleinen Zügen Liebes taten.
Sicher war seine Arbeit, die zarte Narkose, unfehlbar schmerzlösend: kleine Kinder wurden narkotisiert, schnell und selig schnauften sie aus winzigen Nüstern, schliefen wie Metall so tief, während mit scharfem Messer der von Geburt durchlöcherte Gaumen aufgeschnitten und nachher mit Bronzedraht oder starker Seide wieder genäht wurde.
Abend kam, der Abend des Ultimatums an Serbien, die endlich gelöste Sorge.
Von weißem Staub war der Himmel erfüllt, Himmel selbst hier auf dem Fensterplatz des Theatercafés, die Sonne war im Untergehen, purpurne Wolken, Vorberge, Stufen gewaltiger Himmel, unbeweglich, erstarrt in der Hitze des Tages.
Stumm saßen Alfred und Milada.
Der Vater hockte krummen Rückens im Spielzimmer, dämpfte die schreckliche Aufregung durch Hasardspiel, Bockydomino klappernd, rechts hatte er Baumöhl, links Aiblhuber, zu seinen Füßen seinen eleganten Hund. Der Theaterregisseur ging vorbei, suchte irgend jemand; an Milada strich er glatt vorüber, stierte sie frech an, grüßte nicht.
»Alfred!«
»Milada?«
»Bitte, bei deinem Papa sitzt Baumöhl; geh zu ihm, sag ihm, ich will mit ihm sprechen.«
»Baumöhl?«
»Ja ja, bitte schnell!«
Er ging an den Spieltisch, die Dominopartie war im Zug, der Vater im Gewinnen, ungeduldig winkte er Alfred ab. Alfred sprach mit Baumöhl. »Ja, gewiß, den Damen stets zu Diensten, aber die Partie?«
»Ich spiele für Sie!« sagte Alfred.
»Nun, Herr Baumöhl, was bringen Sie?«
»Nichts!«
»Immer noch nichts!«
»Leider.«
»Was soll ich tun? So geht's nicht weiter!«
»Wem sagen Sie das? Übrigens, in welchem Aufzug kommen Sie auch ins Café, liebes Kind«, sagte Baumöhl, »da ... Schatz!« Und er stieß mit seinem spitzen Lackschuh nach Miladas rechtem Schuh, der eine zerrissene Sohle nach aufwärts kehrte.
»Wenn Sie ein solches Plakat heraushängen ... ich werde offen mit Ihnen reden; Geschäft ist Geschäft und Tachles ist kein Kinderspiel ... ein hoher Herr interessiert sich für Sie; sie sind beide keine Kinder, Sie wissen und er weiß; er sitzt sehr hoch oben und hat alles in der Hand: ein Engagement, sogar einen standesgemäßen Vorschuß ... Presse, Zukunft, Sicherheit!«
»Und die Bedingungen?«
»Nu, Sie fragen noch? Soll ich Ihnen Komplimente machen, mein Kind? Aber wenn Sie sich entscheiden, entscheiden Sie sich schnell! Sie kennen ihn, er kennt Sie auch ... Geld spielt bei ihm keine Rolle, das sage ich Ihnen im Vertrauen ... er interessiert sich wirklich für Sie ... mit einem Wort, ein Kavalier!«
»Und bis wann muß ich mich entscheiden?«
»Aufs Datum kommt's ja nicht an. Sie sehen, er ist Ihnen wirklich von Herzen treu. Ihre Gefühle können noch werden, seine Gefühle bleiben. Am besten lieber heute als morgen. Ich werde Ihnen die Sache erleichtern, ich schicke ihn heute abend zu Ihnen. Und als Revanche geben Sie mir eine bessere Provision von Ihrer Gage!«
»Wieviel?«
»Wieviel? Sagen wir fünfunddreißig Prozent!«
»Das ist Erpressung!«
»Man könnte wirklich glauben, Sie sagen das im Ernst. Was wollen Sie? So sitzen Sie da und verdienen nicht einmal Geld auf Sohlen ... Ach nein, o nein. Müssen Sie? Sie müssen ja nicht ... Werden Sie Sitzkassiererin im Pariser Café. Bei Ihrer Figur! Oder aber ... mein Kind, das gehört zum Geschäft, und Sie haben wirklich genug mitgemacht ... es wäre zu schade um Ihr Talent ... Ich bin durchdrungen von Ihrem Talent! Ich garantiere Ihnen eine glänzende Presse! Treten Sie nur erst auf! Ich werde für Sie sorgen! Sie sollen sehen, im Feuilleton! ... Ich werde Ihnen noch etwas sagen, die Schwabinger hat die Rolle noch nicht ... wenn ...«
»Ich habe aber ...«
»Sie hat die bewußte Riesenrolle noch nicht. Wenn ich Ihnen sag, ich weiß, können Sie einem Ehrenmann glauben, daß er wirklich weiß. Aber: für Sie, wenn, ist jetzt die höchste Eisenbahn, und was den Dawidowitsch junior betrifft ...«
»Kusch!« sagte Milada.
»Kusch!« hörte Alfred, zurückkehrend zur Geliebten, einen bösen Schlag, einen scharfen Riemen, gellend durch die Luft des Kaffeehauses.
»Ich sehe, Sie sind entschlossen«, sagte Baumöhl, »empfehle mich den Herrschaften, küß die Hand, gnädiges Fräulein!« – Alfred schwieg, kehrte zurück zum Vater (Baumöhl in seinem Rücken, zischelnd bei Milada), um dem Vater Adieu zu sagen.
Der Vater, im Verlieren, heiser hinflüsternd zu Alfred: »Du mußt dich ... mit einem stadtbekannten Laster ... nicht ausgerechnet im Kaffeehaus zeigen ... Alfred!«
Alfred schwieg, Baumöhl kam, Alfred ging.
»Milada, wir wollen gehen.«
»Ja.«
»Wohin?«
»Zu dir.«
»Ja.«
»Ich will erst zahlen.«
»Nicht für mich!«
»Kellner, wieviel?«
»Für die Dame auch? Siebzehn Kronen, dreiundfünfzig Heller.«
»Siebzehn Kronen?«
»Siebzehn Kronen, dreiundfünfzig Heller. Achtzehn Kaffee, einundzwanzig Brot, achtundsechzig Bäckerei, davon die Zigaretten abgezogen ...«
»Welche Zigaretten?«
»Nun, die hundert Ägyptischen, welche die Dame hergebracht hat zum eventuellen Wiederverkauf, nicht? Pardon!«
Lange schwieg Milada, entschlossen zum plötzlichen Bruch, zum abgekürzten Verfahren. Die Wut schlafloser Nächte, arme, überwältigte Existenz sammelte sich im Dunkel des Zimmers in gelb glitzerndem Blick.
»Wie sieht es da aus?« sagte Alfred. »Was geht da vor? Wo sind die Betten? Das ganze Zimmer ist ja ausgeräumt. Waren Diebe bei dir?«
»Ja, Diebe?« Milada lachte zitternde Wut.
»Schämst du dich gar nicht?«
»Vor dir? Vor meinem Alfred? Da ... da ... da ...!« Krachend riß sie ihre Kleider herab, entschlossen, fertig zu werden mit ihm, sich loszureißen auf immer; schmutzige Wäsche, verwelkt im Schmutzstaub der Straßen, umzottelte gelbgefleckt ihre schlanke Gestalt.
»Hast du nicht einmal Geld für Wäsche? Du verkommst im Schmutz? So weit mußte es nicht kommen.«
»Wie weit?«
»So weit!«
»Hast du jetzt genug? Oder ...?«
»Weshalb bist du so heruntergekommen?«
»Weil ich nichts zum Fressen habe, sehr einfach.«
»Nichts zum Essen?«
»Nichts zum Fressen. Im Spital seligen Angedenkens habe ich zum letztenmal diniert ...«
»Und sagst nichts?«
»Wem?«
»Mir!«
»Soll ich dir aus der Hand fressen? Könnte ich dir nur deine lumpigen fünfzehn Kronen ins Gesicht schlagen.«
»Wozu die Theaterszenen? Wozu das Geweine? Wenn du mich wirklich liebst, erspare mir die ewigen Aufregungen ... Aufregungen habe ich wirklich genug in der Klinik, das solltest du wissen. Ich habe schwere Arbeit. Was hast du? Arbeite! Jeder ordentliche Mensch findet sein Brot ... kannst du denn nicht arbeiten, dir selbst dein bißchen Brot verdienen? Für mich bist du Milada, mir liegt nichts an deiner Schauspielerei. Ich liebe dich. Ich würde dich ebenso lieben, wenn du ins Geschäft gingest oder in die Fabrik, mit einem Wort: in die Arbeit, wie jeder anständige Mensch!«
»In die Fabrik? Mit der Narbe, mit diesen Armen?« Blasse, blaugeäderte Arme streckten sich vor, über spitze Knochen flirrte elegant das Licht.
»Und meine Geschenke? Der Ring?«
»Da ... der Ring, da ... das Kollier, da ... alles hier ... alles da! Willst du es zurück? Also breit die Hände aus! Fang's, Alfred, da zum Abschied!« Ihrer dicken Handtasche entflatterten unzählige Pfandscheine. »Was soll ich noch verkaufen, was noch? Das Bettgewand trag ich im Binkel ins Versatz, es ist ja Sommer, und ich bin noch jung ... ich hab' ja noch etwas, das vielleicht?« Sie hob eine alte Federboa vom Stuhl, eine weiß gekräuselte Schlange, braun getigert durch Zigarettenbrand ... »Das vielleicht?« Der verbrauchte Schminkfetzen, blau und gelb und schwarz starrend in talkigem Fett, rührte sie zu tiefster Bitterkeit, Theater, selig Versunkenes, machte sie weinen, aber noch hielt sie starr ihr Gesicht in der geballten Seele! »Genug? Gehen wir?« fragte sie.
»Ja, gehen wir; du willst ja nur nicht. Du fühlst dich wohl in dem ärgsten Schmutz, du bist nicht zu retten ... Bohème ... Wenn du nur ernstlich wolltest... es gibt noch genug Sachen, der Spiegel da, alte Arbeit, ist hundert Kronen wert. Hundert Kronen sind hundert Kronen!«
Unendliche Wut überrannte Milada. Mit springendem Schlag und eisernen Gelenken riß sie an dem Gold des Spiegels herum, gewaltig schwankten Licht, Straßenbäume, blinkende Fensterreihen Alfred entgegen, niederwuchtete das Weib in besinnungslosem Zorn das schwere Glas, dem Geliebten stürzte sie selbst entgegen:
»Jetzt! Fort! Geh!«
»Milada!«
»Keine Milada mehr! Ich bin nicht mehr zu retten, ich lasse mich nicht retten. Jetzt habt ihr mich nicht zusammengeschnallt, jetzt hast du kein Narkoseflaschel bei dir! Mit Menschenliebe wollt ihr einen retten, aber nicht einmal Pferdefleisch kaufe ich mir für eure Menschenliebe! Du liebst mich, und so schau ich aus bei deiner Liebe! Behalt dir deine Liebe! Was brauch ich dein Erbarmen? Aus fremder Haut Erbarmen schneiden! Mit den Banknoten in der Tasche den falschen Heiland spielen, da, ich zahl dir alles zurück: Tausender, Tausender, meine Tausender!«
Aus ihrer prall gefüllten Geldbörse sprühte hervor struppiger Tabak, weißes Zigarettenpapier.
»Krepieren laßt ihr einen nicht ... Komm wieder! Um zehn oder elf ist alles vorbei ... Aber jetzt geh, ich muß aufräumen, mich fesch herrichten, ich erwarte einen Herrn ... Worauf wartest du noch, du? Mein Galan, der bessere Herr in reiferen Jahren, zehn Kronen Trinkgeld dem Portier, das ist meine Fabrik! Eine Stunde jeden Tag, und dafür gibt es alles, Kostüme von Poiret und die größten Rollen und ein Feuilleton! Wart nur, morgen! Morgen komm, morgen! Morgen bin ich sauber und pikant ... wie ein Mädel vom Ballett ... Spitzenhoserln und seidene Strumpfbänder und vollgefressen bis oben hinauf, so wollt ihr's ja von einem, schmutzige Schweine alle ... vollgefressene!«
Die Sonne, sich spiegelnd in den spitzen Trümmern des Spiegels, überspritzte Miladas Gesicht von unten her mit weißem Glanz. In zuckenden Tränengrimassen endete Miladas gemeine Wut.