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9. Kapitel.
Der Befreier Italiens.

Auf dem Totenbette hatte der sterbende Kaiser dem Kronprinzen das Versprechen abgenommen, nicht eher das Schwert aus der Hand zu legen, bis der Erbfolgekrieg zugunsten des Erzhauses entschieden sei. Nun war der Fürst in der Kapuzinergruft zur letzten Ruhe gebettet, und Kaiser Josef I. ergriff die Zügel der Regierung. Ein tatkräftiger Monarch, nahm er die vom Vater ererbte Aufgabe mit großer Willensstärke in Angriff und war rastlos bestrebt, seinem jüngeren Bruder Karl die Krone Spaniens mit allen Nebenländern zu verschaffen.

Aus Süddeutschland hatte das Waffenglück die Franzosen schon hinausgedrängt, um so sicherer aber fühlten sich die Eindringlinge in den italienischen Provinzen. Dort führten die Brüder Vendôme das große Wort. Der Herzog von Vendôme war ein tüchtiger Soldat, und unser Prinz Eugen mußte vor ihm wohl auf der Hut sein. Mit dem Großprior, dem Bruder des Herzogs, wäre der Prinz allein leicht fertiggeworden, denn der geistliche Herr war kein besonderer Krieger, obwohl er sich für einen Julius Cäsar hielt. Eugen konnte ihn weidlich foppen, darum wußte der Großprior nie, wo sich die Kaiserlichen gerade aufhielten. Auch am 16. August – man schrieb das Jahr 1705 – hatte der Kirchenfürst im Waffenrock keine Ahnung, wie nahe ihm Eugenius war. Sie standen einander beim Städtlein Cassano gegenüber, und der Prior hätte die Deutschen in seiner Einfalt ruhig über den Fluß Adda gelassen, wäre ihm nicht rechtzeitig durch den Bruder ein Eilbote mit einem Donnerwetter des erzürnten Herzogs ins Lager geschickt worden.

Der Prinz von Savoyen verfügte über eine recht bescheidene Macht. Seine Kerntruppen waren die achttausend Preußen unter dem Fürsten Leopold von Dessau. Ganz nahe bei Cassano ragt aus den Fluten der Adda eine Insel hervor, und mehrere Kanäle münden in den Fluß, der von einer breiten Steinbrücke überwölbt ist. Dieser Brücke wollte Eugenius sich bemächtigen, doch der Großprior war bereits von seinem Bruder gewarnt und ließ die Kaiserlichen nicht über den Fluß. Eine massiv gebaute Herberge (die Italiener nennen solch eine Dorfschenke Osteria) hatten die Franzosen schnell in eine Festung umgewandelt, selbst von der nahen Insel drohten Geschützrohre herüber. So war es keine Spielerei für die Österreicher, hier den Übergang zu wagen, denn der Kriegsmann in der Kutte hatte auch hinter den Kanälen einige Regimenter aufgestellt und beherrschte die Brücke völlig.

Trotzdem donnerten die Kanonen Eugens bald ihren Waffengruß hinüber und eröffneten die Schlacht. Im Nu war die Osteria genommen, und schon lief das deutsche Fußvolk zu den Kanälen, um hurtig die Schleusen herabzulassen und so das Wasser zu sperren. Die unerschrockenen Leute hatten sich diese Arbeit leichter vorgestellt und glaubten, schnell damit fertig zu werden; doch das Schließen der Wehr ging nur mühselig vonstatten. Die Soldaten wußten nicht recht mit der Schleuse umzugehen, und während sie noch laut berieten, wie der Kanal zu schließen sei, waren ihnen die Franzosen schon auf dem Halse, drängten sie zurück und nahmen gleich auch die Osteria wieder in Besitz.

Abermals und noch ein drittes Mal stürmte der Prinz gegen den Feind. Zweimal schon wehte die Kaiserstandarte auf dem Wirtshaus, und einmal war sogar die Brücke bereits im Besitze der Deutschen. Doch das französische Geschützfeuer spie gar zu großes Verderben in die Reihen der Kaiserlichen, und jetzt rückte dem Großprior auch der Herzog von Vendôme zu Hilfe. Das gab einen gewaltigen Zusammenstoß. Der Marschall rannte gegen die Grenadiere des Dessauers an, und Fürst Leopold allen voran fuhr wie der Blitz in den Feind. Die Preußen hatten in ihrer Ungeduld, nur recht schnell den Franzosen den Weg zu versperren, die Kanäle durchwatet, und Mann gegen Mann mit aufgepflanztem Bajonett wurde jetzt um jeden Fuß Erde gekämpft. Die blonden Riesen des Dessauers mußten, so ungestüm sie vorwärtsgestrebt, doch wieder zurück. Die Geschütze rissen gar zu weite Lücken in die Reihen der Brandenburger.

Das war kein feiges Zurückweichen. Es galt nur, ein wenig Luft zu schöpfen, gleich wieder sprangen sie in die Feuerlinie, bis an die Hüften im Wasser watend. Zwei Kanäle schon waren überwunden, als der mörderische Kugelregen der französischen Artillerie den sieghaften Ansturm erneut zum Stehen brachte. Fürst Leopold wollte nicht locker lassen: noch einmal mußten die Grenadiere durch das nasse Element in den heißen Willkomm der Feinde. Vergebliche Mühe, zu grauenhaft wüteten die Bomben und Granaten unter den braven Märkern!

Der Dessauer fluchte, und sein dicker Schnurrbart sträubte sich vor Zorn. Aber die Franzosen waren gar zu gut postiert, und Feldmarschall Eugen, dessen Edelmut nicht weiter dulden mochte, daß die erfolglosen Opfer dieses Tages ins Unendliche wuchsen, machte dem blutigen Treffen schnell entschlossen ein Ende. Auch er selbst war durch einen Streifschuß nicht unerheblich am Halse verwundet. Als der späte Nachmittag den Waffen des Kaisers noch immer kein Glück beschert hatte, ließ der Prinz abblasen, und murrend über das vorzeitige Ende des Tanzes stieß der Dessauer zu den Regimentern des Prinzen von Savoyen. Zu Tode erschöpft, aber in strammer Haltung marschierten die vereinigten Truppen wohlgeordnet vom Schlachtfelde; fast jeder sechste Mann war auf der Walstatt geblieben. Doch ihre Waffenehre hatten die Deutschen am Tage von Cassano ruhmvoll gewahrt. Die Männer, die an diesem Abend ihr festes Lager bezogen, durften mit reinem Gewissen der Ruhe pflegen; sie hatten ihre Pflicht getan, und das ist das Beste, was ein Mensch von sich sagen kann.

Der Übergang über die Adda war mißglückt. Nochmals den Versuch zu unternehmen, konnte Eugenius mit seinem ausgehungerten, elend verpflegten Heere nicht wagen. Noch vor der mörderischen Schlacht bei Cassano hatte der Prinz aus der traurigen Verfassung seiner Truppen kein Geheimnis gemacht und dem Kaiser berichtet: »Die Regimenter sind ohne Montur, so daß sich die Offiziere schämen, sie zu befehligen. Sendet man ein Kommando nur eine Stunde weit aus, bleibt gewiß die Hälfte der Soldaten vor Mattigkeit an der Straße liegen. Die ausgehungerten Leute gleichen eher Schatten als lebenden Menschen.«

Und mit solch einer Armee sollte der edle Ritter Siege erfechten, das muteten ihm die Herren am grünen Tisch zu. Ja, jetzt, da das Treffen von Cassano so erfolglos geendet, sparte man sogar nicht mit Vorwürfen. Ein jeder große Mann hat Feinde, und auch Eugenius bekam oft genug die Schlangenbisse der Neider zu fühlen. Nun erhoben seine Gegner am Kaiserhofe wieder laut ihre Stimmen, verdächtigten und verleumdeten ihn und sagten ganz unverhohlen, der Prinz hätte eine Schlacht vermeiden sollen. Zum Glück wußte Kaiser Josef I. den Wert des Prinzen von Savoyen zu schätzen. Auf den Wink des Herrschers verstummten die Hofschranzen und wagten nur noch heimlich die Fäuste zu ballen.

Es stand schlimm um die Sache des Kaisers in Italien. »Ich werde vor Gott, vor Eurer Majestät und der ganzen Welt entschuldigt sein,« schreibt Eugenius, »wenn alles auf einmal in Trümmer geht, wie das denn auch von Tag zu Tag wirklich zu erwarten ist. Ich stelle Eurer Majestät anheim, zu beurteilen, wie mir bei einem Kommando zumute sein muß, bei dem ich weder Hilfe noch Rettung sehe. Leib und Leben, Gut und Blut bin ich zwar schuldig, Eurer Majestät aufzuopfern; daß ich aber dabei Ehre und Reputation vor der Welt verlieren soll, das schmerzt sehr, und Eure Majestät werden einsehen, daß es mir tausendmal ärger fällt als der Tod.«

In dieser hoffnungslosen Stimmung traf den Prinzen eine Botschaft, die ihn wieder mutvoller in die Zukunft blicken ließ. Der kriegserfahrene Marschall Vendôme war plötzlich aus Italien abberufen worden. Es ging den Franzosen nicht gut auf dem nördlichen Kriegsschauplatz. Marlborough machte ihnen in Holland die Hölle heiß, und Vendôme mußte daher den unfähigen Villeroy schnell ablösen. So wurde unser Eugenius durch einen glücklichen Zufall von einem Manne befreit, den er als ebenbürtigen Gegner kennen gelernt hatte.

Das Kommando im Süden bekam jetzt der unerfahrene Herzog von Orleans. Der junge Herr verdankte diese Auszeichnung einzig seiner nahen Verwandtschaft mit dem König von Frankreich. Trotzdem hielt sich der neugebackene Marschall für ein großes Feldherrngenie und geriet in Uneinigkeit mit dem ihm zugeteilten General Marsin. Da fiel ein neuer Hoffnungsstrahl in das verdüsterte Gemüt unsers Helden. Als Marlborough nun auch noch für das notleidende Heer des Prinzen Eugen in England an fünf Millionen Mark zusammenbrachte und der Dessauer vom preußischen König die Erlaubnis erhielt, auch weiterhin mit seinen Grenadieren in Italien zu bleiben, da waren die größten Sorgen von des Prinzen Seele gewälzt.

Der Herzog Viktor Amadeus von Savoyen hatte für die Untreue gegen den Kaiser den wohlverdienten Lohn empfangen. Nichts war ihm von seinem schönen Lande geblieben, alles hatten die Franzosen dem einstigen Freunde weggenommen; einzig die gut befestigte Hauptstadt Turin diente dem Herzog als letzter Zufluchtsort. Dort saß er eingeschlossen und wartete sehnsüchtig auf Hilfe, denn ein großes Feindesheer rückte eben zur Belagerung heran.

Jetzt auf einmal war der unverläßliche Herzog gut kaiserlich gesinnt. Verzweifelt klammerte er sich an den tapferen Starhemberg, der mit kaum siebentausend Mann in der Stadt stand und die Residenz des bedrängten Italieners vor einer riesigen Übermacht schützen sollte. Starhemberg versprach, nach Kräften dreinzuschlagen, und das konnte man dem alterprobten Haudegen glauben. Er hatte den trefflichen Feldzeugmeister Daun bei sich, dessen Tapferkeit auch nicht zu unterschätzen war. Aber das Häuflein deutscher Truppen konnte auf die Dauer, wenn nicht bald sichere Hilfe kam, keinen Widerstand leisten. Darin waren Daun und Starhemberg einig, und sie hofften nur, Prinz Eugen werde bald die Not der Seinen erfahren. Und richtig, der edle Ritter wußte schon von der Gefahr, die Turin bedrohte. Er rückte unter schweren Kämpfen und Hindernissen aller Art unaufhaltsam zum Entsatz der eingeschlossenen Deutschen heran.

Vierzigtausend französische Streiter waren aufgeboten, das stark befestigte Turin zu bezwingen. Eugenius zählte nur dreißigtausend Soldaten unter seinen Fahnen; davon kam ein stattlicher Teil auf die Bataillone des trutzigen Dessauers, der mit seinen Preußen immer wacker dabei war. Nun hieß es für die deutschen Truppen im Sturmschritt marschieren, damit man rascher am Platz sei als die Franzosen. Es gelang: Prinz Eugen traf vor dem Feinde ein. Nachdem die Zimmerleute Eugens schnell eine Schiffsbrücke über den Po geschlagen hatten, überschritten die Österreicher mit den verbündeten Preußen an der Spitze den Fluß. Sie hatten die französischen Schanzen klugerweise links liegen lassen, indem sie diese umgingen, und bezogen am Abend des 6. Septembers 1706 zwischen zwei schützenden Zuflüssen des Po ein festes Lager.

Schon beim ersten Morgengrauen des 7. Septembers eröffnete Prinz Eugen den Kampf. Er hatte die verbündeten Truppen in zwei Treffen geteilt, und während seine Kolonnen wie zu einer Parade aufmarschierten, entwickelte sich auf beiden Seiten ein heftiges Geschützfeuer. Das Gebrüll der Kanonen weckte die eingeschlossene Stadt aus dem ersten Morgenschlummer. Man lauschte dem fernen Artilleriegefecht, und in aller Mund wurde der Ruf laut: »Feldmarschall Prinz Eugen ist da!« Wie sehnsüchtig war unser Held erwartet worden! Nun rüstete sich auch die Besatzung von Turin, an dem Kampfe teilzunehmen, der draußen vor den Toren bereits zwei Stunden lang wogte.

Graf Daun stand schnell mit zwölf Bataillonen, vierhundert Grenadieren, fünfhundert Reitern und sechs Geschützen zum kühnen Ausfall fertig. Jetzt rasselten die Ketten des Tores, ein schmetternder Trompetenstoß, und Feldzeugmeister Daun führte seine Soldaten mitten ins heißeste Treffen hinein. Wie ein Meer brandete draußen der Kampf, aber auf den Wällen standen dichtgeschart die Einwohner von Turin; sie bestiegen die Türme der Stadt und die Dächer der Häuser, um Zeugen zu sein der großen Entscheidung, die über ihre Befreiung oder ihren völligen Untergang bestimmen sollte.

An diesen 7. September sollten die Franzosen lange denken. Eugenius bewies wieder einmal, daß er der geborene Sieger war, dessen eisenfester Wille ein ganzes Heer in Banden schlug, und der das Schicksal von Völkern mit dem Wink seines Marschallstabes entschied. Mörderisch war das Ringen um den Besitz der französischen Verschanzungen. Großes leisteten die Preußen, die Fürst Leopold von Dessau zuerst an den Feind heranführte. Ohne mit der Wimper zu zucken, marschierten die Grenadiere in ein entsetzliches Feuer hinein, und nicht ein einziger Schuß fiel aus ihren Reihen, weil es so befohlen war. Wohl wankten die Braven, als sie auch an der Flanke gefaßt in eine gefährliche Lage gerieten, und suchten jetzt durch ein heftiges Bataillonsfeuer ihre Stellung zu befestigen; aber Eugen sprang den Preußen mit seinem linken Flügel bei und zog vorsichtig das Zentrum und den rechten Flügel nach.

Nun wurde überall gekämpft und überall mit tapferer Hartnäckigkeit um den Preis des Tages gerungen. Unentschieden durfte diese Schlacht nicht vorübergehen, das fühlte Prinz Eugen, und so zögerte er keinen Augenblick, sein eignes Leben für den Sieg in die Schanze zu schlagen. Denn Turin mußte befreit werden, nicht eher war Italien von den Franzosen erlöst.

Wie ein einfacher Soldat kämpft der edle Ritter inmitten der Preußen, deren Reihen durch ihre Tollkühnheit schon stark gelichtet sind. Er führt diese Kerntruppen seines Heeres an der Seite des grimmigen Dessauers zum Sturm gegen die starken Verschanzungen des Feindes. Rings um den Feldherrn beginnt ein wildes Handgemenge. Sein Page fällt, zu Tode getroffen sinkt sein Diener zur Erde, und jetzt bricht auch Eugenius zusammen und verschwindet im Gewühl der ringenden Kämpfer. Doch schon arbeitet er sich aus dem wüsten Knäuel, denn nur sein Pferd ist getötet worden, und der Schreckensruf der Truppen verwandelt sich in Jubel. Seinen Hut schwingt Eugenius, und indem er ein neues Schlachtroß besteigt, ruft er schmetternd: »Ich bin noch da!«

Und weiter rast der Kampf. Die Preußen überspringen den Graben, bahnen sich mit dem Gewehrkolben und dem Bajonett einen Weg über die Wälle und rennen die Franzosen über den Haufen. Die andern Brüder folgen, auch Starhembergs Regimenter sind da. Die französischen Kanonen werden schnell umgedreht, so bekommt der fliehende Feind seine eignen Geschosse zu fühlen.

Leicht war der Sieg nicht, er mußte teuer erkauft werden. Auf allen Punkten war es dreimal oder oft auch viermal nötig, die Schanzen zu stürmen, ehe sie den Verbündeten in die Hände fielen. Dreimal und selbst viermal warfen die Franzosen die Soldaten Eugens und des Herzogs von Savoyen wieder zurück. Und dreimal oder viermal mußten die hartnäckigen Stürmer ihr Glück aufs neue versuchen, ehe Philipp von Orleans und Marschall Marsin ihre Sache verloren gaben. Nun aber vermochten die französischen Führer ihre Leute nicht mehr zu halten; überall floh in wildester Verwirrung der Feind, und das geschlagene Heer drängte dem Po zu. Dort stand der wachsame Graf Daun auf der Lauer und trieb die Franzosen in die Fluten des Flusses. Damit war Ludwigs XIV. prächtiges Heer vollständig vernichtet und Turin befreit. Als Prinz Eugen am Abend über das Schlachtfeld ritt, durfte er mit freudigem Stolz ausrufen: »Nun ist ganz Italien unser, seine Eroberung wird uns nicht mehr viel kosten!«

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Schlacht bei Turin am 7. September 1706. Nach einem Kupferstich von Huchtenburg.

Nun ist ganz Italien unser – der Feldmarschall sollte mit diesem Ausspruch recht behalten. Wie Kinderspiel war die Eroberung des Königreichs Neapel, das die Franzosen noch besetzt hielten. Binnen fünf Monaten gelang es den Kaiserlichen unter Dauns Führung, das ganze Königreich in Besitz zu nehmen. Der Herzog von Orleans war Hals über Kopf mit dem geschlagenen Heer aus Italien abgerückt, und das Volk zeigte sich hocherfreut, vom Joch der Fremdherrschaft erlöst zu sein. Begeistert grüßte die Menge Österreichs Fahnen und huldigte dem Erzherzog Karl als dem angestammten Herrscher. So war dem Bruder Kaiser Josefs der Besitz der italienischen Provinzen nach schweren und harten Kämpfen endlich gesichert, und jetzt entschloß sich auch der Papst, die Erbfolge des Erzhauses in Spanien anzuerkennen.

Überall, wo Prinz Eugen erschien, wurde er unter dem Jubel der Bevölkerung als der Befreier Italiens gefeiert. Ganz Europa staunte seinen persönlichen Mut und sein Feldherrngenie an. Der Sieg vor Turin hatte den Franzosen die Lust zu weiteren Waffentaten im schönen Italien gründlich genommen; im März 1707 unterzeichnete der Prinz zu Mailand eine Vereinbarung, in der sich die Franzosen für ihre letzten Besatzungen den freien Abzug sicherten, während alle festen Plätze ohne Schwertstreich den Deutschen übergeben wurden.

Daß man in Wien am Kaiserhofe dem siegreichen Prinzen die verdienten Ehren erwies, läßt sich leicht denken. Josef I. erhob Eugen von Savoyen zum Gubernator und Statthalter von Mailand, und unter großem Gepränge, Kanonendonner und dem Geläute der Glocken wurde dort Eugenius am 16. April 1707 in sein neues Amt eingeführt. Auch die deutschen Fürsten beschlossen eine großartige Ehrung für den edlen Ritter. Markgraf Ludwig von Baden war gestorben, und an seiner Stelle wurde nun Prinz Eugen zum Reichsfeldmarschall ernannt, welche Würde der deutsche Reichstag mit Brief und Siegel bestätigte. Freilich fügten die Kurfürsten an diese Ernennung das Verlangen, unsern Prinzen sofort mit dem Befehl der Truppen am Rhein betraut zu sehen. Das mußte vorderhand ein frommer Wunsch des deutschen Reichstages bleiben, weil Eugen noch durch ein Versprechen in Italien zurückgehalten war, das die Seemächte vom Kaiser empfangen hatten. Nicht umsonst waren vor dem letzten Feldzug dem Prinzen von Savoyen die Millionen aus Englands Geldschatz zugeflossen. Er hatte dafür dem Plane Englands und Hollands zustimmen müssen, von Italien aus in Frankreich einzufallen. Es war ein glühendes Verlangen der Seemächte, daß Prinz Eugen den Kriegshafen Toulon erobere, weil England hoffte, damit dem gefährlichen Wettbewerb des französischen Handels eine unheilbare Wunde zu schlagen.

Der Prinz von Savoyen hatte wenig Freude an solch einer Aufgabe, die er mit Recht für aussichtslos hielt. Aber der Kaiser hatte nun einmal sein Wort verpfändet und mußte es halten. Auch war man der Königin Anna von England Dank schuldig, weil sie Marlborough an den Berliner Hof gesandt hatte, als der König von Preußen nach der unentschiedenen Schlacht bei Cassano keine Lust mehr zeigte, seine Grenadiere in Italien zu lassen. So blieb dem Prinzen Eugen nichts andres übrig, als den Krieg in das südliche Frankreich zu tragen.

Ludwig XIV. geriet außer sich vor Zorn, als er erfuhr, seine Seestadt Toulon sei bedroht. Längst schon bereute er bitter, den Prinzen zum Feinde zu haben. Jetzt hätte er die höchsten Würden für den verachteten kleinen Abbé bereitgehabt, jetzt, wo er dessen überlegenen Geist zu fühlen bekommen hatte. In Deutschland und Italien hatte ihn Eugenius tief gedemütigt, nun streckte er die Hand sogar nach dem wichtigsten Hafen Frankreichs aus.

Ein beschwerlicher Marsch über die Alpen war geglückt; schon stand das Heer des Prinzen unfern von Toulon und begann mit der Beschießung der Stadt. Mehr zu tun, konnte sich Prinz Eugen nicht entschließen, denn aus ganz Frankreich wurden vom Feinde Truppen herangezogen, die in immer dichteren Massen das feste Lager der Kaiserlichen umzingelten. Eugenius hatte keine Lust, sich den Rückzug abschneiden zu lassen, und meldete dies auch in seinem gewohnten Freimut dem Kaiser. Ohne lange zu zögern, beschloß er, die Belagerung der wohlverwahrten Hafenstadt aufzugeben. Noch ehe die Franzosen den Mut hatten, das kleine Heer Eugens anzugreifen, trat er, von den Kanonen der britischen Flotte beschützt, seinen Rückmarsch an. Diesmal hatte nicht das Schwert, sondern die Klugheit des Helden gesiegt. Er verzichtete auf die Erstürmung Toulons, weil sie seiner Einsicht unerreichbar erschien, und führte das ihm anvertraute Heer wohlbehalten durch Feindesland wieder nach Italien zurück. Das war keine Kleinigkeit, und man sorgte sich in Wien schon um das Schicksal der Truppen. Der Kaiser atmete erleichtert auf, als ihm gemeldet wurde, Eugen sei glücklich wieder über die Alpen, ohne einen einzigen Mann verloren zu haben.

Sieggekrönt kehrte Eugen von Savoyen im Herbst des Jahres 1707 aus Italien heim. Ein erklärter Liebling der Wiener, empfing er in der Kaiserstadt auf Schritt und Tritt stürmische Huldigungen, und manches fliegende Blatt trug seinen Ruhm in die weite Welt. Rührende Beweise der Verehrung und Bewunderung erhielt er von hoch und niedrig. So setzte ihn ein armer Gärtner, der sich mühselig ein paar Groschen erspart hatte, zum Erben ein. Und wie selbst die Geringsten unsers Helden in Liebe gedachten, so auch die Mächtigsten dieser Erde. Als nach der Abdankung Augusts des Starken von Sachsen der polnische Thron frei wurde, schlug Zar Peter der Große Eugenius zum König vor. So winkte dem Prinzen ein eignes Reich und eine Herrscherkrone. Jeder andre hätte wohl hastig nach diesem höchsten irdischen Schmuck gegriffen. Dem Kaiser war sein Feldherr unentbehrlich, doch überließ er die Entscheidung großmütig Eugen selbst und schrieb dem Zaren nach Petersburg, daß er nicht die Absicht habe, »des Prinzen Glück im mindesten hindern zu wollen«. Ganz Deutschland erwartete mit banger Spannung den Entschluß unsers Helden. Eugens Treue zu Kaiser und Reich hieß ihn die fremde Krone zurückweisen. Er verzichtete, weil ihm jede Eitelkeit fremd war, und weil sein hohes Pflichtgefühl den deutschen Marschallsstab dem Szepter Polens vorzog. So und nicht anders hatte der ritterliche Mann handeln können; nach allem, was wir bisher von ihm gehört, war sein edles Herz keines andern Entschlusses fähig.

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