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Ein Stubenhocker und Bücherwurm ward Eugenius schon als Knabe genannt; das Studierzimmer hatte er früh mit der Walstatt vertauscht, aber die Liebe zu den Büchern verließ ihn zeitlebens nicht. Heute fordert der Soldatenstand ein reiches Wissen, und die Bildung des Herzens wird nicht gering geachtet von den Jüngern der Kriegskunst. Doch in den Tagen des Prinzen Eugen genügte ein Paar feste Arme, um es im Waffenhandwerk zu Ansehen und Würden zu bringen. Es gab hohe Offiziere, die nur notwendig zu lesen und zu schreiben wußten und dem Lerneifer unsers Prinzen mit Geringschätzung begegneten. Er hat diese Leute nie überzeugen können, daß ein Feldherr auch Kenntnisse braucht, die scheinbar mit dem Kriegswesen nichts zu tun haben. Ein allgemeines Wissen kommt jedem Beruf zugute, und Eugenius wäre ohne seine geliebten Bücher nie der große Staatsmann geworden und nie der weitblickende Armeeführer.
Dem vielbeschäftigten Manne war seine Bibliothek stets eine Quelle der Erquickung, und in den seltenen Stunden, da er von des Tages Mühen rastete, griff er immer wieder zu den Büchern. Sie wurden ihm ein Trost in mancher Enttäuschung; als ihm die Ungnade des Kaisers drohte, als er vom Hofe verdrängt, den Neidern fast zum Opfer fiel, schöpfte Eugenius neuen Mut an dem unversiegbaren Born des Wissens. Nicht nur zum Schmuck der schöngeschnitzten Schreine erwarb der Prinz die auserlesenen Bände, er vertiefte sich auch in ihren ernsten Inhalt, und man rühmte ihm nach, daß er in der stattlichen Reihe seiner Bücher kein einziges Werk ungelesen ließ. Das will was bedeuten bei einer Bücherei, die Werke aller Wissenszweige umfaßte und deren Wert mit dreihunderttausend Mark nicht zu hoch angesetzt wurde. Ein Blick auf diese Sammlung verrät sofort den geläuterten Geschmack ihres Gründers; sie bildet noch heute den kostbarsten Besitz der Wiener Hofbibliothek.
Eugen forderte von einem edlen Buch auch ein würdiges Gewand; nur Prachtbände duldete er in seiner Bücherei, sie waren mit dem goldgepreßten prinzlichen Wappen geziert und ohne Ausnahme mit Goldschnitt versehen. Schon der Einband ließ den Wissenszweig erkennen, dem das Werk angehörte. Theologie und Jurisprudenz wiesen dunkelblaue Lederbände auf, rot gebunden waren die geschichtlichen Werke, und die Naturwissenschaften glänzten in gelbem Leder.
Wann der Prinz von Savoyen den Grund zu seiner prächtigen Bibliothek gelegt hat, wissen wir heute nicht mehr, allein ihre kostbarsten Schätze stammen sicher erst aus der langen Friedenszeit nach dem Spanischen Erbfolgekrieg. Doch schon während der ausgedehnten Feldzüge, die den edlen Ritter durch halb Europa führten, dachte er an die Bereicherung seiner Bücherei. In Italien, in den Niederlanden, überall, wohin den Feldmarschall der Weg führte, war er bemüht, wertvolle Bücher und Kunstwerke zu sammeln und opferte, ohne zu zögern, dafür oft bedeutende Summen.
Die Teilnahme Eugens für die schönen Wissenschaften war kein Geheimnis geblieben; so widmeten dem Prinzen die hervorragendsten Dichter und Gelehrten ihre Schriften. Auch hatte er überall seine Vertrauensmänner, die ihn von den neuen Erscheinungen aus dem Reiche des Geistes sofort verständigen mußten. Nicht selten geschah es, daß der Prinz eigenhändig an die Verfasser bedeutsamer Werke ein Schreiben richtete, wenn er erfuhr, daß sie eine neue Arbeit unter der Druckerpresse hatten. So kam der Feldmarschall mit den geistigen Größen seiner Zeit in den regsten Briefwechsel, und wir erleben das ungewöhnliche Schauspiel, daß ein Held ebenso auf der blutgedüngten Walstatt zu Hause ist wie im blumenumhegten Tempel der Musen.
Die Bezeichnung »Beschützer der Künste und Wissenschaften« – so oft den Mächtigen dieser Erde fälschlich zuerkannt – verliert bei Eugenius den schmeichlerischen Sinn. Er war ein ehrlicher Gönner aller edlen Bestrebungen und hat sie sein Leben lang wahrhaft fürstlich gefördert und unterstützt. Es wird immer ein schönes Zeugnis für seine geistige Größe bleiben, daß er dem ersten deutschen Denker, dem Philosophen Gottfried Wilhelm von Leibniz, innig befreundet war.
Leibniz wollte in Wien eine Akademie der Wissenschaften gründen, denn sein Traum war es, das gesamte geistige Leben Deutschlands in solch einer Anstalt zu vereinigen. Die Residenz des Kaisers erkannte er als den wichtigsten Sammelplatz für alle Bestrebungen zur Erstarkung der deutschen Kultur. Denn seinem gewaltigen Geiste schwebte damals schon die Einigung unsers Vaterlandes vor, und in der Pflege deutscher Sprache und Sitten erkannte er den festesten Kitt für den Bau des Germanenreiches.
Auch Eugen hatte ähnliche Ziele, auch sein Lebenswerk galt der Größe Deutschlands. So waren die Bestrebungen der beiden großen Männer eng verwandt, und der Prinz fühlte sich zu Leibniz mächtig hingezogen. Mit hinreißender Beredsamkeit hatte der Philosoph das Erbrecht des Hauses Habsburg auf die spanische Königskrone vertreten; Prinz Eugen verteidigte mit dem Schwerte, was Leibniz mit der Feder verfochten hatte, und so wurden beide zu Freunden.
Gottfried Wilhelm von Leibniz erscheint 1712 zum zweitenmal in Wien und wird am Kaiserhof nach Gebühr gefeiert. Nun ist der Palast Eugens, das Lustschloß Belvedere, des Denkers liebster Aufenthalt. Zwischen den grünen Taxushecken der Laubgänge wandeln, Arm in Arm, die beiden großen Geister, und der Verfechter des ewigen Friedens und der Kriegsheld tauschen hier manchen unvergänglichen Gedanken. Da Leibniz sein Hauptwerk, die Monadologie, abschloß, setzte er aus das Widmungsblatt den Namen des Prinzen Eugen, und der Feldmarschall hält diese Handschrift bis ans Lebensende in liebevoller Hut. »Mein teuerstes Gut« nennt er das Manuskript. Ein Glasschrank schützt es vor der Berührung ungeweihter Hände, und nur seinen Vertrauten wird als besondere Auszeichnung ein Blick in den Schatz gestattet. Auch von der geplanten Gründung einer Akademie in Wien redeten die beiden Freunde viel, aber die Entwürfe dazu mußten ein schöner und unerfüllter Traum bleiben.
Kaiser Karl beschäftigte sich damals mit dem Plan zu einer Kunstakademie. Bald wurde diese Hochschule der Malerei nach italienischem Muster ins Leben gerufen, und da Österreich durch die jahrelangen Kriege ohnehin in großen Geldnöten war, konnte Leibniz trotz der Unterstützung des Prinzen Eugen am Kaiserhofe den fruchtbringenden Gedanken nicht durchsetzen. Wohl brachte er die Einführung des gestempelten Papiers für Bittschriften und Gerichtsakte in Vorschlag, um seinem Plan die sichere finanzielle Grundlage zu geben, allein die Stände wollten solch einer Steuer nicht zustimmen. In Berlin hatte der Philosoph mehr Erfolg, und es bleibt ein Ruhmestitel der preußischen Könige, daß in ihrer Hauptstadt die erste deutsche Akademie der Wissenschaften entstanden ist.
Der Durst des Prinzen nach reicherem Wissen und Erkennen ließ ihn den Umgang mit Gelehrten und Künstlern über alles schätzen. So wurde er auch ein Gönner des französischen Lyrikers Jean Baptiste Rousseau, der seiner Spottgedichte wegen aus Paris hatte fliehen müssen. Der Franzose aß in Deutschland das Brot der Verbannung, und Eugenius bat ihn, nach Wien zu kommen. Rousseau wurde in der Kaiserstadt mit Aufmerksamkeiten überhäuft, und da sich Prinz Eugen seiner liebevoll annahm, fand der Fremde unter den Wienern bald das ersehnte Behagen wieder.
»Ich befinde mich,« urteilt der Gast in einem Briefe, »an dem kaiserlichen Hofe schon nach zwölf Tagen so, wie ich mich in Frankreich nach der gleichen Anzahl von Jahren befunden habe, nur mit dem Unterschied, daß ich hier keine Feinde besitze. Alle Herren des Hofes sprechen unsre Sprache, und die Mehrzahl von ihnen kennt ihre Vorzüge besser als wir selbst. So war es schon vor meiner Ankunft in der Mode, und die ausgezeichnetsten Männer zeigen den lebhaften Wunsch, mich zu sehen und mit mir zu sprechen. Prinz Eugen behandelt mich mit außerordentlicher Güte und fährt fort, mich mit Beweisen von Freundschaft und Liebe zu überhäufen. Ich speise oft bei ihm, sowohl bei Festmahlen als im vertraulichen Kreise, und finde ihn im Privatleben noch bewunderungswürdiger als an der Spitze der Heere. Denn niemals habe ich in einem Manne so viel Größe mit so viel Einfachheit vereinigt gesehen. Er ist ein kriegerischer Philosoph, der seine Würden und seinen Ruhm mit Gleichgültigkeit betrachtet und die Fehler, die er gemacht hat, mit der nämlichen Offenheit erzählt, als ob von einem andern die Rede wäre; kalt bei der ersten Begegnung, äußerst vertraulich bei längerem Umgänge, ein weit größerer Bewunderer der Tugenden andrer als seiner eignen Vorzüge.«
Das edle Herz Eugens wollte überall gern helfen, darum erwirkte er auch für Rousseau, dem die Heimat verschlossen war, den gut bezahlten Posten eines kaiserlichen Geschichtschreibers in den Niederlanden. Dort verband sich der Franzose in schnöder Undankbarkeit gegen seinen Wohltäter mit den Feinden des Prinzen. Um jene Zeit war Eugenius noch Statthalter von Flandern, und seinem Stellvertreter bereitete der verbannte Dichter durch allerhand Ränke große Ungelegenheiten. Der Prinz von Savoyen dachte vornehm genug, um Rousseau seinen schwarzen Undank nicht büßen zu lassen. Doch sein Vertrauen entzog er ihm und brach den bis dahin eifrig gepflegten Briefwechsel mit diesem begabten, aber charakterschwachen Manne ab.
Mehr Treue bewies dem Prinzen ein Landsmann Rousseaus, der angesehene Kupferstecher Pierre Jean Mariette. Durch das Vertrauen des Feldmarschalls ausgezeichnet, hat der treffliche Künstler dem Sammeleifer Eugens bedeutende Dienste geleistet. Mariette, der die Kunst seines Vaters erbte, wanderte als ganz junger Mensch nach Österreich ein und wurde in Wien ansässig. Unser Prinz bediente sich seiner gern in Angelegenheiten der schönen Künste und erbat oft den Rat des feinfühligen Kupferstechers, namentlich wenn es galt, Handzeichnungen und Radierungen zu erwerben. Aus diesem Verkehr entsproßte zwischen den sonst in ihrer Wesensart so verschiedenen Männern eine innige Freundschaft. Eugen beauftragte Mariette mit der Sichtung der Handzeichnungen und Porträte, deren unvergleichlicher Reichtum einzig war in seiner Art. Die berühmtesten Meister waren in dieser überaus kostbaren Sammlung vertreten, die Kupferstiche allein füllten fast dreihundert mächtige Folianten, während die handgezeichneten Bildnisse über zweihundert Bände einschlossen.
Als diese wertvolle Sammlung endlich sorgsam geordnet war, sandte Eugenius den jungen Künstler nach Italien. Im gelobten Lande der Schönheit sollte Mariette seine bildnerischen Studien zur Reise bringen; der Prinz trug die Kosten der Reise. Unauslöschlich war die Dankbarkeit des Künstlers, er hat durch seine Treue die häßliche Handlungsweise Rousseaus gleichsam wieder gutgemacht. In Italien stöberte Mariette manche Kostbarkeit auf, die er für die Sammlung Eugens erwarb, und er reiste später auch nach Paris, um dort Kunstschätze einzukaufen.
In der Geburtsstadt des Prinzen lebten noch einige greise Dienstboten des gräflichen Hauses Soissons, die Eugens Jugend betreut hatten. Der Kupferstecher Mariette mußte nun die alten Diener aufsuchen und ihnen mit den Grüßen seines Gönners und Freundes auch eine reiche Unterstützung überbringen. So hochherzig handelte unser Prinz immer, denn Wohltun war sein höchstes Glück. Er liebte es aber nicht, solche Liebeswerke an die große Glocke zu hängen. In aller Stille tat er Gutes auch in Wien, wo viele arme Leute von seinen Almosen lebten.
Den Bedrängten beizustehen, sie zu stützen und ihnen zu helfen, war ihm zur lieben Gewohnheit geworden. Kaum begreifen kann man es, daß der wilde Krieg das Lebenselement dieses Mannes werden konnte. Es hat ihn auch am meisten geschmerzt, wenn ihm seine Verleumder zum Vorwurf machten, daß er im Kampfe das Leben der Soldaten mißachte und die Mannschaften überflüssig dem Verderben preisgäbe. Das war eine Lüge. Eugenius reichte jedem den Arm, der um Hilfe rief, und er tat Gutes, weil er reines Herzens war und das Unrecht haßte. Da lebte in Italien der Rechtsgelehrte und Historiker Pietro Gianone; der hatte sich die Mächtigen des Landes zu Feinden gemacht und schmachtete nun zum Lohn für seine unerschrockene Offenheit im Kerker. Prinz Eugen half ihm aus dem Gefängnis und hat auch manchen andern noch aus Bann und Zwang befreit. Denn er verehrte den freien Geist in jedem Menschen und, obwohl er ein gläubiger Katholik war, fand er am Kaiserhof manches scharfe Wort des Tadels gegen die Verfolger der Protestanten im neugewonnenen Ungarn.
Viele Offiziere Eugens folgten dem Beispiel ihres Führers und wurden den schönen Wissenschaften und den Künsten hold. Des Prinzen Adjutant, der Freiherr von Petrasch, genoß als Dichter und Kunstfreund Achtung; er setzte sich für die Pflege der deutschen Sprache ein und machte sich auch den Plan Eugens, die Gründung einer gelehrten Gesellschaft in Wien, zur Aufgabe. Unter den Generalen unsers Helden wirkte ferner General Marsigli, der als Ingenieur und Mathematiker, als Geograph und Naturforscher, als Menschenfreund und Schöngeist mindestens so bedeutend war wie als Soldat. So hat Eugenius die Achtung vor den Wissenschaften in die Armee getragen, wie er den Gelehrten eine bessere Meinung vom rauhen Kriegshandwerk beibrachte.
Der Prinz von Savoyen stand mit halb Europa im Briefwechsel. Alle hervorragenden Franzosen und Italiener seiner Zeit durften sich einer Verbindung mit ihm rühmen, doch am liebsten schrieb er dem Kardinal Alexandro Albani, der gleich ihm ein glühender Verehrer der Musen war. Die Villa des Kardinals in Rom barg eine Fülle der edelsten Kunstschätze, und der gewiegte Kenner stellte dem Prinzen die jahrelangen Erfahrungen auf diesem erlesenen Gebiete mit tausend Freuden zur Verfügung.
Eugenius opferte den größten Teil seiner Einkünfte der Kunstliebe. Die Pracht des französischen Königshofes hatte auf ihn einen unauslöschlichen Eindruck gemacht. Im Hause der Eltern liebte man auch die Schönheit, und als ihn später sein ritterlicher Beruf in die Bezirke der edelsten Kunst führte, als er in Italien und in den Niederlanden jahrelang verweilen mußte, da waren dem Helden die Augen aufgegangen, und sein Herz war zur höchsten Kunstbegeisterung entflammt.
Arm kam Eugenius nach Österreich, doch die Huld dreier Kaiser hatte ihm Reichtümer an barem Gelbe und einen ausgedehnten Grundbesitz verschafft. Als der Feldmarschall starb, schätzte man sein Vermögen auf zwei Millionen Gulden, und so groß diese Summe heute noch ist, in den Tagen Eugens hatte sie zehnmal mehr zu bedeuten. Denn damals war das Geld teuer, und ein herrliches Schlachtroß kostete in jener Zeit weniger als heute der elendeste Droschkengaul.
Vierundzwanzig Schlachten und Belagerungen hatte der Held siegreich bestanden, zweiunddreißig Feldzüge mitgemacht, und seines Herrschers Dankbarkeit prägte dem edlen Ritter zu Ehren nach jeder Großtat eine Denkmünze in Gold oder Silber. Daß Eugenius diese Zeichen der kaiserlichen Huld treu bewahrte, läßt sich denken, und allmählich wuchs seine Medaillensammlung, durch andre Denkmünzen aus verschiedenen Jahrhunderten bereichert, zu einem großartigen Münzkabinett heran.
Eugens Verdienste fanden ihre Verherrlichung nicht nur auf kaltem Metall durch die kunstgeübte Hand des Formschneiders in Gold und Silber geprägt; in lebhaften Farben schilderten die bedeutendsten Maler seiner Zeit des Feldherrn Ruhm. Heute noch kann man ihn in der Königlichen Galerie zu Turin auf zehn großen Ölgemälden mitten im Schlachtgewühl betrachten. Immer trägt er sein braunes Kapuzinerröcklein, schlicht und unansehnlich, und reitet auf einem milchweißen oder isabellafarbenen Streitroß. So wird die Legende, daß die Soldaten ihren vergötterten Eugenius zärtlich den »kleinen Kapuziner« genannt, durch die Bildnisse bestätigt. Ein einfacher Küraß diente ihm als Brustharnisch, und jeglichen Prunk mied er im Felde. So hat unsern Helden Johann van Hugtenburg, der treffliche Holländer, im Bilde festgehalten, und so lebt er im Herzen des deutschen Volkes, bescheiden und groß.
Das bedeutendste Denkmal seiner Kunstbegeisterung hat der edle Ritter im Schlosse Belvedere zu Wien hinterlassen. Welche Pracht umschließt heute noch das Übriggebliebene, welche Fülle verschwenderischer Schönheit! Der berühmte Baumeister Fischer von Erlach, der großzügige Vertreter des Barockstils, wurde von Eugenius ausersehen, sein Lustschloß aufzuführen. Die Werke Fischers von Erlach werden heute noch bewundert, wofern nicht späterer Unverstand ihren edlen Linienfluß durch Umbauten zerstörte. Bis in die Einzelheiten vertiefte sich der Prinz in die Pläne des Werkes, er allein hat alles ausgedacht und angeregt, und ein ganzer Stab einheimischer und fremdländischer Künstler wetteiferte, den Entwürfen Eugens gerechtzuwerden.
Zwischen Auen und wogenden Kornfeldern gelagert, auf einer sanften Anhöhe unmittelbar vor Wien, bot das majestätische Schloß einen unvergleichlichen Blick über die Kaiserstadt. Nach mehrjähriger Arbeit war der Palast endlich vollendet, und nun begann die innere Ausschmückung, deren bildnerische Zier dem Kunstgeschmack des Bauherrn alle Ehre macht. Die Wände der Prunkgemächer sind mit herrlichen Gemälden bedeckt, behagliche Wohnräume wechseln mit weitläufigen Sälen, und schon das stolze Stiegenhaus versetzt den Besucher in eine feierliche Stimmung.
Eugenius war auch ein Freund der Bildhauerkunst. Er hatte für den Reiz plastischer Werke ein gutes Verständnis, darum schätzte er die Arbeiten des tüchtigen deutschen Meisters Balthasar Permoser. Permoser wurde die Aufgabe zuteil, manchen Gedanken Eugens in Marmor festzuhalten. Der Geschmack jener Zeit erging sich am liebsten in Sinnbildern, deren Enträtselung den Freunden der Kunst eine edle Aufgabe schien. So wird die Gestalt Eugens dem Bildhauer zum Symbol. Da er die Statue unsers Helden in weißem Marmor formt, erscheint der Prinz von Genien seines Geistes umgeben und zertritt den häßlichen Neid mit dem Fuße. Frau Fama, die geschwätzige Dame, schwebt dem Feldherrn zur Seite, doch er will nicht, daß sie seinen Ruhm in die Welt posaunt und verschließt bescheiden mit der Hand die Mündung der Siegestrompete.
Das herrliche »Belvedere« (zu deutsch: schöne Aussicht) wurde der Lieblingsaufenthalt des Prinzen. Weit ausgedehnte Gärten mit den erlesensten ausländischen Pflanzen umgaben den Prachtbau, und der Schloßpark Eugens gelangte schnell zu einer Berühmtheit. Denn aus allen Weltgegenden hatte sich der Feldmarschall seltene Sträucher und Gewächse verschrieben, und selbst bis aus Persien ließ er sich Blumen senden. Haarlem war damals der Mittelpunkt der Tulpenzucht; wer in der Gartenkunst etwas leisten wollte, ging nach Holland, die Gärtnerei zu erlernen. Dort studierte auf Wunsch des Prinzen ein junger Mann das schöne Handwerk, und ihm übertrug dann der Prinz von Savoyen die Pflege seines Parkes.
Der Schlachtenlenker ein Freund der Blumen! Welch herzbewegendes Bild, den Helden der blutgetränkten Walstatt als Gärtner walten zu sehen! Ihm war es aber nicht bloß um den Schmuck seiner wundervollen Parkanlagen zu tun, er wollte auch die Botanik als Wissenschaft fördern, und der bedeutende Pflanzenforscher Micheli gab einer Myrthenart dem Prinzen zu Ehren den Namen Eugenia. Der edle Ritter vergalt diese Huldigung des Gelehrten durch ein herrliches Geschenk. Doktor Micheli erhielt das Herbarium Eugens, das heute noch eine Zierde des Florentiner Museums bildet. Alles, was in Deutschland wächst und blüht, hat der Prinz darin aufgenommen und mit eigner Hand den Namen der Pflanzen und ihren Ursprung eingetragen.
Mit dem Spaten in der Hand und mit der Botanisiertrommel hat der Kriegsmann die deutschen Gaue durchwandert. Fast allumfassend ist das geistige Leben dieses seltenen Menschen. Er ist Soldat und Staatsmann, Kunstkenner und Naturfreund, und wie er in der Pflege der Pflanzen mehr als eine oberflächliche Liebhaberei sieht, hat er auch für die Tiere eine große Teilnahme. Im Belvederegarten hielt der Prinz ausländische Tiergattungen, und seine Menagerie war eine der größten in ganz Europa. Gegen fünfzig verschiedene Arten von Säugetieren lebten da in einer behaglichen Gefangenschaft, und einige waren so zu Lieblingen des Prinzen geworden, daß er sie täglich selbst fütterte.
Die Herrscher und Fürsten kannten die Neigung Eugens für seltene Tiere und versäumten nicht, ihn durch Widmungen für seinen Wildpark zu erfreuen. König Friedrich Wilhelm I. von Preußen bereicherte wiederholt diese Sammlung und gedachte dabei auch der besonderen Vorliebe Eugens für exotische Vögel. So hat der Prinz das Lustschloß Belvedere zu einer Sehenswürdigkeit der Kaiserstadt ausgestaltet, und sein Beispiel regte die erlauchten Herren des Hofes zur Nachahmung an, Ähnliches zu schaffen.
Der Stadt Wien wird mit Recht nachgerühmt, daß sie wunderschöne Anlagen besitzt; doch erst seitdem es einen Belvederepark gibt, ist die Residenz der Habsburger eine Gartenstadt. Beschränkte Leute beobachteten mit scheelen Augen die Freude des Prinzen Eugen am Schönen, und nicht nur den Garten und die Menagerie machten sie ihm zum Vorwurf, auch seine Kunstliebe wurde durch hämische Bemerkungen verunglimpft. Und doch verdankte Deutschland dem Mäzenatentum des Prinzen viel; manchem schaffenden Künstler hatte er Brot und Arbeit gegeben, und seine großartigen Kunstsammlungen haben den Zeitgeschmack veredelt. Wir wissen, daß Eugenius für die Armen wie ein Vater gesorgt hat, und da er unvermählt blieb, brauchte er mit seinem Vermögen nicht so ängstlich hauszuhalten, wie es ein sparsamer Familienvater tun muß. Darum gab er mit vollen Händen, und er gab gern.
Als der Feldherr starb, gerieten die erlesenen Kunstschätze und sein ganzer Reichtum in die Hände einer habsüchtigen Frau. Für die idealen Bestrebungen Eugens hatte seine Nichte Viktoria von Savoyen keinen Sinn; ihr einziges Ziel war, schnell alles zu Geld zu machen. Gewissenlos verschleuderte die Erbin die Herrlichkeiten, und was der edle Ritter in jahrelanger, mühevoller Sammlerarbeit mit dem feinsten Verständnis zusammengetragen hatte, wurde nun zu Spottpreisen an den Meistbietenden veräußert. Ganz Europa sprach mit Abscheu von diesem häßlichen Vorgehen der Prinzessin; mit französischen und lateinischen Spottversen wurde die entartete Nichte des großen Mannes bedacht.
In alle Länder zerstreut sind heute die Schätze des Prinzen von Savoyen, und nur was der Kaiser durch schnellen Ankauf gerettet hat, blieb von den Kunstwerken Wien erhalten. Das Belvedere erwarb das Kaiserhaus und ebenso den schönen Palast in der Himmelpfortsgasse. Die weitläufigen Güter Eugens in Ungarn aber fielen, nach dem damaligen Erbrecht, zum Schmerz der geizigen Erbin, dem Staate zu. Diese Güter hatte der Prinz mit besonderer Sorgfalt bewirtschaftet: Sümpfe ausgetrocknet, Weingärten angelegt und deutsche Kolonisten in das fruchtbare Banat berufen. So zeigte er den Madjaren durch seine Musterwirtschaft, wie man ersprießlichen Landbau treibt. Jetzt noch lebt das Andenken unsers Helden in den Ebenen Ungarns, wo er manches Dorf begründete, und wo ihm zur Feier ein schmuckes Örtchen Eugenius-falva heißt. Die Urenkel jener fleißigen Schwaben, die in den Tagen des Helden die ungarischen Eichenwälder rodeten, haben ihre deutschen Sitten und Gebräuche bis in die Gegenwart treu gehütet. Das Land, durch das ihr Pflug die Furche zieht, ist ein Geschenk des tapferen Feldherrn, der es dem Halbmond abrang, um es deutschen Bauern zu geben. Darum führen diese Bezirke heute noch den Namen: die schwäbische Türkei.
Ein seltener Reichtum an Erfolgen krönte das unvergleichliche Wirken Eugens. Seine heroische Laufbahn ist gleich beschattet vom kriegerischen Lorbeer wie von den Palmen des Friedens. Sein gesegnetes Leben, das reich war an Arbeit und ebenso reich an Ruhm, hat nun das biblische Alter erreicht. Noch immer wirkt er rastlos für Kaiser und Reich, und wenn ihm versteckter Neid den Rat gab, den Lebensabend in müßiger Beschaulichkeit zu verbringen, dann hatte er nur die eine Antwort: »Was kann ich dafür, daß der Himmel mich so lange von meinem Posten nicht ablöst?«